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Von Friedhof zu Biergarten und Varieté #

Wie aus einem Garten in der Murvorstadt ein Pestfriedhof, dann ein beliebtes Gasthaus mit Badeanstalt, eine populäre Bierhalle, ein Varietétheater und Kino wurde – das Orpheum.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Orpheum um 1900
Das Varietétheater Orpheum um 1900
© KK

Weil der Friedhof der St.- Andrä-Kirche in der Murvorstadt langsam zu klein wurde, widmete 1626 die Regierung den riesigen Landschaftsgarten „vor dem Murthore“ zum Gottesacker um. Das war etwa der Bereich zwischen der heutigen Annenstraße, Marschallgasse und Volksgartenstraße.

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So sieht heute das neue Orpheum als Kulturzentrum aus
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Um 1630 wurde mitten im neuen Friedhof ein Kirchlein zu Ehren des heiligen Georg gestiftet, um die drohende Pest abzuwehren. Nach diesem Heiligen wurden der Friedhof und auch die später errichtete Georgigasse benannt. Hier war nun die Begräbnisstätte für die armen Leute der Vorstadt, 1655 wurden auch die Pesttoten hier bestattet. Das Mesnerhaus stand am Anfang der heutigen Marschallgasse, die früher Lange Gasse und später ebenso fantasielos Neue Gasse hieß, bevor sie 1870 nach dem Besitzer des Hauses Nr. 22, zu dem einer der schönsten Gärten der Stadt gehörte, benannt wurde – Ludwig Freiherr von Marschall.

Unter Kaiser Josef II. wurden, wie schon öfter berichtet, aus hygienischen Gründen alle innerstädtischen Friedhöfe aufgelassen und außerhalb der Stadt neu angelegt. So war 1786 auch das Ende des Georgifriedhofs gekommen. Die Kirche wurde versteigert und abgetragen. Und was wurde aus dem Friedhof? Direkter Nachbar war der Gastwirt und Baumeister Wolfgang Ott vulgo Wenzelwirt. Er kaufte das gesamte Areal, auf dem er im selben Jahr noch einen Gastbetrieb mit schönem Gastgarten errichten ließ – sozusagen direkt auf den alten Gräbern. Die Konkurrenz lachte darüber, doch das Geschäft florierte und das Gasthaus erfreute sich so großer Beliebtheit, dass Ott expandierte.

Aufführung des Modetanzes „Cakewalk“ und Werbung für den Jongleur Kara um 1903
Aufführung des Modetanzes „Cakewalk“ und Werbung für den Jongleur Kara um 1903
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Friedhof wird Biergarten #

1823 eröffnete er in seinem alten Haus nebenan, das direkt am Mühlgang lag, das „Carolinenbad“, in dem warme und kalte Bäder sowie Schwefel- und Stahlbäder angeboten wurden. Dazu konnte man in seinem schönen Gastgarten köstlich essen und trinken. Die Grazer Bevölkerung war begeistert. Nach dem Tode Otts kam die Gaststätte samt Bad in den Besitz von Franz Hold, der schon die Puntigamer Brauerei gegründet hatte. Kein Wunder, dass das Etablissement 1867 den Namen „Puntigamer Bierhalle“ erhielt und ein beliebtes Ausflugsziel der Murvorstädter wurde. Diese Bier- halle war auch wichtiger Versammlungsort der sozialdemokratischen Arbeiter. Und 1882 wurde hier der „Grazer Bicyle Club“ gegründet – der erste Radsportverein in der Steiermark.

1898/99 wurde aus der Bierhalle etwas, was es bisher in Graz nicht gegeben hatte – ein Varieté. Sozusagen ein Volkstheater für die Murvorstadt als Gegenstück zum zeitgleich errichteten Opernhaus in der Innenstadt.

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Georgikircherl
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Das Gebäude wurde nach den Plänen von Friedrich Hoffmann gebaut und als „Orpheum“ eröffnet. Hier traten Künstler der leichten Muse auf, Artisten, Tänzerinnen, Kabarettisten, Zauberer. Die Vorführung neuer Tänze, wie 1903 des „Cakewalk“ zur Ragtimemusik, war sehr beliebt und wurde zum Beginn einer eigenständigen Grazer Jazzkultur.

Nach dem Krieg ein Kino #

Bis zu 1000 Besucher fanden hier Platz, 1905 entstand eine Sommerbühne mit mehr als 540 Sitzen und die große Ära der Operetten und Freiluftkonzerte begann. Doch nach dem Ersten Weltkrieg kamen die ersten Kinos auf und das „Orpheum“ musste 1936 geschlossen werden.

1944 wurde das Gebäude durch Bombentreffer zerstört, nach dem Krieg aber wieder aufgebaut und von 1951 bis 1971 als Kino betrieben. Dann wurde es zum „Haus der Jugend“. Seit 1985 wird der Veranstaltungsort wieder „Orpheum“ genannt und als buntes Kulturzentrum geführt – der Kreis hat sich geschlossen.


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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele


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