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Flavia Solva - Römerzeitliche Landeshauptstadt der Steiermark#

von Hasso Hohmann

Modell mit der Rekonstruktion des römerzeitlichen Flavia Solva
Modell mit der Rekonstruktion des römerzeitlichen Flavia Solva.
Foto: © Hasso Hohmann

Im Gemeindegebiet des steirischen Wagna östlich von Leibnitz etwa 35 km südlich von Graz liegen die archäologischen Reste von Flavia Solva. Flavia Solva war eine Stadtgründung aus flavisch-römischer Zeit. Vergleicht man das geschlossen verbaute Graz um 1650 mit dem damals ebenfalls geschlossen verbauten Stadtgebiet von Flavia Solva um etwa 300 n. Chr., so wird deutlich, dass die verbauten Flächen etwa gleich groß sind. Im Jahr 69 n. Chr. erhielt Flavia Solva bereits das Stadtrecht. Zwischen 100 und 380 n. Chr. wird die Bewohnerzahl der Stadt von Archäologen auf 2000 bis 2200 geschätzt, vielleicht waren es auch etwas mehr. Die Stadt wurde streng nach Cardo und Decumanus angelegt und in fast 50 Häuserblöcke mit Blockrandverbauung, sogenannte Insulae, gegliedert. Im Süden der Stadt lag auch ein Amphitheater. Flavia Solva war die größte römerzeitliche Stadt in der Steiermark. Sie hatte auch die Funktion die dortige Brücke über die Mur zu sichern.

Viele der Bauten in Flavia Solva hatten Hypocausten-Fußböden, waren also mit Fußbodenheizungen und auch mit Wandheizungen ausgestattet. Die Mosaikfußböden zeigen den hohen kulturellen Standard in der Stadt. Bei Grabungen wurde unter anderem eine Fibelwerkstatt mit Leerformen für Gewänder-Fibeln gefunden. Bekanntlich gab es auch eine freiwillige Feuerwehr in Flavia Solva, zu der ein längerer Text einer Marmortafel Auskunft gibt. Die zahlreichen qualitätsvollen “Römersteine“, ehemalige Grabstelen, die sekundär im Bau eines nicht mehr existierenden mittelalterlichen Turmes beim Schloss Seggau verwendet worden waren und die später großteils in der zum Hof orientierte Außenmauer dieses Schosses so verbaut wurden, dass man die Schauseiten betrachten kann, sind ein weiteres Zeichen dafür, wie hoch der kulturelle Standard in Flavia Solva war.

Leider wurden die römischen Ruinen und das Gräberfeld über Jahrhunderte immer wieder geplündert und als Steinbruch verwendet. Auch die Archäologie hat über weite Phasen kaum etwas zum nachhaltigen Schutz der Römerstadt im Untergrund von Wagna unternommen. Anfang des Jahrhunderts und auch später wurden mehrere Insulae archäologisch untersucht. Nie wurde aber ein genereller Plan der Römerstadt erarbeitet und damit ein Archäologie-Erwartungsgebiet parzellenscharf abgegrenzt und von neuzeitlicher Verbauung freigehalten.

Als ich 1980 eine Ortsbildstudie zu Leibnitz erarbeitete, stieß ich auch auf die Nachbargemeinde Wagna, wo gerade eine Notgrabung durch Erich Hudeček durchgeführt wurde. Hier sollten eine Tankstelle direkt an der Ecke der alten Triester-Straße bzw. Hauptstrasse von Wagna und Marburger Straße entstehen und ein großes Stangenlager der Post gleich nördlich anschließen, außerdem war eine Fabrik weiter nördlich folgend an der Triester-Straße geplant.

