Zwischen Kuruzzen und Tolpatschen#
Von 1672 bis 1711 verwüsteten und plünderten ungarische Rebellen, die man Kuruzzen nannte, große Teile der Ost- und Untersteiermark.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Nachdem am 1. August 1664 ein kaiserliches Heer unter der Führung von Graf Raimund von Montecuccoli das osmanische Heer im südlichen Burgenland bei Mogersdorf besiegt hatte, überließ Kaiser Leopold I. den Türken im Frieden von Vasvár weite Teile Ungarns und Kroatiens. Damit konnten sich aber viele ungarische Hochadelige nicht anfreunden, sie schlossen sich zur sogenannten Magnatenverschwörung gegen Habsburg zusammen. Ihre Führer waren Graf Peter Zryni, der Ban von Kroatien, sein Schwager Fran Krsto Frankopan und Franz Graf Nadasdy, der oberste Richter Ungarns. An ihrer Seite stand auch der steirische Graf Hans Erasmus von Tattenbach, der mit einer ungarischen Gräfin verheiratet war. Die Verschwörung flog auf, die Haupträdelsführer wurden verhaftet und zum Tode verurteilt, Tattenbach wurde am 1. Dezember 1671 im Grazer Rathaus enthauptet. Viele ungarische Adelige flohen vor der Rache der Habsburger nach Siebenbürgen, einem selbständigen türkischen Vasallenstaat oder in den türkisch besetzten Teil Ungarns. Im Gegenzug beschlagnahmte Österreich ihre Besitztümer, erhöhte die Steuern und verstärkte die Gegenreformation in Ungarn. Den geflohenen Adeligen schlossen sich bald vom Kaiser entlassene Soldaten an, geflüchtete Evangelische und unzufriedene Bürger ebenso wie heimatlose Abenteurer. Sie alle wurden „Kuruzzen“ genannt, was soviel wie „Aufständische“ heißt. Somit war die Niederschlagung der Magnatenverschwörung erst der Auslöser der blutigen Kuruzzenaufstände, die ab 1672 begannen.
Bis 1703 hatten die Aufständischen unter Franz II. Rákóczi die gesamte heutige Slowakei und Teile Nordungarns erobert und wandten sich danach Niederösterreich, Westungarn (also dem heutigen Burgenland) und der Steiermark zu. Hier errichtete man nach den ersten Angriffen Verteidigungsanlagen. Entlang des Flüsschens Kutschenitza, das die Grenze zwischen der Steiermark und Ungarn bildete, wurde von Radkersburg bis St. Anna am Aigen der sogenannte Kuruzzenwall mit Tschardaken, das sind hölzerne Wachtürme mit Schießscharten im Obergeschoss, errichtet. „Das Jahr 1707 entwickelte sich zum absoluten Schreckensjahr für die Steirer“, berichtet Leopold Toifl, der wissenschaftliche Leiter des Landeszeughauses in Graz.
„Schon am 21. Jänner kehrten die Feinde mit 5000 Reitern zurück. Diesmal legten sie im Grenzgebiet an der Lafnitz 13 Dörfer in Schutt und Asche.“ Es hatte wenig genützt, dass ein Regiment Tolpatschen auf die Grenzorte verteilt worden war. „Sie wirkten unbeholfen und ergriffen beim Erscheinen der Kuruzzen genauso die Flucht, wie die Bewohner der angegriffenen Orte“, erzählt Toifl. „Tolpatsch“ kommt vom ungarischen Wort „tolpas“ (breitfüßig) bzw. „tolp“ (Sohle). Als Tolpatschen bezeichnete man im 17. Jahrhundert die ungarischen Infanteristen, weil sie statt festem Schuhwerk breite, mit Schnüren befestigte Sohlen getragen haben sollen. Im Österreichischen wurde das Wort dann zur Spottbezeichnung für ungarische und slawische Soldaten, die eine unverständliche Sprache sprachen. Daraus entwickelte sich später die Bezeichnung für einen ungeschickten, schwerfälligen Menschen.
Die Angriffe gingen aber immer weiter. Am 7. August 1707 drangen etwa 4000 Kuruzzen über Stegersbach nach Westen vor. In Neudau wurden 17 seit dem Jännereinfall wieder aufgebaute Häuser zerstört, zwischen Geiseldorf und Wörth wurden 18 Dörfer niedergebrannt, nur Burgau konnte nicht erobert werden. Am 11. November wurden elf Ortschaften zwischen Friedberg und Hartberg ausgeraubt, drei weitere niedergebrannt. Die Kuruzzen hatten leichtes Spiel, weil die kaiserlichen Truppen in der heutigen Slowakei und in Ungarn gegen andere Kuruzzenverbände kämpften und die steirische Grenze ungesichert war. Nur Radkersburg und Fürstenfeld waren militärisch ausreichend geschützt. Deshalb überrannten die Kuruzzen am 3. Dezember 1707 mit 1200 Berittenen leicht die Wehranlagen östlich von Radkersburg, um Dedenitz, Hummersdorf, Laafeld, Sicheldorf und Zelting auszurauben. „Die in Radkersburg stationierte Garnison sah dem Treiben untätig zu“, so Toifl. Zum Glück für die Steirer verlagerte sich das Kriegsgeschehen dann nach Mähren, Niederösterreich und in die Slowakei. Doch der Partisanenkampf der Rebellen dauerte mit vielen kleinen Angriffen noch bis Jänner 1711.
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