Künstler auf Sommerfrische im Ausseerland #
Ab 1847 wurde Altaussee zur Sommerfrische heimischer Künstler und reicher Familien - von Hugo von Hofmannsthal und Arthur Schnitzler bis zum deutschen Reichskanzler: Seitenblicke anno dazumal.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
In der Biedermeierzeit begann - wie in den meisten alten Sommerfrische-Orten - auch in Altaussee der Fremdenverkehr. 1847 ließ sich Joseph Christoph von Zedlitz, ein heute eher unbekannter Dichter und hoher Beamter, dessen Haus in Wien als kultureller Mittelpunkt galt, auf Anraten seines Freundes Adalbert Stifter als erster Künstler „aus Liebe zur Natur und dem Entzücken über diese wunderbare Landschaft“ sein „Seehaus“ bauen, in dem auch Nikolaus Lenau und Franz Grillparzer zu Gast waren. Dieses „Seehaus“ wurde 1907 vom Altausseer Hotelier Michael Frischmuth gekauft und zum „Parkhotel“ umgebaut, in dem später seine Enkelin, die bekannte Autorin Barbara Frischmuth, aufgewachsen ist.
1864 kaufte sich hier die Familie des deutschen Reichskanzlers Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst ein Grundstück, da der hohe Herr die Gegend bei einer Jagdeinladung kennen und schätzen gelernt hatte. Damit erhielt „das Antlitz des damals noch kaum bekannten Ortes eine neue Prägung“, schreibt der Chronist der Altausseer Künstlerszene Alois Mayrhuber, der im Hauptberuf Gendarmeriegruppeninspektor im Posten Bad Aussee war, wo er am 23. Februar 1984 im Zuge eines Raubüberfalles erschossen wurde, als er einen Geldtransport der Post bewachte. „Höchste Persönlichkeiten kamen durch die fürstliche Familie nach Altaussee, Herrschaftsvillen wurden gebaut und für die damals in sehr bescheidenen Verhältnissen lebende Altausseer Bevölkerung ergaben sich neue Arbeitsplätze und Verdienstmöglichkeiten.“ Eineinhalb Stunden benötigte die Kutsche, wenn sie Fürst Hohenlohe über den Pötschen-Pass nach Bad Ischl zu Kaiser Franz Joseph führte. Denn von 1849 bis 1914 diente der Kurort als kaiserliche Sommerresidenz, schließlich war das alte Ischlland (inneres Salzkammergut) schon seit 1298 Privateigentum der Familie Habsburg.
„Im Juni sind die Leute aus der Stadt gekommen und wohnen in allen großen Stuben. Die Bauern und ihre Weiber schlafen in den Dachkammern...“, schrieb 1896 der 23-jährige Autor Loris in seiner Erzählung „Das Dorf im Gebirge“, die im selben Jahr im Münchner „Simplicissimus“ abgedruckt wurde. Der zuständige Redakteur dort war der Dichter Jakob Wassermann, dessen Roman „Der Fall Maurizius“ ein Weltbestseller war, hinter dem Pseudonym „Loris“ verbarg sich der junge Hugo von Hofmannsthal und das Dorf war Altaussee. Wassermann war vom Text so angetan, „dass er sich bei nächster Gelegenheit aufs Fahrrad schwingt und nach Altaussee radelt, um vor Ort zu überprüfen, was es mit dieser Art Sommerfrische auf sich hat“, berichtet Dietmar Grieser in „Nachsommertraum im Salzkammergut“ - und Wassermann wurde dort schließlich sogar sesshaft und liegt auch auf dem Ortsfriedhof begraben.
Mit Hofmannsthal, dessen Familie schon seit Jahren im Salzkammergut urlaubte, kamen auch die Literaten der österreichischen Moderne um die Jahrhundertwende hierher - Arthur Schnitzler, Felix von Salten, Raoul Auernheimer, Richard Beer-Hofmann, Hermann Bahr. Aber auch Theodor Herzl, Johannes Brahms, Gustav Mahler, Richard Strauss, Hermann Broch, Friedrich Torberg, Sigmund Freud, Frank Thiess, Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Manès Sperber und viele andere genossen immer wieder die Idylle der herrlichen Berglandschaft.
Um der Hitze Wiens zu entfliehen, zog man sich von Juni bis September an den kühlen See zurück - und ließ sich gerne von reichen Gönnern einladen. Denn die meisten Literaten waren stets knapp bei Kasse. „Wir wohnen alle in verschiedenen, kleinen Häusern an der Berglehne über dem dunklen See, essen und nachtmahlen bald bei dem einen, bald bei dem anderen, lesen zusammen englische Gedichte, mittags fahren wir zusammen mit dem Boot hinaus und baden, bis tief in die sternenhellen Nächte hinein gehen wir spazieren oder sitzen auf dem Geländer vor einem Bauerngarten und reden miteinander. Die Leute, denen wir begegnen, kennen uns und sind alle in einer gewissen Weise hier zuhause, einmal ist es der Reichskanzler Hohenlohe und einmal eine alte, ganz runzlige Bauernfrau mit einem Eimer Milch...“, schrieb Hofmannsthal aus Altaussee an einen Wiener Freund. Wie ärmlich er wohnte, versuchte er einem Freund mitzuteilen: „Aber einmal liebe ich das Primitive sehr, bin sehr achtzehntes Jahrhundert in meinen Neigungen, liebe die flackernde Kerze; ein dünnes Schindeldach, auf das der Regen trommelt, eine enge Holztreppe, eine schiefe Dachkammer, wie diese in der ich seit acht Sommern schlafe und die kein Bediensteter ohne Nasenrümpfen acceptieren würde … und dann ist es eine gute Schutzwehr gegen das Sociale; und die muß ich haben, denn der Sommer ist meine eigentliche Arbeitszeit.“ Erst das ärmliche Quartier ermöglichte ihm hier das Schreiben, weil es lästige Besuche gar nicht zuließ. Er brauchte nur die Landschaft: „... ich liebe diese Landschaft so sehr, je älter ich werde, desto reicher wird sie mir“, bemerkte er am 25. August 1912 in einem Brief.
„Im verregneten Ausseer Sommer“, erklärte Dichterkollege Auernheimer in seiner Autobiographie „Das Wirtshaus zur verlorenen Zeit“, mutierte der schwarze See zum „riesigen Tintenfaß, in das die im Kreise herumsitzenden Dichter ihre Federkiele tauchten“. „Und in der Nudelsuppe spiegelt sich die Dachsteingruppe“, reimte er lustig.
Weiterführendes#
zur Übersicht