Ich fragte damals den Archäologen Erich Hudeček, ob man das Gebiet nicht von Verbauung freihalten kann. Dann müssten keine Notgrabungen unternommen werden. Die Grundstücke könnten dann sogar oberflächlich weiter landwirtschaftlich genutzt werden, ohne dass die archäologische Substanz gleich freigelegt werden müsse. Er meinte: “Daran ist wirklich nicht zu denken und man könne da halt nichts machen!“ Als ich den zuständigen Raumplaner Franz Heigl aus Graz 1980 daraufhin befragte, warum das Gebiet als Industrie-Erwartungsgebiet ausgewiesen sei, sagte er mir, dass er das Bundesdenkmalamt (BDA) schon vor Jahren gebeten hatte, ihm mitzuteilen, welche Grundstücke der Archäologie wegen von jeder Verbauung auszusparen seien. Er erhielt auf seinen ersten Brief eine vertröstende Antwort, alle weiteren sieben Briefe, die er immer wieder in Abständen an das BDA richtete, wurden überhaupt nicht mehr beantwortet. Er zeigte mir die Kopien seiner acht Briefe und den einen Brief des BDA.

Ich bat daraufhin das Vermessungsbüro Legat in Leibnitz, mir ihre Luftaufnahmen der Region zur Verfügung zu stellen, die ich schon einmal in anderem Zusammenhang gebraucht hatte. Unter den Luftbildern waren auch Vermessungsstereoaufnahmen, die knapp nach Sonnenaufgang gemacht worden waren, sodass sich sehr klar die tieferliegenden ehemaligen Straßen von Flavia Solva in den Feldern und auch andere Details abzeichneten. Ich erhielt die Luftbilder und zeichnete daraufhin ohne Auftrag und auch ohne Bezahlung einen aus diesen Vermessungsluftbildern resultierenden maßstäblichen Lageplan, in dem ich parzellenscharf die Grenze des freizuhaltenden Gebietes definierte. Eine Kopie des Planes mit dem ehemaligen Stadtgebiet von Flavia Solva erhielt damals das Bundesdenkmalamt in Graz, einen der Archäologe Erich Hudeček, einen der Raumplaner und einen die Gemeinde Wagna.

Im Vergleich mit Graz um 1650 zeigt sich, dass das geschlossen verbaute, meist zweigeschossige Flavia Solva im 4. Jh. n. Chr. etwa gleich groß war
Im Vergleich mit Graz um 1650 zeigt sich, dass das geschlossen verbaute, meist zweigeschossige Flavia Solva im 4. Jh. n. Chr. etwa gleich groß war.
Foto: © Hasso Hohmann

Danach meldete ich mich beim Landeshauptmann der Steiermark Josef Krainer an und ging zu einem seiner Sprechtage. Er bat mich, da ihn die Thematik interessierte, erst kurz nach Mitternach dieses Tages zu kommen, weil er dann mehr Zeit habe. Ich erklärte ihm, dass das von Flavia Solva aus regierte Territorium vor fast 2000 Jahren im Süden, Westen und im Osten ähnlich verlaufende Grenzen hatte wie die Grenzen der heutigen Steiermark; nur im Norden seit der Grenzverlauf nicht klar und die Obersteiermark habe wohl nicht dazu gehört. Man könne Flavia Solva aber sicher quasi als die römerzeitliche Landeshauptstadt der Steiermark, zumindest eines wesentlichen Teiles davon, betrachten. Im ehemaligen römischen Stadtgebiet von Wagna sollten aber gerade unwiederbringlich interessante archäologische Zeugnisse, die in einer Notgrabung freigelegt wurden, durch drei bereits baubewilligte Industriebauten im ausgewiesenen Industriegebiet zerstört werden. Ich zeigte ihm meinen Plan und auch die Fotos, die ich vom Dach einer Halle gleich daneben gemacht hatte, auf deren Dach mich ein Hubstapler hinaufgehoben hatte. Krainer sorgte damals dafür, dass mit Hilfe von Hermann Schaller mehrere Grundstücke der Landwirtschaftsschule Retzhof gegen die Grundstücke im Grabungsgebiet getauscht wurden. So konnte dieser Streifen freigehalten werden.

