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Eine Totenstadt wandert auf den Berg#

Das Römer-Lapidarium auf Schloss Seggau bei Leibnitz#


Von

Günther Jontes

Die Aufnahmen wurden vom Verfasser in den Jahren 1974, 1986 und 2004 gemacht. Sie sind Teil des Archives „Bilderflut Jontes“.


Inhaltsverzeichnis

Schloss Seggau bei Leibnitz
Das bischöfliche Schloss Seggau bei Leibnitz gesehen vom benachbarten Frauenberg aus, wo sich in der Antike ein norisch-römisches Kultzentrum befand

Lapis (Genitiv lapidis) bedeutet im Lateinischen „Stein“ und zwar sowohl den ungeformten als auch den Baustein oder den handwerklich oder künstlerisch behauenen. In lateinischer Wortbildung ist eine Ansammlung von letzteren ein Lapidarium, um es „lapidar“ (wie in Stein gemeißelt) auszudrücken. In Gebieten, die in der Antike zum Imperium Romanum gehörten, hatte sich im Laufe eines guten Jahrtausends eine enorme Bautätigkeit entwickelt, die auch in den Regionen von „barbarischen“ Völkern, die Rom sich unterworfen und einverleibt hatte, die ursprüngliche Holzarchitektur durch den Bau in Stein und Ziegeln ersetzte.

Auch im Regnum Noricum, das seit 15 v. Chr. als keltisches Königreich den römischen Provinzen eingegliedert worden war, ging es nicht anders zu und in der einzigen Römerstadt Flavia Solva innerhalb der Grenzen der heutigen Steiermark brachte Baukunst in lokaler und regionaler Ausprägung eine Fülle von Steinwerk hervor, dessen Reste heute durch die Wissenschaft die Deutung eines Lebensstils und einer urbanen Kultur ermöglichen, über die keine eigentlichen schriftliche Überlieferungen berichten, weil es den großen Autoren nicht wichtig genug erschien. Einzig Plinius d. Ältere (23-79 n. Chr.)erwähnt in seiner Naturalis historia um das Jahr 77. unter den sechs Städten Noricums auch ein Flavium Solvense.

Im ersten Jahrhundert n. Chr. bauten die Römer Noricum zu einem Art Pufferstaat gegen die Germanen aus, die von der Donaugrenze aus immer wieder nach Süden drängten, was dann besonders im 2. Jahrhundert zur Zerstörung fast der gesamten Infrastruktur führte, ehe man unter Kaiser Marc Aurel die Situation wieder halbwegs in den Griff bekam, nachdem auch Solva fast vollständig zerstört worden war.

Vor der Einflussnahme durch die Römer war das Gebiet durch keltische Völker unter Stammeshäuptlingen, ja Königen besiedelt worden, deren Niederlassungen sich meist auf Bergeshöhen befanden, die auch durch Graben, Wall und Palisaden befestigt waren. Nachdem die langdauernde Friedenszeit unter Kaiser Augustus solche Höhensiedlungen fast überflüssig gemacht hatte und nur die alten Kultstätten dort verblieben waren, begann man in den Tälern und Flussebenen neue Orte anzulegen. Einer davon war Flavia Solva. Zuvor war man auf Frauenberg und Seggauberg gesessen, wo auf dem ersteren nur mehr ein Kultbau, ein keltisch-römischer Umgangstempel verblieb, den die Archäologen erst im 20. und 21. Jahrhundert zu erforschen begannen.

Um 70 n. Chr. wurde unter Kaiser Vespasian (69-79 n. Chr.) diese neue Stadt südöstlich des heutigen Leibnitz in der Gemeinde Wagna unweit der Mur gegründet. Da der Gründer aus dem Geschlecht der Flavier stammte, wurde diese Bezeichnung mit dem Namen des Flusses Sulm verbunden, der unweit davon in die Mur mündet und sprachlich eine vorrömische, vielleicht sogar vorkeltische Wurzel hat, die in Solva aufscheint. Die Stadt wurde auch dort gegründet, wo ein Brückenschlag über die Mur leichter möglich war als anderswo. Heute befindet sich hier die Landscha-Brücke.

Hinweistafel

„Diese uralten Steine aus den Ruinen von Flavia Solva, wurden einst ausgegraben und in den Turm dieser Burg eingefügt. Um künftighin den Bewunderern des Altertums diese bequem vor Augen zu stellen, hat der Hochwürdigste Herr Roman Sebastian, Fürstbischof von Seckau diese aus eigenen Mitteln im Jahre 1831 hier zusammenstellen lassen“.

Nach der Zerstörung der Stadt gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. wurden die Ruinenflächen eingeebnet und unter teilweiser Wiederverwendung brauchbarer Steinteile die Stadt erneut aufgebaut. Vor allem diese Phase wurde durch archäologische Grabungen besonders während des Ersten Weltkrieges erforscht, jedoch nur ungenügend wissenschaftlich publiziert. Erst die systematischen Ausgrabungen durch die Landesarchäologen Walter Modrijan und Erich Hudeczek brachten neues Licht in Aufbau, Anlage und Stadtkultur von Flavia Solva.

Die Zeiten sollten aber in der Spätantike während der Völkerwanderung nicht friedlich bleiben. Um sich wenigstens sein Leben und Hab und Gut halbwegs zu sichern, tat man einen verzweifelungsvollen Schritt. Wie üblich hatten die Römer ihre Toten nicht innerhalb der Stadt beigesetzt und ihnen dort Monumente errichtet. Man tat dies außerhalb der Siedlungen besonders entlang von Ausfallsstraßen, wo jedermann die Denkmäler sehen konnte, der diese Verkehrswege benützte. Diese aus mehreren nachchristlichen Jahrhunderten stammenden Grabdenkmale wurden abgebaut und als Baumaterial auf den Seggauberg geschafft, wo man sie zum Bau einer fluchtburgartigen Anlage verwendete, von welcher man heute noch keine wie immer geartete Kenntnis hat. Und auch dort hatten sie nicht ewig Bestand. Als im Mittelalter auf dem Seggauberg im 12. Jahrhundert eine Burg des Salzburger Erzbischofs errichtet wurde, bediente man sich abermals dieser antiken steinernen Überbleibsel als willkommenes Baumaterial und so verschwanden abermals Grabreliefs, Porträtköpfe, Inschriften, Zierstücke usw. im Bauverband eines Turmes, eines Bergfrieds, wie man den stärksten Teil einer mittelalterlichen Burg nennt. Als man diesen 1831 – die abgebildete Inschrift erinnert daren – abbrach, stieß man auf diese Zeugen römischer Antike und bewahrte sie, indem man ihnen durch Einmauern in die Fassade und einen Innengang eine neue, und wie man hoffen kann, dauernde Bleibestätte gab.

Größte Verdienste um die Zuordnung der Denkmäler errang sich bei der Auffindung der Grazer Stadtpfarrer Richard Knabl, der 1848 den ersten Forschungsbericht nach wissenschaftlichen Maßstäben unter dem Titel „Wo stand das Flavium Solvense des C. Plinius?“ vorlegte. Er war der erste, der diese Frage richtig durch Interpretation einer Seggauer Inschrift beantwortet konnte. Er zeichnete auch etliche der Fundstücke und man kann ihn als den eigentlichen Entdecker der römischen Denkmäler des Leibnitzer Feldes und seiner Höhenzüge bezeichnen.

eingemauerte Römersteine vor der Restaurierung
Die eingemauerten Römersteine an der Fassade des Schlosses Seggau vor der Restaurierung
Zustand seit 2004
Der Zustand seit 2004. Im Boden davor ist der Grundriss des 1831 abgebrochenen Turmes der mittelalterlichen Burg im Bodenbelag markiert
frei zugängliche Steine
Auch im Inneren des Erdgeschoßes sind noch Steine frei zugänglich eingemauert

Auch freigelassene Sklaven konnten sich schöne Grabmäler leisten#

In einem Durchgang und deshalb halbwegs vor Atmosphärilien geschützt, befindet sich die nur geringfügig an einer Seite durch Abschrämmen verkleinerte Grabinschrift für Quintus Pompeius Eugamus,die dieser für seine Gattin Pompeia Venusta und auch die Tochter Ingenua anfertigen ließ, die im Alter von 20 Jahren verstorben war. Sowohl die Namen der Eltern als auch der Tochter sind typisch für freigelassene Sklaven (lat. liberti bzw libertae), wenngleich ihr einstiger Herr (lat. patronus) wie oft üblich, nicht genannt ist.

