Klimamüde#
Der UN-Weltklimarat warnt in seinem Bericht vor den dramatischen Folgen der Erderwärmung. Die Klimaretter sind aber erschöpft.#
Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 1. April 2014) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Ronald Schönhuber
Yokohama. Als der Weltklimarat IPCC im Jahr 2007 seinen vierten Sachstandsbericht präsentierte, war die Welt in Aufruhr. Mit einer gigantischen Menge an Daten und mit bisher ungekannter Schärfe hatten die Klimawissenschafter damals die Bedrohung durch den Klimawandel dargelegt: Sollte der Treibhausgasausstoß weiterhin ungebremst voranschreiten, dann drohen infolge des Temperaturanstiegs Dürren in Afrika und Südeuropa. Vielerorts werden Flussdeltas überschwemmt und vor allem in Asien geht fruchtbares Land verloren. Starke Niederschläge und Stürme suchen Nordeuropa heim, das Schwinden des Grönland- und Polareises lässt den Meeresspiegel steigen und kleine Inselstaaten im Pazifik verschwinden.
Die damals vielerorts zum Konsens geworden Einsicht, dass es nun an der Zeit ist, zu handeln, währte allerdings nicht lange. In der Europäischen Union, die sich auch unter dem Eindruck des vierten Sachstandsberichts das global ambitionierteste Klimaschutzprogramm verordnete, ließ die aufkommende und alle Aufmerksamkeit erfordernde Finanzkrise das Thema auf der politischen Prioritätenliste kontinuierlich nach unten rutschen. Auf globaler Ebene dämpften die vielen seit 2007 gescheiterten UN-Klimakonferenzen - bei denen es vor allem auch wegen des Widerstands der USA und Chinas nicht gelang, ein weltweites verbindliches CO2-Reduktions-Abkommen zu etablieren - jegliche Hoffnung, die Blockade der internationalen Klimapolitik auflösen zu können.
Und auch die Bürger, die vor allem in den Jahren 2007 und 2008 nicht nur fast täglich mit neuen Schreckensszenarien, sondern auch mit einer Alarmismus-Debatte konfrontiert wurden, haben mittlerweile einen anderen Blick auf das Thema: Wurde im Jahr 2011 der Klimawandel noch als das bedrohlichste und dringendst zu lösende Problem wahrgenommen, so rangiert er in der aktuellen Eurobarometer-Umfrage hinter der Armutsbekämpfung und der Wirtschaftskrise nur noch auf Platz drei. Aus der Aufbruchsstimmung in Sachen Klimaschutz, die noch 2007 herrschte, ist Klimaschutzmüdigkeit geworden.
Schlecht vorbereitet#
Dass die Zeit allerdings mehr denn je drängt, legt nun der zweite Teil des fünften IPCC-Sachstandsberichts nahe, der am Montag im japanischen Yokohama veröffentlicht wurde. In diesem wird der Fokus - als Ergänzung zum im September veröffentlichten ersten Teil, der vor allem die physikalischen Grundlagen beschreibt - vor allem auf die Konsequenzen einer ungebremst voranschreitenden Erderwärmung gelegt. Konkret identifizieren die Forscher dabei acht zentrale Risiken. So werden etwa die Unsicherheiten bei der Nahrungsmittelversorgung größer werden, weil die Getreideproduktion schon jetzt im globalen Maßstab unter dem bereits spürbaren Temperaturanstieg leidet. Zunehmende Probleme erwartet das IPCC auch bei der Bereitstellung von Trinkwasser, selbst hochentwickelte Industrieländer am Mittelmeer dürften davon betroffen sein. Nahrungsmittelknappheit, überflutete Küstenregionen und Dürren werden laut dem Bericht, der vor allem als Entscheidungsgrundlage für die politische Akteure dienen soll, zudem größere Migrationsströme auslösen und damit "indirekt das Risiko für Gewaltkonflikte" erhöhen.
Die IPCC-Wissenschafter wagen in diesem Zusammenhang auch eine wirtschaftliche Prognose: Sollte nichts gegen die Erderwärmung unternommen werden und das globale Temperaturmittel um 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter ansteigen, drohen jährliche Einbußen beim weltweiten Wirtschaftswachstum zwischen 0,2 und 2 Prozent.
Viele Weltregionen sind nach Ansicht des IPCC allerdings nur äußert schlecht bis gar nicht auf eine wärmer werdende Welt vorbereitet. Denn Anpassung an den Klimawandel heißt in den hauptbetroffenen ärmeren Ländern derzeit nach wie vor vor allem Verzicht. Die Menschen verkaufen ihr Vieh, essen weniger oder schicken ihre Kinder nicht mehr in die Schule.
Woher kommt das Geld?#
"Die Erderwärmung wird vor allem zu einer Herausforderung für das Risikomanagement", sagt auch Chris Fields, einer der Hauptautoren des Berichts. Viele Maßnahmen seien zudem einfach und billig - etwa der Kampf gegen Wasserverschwendung und der Schutz der Küsten. Allerdings bedarf es nicht nur jener "klugen Entscheidungen", die Fields in diesem Zusammenhang fordert, sondern auch enormer Summen, von denen niemand so richtig weiß, woher sie kommen sollen. In einer Textpassage, die letztendlich aus der Endversion des aktuellen Berichts gestrichen wurde, schätzen die Autoren, dass allein in den Entwicklungsländern bis 2050 jährlich zwischen 70 und 100 Milliarden Dollar nötig sein werden, um die Klimawandelschäden einzudämmen.
In ihrem Bericht machen Fields und seine Kollegen aber auch klar, dass eine Anpassung nur dann funktionieren kann, wenn auch die Erderwärmung deutlich gebremst wird. Einen neuen Anlauf dafür will die Weltgemeinschaft in Paris nehmen, wo 2015 ein globales Klimaschutzabkommen unterschrieben werden soll. Ob die grassierende Klimaschutzmüdigkeit sich wieder in eine Aufbruchsstimmung umwandeln lässt, scheint allerdings zweifelhaft. Bei den bisherigen Vorbereitungstreffen für das Pariser Gipfeltreffen wurden kaum Fortschritte erzielt.
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Aprilscherz der Wiener Zeitung oder Aprilscherz des IPCC#
Der obige Bericht kann doch nur als Scherz gemeint sein. Man kann doch nicht Vorhersagen bis 2100 machen! Über 80 Jahre, da wird sich noch so vieles tun! Wenn das wirklich von IPCC veröffentlicht wurde, dann hat sich diese Gruppe endgültig selbst lächerlich gemacht.
"Jede Prognose über mehr als 20 Jahre ist Science Fiction" sagte schon der Philosoph Hebenstreit!
-- Herz Walter, Freitag, 4. April 2014, 15:54