Als der Zweier im Kreis fuhr #
Die legendäre Ringlinie des „Zweiers“ war als zweitälteste Grazer Straßenbahnlinie vom 28. Juni 1879 bis zum 16. Jänner 1971 in Betrieb – und stets der Liebling aller Fahrgäste.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Sieht man sich heute das Liniennetz der GVB an, fällt sofort die Lücke auf, die an Stelle der Nummer 2 klafft. Wie die niedrige Liniennummer zeigt, handelt es sich um die zweitälteste Grazer Straßenbahnlinie, die seit dem 28. Juni 1879 als Pferdebahn ihre erste Teilstrecke am Glacis befuhr. Ein Jahr später trabten die Pferde schon bis zum Lendplatz und am 24. Juni 1899 wurde der Hauptbahnhof bereits elektrisch erreicht.
Aus den frühen Anfängen wird überliefert, dass eines Tages beide Pferde der Tram mitten am Glacis abrupt stehenblieben. Man hatte vergessen, sie vor dem Anspannen zu füttern. Und so mussten die Bediensteten (und wohl auch die Fahrgäste) 45 Minuten warten, bis der Stallmeister mit einem Sack Hafer kam. Doch nach der Fütterung ging es munter weiter zum Geidorfplatz.
Der Zweier, der am 1. Mai 1911 seine Liniennummer erhielt, wurde zur klassischen Ringlinie, Seine Strecke verlief vom Hauptbahnhof durch Annenstraße, Murgasse und Hauptplatz zum Jakominiplatz, über das Glacis zum Geidorfplatz, durch die Wickenburggasse über die alte Keplerbrücke, Lendplatz und Keplerstraße wieder zum Bahnhof. Das war für Graz die optimale Streckenführung, von der aus in jede andere Straßenbahn umgestiegen werden konnte.
Fahrschein für 1 Schilling#
Die Streckenlänge betrug 6,08 Kilometer, die Fahrzeit 30 Minuten. 1948 wurden sage und schreibe 6,2 Millionen Passagiere befördert, noch 1953 war die Linie 2 die wirtschaftlichste aller Grazer Linien mit 5,48 Schilling (Euro 0,40) Erlös pro Wagenkilometer. Ein Teilstreckenfahrschein kostete damals einen Schilling. 1910 und 1937 verkehrte alle sechs Minuten ein Zweier. 1967 betrug die Fahrzeit 20 Minuten und das Intervall zwischen zwei Straßenbahnen zehn Minuten.
Doch dann kam mit dem 16. Jänner 1971 der wohl schwärzeste Tag in der Geschichte der Grazer Straßenbahnlinien. Die Linie 2 wurde zur Gänze und bei der Linie 6 der Streckenabschnitt Jakominiplatz – Griesplatz – Karlauerstraße – Herrgottwiesgasse (ja, auch dort fuhr eine Straßenbahn) eingestellt. Autobuslinien kamen nun zum Einsatz. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung starteten am 16. Jänner die Zweierwagen, verstärkt durch zwei geschmückte Oldtimergarnituren aus dem Tramwaymuseum (für Feinspitze: Triebwagen 117 mit Beiwagen 191B und Triebwagen 121 mit Beiwagen 60B) ihre Abschiedsfahrt. Statt einem Fahrschein gab es für jeden Fahrgast ein Schnapserl, wohl um den Abschied zu erleichtern.
Dem verkehrspolitischen Zeitgeist folgend, setzte die damalige Stadtregierung – gegen den Willen der GVB – stur auf eine autogerechte Stadt und verschlechterte so die öffentliche Verkehrssituation bis zum heutigen Tag nachhaltig.
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