Naiv glaubte ich bei Erich Hudeček auf große Freude und Lob für meinen Erfolg zu stoßen. Dieser fühlte sich aber durch meine Aktionen in die Enge getrieben und fürchtete, dass man ihn fragen würde, warum er nicht genau das bereits in der Vergangenheit gemacht hatte, was nun ich erfolgreich getan hatte. Er fragte mich: “Wer hat dich überhaupt mit all diesen Aktivitäten beauftragt“- Ich sagte ihm: “Ich brauche niemanden, der mich beauftragt. Wenn ich ein markantes Problem sehe, dann suche ich nach Lösungswegen!“ ISG-Präsident und Stadtrat Heinz Pammer in Graz hatte ich natürlich über meine Aktivitäten informiert, da ich an einigen Nachmittagen auch in meiner Dienstzeit an den Lösungswegen arbeitete. Da ich dem für Flavia Solva zuständigen Archäologen keine Probleme bereiten wollte, sagte ich dann eine Pressekonferenz, die Heinz Pammer schon angesetzt hatte, wieder ab. Als dem damaligen Bürgermeister der Gemeinde Wagna Franz Trampusch bewusst wurde, welche zeitgeschichtlichen Schätze er im Untergrund seiner Gemeinde hat, wurde er zu einem glühenden Verfechter von Flavia Solva. Es wurde die Notgrabung zum Schaugrabungsfeld auf dem freien Areal. Später wurde auch ein Informations-Pavillon errichtet. Leider scheinen heutige Entscheidungsträger im Landesmuseum Joanneum allerdings inzwischen weniger interessiert und haben den Großteil der Grabung wieder zuschütten lassen. Die Cortenstahl-Streifen als “witterungsbeständiger“ Ersatz für die archäologisch freigelegten Fundamentstreifen im ehemaligen Notgrabungsgebiet sehen fürchterlich aus und der Pavillon über dem Grabungsfeld wurde inzwischen zu einem gastronomischen Betrieb umfunktioniert. Dort findet sich nicht einmal mehr das Stadtmodell von Flavia Solva. Hoffentlich findet sich bald wieder ein geschichtsbewusster initiativer Steirer, der erkennt, dass Flavia Solva nicht nur ein Fußballklub oder ein Fußballfeld ist, sondern ein geschichtlich hochinteressanter Ort für die Steiermark im Gemeindegebiet von Wagna, ein potentielles Markenzeichen der Gemeinde! Eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Wagna, Leibnitz und Seggau für die kultivierte Darstellung der römerzeitlichen Landeshauptstadt der mittleren Steiermark hätte großes Potenzial für alle drei Gemeinden.


Eine der römischen Grabstelen aus dem Gräberfeld von Flavia Solva, die heute in der Außenwand des Schlosses Seggau zu sehen ist
Eine der römischen Grabstelen aus dem Gräberfeld von Flavia Solva, die heute in der Außenwand des Schlosses Seggau zu sehen ist.
Foto: © Hasso Hohmann
Leider wurde bei dieser Grabstele der dargestellte Musiker fast vollständig heruntergestemmt und abgeflacht, damit die Stele besser im frühmittelalterlichen Turm auf dem Seggauer Berg als Mauerstein verwendbar war. Das Musikinstrument ist unbeschädigt geblieben. Heute ist die Stele wieder sichtbar in der Außenmauer von Schloss Seggau eingemauert
Leider wurde bei dieser Grabstele der dargestellte Musiker fast vollständig heruntergestemmt und abgeflacht, damit die Stele besser im frühmittelalterlichen Turm auf dem Seggauer Berg als Mauerstein verwendbar war. Das Musikinstrument ist unbeschädigt geblieben. Heute ist die Stele wieder sichtbar in der Außenmauer von Schloss Seggau eingemauert.
Foto: © Hasso Hohmann
Auf dieser Grabstele aus Flavia Solva nimmt offenbar ein Liebespaar für immer Abschied. Auch bei diesem Hochrelief wurden leider vortretende Teile der Skulpturen abgeflacht
Auf dieser Grabstele aus Flavia Solva nimmt offenbar ein Liebespaar für immer Abschied. Auch bei diesem Hochrelief wurden leider vortretende Teile der Skulpturen abgeflacht.
Foto: © Hasso Hohmann
Das auf einer Drehscheibe gefertigte Gefäß wurde aus einzelnen Scherben wieder zusammengesetzt
Das auf einer Drehscheibe gefertigte Gefäß wurde aus einzelnen Scherben wieder zusammengesetzt.
Foto: © Hasso Hohmann
Einzelne Scherbe eines Terra-Sigillata-Gefäßes. Neben einem kurzen Streifen Banddekor erkennt man eine stehende Person und einen laufenden Hund
Einzelne Scherbe eines Terra-Sigillata-Gefäßes. Neben einem kurzen Streifen Banddekor erkennt man eine stehende Person und einen laufenden Hund.
Foto: © Hasso Hohmann

