Von Kropferten und Kretinen #
Untauglichkeit einst und jetzt im Vergleich macht uns sicher: Ganz so schlecht geht’s uns heutzutage gar nicht.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Nur jeder Fünfte ist gesund und zum Militärdienst tauglich, schrieb die Kleine Zeitung im November 2009. Zu dick, zu unbeweglich, zu krank wären die 18-Jährigen von heute.
Kein Grund zur Aufregung, entgegnet unser Leser Ewald Kattinger – früher wäre es noch schlimmer gewesen. Er bezieht sich dabei auf die Joanneischen Jahresberichte. Kattinger: „Da haben unsere Militärs heute trotz der hohen Untauglichkeitsrate noch Glück. Den Militär-Ärzten zur Zeit Erzherzog Johanns bot sich ein – aus heutiger Sicht – katastrophales Bild. Im ,Grazer Kreis‘ waren nur etwa zehn Prozent der Burschen tauglich, in den ländlichen Gebieten etwa neun. Und davon waren auch wieder nur wenige ,linientauglich‘, also als Frontkämpfer einsetzbar. Dafür dauerte der Militärdienst zeitweise zwölf Jahre! Die Gründe für die häufige Untauglichkeit sind uns von den ‚Assentierungskommissionen‘ überliefert: Kropf und Krätze, Kleinwüchsigkeit sowie ,allgemeine Schwäche‘. Außerdem wird vermerkt, dass es zahlreiche Kretinen gab. Die Folge: Die kräftigen, körperlich und geistig gesunden (festgestellt natürlich ohne die heute verwendeten Diagnosegeräte und Verfahren) Burschen verschwanden auf Jahre hinaus in weit entfernten Garnisonen. Als Heiratskandidaten blieben den jungen Frauen nur die Kretzerten und Kropferten, die Krispindln, O’zwickten sowie die Depperten.“
Unser Leser nimmt hier Bezug auf einen Fragebogen Erzherzog Johanns zur „Darstellung des Charakters, der Sitten und Gebräuche“ aller Bewohner Innerösterreichs, der 1810/11 an die Bürgermeister und Bezirks-Obrigkeiten zur Beantwortung ausgeschickt wurde „zum Behufe einer physicalischen Statistik dieses Landes“. 1836 folgte eine zweite Rundfrage, die von Georg Göth bearbeitet, ausgesendet und auch ausgewertet wurde.
Finden sich dort Kretinen?#
Eine Frage der Erhebung: „Finden sich Kretinen in bedeutenderer Menge, und wo?“ Die Antworten quer durchs ganze Land sprechen für sich. So hieß es aus Krakaudorf: „Ohngeachtet des rauhesten Klimas gibt es hier doch einen schönen Schlag Menschen und weniger Trotteln als in der übrigen Steyermark, weil hier die Schmalzkost denn doch nicht so fett gegessen wird...“.
Allgemein hieß es, die Menschen seien „wie alle Gebirgsbewohner mehr kleinerer Statur mit so genannten Gackeln und Deppeln vermischt, Gehörlosigkeit ist ein Hauptzug.“ Zwischen Voitsberg und Graz sah man „häufig Kröpfe, und Kretinen sind dort auch nicht selten... aus 50 zum Militär Abgestellten sind kaum zwei zur Linie (Front) anwendbar...“
Weiterführendes#
- Mader, B.: Österreichs Kropfforschung begann in der Steiermark (Essay)
- Engele, R.: Die kropferten Steirer (Essay)
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