Grabmal
Grabmal

Ein ehemaliger Sklave hatte Drillingskinder#

Auch Marcus Laetilius Paccius war ein freigelassener Sklave (lat. libertus), der schon zu Lebzeiten für sich, „seine allerbeste Gattin“ Iulia Successa und seine vier Kinder diesen Grabstein anfertigen lassen hatte. Hatte hier eine Seuche die Familie dezimiert, denn der Sohn Scipio und die Töchter Iusta und Iustina waren alle im Alter sechs Jahren gestorben? Das konnte aber auch bedeuten, dass es sich um Drillinge gehandelt haben muss. Bloß der Sohn Laetilius Iuvenis hatte ein Alter von dreißig Jahren erreicht. Der Name Laetilius sagt, dass Marcus der Freigelassene einer Dame namens Laetilia gewesen sein muss. Die Grabtituli gehen immer vom Familienvater (lat. pater familias) aus, der den Auftrag für die Anfertigung des Grabmals gab.

Man sieht dem Stein deutlich seine Zweitverwendung als Baustein an, weil man brutaler Weise zwei Pfostenlöcher mitten in die Inschrift gemeißelt hatte.

Grabmal

Der Name von Flavia Solva wird sichtbar und hilft bei der Lokalisierung der zuvor vergeblich gesuchten Stadt #

Der höhere Verwaltungsbeamte (lat. aedilis) von Flavia Solva Iulius Sabinus ließ den Grabstein für sich, seine allerbesten Gattin Iulia Secundina und den Sohn Sabinianus herstellen. Man kann an den Namen erkennen, dass aus dem Sippennamen aus der männlichen Form Sabinius auch die Erweiterung Sabinianus für den Sprössling gebildet wird. Die Aedilen waren städtische Beamte, die unter anderem für die Erhaltung der öffentlichen Gebäude, die Ausrichtung von Festen, die Verproviantierung der Bevölkerung. die Veranstaltung von Gladiatorenspielen und dergleichen verantwortlich waren. Es handelte sich um ein Ehrenamt, dem sich reiche Bürger gerne unterzogen.

Flavia Solva hatte zwar einen ausgedehnten Wirkungsbereich (lat. municipium), lag aber eher am Rande des wichtigen Straßennetzes, hatte keine Garnison, war nicht befestigt und war um 70 n. Chr. unter Kaiser Vespasian aus dem Hause der Flavier gegründet worden. Plinius d. Ä. erwähnt die Stadt in seiner Naturalis Historia als eine unter den sechs Städten Noricums. Das ist die einzige antike literarische Schriftquelle für ihre Existenz. Lange Zeit wurde gerätselt, wo sie eigentlich gelegen sein könnte. Erst der Fund von Grabsteinen mit der Nennung von Gremien und Ämtern der Stadt (lat. ordo Solvensis) brachte darüber Klarheit.

Grabmal

Das Grab eines Solvenser „Bürgermeisters“#

Am Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. ließ der Bürgermeister von Flavia Solva Titus Claudius Secundinus für sich, seine Gattin Artoria Flora und die beiden Söhne Marcus Claudius Lucullus und Tiberius Claudius Secundus ein Grabdenkmal errichten. Den Grabstein ließ Valeria Crispa aufstellen. Wahrscheinlich war diese Frau die Gattin eines der beiden Söhne.

Unter Bürgermeister sollte man zu Römerzeiten die beiden Männer verstehen, die unter der Amtsbezeichnung Duoviri iure dicundo gleichzeitig dem Gemeinderat (lat. ordo) vorstanden. Der Ordo bestand aus 100 auf Lebenszeit ernannten Mitliedern (lat. decuriones). Sie waren auch für Rechtssprechung zuständig und wurden jährlich gewählt. Unter den Ehrenrechten, die ihnen gebührten, war das Tragen einer verbrämten Toga (lat. toga praetexta), bei Gerichtsverhandlungen das Sitzen auf einem Ehrenstuhl (lat. sella curulis) und die Begleitung durch zwei Unterbeamte (lat. lictores), die Liktoren, die Rutenbündel (lat. fasces) als Symbol der Staatsmacht vor ihnen hertrugen.

Grabmal
Liktor mit Rutenbündel (lat. fasces) von einem Schreiber (lat. scriba, librarius)begleitet

Besonders aufschlussreich auf diesem Grabstein ist die Nennung des einen der beiden Söhnen nämlich des M. Claudius Lucullus als Legionsoffizier im Range eines Centurio, was man nach heutigen Begriffen mit einem Hauptmann der Infanterie gleichsetzen könnte und der über eine Hundertschaft, also Soldaten in Kompaniestärke gebietet. Der Stein nennt sogar die Truppenteile, nämlich die 14. Legion, die vorerst in Vindobona, dem antiken Vorläufer von Wien und dann in Carnuntum in Garnison lag. Diese trug auch die Ehrennamen „Zwillingslegion“ (lat. Gemina), „die dem Mars geweihte“ (lat. Martia) und „die Siegreiche“ (lat. Victrix). Auch die 13. Legion war in Vindobona stationiert, allerdings nur bis 101 n. Chr.

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Was auch ein Fragment alles zu berichten weiß#

Auch hier geht es wieder ins Militärische. Ein durch die Verstümmelung der Inschrift dieses Grabsteines nicht weiter zu eruierender Familienvater setzte den Stein seiner ebenso nicht mehr namentlich festzustellenden Gattin und dem mit 26 Jahren verstorbenen Sohn Memmius, der in der 2. oder 3. kaiserlichen Kavalleriebrigade gedient hatte, welche sich hauptsächlich aus thrakischen Reitern rekrutierte. Die römische Kavallerie war zwar den Legionen zugeteilt, galt aber nur als Hilfstruppe.

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Die Familie der Cassii gehörte zur lokalen Elite von Flavia Solva#

Cassius Profuturus hat schon zu Lebzeiten das Grabmal für sich und seine Gattin, die im Alter von wegen der Beschädigung des Steines unbekannten Jahren gestorben ist, errichtet. Der Clan der Cassier ist hier auch noch durch andere Personen bekannt geworden, die als Mitglieder der städtischen Oberschicht zum Beamtenstand zählten. Die Familie dürfte nach Aussage der Grabschriften vom Ende des 2. bis in die 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. geblüht haben. Die Bestatteten werden durch die Weihe auch den Totengöttern (lat. Manes) empfohlen. Diese sind die vergötterten Seelen der Verstorbenen.

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Auch auf den Rahmen kommt es an#

Die meisten Grabtituli sind von einer einfachen Randleiste umrahmt. Der für Sextus Baebius Pudens, den dieser schon zu Lebzeiten für sich, seine Gattin Iulia Festa und seine Mutter Iulia Verecunda in Stein meißeln ließ, ist hingegen mit einem schönen gleichmäßigen Blattornament umgeben. Gattin Iulia war bei ihrem Tode erst 25 Jahre alt. Der Stein stammt aus der Zeit um 100 n. Chr. Da die Personen schon die römische Namensgebung mit Vornamen, Familiennamen und Beinamen besitzen, handelt es sich bei ihnen um Personen mit dem vollen Bürgerrecht.

Beachtenswert sind die auf dem Grabstein vermerkten Beinamen (lat. cognomina) Pudens „der Schamhafte, Sittsame“, Festa „die sich feierlich Gebende“ und Verecunda „die Schüchterne, Zurückhaltende“. Sie verkörpern aber nicht nachträglich ehrend vergebene Charaktereigenschaften, sondern sollen sie nur von anderen Familienmitgliedern unterscheiden.

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Ein „Ritterkreuzträger“ im Pensionopolis Flavia Solva#

Gleichsam ein Ehrengrab erhielt der hochdekorierte Centurio Titus Cassius Secundus der 15. Legion, die den Beinamen „die dem Apollo Geweihte“ (lat. Apollinaris) getragen hatte und in Carnuntum an der Donau in Garnison gelegen war. Er war als Offizier Chef einer Centurie von etwa 100 Mann, was heute etwa einer Infanterieeinheit in der Stärke einer Kompanie entsprechen würde.

Seiner vielen, auf dem Grabstein aufgezählten Tapferkeitsauszeichnungen wegen muss er an zahlreichen Feldzügen teilgenommen haben. So erhielt er einen Ehrenkranz (lat. corona muralis „Mauerkrone“), der solchen vorbehalten war, die bei der Erstürmung einer feindlichen Stadt oder Festung sich besonders hervorgetan hatten. Man hatte ihm auch Bronzemedaillen für besondere Tapferkeit, die an der Brust der Rüstung getragen wurden (lat. phalerae) und gedrehte Reifen aus Metall (lat. torques), die man auf der Brust befestigt trug, verliehen. Schließlich zierten ihn auch eine Art Armreifen (lat. armillae), alles in allem eine beeindruckende Zahl von Orden und Ehrenzeichen. Da ihm der Gemeinderat von Flavia Solva dortselbst ein Ehrengrab gewidmet hatte, dürfte er ein Sohn dieser Stadt gewesen sein, auf den man stolz sein konnte. Da auf dem Grabstein keine Familienangehörigen genannt werden, könnte er auch ein Junggeselle gewesen sein, denn nur ein Marcus Saxius Primus wird in der Grabschrift genannt, der als Sachverwalter des Titus Cassius gewirkt haben dürfte, um eine testamentarische Verfügung umzusetzen.

Die abgekürzte Formel am Schluss der Inschrift l(ocus) s(epulturae) d(atus) d(ecreto)d(ecurionum) besagt, dass der Platz des Grabes auf Antrag des Gemeinderates verliehen worden war.

Als der Seggauberger Turm 1831 abgerissen wurde, barg man zwei Teile unserer Inschrift, die man aber anscheinend nicht als zusammengehörig erkannte und deshalb getrennt und von einander räumlich entfernt in die Fassade des Gebäudes einmauerte.

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Grabmal

Ganze Familien präsentieren ihre Bedeutung und zeigen sich im Bilde#

Wenn Grabinschriften nur in Bruchstücken und als Baumaterial überlebt haben, so sind sie nur mehr der Rest eines vollständigen Grabmals, das aus den Porträts der Beigesetzten und ihrer erklärenden Beschriftung bestand. Im Idealfall ist diese Einheit erhalten geblieben, oft ist sie es nicht, verweigert uns Namen und Umstände des Todes oder lässt uns das Fehlen der ikonographischen, kulturgeschichtlich so wichtigen Details bedauern.

Die Einheit von Bild und Wort ist bei Trebonius und den Seinen gegeben#

In einer relativ tiefen Nische dieses Grabsteins und deshalb sehr plastisch gearbeitet, sitzen die Köpfe von drei Personen. Rechts erkennt man einen vollbärtigen Mann. Neben ihm schauen uns zwei Damen an, die in die übliche keltische Frauentracht gekleidet sind. Sie haben die typische „norische Haube“, einen halbmondförmigen Halsschmuck (lat. lunula) und ein durch Fibeln an den Schultern gehaltenes Gewand mit einem Umhang. Der Mann trägt eine römische Toga. Alle drei sehen recht mürrisch drein, ihre Gesichter sind sehr derb stilisiert. Die Frau links hat weniger Falten als ihre Nachbarin. Sie dürfte deshalb die Tochter der beiden sein.

Es handelt sich laut Inschrift, die wegen Abmeißelung unvollständig ist, um Caius Trebonius M(…), seine Gattin Quarta, Tochter des Uperacus und laut Inschrift um zwei weitere Kinder, die aber nicht ins Bild gesetzt wurden. Die Inschrift nennt ihre Namen als Tochter Trebonia V(…) und einen/eine Treboni(…). Trebonius selbst hat den Grabstein als Familienvater schon zu Lebzeiten in Auftrag gegeben. Seine Gattin Quarta hatte im Gegensatz zu ihm noch nicht das römische Bürgerrecht. Das äußert sich in der Namensnennung dergestalt, dass ihr Vorname mit dem Namen ihres Vaters im Genitiv angegeben wird.

Grabmal
Grabmal

Hier wurde wohl Porträtähnlichkeit der Toten bezweckt#

Die antike Plastik war schon seit der griechischen Klassik in der Lage, das menschliche Antlitz mit geradezu photographischer Genauigkeit abzubilden. Diesem Ideal der Erkennbarkeit wurde von den Römern bis in die Spätantike entsprochen, bis dann wieder durch künstlerische Stilisierung nicht mehr Realitäten, sondern Typisierungen die Oberhand gewannen. Erst die Renaissance mit ihrer Hinwendung zur klassischen Antike stellte den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft und fand diesen Weg zurück.

Auch im Bereich von Solva kann man sich chronologisch und stilistisch unterscheidende Bildhauerwerkstätten feststellen. Gearbeitet wurde meist in Marmor oder Sandstein, deren Herkunft aus dem weststeirischen Oswaldgraben und Aflenz bei Leibnitz erwiesen ist. Nur selten sind Importe aus dem Kärntner Raum feststellbar. Wie die Seggauberger Porträtsteine zeigen, sind die Darstellungen von einzelnen Personen oder von ganzen Familien formal ziemlich gleichförmig und mehr typisierend als individualistisch angelegt. Es erstaunt daher, dass es doch Ausnahmen wie dieses Ehepaar gibt, bei dem der Kopf der Gattin leider grausam verstümmelt worden war. Dafür ist der des Mannes bestens erhalten und zeigt in Haltung und Gesichtsausdruck eine hervorragende künstlerische Grundhaltung in der Darstellung realistischer Züge. Es ist eines der schönsten Beispiele in weitem Umkreis. Das Paar ist in ein Rundmedaillon eingeschlossen, das man wegen der Zerstörungen gerade noch erahnen kann. Stilistische Vergleiche erlauben es, dieses Werk in das letzte Viertel des 3. Jahrhunderts n. Chr. zu datieren.

Grabmal

Porträts im Rundmedaillon#

Vollständiger erweist sich hier ein solches Rundmedaillon mit einem Paar, wenngleich man die Gesichter etwas abgemeißelt hat, um das Werkstück besser als Baustein verwenden zu können. Auch hier zeigt sich, dass bei Paaren die Frau immer zur Rechten des Mannes positioniert ist. Als Zeichen ehelicher Vertrautheit reich die beiden einander die rechte Hand (lat. coniunctio dextrarum) und wenden einander das Gesicht zu. Während die Frau keltisch gekleidet ist, trägt der Mann die römische Toga über einer Tunika mit Ärmeln (lat. tunica manicata) und hält anscheinend eine Schriftrolle (lat. volumen) mit der linken Hand.

Grabmal

Ein Offizier aus der Zeit des Kaisers Caracalla mit seinem Sohn#

War er schon längere Zeit verwitwet, sodass er zu Lebzeiten seiner Gattin noch nicht die Möglichkeit hatte, sie vorausschauend auf einem Grabrelief zu verewigen? Wir wissen es nicht, denn dieses Medaillon von einer Grabara ist seiner Inschrift verlustig gegangen. Dass es sich um einen Soldaten handelt, wird auch daraus deutlich, dass im linken Hintergrund die Standardwaffe der römischen Infanterie für die erste Angriffswelle, das Pilum, zu sehen ist. Diese Waffe, von denen der Legionär zwei Stück mit sich führte, bestand aus einer Holzstange mit einer stählernen Speerspitze, die auf einem Schaft aus weichem Eisen aufgesetzt war. Das angreifende erste Glied der Infanterie schleuderte das Pilum gegen die hölzernen Schilde des Gegners, wo sie stecken blieben. Durch das Gewicht des Holzschaftes bog sich das weiche Eisen herab, die Deckung wurde wertlos und der feindliche Krieger musste den Schild wegwerfen, da er ihm nun nur mehr hinderlich war. Geschah dies, dann zog der Angreifer das kurze Schwert (lat. gladius) und stürzte sich nun auf den fast wehrlosen Gegner. Meist war der Kampf dann schon entschieden.

Auf dem Relief erkennt man, dass der bebartete Mann einen ledernen Panzer (lat. lorica) trägt, der vorne eine metallene geprägte Auflage, vielleicht ein Gorgonenhaupt, trägt und als Schutz den Muskeln der Brust folgt, was in dieser aufwändigen Art für Offiziere charakteristisch ist. Es handelt sich dem Rang nach wahrscheinlich um einen Centurio, also einen Kompaniechef. Neben ihm erkennt man seinen halbwüchsigen Sohn, der ihm gerade bis zur Schulter reicht. Dieser wird dem Vater insoferne zugeordnet, als er mit einem Militärmantel (lat. sagum) bekleidet ist. Ein solcher gehörte seit der Regierungszeit des Kaisers Caracalla (212-217 n. Chr.) zur Uniformierung von Offizieren.

Grabmal

Mehr Aufwand für gleich zwei Ehepaare nebeneinander#

Die gleichzeitigen Darstellungen von zwei Ehepaaren in einer Grabsteinnische zeigen, wie man die Datierung eines solchen Monuments vor allem aus den Gewandformen des römisch gekleideten Mannes ableiten und eingrenzen kann. Hier erlaubt die Form der Toga, dass wir uns etwa in der Zeit des Kaisers Septimius Severus (193-211 n. Chr.) befinden. Erstmals spürbar wurde diese Mode unter Kaiser Commodus (180-192 n. Chr.), dem Nachfolger des „Philosophen auf dem Herrscherthron“ Marc Aurel, der bekanntlich auf einem Feldzug gegen die Germanen 180 n. Chr. in Vindobona an der Donau verstorben war.

Grabmal

Grabsteine für Großfamilien brauchen mehr Platz#

Grabmal

Jenseitsvorstellungen kaum ohne Diener#

Die römische Gesellschaft teilte sich in Freie und Unfreie, letztere als Sklaven (lat. servus, serva) bekannt. Diese waren Eigentum eines Herrn (lat. patronus), der sie kaufen und verkaufen, aber auch freilassen konnte. Sklave zu sein, war zwar durch Bevormundung, keineswegs aber mit ständiger Unterdrückung oder Bestrafung verbunden. Und eine Freilassung, wenn zum Beispiel der Patron wirtschaftlich nicht mehr in der Lage war, Sklaven zu halten, für die er ja zu sorgen hatte, bedeutete für viele eine Katastrophe, weil sie nun praktisch auf der Straße standen. Andere Freigelassene (lat. liberti, libertae) wiederum brachten es zu beträchtlichem Wohlstand, wie es auch einige Grabmäler des Seggauer Lapidariums beweisen.

Darstellungen der die Herrschaft im Jenseits begleitenden Sklaven sind auf Grabmälern häufig. Es sind beide Geschlechter vertreten, die bei einer dienende Funktion zu sehen sind. Da gibt es Diener und Dienerinnen für die Arbeit im Hause, in der Kanzlei, beim Gang zum Opfer an die Götter und so weiter. Man erkennt sie an diesen Verrichtungen und an der Kleidung, die beim Manne kurz geschürzt im Gegensatz zur Länge bis zum Boden beim Herrn sind. Meist stehen sich die Geschlechter in der Struktur des Grabmalaufbaues gegenüber.

Hier erkennt man einen Sklaven, der eine knielange Tunika anhat, welche die rechte Schulter freilässt und durch einen Gürtel gerafft wird. Über der Schulter trägt er einen Stock, an welchem ein Tier befestigt ist, sei es ein Hase oder ein Lämmchen. In der rechten Hand hält er ein Körbchen, mit soweit man es erkennen kann Weintrauben und Äpfeln. Er steht zwar uns zugewendet da. Man hat aber den Eindruck, dass er auf dem Weg ist und vielleicht eben noch auf seinen Herrn wartet, den er zu einer Opferstätte begleiten soll, der den Göttern eine Gabe bringen will. Damit kommt als Aussage auf dem dazugehörigen Grabstein auch die Frömmigkeit (lat. pietas), Tugend (lat. virtus) und Opferwilligkeit des Toten zum Ausdruck, der sich Sklaven für solche Dienste auch im Jenseits leisten kann. Möglicherweise versteckt sich in der Darstellung auch der Hinweis auf eine Jahreszeit, denn Jagd und Obst sind Attribute des Herbsts.

Grabmal

Eine Sklavin in ihrer Dienstmädchenkleidung#

In einen schönen profilierten Rahmen gesetzt, erscheint eine dienende weibliche Person. Sie steht frontal ohne den Anschein einer Bewegung da, zeigt ihr Gesicht aber im Profil. Ihr Gehaben wirkt entspannt und ihr Gesicht scheint zu lächeln. Das Gewand ist nicht aufwändig, aber praktisch, wie es sich bei einer Sklavin geziemt. Bis zu den Knöcheln reicht ihr ein Untergewand, über welchem sie ein etwas kürzeres unter der Brust gegürtetes kurzärmeliges Kleid trägt. Die Haltung ihres Kopfes erlaubt dem Betrachter einen Blick auf einen Haarknoten. Was hat diese Dienerin einer Herrin zu tun? Man hat den Eindruck, dass sich noch wartet, bis diese erscheint und sie diese dann zu einem Tempel begleitet, um bei einem Opfer behilflich zu sein. Ein solches besteht wohl aus einer Weihrauchgabe an eine Gottheit, denn in der linken Hand trägt sie wohl ein Weihrauchkästchen (lat. acerra). In der erhobenen Rechten hält sie einen zusammenlegbaren Fächer (lat. flabellum), der wohl dazu dienen soll, den entzündeten Weihrauch (lat. tus < griech. thyos) so anzufachen, dass sein Rauch wohlgefällig zu den Göttern aufsteigt. Die Darstellung ist das Nachbarstück an einem ums Eck versetzten Reliefblock, der eine weitere Dienerin auf dem Weg zum Opfer zeigt. Beide verkörpern wohl die Frömmigkeit (lat. pietas) der im Grabe beigesetzten Frau.

Grabmal

Was will das Messer des Sklaven besagen?#

Dieses einen Sklaven darstellende Relief lässt sich dem Solvenser Ädilen Julius Sabinus und seiner Familie zuordnen.Wer in einem städtischen Gemeinwesen das Amt eines Aedilis bekleidete, war für die Erhaltung der öffentlichen Gebäude und der Straßen verantwortlich, organisierte Festivitäten und Gladiatorenspiele und sorgte für die nötige Zufuhr von Lebensmitteln für die Bevölkerung. Er zählte also zur obersten Beamtenschicht und war somit jemand, der sich auch Sklaven leisten konnte. Einer von diesen steht im Bild vor uns.

Er trägt die für einen Sklaven charakteristische Arbeitskleidung, eine bis zu den Knien reichende gegürtete Tunika mit Ärmeln (lat. tunica manicata), die ein wenig geschürzt ist. Auch weist er sich als Dienender dadurch aus, dass er mit Arbeitsgerät posiert. In diesem Falle ist es ein im vorderen Teil stark gekrümmtes Messer (lat. falx). In der linken Hand hält er eine Tasche mit Henkel. Das Schneidegerät wird von der Forschung entweder als Gärtnermesser oder als Winzermesser zum Rebenschneiden bezeichnet, was nicht ganz abwegig ist, denn in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. hatte sich der Weinbau im Ostalpenraum längst durchgesetzt. Die Datierung des Reliefs nach der Kleidung des Mannes führt in diese Zeit.

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Ein Schreiber nimmt stehend ein Diktat auf#

Die Darstellung eines der Kleidung nach Sklaven als Schreiber (lat. scriba, librarius) auf einem Familiengrabstein soll auf ein geordnetes Haus- und Wirtschaftswesen des Grabeigners hinweisen. Für ein Relief im Hochformat bietet sich dabei die Gestalt einer stehenden Person an. Man erkennt einen leicht seitlich gewandten Mann mit Stand- und Spielbein, der sein Profil zeigt. Er trägt eine bis zu den Knien reichende gefältelte Ärmeltunika, die über den nicht sichtbaren Gürtel (lat. cinctura) gebauscht ist. In der linken Hand hält er eine aufgeklappte mit Wachs überzogene Tafel (lat. tabula cerata), auf welcher er mit dem Griffel (lat. stilus) gerade etwas einritzt, was ihm anscheinend diktiert wird. Eine solche Schreibtafel bestand aus zwei oder mehr durch Scharniere verbunden Holzbrettchen, die mit Wachs bedeckt waren. Mit dem spitzen Ende des Griffels ritzte man die Notizen in den weichen Untergrund, um sie später dann mit der Feder auf Papyrus oder Pergament zu übertragen. Mit dem stumpfen und flachen Ende des Stilus konnte man das Geschriebene auch wieder „ausradieren“.

Noch deutlicher ist dies auf einem zweiten Seggauer Relief zu erkennen. Hier besteht das „Notizbuch“ aus mehreren Seiten (griech. polyptichon):

Grabmal
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Schmeicheleien aus der Ferne#

Als ein gewisser Caius Castius Avitus, der inzwischen zum Gemeinderat und duumvir, also zu einem der beiden Bürgermeister von Flavia Solva, gewählt worden war, bedankte er sich auf eine aufwändige Weise bei Kaiser Caracalla (198–217 n. Chr.), indem er auf dem Forum eine Stele aufrichten ließ. Der Kaiser hatte anscheinend persönlich darauf Einfluss genommen, dass Castius dieses Amt von den Gemeinderäten (lat. decuriones) zugesprochen bekommen hatte. Es brachte nicht nur Ehre, sondern auch Einnahmen, die nicht von der Hand zu weisen waren. In der Inschrift wird auch betont, dass damit ein Versprechen zur Gänze eingelöst worden sei.

Dies muss sich zwischen den Jahren 211 und 213 n. Chr. ereignet haben. Es war üblich, bei der Nennung eines Herrschers dessen ganzen Ehrentitel anzuführen, die sich auf Staatsämter und Siege in Feldzügen bezogen. Als sein Vater Septimius Severus 199 und 210 die Parther bzw. die Britannen besiegt hatte, war auch der junge Caracalla dabei und hatte damit selber Anteil an den Titeln Parthicus maximus und Britannicus maximus. Als er 113 selber die Alemannen besiegte, wurde er auch zum Germanicus maximus, was aber in die Inschrift noch nicht eingeflossen ist. Es ergibt sich demnach der oberwähnte Zeitraum für die Aufstellung der Stele. Der offizielle volle Name des Herrschers war Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus Augustus Pius. Außer den Siegestiteln werden für den Kaiser auch noch aufgezählt, welche Ehren ihm auch sonst gebührten. Er war Oberster Priester (lat. Pontifex maximus), Proconsul, Vater des Vaterlandes (lat. Pater patriae), und besaß die tribunizische Gewalt.

Grabmal

Political correctness schon in der Antike#

Als die ägyptische Herrscherin Hatschepsut ihren Bruder als Pharao stürzte, ließ sie seinen Namen aus allen verfügbaren Inschriften ausmeißeln und durch ihren eigenen ersetzen. Die Römer hielten es nicht anders. War ein Herrscher besonders bei den Legionen in Ungnade gefallen, meist auch durch Gewalt beseitigt worden, so verfiel er der „Löschung aus dem Gedächtnis“ (lat. damnatio memoriae).

Diese Ächtung von Personen, deren Bild sich im Sinne des Zeitgeistes gewandelt hatte, feiert im 20. und 21. Jahrhundert fröhliche Urständ. Man führe sich nur einmal die Umbenennung zentraler Plätze in unseren Städten im Laufe der letzten hundert Jahr vor Augen. Und wo eine Damnatio technisch komplizierter durchzuführen ist, da werden heute „erklärende“ Tafeln angebracht, deren einziger Vorteil ist, dass sie auch wieder einmal entfernt werden können, wenn der Zeitgeist wieder einmal umschlägt und die Political correctness eine weitere Kapriole macht.

Auch sein Name wurde entfernt, wenngleich die Bauten oder Stelen, die ihn aufwiesen, eigenartiger Weise stehen blieben, wie es bei einer solchen in Flavia Solva der Fall war. Es ging um einen der skurrilsten römischen Kaiser, nämlich Elagabal (218-222 n. Chr.), dessen offizieller Name samt Titel Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus lautete. Wie üblich enthielt die Inschrift auch seine anderen Herrscherämter wie Oberster Priester (lat. Pontifex maximus), Vater des Vaterlandes (lat. Pater patriae), Consul, Proconsul und Inhaber der tribunizischen Macht.

Bei einer solchen Löschung aus dem Gedächtnis wurden alle unter seiner Herrschaft erlassenen Gesetze außer Kraft gesetzt. Die Vergöttlichung nach seinem Tod unterblieb. Man vernichtete seine in der Öffentlichkeit aufgestellten Standbilder und Büsten und tilgte seinen Namen durch Ausmeißelung wie sie auch bei dieser Solvenser Inschrift der Fall war, die einst sicherlich auf dem Forum gestanden war.

Elagabal erscheint unter diesem Namen erst lange nach seinem Tod. In Wirklichkeit hieß er Varius Avitus Bassianus und änderte seinen Namen deshalb, weil er verkünden ließ, dass er der Sohn des Kaisers Caracalla sei. Dadurch hoffte er, an das Geschlecht der Antonine anknüpfen zu können. Seine Vorfahren waren aber Semiten. Unter Elagabal muss man sich eine orientalische Gottheit aus Syrien vorstellen, die in besonderer Weise von ihm gefördert wurde und sogar in den Rang eines Reichsgottes erhoben werden sollte. Elagabal kam an die Macht, weil es ihm gelang, seinen Gegner auf dem Schlachtfeld zu besiegen. Er machte sich jedoch bei den sittenstrengen alteingesessenen Römern verhasst, galt als Sinnbild extremer Dekadenz, konnte eine zeitlang den Pöbel zwar mit Spielen und Geldgeschenken ruhigstellen, fand aber schließlich sein Ende, indem er von meuternden Soldaten umgebracht wurde.

Als Alter der Stele kann nur der Zeitraum des Herrscherdaseins Elagabals 218-222 n. Chr. gelten, das Jahr der Tilgung des Namens ist nach der Sachlage 222.

Grabmal

Wer kennt schon den Kaiser Galerius#

Und trotzdem zählte er zu den Vergöttlichten, wie die Stele sagt, die der Gemeinderat (lat. ordo decurionum) von Flavia Solva auf dem Forum der Stadt setzen ließ. Man befindet sich schon in der Spätzeit des römischen Kaisertums, als man sich einer Pflicht entledigte, eine bescheidene Stele mit einer bescheidenen Inschrift mit dem Wortlaut DIVO IOVIO MAXIMIANO ORDO SOL(VENSIUM) zu setzen. Nach der Teilung des Reiches war Galerius Valerius Maximinianus (305-311 n. Chr.) Augustus des Ostens. Dass dieser bei der Setzung der Stele durch den Gemeinderat von Solva bereits gestorben war, ergibt sich daraus, dass er bereits als vergöttlicht (lat. divus) bezeichnet wird. Herrscher des Ostens des Imperiums war er geworden, nachdem Kaiser Diokletian 305 zurückgetreten war, unter welchem er zunächst Caesar, also „Halbherrscher“ gedient hatte. Diokletian hatte ihn zu diesem Zwecke adoptiert. Den seltsam anmutenden Name Iovius als eine mystische Form Jupiters hatte sich Diokletian zugelegt, um der Usurpation seiner Herrschaft eine Art Aura von Gottesgnadentum umzuhängen. Deshalb wurde auch dem Galerius dieser Titel zuerkannt. Diokletian war ein unbedingter Verfechter der römischen Staatsreligion unter dem Hochgott Jupiter. Unter ihm fanden auch strenge Christenverfolgungen statt. Die Stele muss also kurz nach 311 n. Chr. erfolgt sein und dürfte die Basis für eine Ehrenstatue gebildet haben.

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Iupiter als Adler wird von Ganymed getränkt#

Ewiges Leben und knabenhafte Schönheit vereinen sich auf diesem Grabrelief aus der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Die griechisch-römische Mythologie wird oft in der Grabmalkunst herangezogen, um dieses Motiv der ewigen Jugend mit dem Wunsch zu verbinden, dass der Tote im Jenseits diesen Zustand bei den Göttern genießen möge. Iupiter/Zeus hatte sich in einen Adler verwandelt und in dieser Gestalt den schönen Knaben Ganymed geraubt und in den Himmel entführt, wo er dann künftig als Mundschenk der Unsterblichen diente. Mit dieser Verherrlichung menschlicher Schönheit schwingt auch die in der Antike übliche Knabenliebe (griech.-lat. paederastia) mit.

