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Unter den Dächern der Altstadt #

Seit durchschnittlich 400 Jahren tragen die Dachstühle unserer Altstadthäuser die Last des heutigen Weltkulturerbes.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Langhaus des Grazer Doms
Langhaus des Grazer Doms.
Foto: © TU Graz

Wir haben sozusagen unter die Tuchent des Weltkulturerbes geschaut“, erklärt Gerhard Schickhofer, Holzbau- Professor an der TU Graz. „Denn seine Erhaltung beginnt ja nicht bei der sichtbaren Dachfläche, sondern beim Dachstuhl – und nicht immer war die Erhaltung optimal.“

Der häufigste Grund für größere Schäden (am ganzen Gebäude) ist Feuchtigkeit. „Das Holz selbst trägt viele Jahrhunderte. Leider wurde jahrzehntelang praktisch keine Inspektion und Wartung durchgeführt. Doch wenn es feucht wird, muss man ganz dringend eingreifen“, so Schickhofer. „Und zwar fachmännisch“, ergänzt Oskar Beer, Holzbau-Landesinnungsmeister. Aus eigener Erfahrung weiß er um die Besonderheit der Arbeit an den historischen Grazer Dachstühlen.

Alte Zimmermannskunst #

„Der Dachstuhl steht bei uns durchschnittlich schon seit 400 Jahren. Das ist alte Zimmermannskunst. Und die Herausforderung für uns, die Reparaturen dieser Kunst anzupassen“, so Beer. Schickhofer schätzt, dass es in der Grazer Altstadt (Zone 1) etwa 300 historische Dachstühle gibt, die zugänglich sind. In großen Häusern mit mehreren Trakten gibt es oft sogar drei bis sechs unterschiedliche Dachstühle.

Im Rahmen des Projektes „D(N)achhaltigkeit Graz“ hat das Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz in sehr guter Zusammenarbeit mit der Stadt und der LIG (Landesimmobiliengesellschaft) jetzt 35 dieser historischen Dachstühle genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Das alte Holz der Dachstühle ist auch nach 400 Jahren nicht umzubringen und hält – wenn es nicht feucht wird.

„So ein Dachstuhl hat ein sehr gutmütiges Verhalten“, weiß der TU-Professor zu berichten. „Ein soziales Tragverhalten – wenn ein Sparren ausfällt, hat man noch immer die Lattung. Das funktioniert sehr lange gut.“ Aber: Es gibt nur wenige vorbildliche Dachböden, die meisten sind sehr schmutzig und voll Taubenkot. Unter Unmengen von Ziegelschutt kann so die Feuchtigkeit unbeachtet das Holz der Dachstühle angreifen.

Die Erhaltung beginnt oben#

Einer der ältesten Dachstühle in Graz dürfte der des 17 Meter breiten Langhauses der Franziskanerkirche sein. Sein Errichtungsdatum: 1257. Seit 1515 ist dort ein Gewölbe eingebaut. „Doch jetzt besteht Handlungsbedarf.“ Wenn man den Zustand der Dachstühle von Franziskanerkirche und der jetzt gut restaurierten Alten Universität (mit 14 Meter Spannweite) vergleicht, „dann sind da in der Qualität schon Welten dazwischen.“ Der große Vorteil der Alten Universität ist, dass die gesamte Dachkonstruktion baulich von den unteren Räumlichkeiten getrennt ist. Im Gegensatz etwa zum Palais Herberstein, wo „oben und unten“ fix verbunden sind.

Auch über einige neue Dachlösungen in der Sackstraße und in der Sporgasse ist der Professor unglücklich – sie wirken wie Fremdkörper im fast geschlossenen Altstadtensemble. „Ich bin auch ein Skeptiker des Dachausbaus zu Wohnungen, vor allem dann, wenn man in die alte Substanz hineinarbeitet.“ Der Grund: „Die Substanzerhaltung beginnt oben.“ Die Überfrachtung der einst als Klimapuffer eingesetzten Dächer mit Ausbauten zur Wohnnutzung trägt dazu bei, dass so manches Dach, das Jahrhunderte schadensfrei überdauert hat, durch bauphysikalische Fehler in wenigen Jahrzehnten ruiniert wird. „Es ist kein Zufall, dass früher die feinen Leute immer in der Hausmitte gewohnt haben, also meist im zweiten Stock. Da gibt es eine Pufferzone mit Entlüftung nach oben und nach unten.“

Oft nur wenig Verständnis#

Die meisten Schäden an historischen Dachwerken gehen aber auf nachträgliche Veränderungen zurück. „Vor allem Kamin- und Traufenbereiche sind Schwachstellen, hier kann leicht Feuchtigkeit herein“, berichtet Gregor Silly, Projektmitarbeiter. Doch auch heute noch haben manche Architekten und Baumeister oft nur wenig Verständnis für bewährte, alte Konstruktionen – und stehen ihnen hilflos oder ablehnend gegenüber.

DER DACHSTUHL #

In allen untersuchten und in Graz bekannten Dächern wurde Nadelholz verwendet. Eiche nahm man nur für Holznägel. Meistens bestehen die Tragwerke aus Fichte oder Tanne, nur in Einzelfällen aus Kiefer und Lärche. An vielen Balken sieht man noch Dübellöcher – der Beweis, dass die Baumstämme einst als Flöße auf der Mur nach Graz transportiert wurden.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele