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Der erste Radweg in Graz war illegal #

Aktivisten pinselten 1980 den ersten modernen Radweg illegal auf einen Gehsteig – und wurden prompt angezeigt.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


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Die illegalen Sponti-Pinsler treffen sich zum 10-Jahre-Jubiläum am „Tatort“: Günther Tischler (l.), Peter Hagenauer (r.)
© SOMMER

Was heißt illegale Aktion?“, erregt sich Peter Hagenauer, Radaktivist und Grüne- Politiker der ersten Stunde. „Das war der Durchbruch für die Grazer Radwege. Aber Ehre, wem Ehre gebührt, und das ist in diesem Fall Günther Tischler.“

Besagter Günther Tischler, Raumplaner, Radfahrer, Politaktivist und später Gemeinderat der Alternativen Liste Graz, hat Ende der 1970er-Jahre einige Zeit in Berlin gelebt. „Dort habe ich gesehen, dass man mit Bürgerinitiativen in einer Stadt sehr viel erreichen kann“, erinnert er sich. „Und so versuchten wir uns im Arbeitskreis ,Energie & Verkehr‘ einfach in die Verkehrsprojekte der Grazer Stadtplanung einzumischen.“

Der Arbeitskreis war von Peter Pritz, dem Leiter des Afro-Asiatischen Instituts, ins Leben gerufen worden. Mit dabei „ein bunter Haufen von Raum- und Verkehrsplanern, Studenten, Angestellten und Stadtflaneuren“, so Tischler. Da wurden Lösungen für eine autogerechte Stadt diskutiert. „Dazu kam unsere Idee vom Fahrrad als alltagstauglichem Verkehrsmittel, mit dem man zeigen könnte, dass man auch eine andere, menschliche Verkehrspolitik gestalten kann. Aber das war noch nicht in den Köpfen der Politiker drin.“ Mit einer Ausnahme – Planungsstadtrat Erich Edegger (ÖVP), der immer mit dem Rad ins Büro fuhr.


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Der illegale Radweg
Foto: VIKTOR PÖLZL

Die Papier-Pläne #

Am 9. Juni 1979 wurde eine große Fahrrad-Demo organisiert – als Radsternfahrt zum Hauptplatz samt großem Fest im Stadtpark. Aber auch Stadtrat Edegger war fleißig am Planen, schnell hatte er mit Verkehrsplaner Gerd Sammer ein Radwegekonzept fertig.

„Das waren super Pläne“, weiß Tischler. Doch sie wurden nicht umgesetzt. Ein Jahr darauf, im Juni 1980, bestand Edeggers Radwegekonzept noch immer nur auf dem Papier. Der VP-Politiker konnte sich gegen seine eigenen Parteifreunde aus der Wirtschaft nicht durchsetzen. Jetzt lud der „bunte Haufen“ wieder zu einer Fahrrad-Demo – und dachte sich: „Wenn ihr das nicht zusammenbringt, dann machen wir das“, schildert Tischler. „Quasi als Best-Practice-Beispiel für unbürokratischen Radwegebau wurde in einer Nacht- und Nebelaktion in der Wilhelm-Fischer-Allee im Stadtpark eine Radwegverbindung auf einen Gehsteig aufgepinselt, und tags darauf während der Fahrradsternfahrt feierlich eröffnet.“

Die Folge: Anzeigen wegen Sachbeschädigung und Amtsanmaßung sowie eine Vorladung in die Polizeidirektion. Doch Edegger vermittelte. „Der schlaue Fuchs bot uns einen Deal an“, erzählt Tischler. „Die Stadt zieht die Anzeigen zurück, wenn wir dem Straßen- und Brückenbauamt die aus Waschmaschinenkartons gebastelte Markierungsschablone überlassen.“

VP-Planungsstadtrat Erich Edegger, © AMSÜSS
VP-Planungsstadtrat Erich Edegger
© AMSÜSS

Edegger war ein Vollblutpolitiker. Um seine Ideen von einer Rad-Stadt Graz in seiner eigenen Partei durchsetzen zu können, brauchte er den Druck von der Straße. Sein politischer „Geniestreich“, wie Tischler es bezeichnet: „Er band uns in die Arbeitsgruppe Radwege mit ein. Wir sind uns dabei sehr wichtig vorgekommen, waren schwer beschäftigt – und quasi ruhiggestellt.“ Aus der Kampfgemeinschaft Edegger/Tischler entstand eine persönliche Freundschaft. 1981 beschloss der Gemeinderat das Radwegekonzept, und Tischler zog als Gemeinderat der ALG ins Stadtparlament ein. Aber sie brauchten sich weiterhin gegenseitig, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen.


Völlig neue Verkehrspolitik #

Dem Team Edegger/Sammer gelang es, die Verkehrspolitik in Graz beispielgebend auf eine völlig neue Basis zu stellen. Aus der „autogerechten Stadt“ wurde eine „menschengerechte Stadt“, in der die sanfte Mobilität im Vordergrund steht: Einbahnsystem, Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Radwegnetzes, Radwege zum Teil auch gegen die Einbahn und in der FUZO, flächendeckend Tempo 30. „Erich Edegger war authentisch und hat was umgesetzt“, sagt Günther Tischler. Doch er konnte sein Werk nicht vollenden. Am 28. Oktober 1992 starb Edegger überraschend mit 52 Jahren an einer Hirnblutung.

„Gerade bei der Öffnung der Einbahnen wagte sich Edegger weit auf rechtlich nicht wirklich gesichertes Terrain vor“, schreibt Radlobbyist Wolfgang Wehap in der Vereinszeitung „Argus“. Mit seinen unechten Einbahnen, die für Radfahrer geöffnet waren, „umging er die bestehende StVO Regelung, die erst 1983 entsprechend novelliert werden sollte“.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele




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