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Der Kraftlackel Herkules einmal zart besaitet#

Herkules, bei den Griechen Herakles, ist ein Halbgott, der durch seine zwölf kraftvollen Taten die Menschheit von mancherlei Ungeheuern befreite und auch deshalb unter die Götter versetzt wurde, weil er der Sohn des Zeus und der Alkmene war, also einem der zahlreichen sexuellen Ausritte des Göttervaters sein Dasein verdankte. Man sieht ihn hier in einer ungewöhnlichen Pose. Zwar zeichnet ihn das über die Schulter gehängte Fell des nemeischen Löwen als den Heroen aus. Ungewöhnlich aber ist, dass er im Schreiten auf einer fünfsaitigen Leier (lat. lyra) spielt, indem er die Saiten des Instruments mit einem Stab (lat. plectrum) anschlägt. Es handelt sich eben um eine besondere mythologische Ausformung. Er ist hier der Hercules Musarum, der Anführer der Schutzgöttinnen der Künste, dem in Rom sogar ein Tempel mit einem eigenen Kult und einer eigenen Priesterschaft geweiht war.

Die nackte Gestalt ist als gedrungener athletischer Körper schön proportioniert und selbst das sorgfältige Abmeißeln der über die Nischenfläche hinausragenden Teile des Reliefs hat dem prächtigen Körper keinen Abbruch getan. Der Reliefblock wurde ja als ein schnöder Baustein gebraucht, den man in der Spätantike aus der Ebene von Flavia Solva hieher heraufgeschleppt hatte, um den verzweiflungsvollen Versuch zu unternehmen, eine notdürftige Fluchtburg gegen heranbrandende Raubscharen der Völkerwanderungszeit aufzurichten, die dann im Mittelalter wieder dazu dienen musste, das Baumaterial für den Turm einer Burg zu liefern.

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Romulus und Remus von einer Wölfin gesäugt#

Wie in einem Dschungelbuch der Antike wurden zwei von ihrer Mutter ausgesetzte Zwillingsknaben von einer Wölfin gesäugt und haben auf diese Weise überlebt. Und der eine von den beiden wird später sogar zum Gründer von Rom. Diese Wölfin (lat. lupa) mit den beiden Knaben tritt als Leitmotiv römischer Identität und Verwobenheit mit dem Mythos immer wieder auf und tut dies bis in die Gegenwart. Die Beiden sind das Produkt einer Schandtat: Der Kriegsgott Mars soll die Priesterin Rhea Silvia als Schutzsuchende während eines Gewitters vergewaltigt haben.

Bei dem Solvenser Relief handelt es sich um den oberen Abschlussteil einer Grabstele mit dem Dreiecksgiebel, der nach unten mit einem von einem kleinen Eros geteilten Akanthusstreifen abschließt. Die Knaben waren unter einem Feigenbaum (lat. ficus Ruminalis) ausgesetzt worden. Deshalb ist er auch mit seiner Krone über der Wölfin zu sehen. Links und rechts wird der Giebel von zwei sich windenden Meerwesen, Mischlingen aus Pferd und Fisch (griech.-lat. hippocampus) begleitet. Die Wahl dieses Bildes durch den Verstorbenen sollte wohl darauf hinweisen, dass er sich der römischen Sache total verbunden fühlte. Stilistische Besonderheiten erlauben eine Datierung in die Zeit der Severer-Kaiser um 200 n. Chr.

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Kriegerische Tugenden durch jugendliche Kämpfer personifiziert#

Auf den Grabmälern, deren Reste im Lapidarium von Seggauberg vereinigt sind, treten wiederholt die Gestalten nackter junger Gewaffneter auf, die allen Anschein nach zu Sockelreliefen von Grabmälern gehörten, die man verstorbenen Soldaten gesetzt hatte. Es sind nicht Darstellungen des Kriegsgottes Mars, sondern verkörpern in ihrer Heroisierung die militärischen Tugenden (lat. virtus) des Toten.

Man hatte früher diese Darstellungen auch für Abbilder des Mars Latobius gehalten, der in der römischen Umdeutung (lat. interpretatio Romana) eines keltischen Kriegsgottes der eigenen Götterschar einverleibt worden war und für den es in Seggauberg tatsächlich auch zwei Weiheinschriften gibt. Der Name bezieht sich auf den norisch-keltischen Stamm der Latobiker. Ein Kopf des Gottes als Teil einer Statue wurde auf dem Leibnitzer Frauenberg entdeckt und ist im dortigen Römermuseum ausgestellt.

Die Bewaffung dieser Heroen besteht aus Helm (lat. cassis,wenn er aus Metall, galea, wenn er aus Leder ist), Kurzschwert (lat. gladius) und Schild (hier nicht der große hölzerne viereckige des Legionärs, sondern der kleine runde, lat. parma). Die Nacktheit dient hier der Idealisierung zum Heroischen eines Kriegers hin.

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Hier stützt der Krieger sich auch noch auf eine Lanze in der Rechten. Sein Schild ist fast übertrieben halbkugelförmig und erinnert an eine weibliche Brust. Der Helmbusch flattert auf und verleiht mit dem leicht abgestellten Spielbein der statuenhaften Gestalt eine gewisse Leichtigkeit.

Heroisierte Kämpfer zur See#

Ein Relief kann noch so gut und klar erhalten sein wie es bei diesem gewappneten nackten Jüngling vor einem Schiff der Fall ist. In welchem realen bzw. mythologischen Zusammenhang diese Szene steht, ist aber nicht zu erklären. Der beinahe nackte junge Mann hat nur einen Mantel (griech. chlamys) an, der den Rücken bis zur Oberschenkelhöhe bedeckt. An einem Schwertband (lat. baltea) hängt sein Kurzschwert (lat. gladius) an der Seite. Der linke Arm trägt den hochovalen Schild (lat. clipeus) und ist von oben durch die Schildfessel gesteckt, was die übliche Tragart des Schildes während des Kampfes ist. Die an den Schild gelehnte Waffe ist weniger ein Pilum als vielmehr ein Wurfspieß (lat. framea). Die römischen Quellen sprechen von einer spezifischen Waffe (lat. hasta navalis) der Marinesoldaten Dass die Darstellung einen mythologischen Hintergrund hat, zeigt sich an der Nacktheit des Jünglings. Denn als Mitglied einer kämpfenden Schiffsbesatzung (lat. milites classarii) wäre er natürlich bekleidet gewesen.

Von dem Schiff sieht man nur den Bug (lat. prora). Dass es ein Kriegsschiff sein muss, erkennt man am Rammsporn (lat. rostrum), mit welchem man in einer Seeschlacht das gegnerische Schiff mit Wucht zu durchbohren suchte, um es zu versenken. Ursprünglich war er einfach die Verlängerung des hölzernen Schiffskiels, wurde aber später aus Eisen oder Bronze gefertigt. Über dem Rammsporn befindet sich ein nach rückwärts gebogenes Zierstück (griech.-lat. acrostolium). Hier scheint dieses Meeresfahrzeug in einem Hafen zu liegen, denn im Hintergrund rechts ist ein Architekturbogen zu sehen.

Die Position des Reliefs ist in der Fassade des Seggauer Schlosses. Der Soldat rechts gehört nicht zum mythologischen Relief, sondern wurde nur zufällig daneben eingemauert:

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Ein Soldat bewacht einen Grabbau#

Er steht zwar sehr schön neben dem Schiffshelden, aber er hat weder die Waffen eines Legionärs, noch die Attribute, die ihn als einen höherrangigen Offizier etwa im Range eines Centurio kennzeichnen würden. Zwar hat er einen Muskelpanzer und eine Feldbinde (lat. cinctorium) wie ein solcher, jedoch fehlt der Kommandostock (lat. vitis) und der charakteristische Helm. Eine Forschungsmeinung ist, dass es sich um einen Ritter (lat. eques) im Offiziersrang handeln könne.

