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„Klein-Grinzing“ am Kehlberg#

Seit Jahrhunderten wurde am Kehlberg bei Graz Wein angebaut und ausgeschenkt, 1967 sperrte die letzte Buschenschank zu. Seit kurzem wird dort wieder Wein angebaut.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Weingut Hochkofler (Harterhaus) im Jahr 1955
Weingut Hochkofler (Harterhaus) im Jahr 1955
Foto: KOEBER
Harter Buschenschank 1955
Harter Buschenschank 1955
Foto: KOEBER
Der große Weingarten vor 'St. Mörten nechst Grätz' im Jahr 1681
Der große Weingarten vor "St. Mörten nechst Grätz" im Jahr 1681
Foto: Vischers Topographia Ducatus Styriae 1681

Das Bildungshaus Schloss St. Martin feiert 2019 sein 100-Jahr-Jubiläum mit einer eindrucksvollen Ausstellung historischer Aufnahmen vom Schloss und der Umgebung am Kehlberg. Ganz besonders ins Auge stechen dabei alte Bilder, die am Kehlberg intensiven Weinbau zeigen, darunter ein Kupferstich aus Georg Matthaeus Vischers „Topographia Ducatus Stiriae“ von 1681, die „Sankt Mörten, ein Probstey nechst Grätz“ zeigt samt Kirchlein - und davor den gesamten Kehlberghang als riesigen Weingarten.

Straßgangs Bezirksvorsteher und Hobbyhistoriker Ferdinand Köberl weiß genauer Bescheid über die jüngere Geschichte des Weinbaus am Kehlberg: „Über mehrere Jahrhunderte hindurch, und zwar bis vor etwa 60 Jahren, waren die südseitigen Flächen auf unserem Kehlberg mit Weinstöcken bepflanzt, die Hauptweinsorten waren der weiße Hanusch, die Belinda und der blaue Wilbacher, also die Schilcherrebe.“ Die Nachfrage nach Wein war so groß, dass sich damals am Berg ein Weingarten an den anderen reihte und jedes nutzbare Fleckerl Boden mit Weinstöcken bepflanzt war, berichtet er. „Die Arbeit auf diesen Hangflächen konnte aber nur händisch erledigt werden und war daher unvorstellbar mühsam und kräfteraubend.“ Bewirtschaftet wurden die Weingärten von Winzern, die früher oft als „Bergler“ bezeichnet wurden und Eigentümer ihrer Gärten waren. Meist verpachteten diese die Gärten aber an „Weinzerln“ oder „Weinzierl“, die als Teil vom Pachtzins die Bauern das ganze Jahr über auch mit einem „Haustrunk“ versorgen mussten.

ehemaliger Weinkeller und Presshaus in der Kehlbergstraße
ehemaliger Weinkeller und Presshaus in der Kehlbergstraße
Foto: KOEBER
Der hier am Karstboden gereifte Wein wurde früh schon von den Grazern sehr geschätzt und gar nicht abgefüllt, sondern direkt an die Gäste ausgeschenkt. Kein Wunder, dass noch 1925 mindestens 21 einfache Buschenschänken vor allem an den Wochenenden bestens besucht waren und die Gegend im Volksmund „Klein-Grinzing“ hieß, die letzte Ausschank sperrte 1967 zu. Ausgeschenkt haben damals 21 Familien, darunter die vulgo Haubenrieser, Veitl, Eichberger, Hofbauer, Taxenweinzerl, Eckschuster, Finsterschmied und Jageritsch. Der Liter Rotwein kostete 1925 1,40 Schilling, der Liter Weiß 1,20. Noch um 1950 gab es am Kehlberg an die 37 Hektar Weingartenfläche, noch früher wurde auch in der Gegend um Algersdorf, am Gedersberg und sogar auf dem Grazer Schloßberg Weinbau betrieben. Hier ließ der Rechtsanwalt Bonaventura Hödl ab 1818 unter der Stallbastei Terrassen anlegen und pflanzte Tausende Weinstöcke, aber auch Erdäpfel, Mais und Kürbisse an. Auf den Trümmern des in den Franzosenkriegen zerstörten Pulverturms ließ er sich sogar ein Winzerhaus mit neugotischem Krabbenturm errichten, das spätere „Starckehaus“, das heute ein Restaurant beherbergt.

Überhaupt wurde früher bei uns sehr viel Wein getrunken, denn das Bier war viel zu teuer und das Wasser oft verschmutzt. Der durchschnittliche tägliche Weinverbauch wurde im 17. Jahrhundert mit heute fast nicht mehr vorstellbaren eineinhalb Litern berechnet, weiß Köberl. Die Winzer hatten also alle Hände voll zu tun. Heute findet man in der Gegend nur noch wenige Erinnerungen an die „goldene Zeit der Weinausschank“: Ein typisches Presshaus mit straßenseitigem Kellereingang (aus dem heraus der Wein direkt verkauft wurde) in der Kehlbergstraße, der unten am Bründl stehende „Schlossstadel“ sowie alte Wegbezeichnungen wie „Am Weinberg“ oder „Winzerweg“. Auch die einst angelegten Terrassen der Weingärten sind noch gut erkennbar - und werden seit wenigen Jahren von den Winzern Hannes Sabathi aus der Südsteiermark und Harald Florian aus Dobl wieder als Weingärten für Welschriesling und Burgunder rekultiviert.


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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele


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