Und sie erwärmt sich doch#
Klimawandel-Skeptiker verlieren an Boden: Forscher erklären scheinbare Pause bei Erderwärmung.#
Von der Wiener Zeitung (Mittwoch, 3. Mai 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Zürich. (dpa/sda/apa/est) Erst vor wenigen Tagen hat US-Präsident Donald Trump mehrere Klimaschutzbestimmungen seines Amtsvorgängers Barack Obama aufgehoben. Er wolle stattdessen mehr Geld für das Militär aufwenden und "den Krieg gegen die Kohle beenden", sagte Trump. Schweizer Forscher nehmen Skeptikern wie ihm jedoch den Wind aus den Segeln. Sie zeigen auf, dass Skepsis wissenschaftlichen Grundlagen entbehrt.
Das Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich hat Studien, die eine 15-jährige Unterbrechung der Erderwärmung konstatieren, auf Herz und Nieren geprüft und festgestellt, dass in den Modellen unterschiedliche Daten und Zeiträume betrachtet wurden. Somit seien sie nicht vergleichbar, berichten Iselin Medhaug und ihre Kollegen im Fachmagazin "Nature".
Zum Hintergrund: Überblicksanalysen hatten ergeben, dass von 1997 bis 2012 die Temperaturen an der Erdoberfläche nicht bis kaum angestiegen seien. Da die Klimamodelle etwas anderes vorhergesagt hatten, legten manche Politiker und Wissenschafter dies als Versagen der Modelle aus und betonten, dass das Ausmaß des Klimawandels überschätzt worden sei. Einige leugneten sogar, dass es einen Klimawandel überhaupt gebe oder zumindest, dass er vom Menschen verursacht worden sei.
Den Überblicksanalysen steht der Trend der vergangenen drei Jahre entgegen: 2016 war das dritte Jahr in Folge, das den globalen Temperaturrekord seit Beginn der Aufzeichnungen 1880 brach. Spätestens mit den Temperaturrekorden von 2014, 2015 und 2016 sind Diskussionen um die Erwärmungspause somit abgeflaut.
Dennoch wollten die Schweizer Forscher genau wissen, wie es dazu kommen konnte, dass die Erderwärmung scheinbar eine Pause eingelegt hatte, und warum die globale Erwärmung in dem Zeitraum angeblich nicht wie vorhergesagt gestiegen war.
"Sturm im Wasserglas"#
Medhaug und ihre Kollegen sahen sich an, wie "Unterbrechung" in den Studien definiert worden war. Einer Definition zufolge war die durchschnittliche weltweite Lufttemperatur an der Oberfläche gesunken, nicht oder nur leicht gestiegen. Bei näherer Betrachtung stellten die Forscher allerdings fest, dass dieser Befund nur auf kürzere Zeitabschnitte zutrifft. In einem "Nature"-Kommentar beziffern James Risbey von der australischen Wissenschaftsorganisation Csiro im tasmanischen Hobart und Stephan Lewandowsky von der University of Western Australia diesen Zeitabschnitt auf 16 Jahre. Bei allen längeren Perioden ließe die Messmethode jedoch keine Unterbrechung erkennen.
Auch die Kritik, wonach die Prognosen der Klimaforscher und die gemessenen Temperaturen auseinanderliegen würden, konnte Medhaug entkräften. Bei der Aufbereitung der Daten seien die Lufttemperaturen und die Oberflächentemperaturen der Ozeane zusammengenommen worden, während die Modelle selbst in der Regel nur die Lufttemperaturen berücksichtigen würden, heben die Forscher hervor. Auch würden Klimafaktoren wie Feinstaub aus Vulkanausbrüchen oder die Sonnenaktivität zumeist nicht einkalkuliert.
"Wenn die Effekte kurzzeitiger Temperaturschwankungen, wie der El Nino Southern Oscillation, vulkanischer Aerosole und Sonnenvariabilität herausgenommen werden, ist das von Menschen erzeugte Signal globaler Erwärmung nicht wesentlich zurückgegangen", lautet das Fazit. 1997/1998 war das Klimaphänomen "El Nino" an der südamerikanischen Pazifikküste sehr ausgeprägt und hatte zu weltweiten Temperaturrekorden 1998 beigetragen. Dass keine weiteren Rekorde folgten, sei vor allem mit natürlichen Klimaschwankungen erklärbar.
Auch Risbey und Lewandowsky folgern: "Einige Daten, Tools und Methoden, die bei der Betrachtung eines längerfristigen Klimawandels gut genug waren, erwiesen sich als problematisch, als sie auf das Problem der kurzfristigen Trends angewendet wurden."
Wie real der Klimawandel ist, zeigen Berichte der Weltwetterorganisation in Genf im März über Temperaturrekorde in der Arktis: Auf dem Höhepunkt des Winters und der eigentlichen Gefrierperiode habe es Tage mit Temperaturen fast am Schmelzpunkt gegeben. Die Erwärmungspause habe sich als "Sturm im Wasserglas" entpuppt, schließt Medhaug.