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Die „Stubenberger Revolte“#

Wie stürmisch bei uns die bäuerliche Bildungsarbeit in der Oststeiermark begann - und vor 100 Jahren in Schloss St. Martin fortgeführt wurde.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Josef Steinberger leitete und prägte das Bildungshaus mit Unterbrechungen von 1919/1920 bis 1950
Josef Steinberger leitete und prägte das Bildungshaus mit Unterbrechungen von 1919/1920 bis 1950
Foto: AStM

Als Josef Steinberger 1904 Kaplan von Stubenberg wurde, erlebte er in der oststeirischen Bauernpfarre Tag für Tag die sozialen Nöte der Bevölkerung - von der tiefen Armut bis zum mangelnden Wissen über Hygiene und gesunde Ernährung. In einem Brief an einen befreundeten Pfarrer schrieb er am 14. April 1904: „Vom Buben, der das erste Höserl anhat, bis zum alten Großvater trinken sie hier den ganzen Tag Most ... Die Wohnungen sind wahre Unratshöhlen. Der Gebrauch von Wasser, Bürste, Besen, Seife gehört - gelinde gesagt - nicht zu den alltäglichen Dingen. Überall Schmutz und Ungeziefer in Menge“, berichten Katharina Bergmann-Pfleger, Barbara Stelzl-Marx und Eva-Maria Streit in ihrem neuen Buch „Bildungshaus Schloss St. Martin 100 Jahre“ (Leykam), das anlässlich der Gründung des Bildungshauses vor 100 Jahren soeben erschienen ist.

Steinbauers Mutter, selbst Bäuerin in Aichdorf bei Fohnsdorf, ermutigte den jungen Geistlichen immer wieder, die Zustände des Bauernstandes zu verbessern. Steinberger erkannte schnell, dass nur Bildung als Hilfe zur Selbsthilfe Veränderung bringen könnte - dafür aber brauchte es Einrichtungen in der gesamten Steiermark, um den jungen Bäuerinnen und Bauern ein möglichst fundiertes Wissen zu vermitteln, damit sie die eigenen Betriebe erfolgreich führen konnten. Aber der ehrgeizige Kaplan wollte nicht nur Theorie und fachliche Ausbildung weitergeben, sondern auch lebenspraktische, kulturelle und religiöse Bildung vermitteln. Von Beginn an wusste er, dass Volksbildung nur über die Bildung der Frau gelingen konnte, denn diese hatte entscheidenden Einfluss auf Mann, Kinder und alle Mitbewohner am Hof. Dazu setzte Steinberger sich auch für die wirtschaftlichen Interessen der Bauern ein, wollte die elenden Verkehrsverbindungen verbessen und trat sogar für eine Bahnlinie ein, damit die Bauern ihre Waren besser in den Städten absetzen konnten. Diese Reformideen stießen auf große Ablehnung und Zweifel - auch im fürstbischöflichen Ordinariat, Steinberger wurde spöttisch von seinen Standeskollegen als „Eisenbahnkaplan“ bezeichnet. Und bereits 1907 erhielt er die erste Weisung, Stubenberg zu verlassen, was unter den Ortsbewohnern für Entsetzen sorgte, denn sie wollten ihren hochgeschätzten Pfarrer nicht gehen lassen.

Die Bildungsarbeit auf Schloss St. Martin begann 1918/19 mit zwei Ferialkursen für Volksschullehrer
Die Bildungsarbeit auf Schloss St. Martin begann 1918/19 mit zwei Ferialkursen für Volksschullehrer
Foto: AStM

Es kam zur sogenannten „Stubenberger Revolte“, über die Peter Rosegger in seinem „Heimgarten“ 32/1907 schrieb: „Aus neun Pfarren sammeln sich vierundzwanzig der angesehensten Männer und gehen nach Graz zum Bischof, um zu bitten, dass der Kaplan auf seinem alten Posten belassen werde. Ein ungnädiger Empfang, ein ablehnender Bescheid: Der Kaplan muß fort! Wie dann ins Dorf der Wagen kommt, um den Liebling des Volkes fortzuführen, rotten sich die Leute zusammen, belagern Straße und Brücke, heben den abreisenden Kaplan aus dem Wagen und führen in wieder in den Pfarrhof zurück. Sie erklären, keiner Gewalt weichen zu wollen, halten die Wege besetzt und laden Pöller, um nötigenfalls aus Berg und Tal noch mehr streitbare Männer zur Verteidigung zu alarmieren.“ Das zeigte Wirkung, die Weisung war nun hinfällig und Steinberger blieb weitere vier Jahre in Stubenberg. Ende 1911 wurde er in den Ruhestand versetzt, weil er infolge einer übergangenen Grippe in der Kindheit an einem Ohrenleiden litt, das arge Störungen des Gleichgewichtsorgans mit sich brachte. Aber seine Bildungsideen für junge Bäuerinnen wurden nun in die Tat umgesetzt. Denn mit Karoline Oberski fand sich eine Volksschullehrerin, die sich die Führung einer Haushaltungsschule für Bauernmädchen zutraute. Im November 1910 startete sie den ersten Bauernmädchenkurs an ihrem Dienstort St. Johann bei Herberstein mit 12 Teilnehmerinnen. Das Angebot wurde positiv angenommen, auch von den obersten Behörden und Gönnern gefördert, so dass weitere Kurse in Hofkirchen, Pöllau und Friedberg folgten. So liegt der Ursprung des Volksbildungswerkes St. Martin in der Oststeiermark und kam erst mit Steinbergers Pensionierung nach Graz, wohin er berufen wurde, um an Sonn- und Feiertagen in der Joanneumskapelle Messen zu lesen. In Graz kämpfte er nämlich weiter für seine Idee eines Volksbildungswerkes, für das er ein Zentrum suchte und mit Schloss St. Martin in Straßgang bei Graz auch fand. Die Förderer um Steinberger handelten mit Stift Admont, in dessen Besitz Schloss St. Martin seit 1144 war, einen Pachtvertrag aus. Als Pächter stellte sich Charles Henry Graf von Bardeau zur Verfügung. Aber fast wären Steinbergers Pläne so knapp vor dem Ziel noch gescheitert, da 1914 überraschend der Erste Weltkrieg ausbrach und das Schloss zu einem Lazarett umfunktioniert wurde. Trotz allem wurde aber 1916 der „Verein für bäuerliche Jugendbildung“ ins Leben gerufen und im Herbst 1918 fand der erste Kurs in Schloss St. Martin statt, der zweite Teil des Kurses folgte nach Kriegsende 1919. Das war der offzielle Beginn der Bildungsarbeit in St. Martin durch Josef Steinberger.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele



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