Bei der Notgrabung von 1980 wurden unter Leitung von Erich Hudecek gleich mehrere Bauten mit Hypokausten unter dem Areal an der Ecke von Marburger-Straße und Hauptstraße 67 von Wagna freigelegt. Hier sind es zwei große und ein kleiner Raum mit Fußbodenheizung. Im Zentrum sieht man auch einen Brunnenschacht. Es gab für Flavia Solva offenbar kein Aquaedukt, das Frischwasser in die Stadt brachte. Hypokausten sind ein deutliches Zeichen für eine römerzeitliche Fußbodenheizung. Manche davon trugen aufwendig gestaltete Mosaikfußböden. Dieses Grabungsgrundstück sollte ursprünglich mit einer Tankstelle verbaut werden
Foto: © Hasso Hohmann
Bei der Notgrabung von 1980 wurden unter Leitung von Erich Hudecek gleich mehrere Bauten mit Hypokausten unter dem Areal an der Ecke von Marburger-Straße und Hauptstraße 67 von Wagna freigelegt. Hier sind es zwei große und ein kleiner Raum mit Fußbodenheizung. Im Zentrum sieht man auch einen Brunnenschacht. Es gab für Flavia Solva offenbar kein Aquaedukt, das Frischwasser in die Stadt brachte. Hypokausten sind ein deutliches Zeichen für eine römerzeitliche Fußbodenheizung. Manche davon trugen aufwendig gestaltete Mosaikfußböden. Dieses Grabungsgrundstück sollte ursprünglich mit einer Tankstelle verbaut werden.

Dieses “Antefix“ ist ein Stirnziegel an der Traufe eines ziegelgedeckten römischen Daches in Flavia Solva. Er wurde individuell aus Ton modelliert und gebrannt. Einst schmückte er den unteren Dachabschluss jeweils an der Stelle, an der die aufragenden Randstege zweier großflächiger Dachdeckungsplatten mit einem schmalen Abdeckziegel nach oben abgedichtet und zugleich auch durch ihn zusammengehalten wurden. Durch das Antefix wurde an der Traufe so die entstehende, schräg nach unten weisende kleine Öffnung geschlossen. Je nach Größe dieser Öffnung konnten sich anderenfalls hier Schlangen, Marder, Mäuse oder auch Vögel einnisten. Das geschmückte Antefix wurde bei der Grabungskampagne 1980 gefunden. Das Foto entstand unmittelbar nach dem Fund und zeigt den Ziegel zusammengeklebt, aber in noch nicht restauriertem Zustand
Foto: © Hasso Hohmann
Dieses “Antefix“ ist ein Stirnziegel an der Traufe eines ziegelgedeckten römischen Daches in Flavia Solva. Er wurde individuell aus Ton modelliert und gebrannt. Einst schmückte er den unteren Dachabschluss jeweils an der Stelle, an der die aufragenden Randstege zweier großflächiger Dachdeckungsplatten mit einem schmalen Abdeckziegel nach oben abgedichtet und zugleich auch durch ihn zusammengehalten wurden. Durch das Antefix wurde an der Traufe so die entstehende, schräg nach unten weisende kleine Öffnung geschlossen. Je nach Größe dieser Öffnung konnten sich anderenfalls hier Schlangen, Marder, Mäuse oder auch Vögel einnisten. Das geschmückte Antefix wurde bei der Grabungskampagne 1980 gefunden. Das Foto entstand unmittelbar nach dem Fund und zeigt den Ziegel zusammengeklebt, aber in noch nicht restauriertem Zustand.


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