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Wie ein hölzerner Zirkus zur „Thalia“ wurde #

1829 errichteten mitfühlende Grazer einen Zirkus, um Geld für die Armen aufzutreiben. Daraus wurde die Thalia und schließlich – das Opernhaus.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Die Thalia 1859/60
Die Thalia – ein zwölfeckiges Stadttheater, das 1859/60 dort erbaut wurde, wo heute die neue Thalia auf neue Ideen wartet.
© KK

Viele Grazer können sich sicherlich noch sehr gut an die Thalia erinnern, den Kinopalast der späten 50er-Jahre direkt neben dem Opernhaus.

Genau an dieser Stelle wurde 1829 der alte Ravelin eingeebnet. Das war ein dreieckiges, altes Festungswerk, das damals seine militärische Bedeutung bereits vollkommen verloren hatte. Diese günstige Gelegenheit nutzte der Grazer Armenunterstützungsverein, der bereits zehn Jahre zuvor von einer Gruppe sozial engagierter Bürger gegründet worden war, weil sie unzufrieden waren mit der Art und Weise, wie man mit den Armen umging – und weil immer mehr Bettler die Stadt bevölkerten. Erstaunliche Parallelen zur aktuellen Gegenwart sind nicht ganz abwegig, aber reiner Zufall.

Auf dem nun neu entstandenen Platz wurde ein einfacher hölzerner Zirkus errichtet. Sein Zweck: Er sollte an durchreisende Künstler- und Artistengruppen vermietet werden, um Geld für die Armenpflege zu lukrieren. Aber die Geschäfte liefen nicht ganz so gut, der Zirkus warf nicht die erhofften Gewinne ab. Nach 30 Jahren war der Bau überdies schon recht altersschwach geworden. Also wurde er 1859/60 nach den Plänen des Grazer Zimmermeisters Karl Ohmeyer zu einem zwölfeckigen Stadttheater umgebaut, ein Nebengebäude beherbergte auch eine Gaststätte. Da der Zirkusbetrieb auch weiterhin die hohen Erwartungen des Armenunterstützungsvereins nicht erfüllte, beschloss man, das neue Gebäude ab sofort der edlen Schauspielkunst zu widmen. Also wurde es 1863/64 weiter zur Thalia ausgebaut und zum Spielort für die leichte Unterhaltung – die damals so beliebten Operetten wurden hier äußerst erfolgreich aufgeführt. Denn nicht umsonst ist Thalia schließlich die Muse der komischen Dichtung und der Unterhaltung.

Die Thalia eines der großen Grazer Kinos
Bis 1990 zeigte hier eines der großen Grazer Kinos seine Filme.
© HEIMO BINDER

Thalia wird ausgehungert#

Die Thalia verfügte nun zwar über 1800 Sitzplätze, stand aber auch weiterhin unter keinem guten Stern, da die Konkurrenz zum alten Schauspielhaus zu stark war. Schließlich gelang Eduard Kreibig, dem Direktor des Schauspielhauses, der Clou – er wurde auch noch Leiter des „Thalia-Theaters“. Und er fand eine ebenso ideale wie einfache Lösung, um die lästige Konkurrenz loszuwerden. Er hungerte die Thalia einfach aus, indem er fast nie mehr darin spielen ließ. Später ließ er dort wieder Wanderzirkusse und Menageriebesitzer auftreten, die die Thalia arg verschmutzen und verstanken. Eine Reihe von Skandalen führte neben den zahlreichen Baumängeln dazu, dass die Stadt – seit 1869 Eigentümer des Gebäudes – im Jahre 1890 plante, hier eine neue Spielstätte zu erbauen.

Das Opernhaus wird gebaut#

Die Idee wurde 1899 mit der Errichtung des heutigen Opernhauses durch das Architektenduo Fellner & Helmer – die auch das mächtige Warenhaus von Kastner & Öhler entworfen haben – auf dem Platz neben der Thalia im neobarocken Stil verwirklicht. Und zwar als neues Stadttheater von Graz. In der letzten Thalia-Vorstellung am 31. Mai 1899 spielte der berühmte Alexander Girardi den „Verschwender“ von Ferdinand Raimund. Dann fiel der letzte Vorhang.

1956 wurde dann das alte Thalia-Gebäude nach den Plänen von Rudolf Vorderegger dem damaligen Architekturstil und Zeitgeist gemäß zu einem modernen Kino mit Kaffeehaus umgebaut und feierte viele große Filmpremieren. 1990 wurde der Kinobetrieb jedoch wieder eingestellt, seit 1995 gibt es nun im Nebengebäude eine weitere Theaterspielstätte der Bühnen Graz – in Anlehnung an Hartmut Skerbischs monumentale Figur „Next Liberty“ genannt. Ein Kinder- und Jugendtheater, das aus der Theaterszene nicht mehr wegzudenken ist.

Das Gebäude der Thalia selbst wartet aber weiterhin im Dornröschenschlaf auf den unternehmerischen Märchenprinzen, der es wieder zu neuem Leben wach küsst – ohne gleich unser Grazer Weltkulturerbe zu gefährden.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele



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