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Gries und Lend sind der Schmelztiegel Murvorstadt #

Die Murvorstadt mit ihren heutigen Bezirken Gries und Lend war das alte Auffangbecken für alles, was man brauchte, aber so nicht wollte.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Die Murvorstadt (heute Bezirk Lend) im Jahr 1836
Panoramablick über die Kettenbrücke (heute Keplerbrücke) auf die Murvorstadt (heute Bezirk Lend) im Jahr 1836 (Conrad Kreuzer, Tempera).
Foto: © STADTMUSEUM

Die Grazer Murvorstadt war seit Jahrhunderten das traditionelle Auffangbecken für vieles, was die Stadt zwar dringend benötigte, aber doch als störend empfand – und möglichst weit weg haben wollte.

Befand sich im Mittelalter das „stinkende Gewerbe“ der Lederer noch in der Sackstraße und waren die lauten und feuergefährlichen Schmiede in der nach ihnen benannten Schmiedgasse, so wurden beide Berufsgruppen zu Beginn der Neuzeit in die Vorstadt jenseits der Mur verdrängt. Dort, wo man auch die Prostituierten ansiedelte und wo die soziale Unterschicht wohnte, denn hier waren Grund und Leben viel billiger als am linken Murufer.

Schon zur Zeit der Kreuzzüge war aus dem Orient die Einrichtung der Hospitäler nach Europa gekommen. Wie in den meisten Städten lag das in Graz seit dem 13. Jahrhundert nachweisbare „hospital ad sanctum spiritum“, das Bürgerspital, nicht im Zentrum, sondern am Rande der „gesunden“ Bevölkerung – also auch weit draußen in der Murvorstadt.

Da seit dem 16. und 17. Jahrhundert die Ufersicherung der Mur weiter ausgebaut wurde, konnte sich die alte Vorstadt immer weiter vergrößern. Damals verkaufte auch das Bürgerspital seine zahlreichen Gründe, so dass immer mehr Menschen hierher siedelten und Häuser bauten, was schließlich zur Entstehung von Lendplatz und Griesplatz führte.

Geschirrmarkt am Lendplatz
Großer Geschirrmarkt am Lendplatz um 1930.
Foto: © KK

Das Vermieten von Zimmern und Betten an Studenten bildete seit der Gründung der (Alten) Universität im Jahr 1586 einen Haupterwerbszweig für die ärmeren Schichten in der Murvorstadt, was ganz besonders für Witwen galt. Weil sich hier aber auch die Militärgarnisonen befanden, kam es immer wieder zu heftigen Zusammenstößen zwischen Soldaten und Studenten.

Kommerzialstraße von 1728#

Bedingt durch die direkte Lage an der Kommerzialstraße von Wien nach Triest (daher heute noch Wiener- und Triesterstraße) wurde die Murvorstadt zum Wirtshaus- und Vergnügungsviertel der Stadt, das stets als zwielichtig und verrucht galt. Mit der Eisenbahn, die 1844 weit im Westen der Murvorstadt gebaut wurde, kamen auch die Fabriken. Und mit ihnen ghettoähnliche Arbeitersiedlungen.

Jetzt wurde die Murvorstadt zur neuen Heimat der Zuwanderer aus der Untersteiermark. Das deutschnationale Graz sprach in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sogar von der „windischen Vorstadt“ und nach 1861, als sich wieder Juden ansiedeln durften, wohnten die meisten von ihnen natürlich im Gries, daher wurde auch dort ihre Synagoge errichtet. Und weil es immer schon so war, wurden die Gastarbeiter zur Zeit des Wirtschaftswunders – die Türken und Jugoslawen – wieder in den Bezirken rechts der Mur angesiedelt. Weitere Zuwanderer- und Flüchtlingsströme folgten in letzter Zeit aus Afrika, Ex-Jugoslawien und der ehemaligen UdSSR. Sie machen die Gegend heute zum echten Schmelztiegel der Völker.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele



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