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Kein Segen für diesen Friedhof #


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Zentralfriedhof um 1904, Foto: © Kleine Zeitung
Zentralfriedhof um 1904
Foto: © Kleine Zeitung

Als die Grazer Stadtpolitiker 1869 die alte Idee eines Kommunalfriedhofs am Rande der Stadt wieder aufgriffen, stießen sie auf größten Widerstand. Denn im Gegenzug wollten sie die alten, traditionellen Friedhöfe in St. Leonhard, St. Peter und am Steinfeld schließen. Mehr hatte es nicht gebraucht. Zwischen Gegnern und Befürwortern flogen die Fetzen.

Mangelnde Hygiene und die Gefahr durch Leichengift waren zwar starke Argumente, aber die einfache Bevölkerung war entsetzt von der Idee einer Bestattung außerhalb der Stadt – das hatte doch immer nur für Aussätzige, Verbrecher und Selbstmörder gegolten. Und jetzt sollten alle dort begraben werden? Dabei stand lange Zeit nicht einmal fest, auf welchem Areal der neue Friedhof errichtet werden sollte. Keiner wollte ihn in seiner Nähe haben, zu groß war die Angst der Bevölkerung um das Brunnenwasser. Sicherheitshalber stellte die katholische Kirche auch gleich einmal klar, am künftigen Kommunalfriedhof keine Einsegnungen vornehmen zu wollen. Die Demonstration städtischer Selbstständigkeit war nun Teil des Kulturkampfes geworden, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen deutschliberalem Bürgertum und katholischer Kirche in Graz tobte. Im Gegenzug verfügte die Stadt zwingend, dass Aufbahrungen nur noch auf dem neuen Zentralfriedhof erlaubt wären. Ein langer Gerichtsstreit folgte, der schließlich zugunsten der Pfarrhöfe entschieden wurde.

Foto: © Kleine Zeitung
Foto: © Kleine Zeitung

Friedhof zu verkaufen#

Wegen der (damals schon) großen finanziellen Probleme der Stadt sah sich die Gemeinde 1894 gezwungen, den Friedhof um 300.000 Gulden zu verkaufen. Und wegen der noch immer drohenden Schließung aller alten Friedhöfe kaufte die Stadtpfarre zum Heiligen Blut den ungeliebten Zentralfriedhof. Da Graz nun aber fürchtete, dass das liberale Grundkonzept eines interkonfessionellen Friedhofes verloren gehen könnte, musste sich die Pfarre verpflichten, hier auch Andersgläubige – wenn auch gesondert – zu bestatten. Und so erhielt Graz ein historisches Unikum – einen interkonfessionellen Kommunalfriedhof, der im Eigentum der katholischen Stadtpfarre ist. Nach 15 Jahren Streit fand am 1. Februar 1896 schließlich doch das erste Begräbnis auf dem Zentralfriedhof statt. Dabei handelte es sich um den 29-jährigen Metalldreher Rudolf Wlasak, der während der Bauarbeiten an der Friedhofskirche zu Tode gestürzt war. Der Zentralfriedhof wurde von dem aus Wien stammenden Architekten Carl Lauzil, seit 1879 Direktor der k.k. Staatsgewerbeschule in Graz, entworfen und ab 1886 im neugotischen Backsteinstil gebaut. Die nahe Lauzilgasse wurde 1949 nach ihm benannt. Das Friedhofsareal umfasst eine Fläche von 25 Hektar mit einem Wegenetz von mehr als 6,5 Kilometer Länge – und war viel zu groß dimensioniert. Denn die anderen Stadtfriedhöfe wurden ja wegen der Proteste nie aufgelassen, die Stadt hat sich in dieser Angelegenheit nicht durchsetzen können.

Carl Lauzil, Foto: © Kleine Zeitung
Carl Lauzil
Foto: © Kleine Zeitung

Auch die bekannten Bürgerfamilien hatten anfangs für ein, zwei Generationen ihre Angehörigen auf dem neuen Zentralfriedhof bestatten lassen, waren dann aber wieder auf ihre angestammten Friedhöfe zurückgekehrt. Für 1000 Bestattungen pro Jahr war der Zentralfriedhof ausgelegt, im Moment sollen es an die 300 sein. Also sucht die Stadtpfarre andere Nutzungsmöglichkeiten für die Gebäude auf dem Areal. So befindet sich jetzt in einem Haus neben dem Haupteingang ein städtischer Kindergarten – sehr zur Freude der Kindergartentanten, denn hier können die Kleinen sorglos spielen.

Gang durch die Grazer Stadtgeschichte#

„Der Zentralfriedhof zeigt die Vielfalt und den Variantenreichtum von Bestattungsmöglichkeiten“, erklärt Karin Derler vom Bundesdenkmalamt. Sie ist Spezialistin für den Zentralfriedhof. Mit Ingrid Urbanek hat sie das vergriffene Buch „Planung für die Ewigkeit. Der Grazer Zentralfriedhof“ geschrieben und macht immer um Allerheiligen eine beliebte Führung. „Dabei geht man nicht nur über einen Friedhof, sondern durch die Grazer Stadtgeschichte.“ Viele Aha-Erlebnisse erfährt der Besucher, wenn er an den Gräbern der Familien Sewera, Scheiner, Rieckh und Mayer-Rieckh oder Hornig vorbeikommt oder die Ehrengräber von Jochen Rindt, Johann Puch und Nobelpreisträger Fritz Pregl findet. „Das ist wie eine Stadtführung, bei der die Besucher ganz nah dran sind, dabei spielt auch der Seitenblicke-Effekt eine große Rolle.“

Neben dem katholischen Teil des Friedhofes findet man eine altkatholischen und einen ukrainischen Teil. Seit 1995 gibt es auch ein islamisches Gräberfeld, das kürzlich erst erweitert wurde. Als neue Bestattungsform gibt es auf dem altkatholischen Friedhofsteil auch eine Himmelsspirale, in der Urnenbeisetzungen im Kreislauf der Natur möglich sind. Erstmals in Österreich kann man hier von zu Hause aus via Internet im Gedenken an die Toten sogar virtuelle Kerzen anzünden. Seit Mai 2009 gibt es in den Gruftarkaden als katholische Antwort auf diese Neuerung ein „Columbarium“, eine schön gestaltete Urnenwand mit bunten Glasmodulen. Schauen Sie sich das alles einmal an, hier gibt es wirklich sehr viel zu sehen.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele



Das zitierte Buch nennt sich Planung für die Unendlichkeit. Der Grazer Zentralfriedhof. und nicht "Planung für die Ewigkeit".

-- Strohrigl Daniel, Dienstag, 17. Dezember 2019, 14:51