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Kriegsgefangene sind für Triumphzüge nötig#

Die Reliefdarstellung eines nackten Mannes in Frontalansicht jedoch mit abgewendeten Gesicht bildete wahrscheinlich einen Teil des Sockels eines größeren Grabmonuments, lässt sich nach Stil und Abmessungen zu Soldatendarstellungen auf Solvenser Steinen aber nicht zuordnen. Die Darstellung ist insofern sehr interessant als sie einen gefangenen Germanen zeigt, was man an Spitzbart und Haarknoten (lat. nodus) erkennen kann. Die auf den Rücken gelegten Arme, die mit Sicherheit gefesselt sind, deuten auf die Gefangenschaft (lat. captivitas) hin. Dass die Germanen als den Barbaren zugerechnet nackt und fast besinnungslos vor Siegeswut gekämpft hätten, tritt erst in der spätgermanischen altnordischen Überlieferung vom Berserker auf, der einer schlüssigen Etymologie zufolge bar allen hinderlichen Gewandes (ahd. saro) gefochten hätte. Die Überlieferungslücke von nahezu einem halben Jahrtausend schließt wohl aus, dass es sich bei diesem Relief um einen solchen wie im Blutrausche Kämpfenden gehandelt haben könnte. Die Darstellung aus der Zeit gegen des 2. Jahrhunderts n. Chr. könnte gut zu einem Soldatengrab aus der Zeit der Kriege gegen die Markomannen stammen.

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Komplizierte wenn auch niedere mythologische Geschöpfe#

Trifft man auf ein Wesen, das aus einem Pferdemenschen mit einer Art Fischschweif besteht, so hat man es mit einem Seekentauren zu tun. Dieser hier hat sogar noch ein gefiedertes Flügelpaar und dass er sehr schnell unterwegs ist, wird auch noch aus der Tatsache deutlich, dass ihm zwei Delphine voraus schwimmen. Das Element Wasser ist auch dadurch vertreten, dass der muskulöse Mann mit seinem prächtigen Haupt mit Bart und gedrehten Haarlocken in der rechten Armbeuge das Steuerruder (lat. gubernaculum) eines Schiffes trägt. Dass er seinen Kopf nach links dreht, hat seinen Grund darin, dass auf seinem Fischleib hinten noch ein weibliches Seewesen, eine Nereide sitzt, von der man wegen der Beschädigung des Reliefs nur mehr den aufflatternden Mantel sieht. Die Ausgewogenheit der Komposition beruht auch auf der Verteilung der Bildelemente, denn als Gegengewicht zur einst vollständigen mythischen Weibsperson hält der „Wassermann“ mit ausgestrecktem linken Arm auch noch einen schön geflochtenen Korb mit Früchten, wohl Äpfeln.

Seekentauren wie Nereiden gehören zum Gefolge des Meeresgottes Poseidon oder Neptun, sind schon in der griechischen Mythologie präsent und werden von den Römern übernommen. Sie scheinen in ihrer Dynamik und Agilität ein jenseitiges Glückgefühl zu vermitteln, wie man es sich nach seinem Tode erhoffte. Deshalb sind solche Darstellungen in der Grabmalkunst auch im Binnenland Noricums nicht selten.

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Animalische Kraft und zarte Schönheit auf dem Meere#

Zum Gefolge eines der Meeresgötter, nämlich des Nereus, der zum Umkreis des Poseidon oder Neptun gehört, zählen seine Töchter, die Nereiden, von denen in den antiken mythologischen Schriften an die hundert mit Namen aufgezählt werden. Er selbst ist der Sohn des Oceanus und der Thetis. Diese Geschöpfe legendenbildender Phantasie sind den Menschen wohlgesinnt, beschützen und retten Schiffbrüchige und unterhalten auf langen Fahrten gelangweilte Seeleute mit Tänzen. Sie bilden den Seethiasos, das Gefolge des Gottes Auf diesem Relief aus dem frühen 3. Jahrhundert n. Chr. hat sich eine solche Meeresnymphe auf dem Rücken eines kraftstrotzenden Seestieres niedergelassen und gewährt dem Betrachter durch halbe Entblößung eine verführerische Rückenpartie. Halb schmiegt sie sich in den Bausch ihres Gewandes und halb bildet sie mit einem Körbchen dazu den Kontrapost. Sie ruht auf dem Schwanz des Mischwesens Stier und Fisch, das mit seinem rechten Vorderfuß eine Schwimmbewegung macht. Auch diese Darstellung soll wohl das Gefühl einer Jenseitsverheißung vermitteln, die von angenehmen Gefühlen und von Fröhlichkeit getragen wird.

Das Ganze scheint als Teil eines Grabes zur Sockelzone einer großen Aedicula als Grabhaus gehört zu haben, die mehrere solcher Fabelwesen aufgewiesen haben muss, denn rechts erkennt man den letzten Rest eines Fischleibes, eine gewaltige Schwanzflosse.

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Der Blick der Gorgo lässt zu Stein erstarren#

Im Dreiecksgiebel einer Grabstele blickt von Ranken begleitet ein Gorgonenhaupt (griech. gorgoneion) dem Betrachter entgegen. Es soll böse Einflüsse von denen abwehren (griech. apotropaion), die da bestattet sind. In der niederen antiken Mythologie gibt es drei weibliche Schreckgestalten, die Gorgonen, von denen die bekannteste namens Medusa jeden zu Stein erstarren lässt, der in ihr schlangenumringeltes Antlitz blickt. Dem Helden Perseus gelang es, weil sie als einzige sterblich war, ihr das Haupt abzuschlagen, weil er ihr nicht Aug in Aug entgegentrat, sondern sie im Spiegelbild seines glänzenden Schildes anschaute. Der Name Gorgo erklärt sich aus dem Griechischen gorgós „schrecklich“.

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Das schönste und eleganteste aller Seggauberger Reliefs#

Man könnte vermeinen, es handelte sich bei diesem Tanzpaar um eine bloße Dekoration zur Darstellung feudalen Lebens einer reichen Familie. In Wahrheit steckt mehr dahinter. Die beiden sind nicht etwa Dienergestalten des Haushalts, die sich vergnügen. Es handelt sich um mythische Gestalten aus dem Umkreis des Gottes Dionysos, den die Römer auch Bacchus nannten. In seinem Gefolge spielen Tänze eine große Rolle und sollen erwünschte lustvolle Zustände auch im Jenseits versinnbildlichen. Die beiden Gestalten sind eine Mänade und ihr männlicher Widerpart, ein Satyr. Bei antiken Tänzen war es weniger das in den Arm Nehmen, wie es den klassischen Tanz des 19. und 20. Jahrhunderts bestimmt. Es ist wie auch später im Mittelalter mehr ein Umschreiten in wechselnden Körperwendungen. Aber die Komposition der Szene wurde durch den meisterlich arbeitenden Bildhauer so komprimiert, dass der Mann das Weib an sich heranzieht und damit eine enorme körperliche Nähe schafft. Dadurch wird es sogar möglich, einander zu küssen. Dabei hat man keineswegs den Eindruck, dass der Mann der Frau nur ein oberflächliches Küsschen rauben will. Im Gegenteil, sie bietet ihm den Mund zu längerem Verweilen und neigt sich ihm ergebensvoll zu.

Die erotische Komponente wird auch durch die Kleidung betont. Nicht volle Nacktheit soll die Lust darstellen, sondern dieses halbe Verhülltsein, das bis heute viel verführerischer wirkt als die anatomisch exakte volle Entblößung. Der Mänade ist das Kleid durch die Bewegung ein wenig heruntergerutscht, wodurch Rücken und das schön gerundete Hinterteil frei sichtbar werden. Der muskulöse Oberkörper des Satyrs wird dadurch erkennbar und dadurch zu einem weiteren Element halb verhüllter Nackheit, indem ein Mantel den Oberteil der Brust bedeckt, aber in der Folge über die Schulter geworfen der Komposition eine bemerkenswerte Geschlossenheit verleiht. Die Beine der beiden vollenden den Eindruck der tänzerischen Bewegung. Die erhobenen jeweils linken Arme verstärken ebenso die verhaltene Dynamik des Tanzes, wobei die Mänade auf ihrer linken Schulter scheinbar schwerelos einen schön geflochtenen Korb voller Früchte trägt. Kaum erkennbar hält der Mann in seiner erhobenen Linken einen Stab (lat. pedum), an welchem anscheinend ein kleines Tier als Jagdbeute hängt.

