„Durchlaucht, das ist eine Revolution!“#
Die wirtschaftliche Not war groß, dazu unterdrückten Zensur und Spitzelwesen die Massen. Als auch noch Brot und Fleisch teurer wurden, brach die Revolution von 1848 aus.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Nach Pariser Vorbild begehrte 1848 das „gemeine Volk“ in Europa auf. Die soziale Lage war schlecht. Robot und Zehent, Zensur und Spitzelwesen ließen die Verärgerung der Massen auch im Kaisertum Österreich immer größer werden. Als sich im Hungerwinter 1847/48 die Not verschärfte, gärte es in Wien unter den Arbeiter- und Handwerkerfamilien. Erstmals wurden Suppen an Arme ausgegeben. In Oberitalien kam es zu blutigen Ausschreitungen gegen die österreichische Herrschaft, in Ungarn, Polen und Böhmen ebenso und im März auch in Wien. Erste Gerüchte über Empörungen in der Kaiserstadt drangen am 13. März bis in die steirische Hauptstadt. Schon am nächsten Tag verfassten Studenten der Grazer Universität eine Petition an Kaiser Ferdinand I. um Gewährung von Pressefreiheit, Öffentlichkeit der Rechtspflege und Schaffung einer Staatsverfassung. Und die Grazer Bürgerschaft forderte eine Bürger- und Bauernvertretung im Landtag ebenso wie Denk-, Rede- und Gewissensfreiheit. Um Tumulte zu vermeiden, versprach der steirische Gouverneur Matthias Constantin Graf Wickenburg die Petitionen an den Kaiserhof weiterzuleiten. Aber die aufgebrachten Massen stürmten das Jesuitenkloster im Münzgraben und zerschlugen Fenster und Türen, denn man gab den Jesuiten die Schuld an der geistigen Knebelung des Volkes. Kurzer Jubel kam auf, als am 14. März Erzherzog Johann aus Wien eintraf und den Rücktritt des verhassten Staatskanzlers Fürst Metternich und dessen Flucht nach England verkündete. Metternich hatte noch am Morgen über die Bürger-Krawalle gewitzelt - bis ihm ein Deputierter sagte: „Durchlaucht, das ist kein Krawall, das ist eine Revolution!“ Am selben Tag wurde die Zensur aufgehoben und eine Nationalgarde aufgestellt. In Graz wurden die Studenten mit Säbeln aus dem Zeughaus bewaffnet und bildeten eine akademische Legion, die mit einem Bürgerkorps unter Bürgermeister Hüttenbrenner Stadt und Universität bewachten. Aber schon im April kam es im „Grazer Bäckersturm“ wegen der hohen Preise für Brot und Fleisch zu weiteren Krawallen in der Sporgasse, der Sackstraße und in der Murvorstadt. Im Kälbernen Viertel stellten sich bewaffnete Fleischer der Menge entgegen und vertrieben sie. Aber die Preise für Brot, Fleisch und Bier wurden wieder gesenkt. Auch gegen das neue Pressegesetz protestierten die Bürger und empörten sich über die drohende Verhaftung des Rechtsanwaltanwärters Dr. Vinzenz von Emperger, der die radikalen Bürger anführte.
Anfang Juli kam es neuerlich zu Demonstrationen und als die Nationalgarde Verhaftungen vornahm, eskalierte die Gewalt. Geschäfte wurden in der Grabenvorstadt und Murvorstadt sowie in der Karlau demoliert, das Bürgerkorps konnte ein Übergreifen der Krawalle auf die Innenstadt verhindern, aber es gab drei Tote zu beklagen. Über den Sommer beruhigte sich die Lage, weil bekannt wurde, dass Erzherzog Johann in Frankfurt am Main zum Reichsverweser bestellt worden war. Davon erwartete man sich eine Verbesserung des politischen Klimas. Und tatsächlich wurde am 9. September in Österreich auf Antrag des schlesischen Abgeordneten Hans Kudlich durch den Kaiser die bäuerliche Untertänigkeit aufgehoben, jetzt hoffte man endlich auf ruhigere Zeiten. Doch der Schein war trügerisch. In Wien hinderte am 6. Oktober eine aufgebrachte Menge den Abmarsch von regierungstreuen Truppen nach Ungarn, um dort Unruhen niederzuschlagen. Es kam zu erbitterten Straßenkämpfen, Kriegsminister Theodor von Latour wurde ermordet und an einem Laternenmast aufgehängt. Darauf floh Kaiser Ferdinand mit seinem Hof nach Olmütz in Böhmen, Feldmarschall Windischgrätz marschierte mit Truppen von Prag nach Wien und von Osten rückte der Banus von Kroatien mit 50.000 Mann an - doch Wien lehnte eine Kapitulation ab und so kam es eine Woche lang zu erbitterten Kämpfen um die Hauptstadt. Inzwischen hatten Grazer Arbeiter, Bürger und Studenten ihre Bewaffnung mit Gewehren und Pistolen erzwungen und reisten per Zug nach Wien, um den Aufständischen zu helfen. Erst die rücksichtlose Rückeroberung Wiens durch das k.k. Militär, die 2000 Tote forderte, veranlasste die Grazer Einheiten zur Abgabe ihrer Waffen und zur Rückkehr. Gouverneur Wickenburg, der sich dem Druck des Volkes gebeugt hatte, wurde seines Amtes enthoben. Am 2. Dezember 1848 wurde der körperlich und geistig beeinträchtigte Kaiser Ferdinand I. überredet, zugunsten seines 18-jährigen Neffen Franz Joseph abzudanken. Da auch politische und wirtschaftliche Reformen zugesichert wurden, war die offene Revolution vorerst zu Ende. Die Anliegen der Arbeiter, Frauen und verschiedenen Nationalitäten wurden aber weiter unterdrückt und bildeten den Zündstoff für spätere Konflikte.
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