Jeder fünfte Grazer starb an der Pest #
Man schrieb das Jahr 1680, der „Schwarze Tod“ hatte Graz fest im Griff: 4608 Einwohner waren von der Pest befallen, 3465 starben laut Aufzeichnungen der Totengräber – ein Fünftel der Stadtbevölkerung.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Die erste bekannte Pestepidemie seit der Antike wurde 1348 aus dem Orient in Europa eingeschleppt und kostete Millionen Menschen das Leben. Sie verbreitete Tod und Schrecken, weil man die Ursache nicht kannte. Da auch alle Gegenmaßnahmen erfolglos blieben, nahm man die Pest als Strafe Gottes hin.
Viele fügten sich dem Schicksal, beteten und geißelten sich, um Gott zu versöhnen. An die mangelnde Hygiene, die fehlende Abwasserentsorgung und Müllbeseitigung dachte niemand. Immer neue Wellen der Pest suchten Europa heim und dezimierten die Bevölkerung. Die Krankheit kündigte sich stets durch hohes Fieber und quälenden Durst an. Große Schwäche befiel die Patienten, oft brachen sie einfach auf der Straße zusammen. Nach wenigen Tagen traten Pestbeulen an den Gelenksbeugen auf.
In und nach dem Dreißigjährigen Krieg kam es zur zweiten großen Pestepidemie in Europa. Im Spätsommer 1679 wütete der „Schwarze Tod“ in Niederösterreich undWien. Kaiser Leopold I. flüchtete mit seinem Gefolge nach Mariazell – und verschleppte so die Pest in die Steiermark.
Die Pest kommt nach Graz#
Vor den Stadttoren von Graz wurden vier Kreuze aufgestellt, an die alle zur Strafe angebunden wurden, die sich ohne Gesundheitskontrolle in die Stadt einschleichen wollten. Dr. Adam von Lebenwald, ein bekannter steirischer Arzt, empfahl der Bevölkerung als Therapie starke Schwitzkuren, die Einnahme von Theriak, Pimpernelle und Wacholder. Die größte Hilfe aber erwartete sich das Volk von den acht Nothelfern Maria, Sebastian, Rosalia, Rochus, Franz Xaver, Anton, Ignaz und Joseph.
Da laut Magistratsverordnung die Toten nicht innerhalb der Stadtmauern bestattet werden durften, legte man in der Nähe der Pesthütten, wie die Lazarette vor den Stadtmauern damals hießen, Friedhöfe an. Also im Bereich des späteren Orpheums (Haus der Jugend) oder in der Gegend, wo heute der Stadtparkbrunnen steht. Im März 1680 wütete die Pest in St. Veit, Ende Mai mussten drei Häuser in der Murvorstadt gesperrt werden. Im Juni verbreitete sich die Schreckensnachricht, dass mitten in der Stadt im Dornspergischen Haus am Hauptplatz (heute Teil von Haus Nr. 14) die Pest ausgebrochen war. Von Tag zu Tag zählte man mehr Krankheitsfälle, immer häufiger sah man weiße Pestkreuze auf den für 40 Tage versperrten Haustoren. Im Rathaus starben 16 Menschen. In der heutigen Schörgelgasse und im Münzgraben starben allein im Juli und August 346 Personen. Am „Grätzbach“ wurden 43 Bewohner „impestiziert“. Insgesamt waren 122 von 326 Häusern infiziert.
Im Sommer 1680 mussten alle Schulen geschlossen werden. Wer aus der Stadt flüchten konnte, flüchtete. Der Landeshauptmann, der Geheime Rat, alle Würdenträger übersiedelten nach Bruck. Kein Wunder, dass in den Totenlisten vor allem ältere und ärmere Leute aufscheinen.
Laut Aufzeichnungen der Totengräber fielen in Graz 3465 Bewohner der Pest zum Opfer. 4608 Personen waren erkrankt. Wenn man davon ausgeht, dass damals laut Stadthistoriker Fritz Popelka in Graz 15.000 Menschen lebten, hat die Pest mehr als ein Fünftel hinweggerafft. Sogar das Begraben der Toten erwies sich als schwierig, da alle sechs Grazer Totengräber im Lazarett lagen.
Stadtbild veränderte sich#
Aber die Seuche hatte noch weitere Folgen für Graz: Die Verschuldung der Stadt wurde immer größer und der Mangel an Handwerkern immer drückender. Auch das Stadtbild veränderte sich, weil an vielen Plätzen aus Dankbarkeit für das lang ersehnte Ende der Seuche Pestsäulen errichtet wurden. Ende Jänner 1681 kehrte die Regierung nach Graz zurück. Im Märzwurden wieder die Schulen geöffnet, nur den Ägydimarkt verschob man sicherheitshalber in den November.
1685 wurde schließlich die Pestsäule zu Beginn der Sackstraße (die heute auf dem Karmeliterplatz steht) eingeweiht, was das Ende der Pestzeit in Graz darstellte. Dabei hielt der berühmte Pater Abraham a Santa Clara aus dem Augustinerkloster im Münzgraben vor einer großen Volksmenge seine wortgewaltige Bußpredigt. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die an dieser Stelle schon vor zwei Jahren erzählt wurde.
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