Mänaden (griech. mainadés) sind weibliche Begleiterinnen im Gefolge des Dionysos. Der Name kommt vom griechischen Begriff manía „Raserei“ und charakterisiert das Außersichsein während Phasen trunkener oder sexueller Ausnahmezustände. Zum Gefolge gehört auch der Satyr (griech. sátyros, lat. satur), den Griechen und Römer auch Silenos/Silenus nannten und ihn auch mit dem Faunus gleichsetzten, der zu den alten Waldgöttern zählte. Silenos soll der Erzieher des Dionysos gewesen sein. Den Satyr als Typus erkennt man hier nur an seinen spitz zulaufenden Ohren.

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Die schöne Bacchantin und der hässliche Zwerg#

Gegensätze ziehen einander bekanntlich an und so stehen in der antiken Bilderwelt neben im wahrsten Sinne bildschönen Frauen grundhässliche, jedoch von Natur aus lüsterne Wesen, unter denen aus dem Gefolge (griech. thiasos) des Dionysos oder Bacchus die Silene und ihr Anführer, der Waldgott Pan hervorstechen. Sein griechischer Name bedeutet eigentlich All-[Gott] und wenn er unvermutet auftaucht, dann werden die Menschen von einem panischen Schrecken erfasst. Im Grund aber ist er harmlos und tollt trunken und stets auf Coitus bedacht inmitten des Dionysosgefolges umher. Hier haben wir ihn auch schön im Bild. Auf einem Grabstein soll er wohl gemeinsam mit der schönen Nymphe ein wohlig mit Freuden erfülltes Jenseitsleben erhoffen lassen. Der kleine, gedrungene und bärtige nur mit einem Lendenschurz bekleidete Mann stützt anscheinend die wohlproportionierte, mit schwellenden Formen ausgestattete Weibsperson, die herausfordernd dasteht und ihre Nacktheit dadurch betont, dass sie ihr schleierartiges Gewand in weitem Bogen wie ein Segel (lat. velificatio) durch die Luft flattern lässt. Und Pan blickt fasziniert zur erotisch herausfordernden Dame auf. Weinblätter und Trauben suggerieren den Alkohol auch als Treibstoff der Lüste.

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Eine gut beobachtete Jagdszene#

Schmale längliche Reliefstreifen bilden oft den Übergang von der Sockelzone zu Inschrifttafel und Bildfeld von Grabbauten. Dabei bietet sich das Format wie hier gut für die Darstellung von Verfolgungsjagden von Tieren an. Man erkennt, wie ein Jagdhund ein dahineilendes Tier, das ein Reh oder eine Gazelle sein könnte, bereits gefasst und sich in seinem Hinterlauf verbissen hat. Die Darstellung hatte mehrere Tiere aufgewiesen, die aber verloren sind. Der Rest links könnte ein Wildschwein gewesen sein, das ebenfalls in laufender Bewegung zu sein scheint. Ob es sich um die symbolische Jagd von Dämonen auf die menschliche Seele handelt, muss Spekulation bleiben. Die Thematik ist aber nicht selten wie ein vergleichbares Beispiel im Lapidarium von Schloss Eggenberg zeigt. Der Bildhauer muss ein guter Beobachter der Tierwelt gewesen sein, es sei denn, er hätte nach einem Musterbuch gearbeitet.

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Ein Weinstock von Tieren bevölkert#

Aus einem Weingefäß entwickelt sich ein ganzes Biotop, das wohl Lebensverheißung im Umfeld des Todes suggerieren soll. Der Behälter ist kunstvoll gestaltet, könnte sowohl eine Keramik als auch aus Metall sein. Dieser Typ wird als Kantharos bezeichnet und wurde in Griechenland entwickelt, dann aber auch von Etruskern und Römern übernommen. Er ist so groß, dass man ihn mit zwei Henkeln versehen hat, um ihn mit Wein gefüllt besser heben zu können. Aus ihm goss man diesen dann in kleinere Becher.

In Hellas verband er sich eng mit dem Kult des Gottes Dionysos, den er auch als Symbol vertritt. Wein und Lebensfreude gehören ja zusammen und für diesen Gemütszustand ist Dionysos oder Bacchus ja verantwortlich, soll damit auch den Tod überwinden. Daraus erwächst eine mystische Jenseitsverheißung ewigen Lebens. Deshalb ist er sinnvoller Weise auch mit einem reich blühenden Weinstock auf einem Grabrelief verbunden. Den Genuss verkörpern auf diesem nicht mehr sehr gut erhaltenen Werkstück drei Vögel, die Weinbeeren von Trauben schmausen. Ein Hahn wiederum hat als willkommene Beute eine Eidechse gefangen und hält sie im Schnabel. Und um den rechten Henkel windet sich eine Schlange.

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Ein weibliches Mischwesen könnte auf den heimischen Isiskult hindeuten#

Als Rahmung der Mittelnische eines Grabbaues könnte dieses Relief gedient haben, das auch ein Gegenstück gehabt hat, welches ebenfalls erhalten geblieben ist. Das figurale Zentrum stellt eine nackte Frau dar, deren Unterleib in zwei beinartige beschuppte Ranken ausläuft. Diese wachsen seitlich empor und werden von dem Wesen mit ausgestreckten Armen erfasst. Beiderseits des Kopfes sind Füllhörner (lat. cornu copiae) zu sehen, auf denen kleine weibliche Gestalten sitzen. Diese wiederum halten eine nach unten gekehrte Muschelschale, die oben von zwei Delphinen umspielt wird. Ganz unten am Sockel erkennt man ein Fabeltier, ein Seewesen mit Fischschwanz, einen Seedrachen (griech. ketos > lat. cetus).

Für die ägyptische Isis ist die hier ebenfalls auftretende Girlande bezeichnend. Der Kult der mütterlich gesehenen Fruchtbarkeitsgöttin Isis, der Gattin des Osiris, hatte schon früh in Rom Fuß gefasst. Sie war auch in der römischen Umdeutung (lat. interpretatio romana) verwandelt in das Pantheon aufgenommen worden. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat sich auch im Bereich von Flavia Solva und zwar auf dem Leibnitzer Frauenberg unweit von Seggauberg ein solches Heiligtum einer Isis Noreia befunden. Auch die anderen Attribute würden zu diesem Kult und seiner Spiegelung im provinziellen Mileu dazupassen.

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Der Weinstock steht für Dionysos#

Hoch und schmal ist dieser Architekturteil von einem Grabbau, der nach der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden sein dürfte. Die Darstellung eines Weinstockes im Bereich Tod und Trauer ist für den antiken Menschen nicht abwegig. Er war wie der immergrüne Efeu ein Symbol für Vergehen und Wiederauferstehen. Er steht in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gott der Zivilisation, der sinnlichen Freude und Begeisterung, Bacchus oder Dionysos, dessen Namen schon deutlich auf ihre Herkunft aus Hellas hinweisen. Man könnte der Blattform nach auch meinen, es sei eine Efeupflanze zu sehen. Aber auch diese steht im Zusammenhang mit dem Kult um Dionysos.

Hier wächst die Pflanze aus einem kunstreichen Gefäß mit geschweiften Henkeln. Es handelt sich um das beim antiken Gastmahl (griech. symposion) gebrauchte Geschirr um einen Krug mit weiter Öffnung (griech. kratér), in welchem man Wein mit Wasser durch Kreisenlassen vermischte, denn puren Wein zu trinken galt als barbarisch. Das Gefäß wird seitlich von je einem Panther bewacht, ein Tier, das dem Dionysos heilig war.

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Nicht nur mehr kindliche Rauferei, sondern schon fast ein sportlicher Kampf#

Das Fragment ist so klein, dass man nicht mehr auf inhaltliche Zusammenhänge zu einer Handlung schließen kann, die sich mit Mythos, Tod oder ewigem Leben verbindet. Auch eine Datierung ist nicht möglich. Es bleibt nur das Gefühl einer kindlichen Tollerei, wo der eine Knabe, der obere, den anderen mit Ringergriff bezwungen und ihn nach unten gedrückt hat. Dieses kleine Geheimnis möge den Schluss der Auswahl aus den Seggauberger Römersteinen bilden, die zeigen, wie Tote zu uns sprechen und uns das Leben vor zwei Millennien erklären können.

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Weiterführende Literatur#

  • Erna Diez, Flavia Solva. Die römischen Steindenkmäler auf Schloss Seggau bei Leibnitz. Wien 1949: Österr. Archäologisches Institut
  • Ekkehard Weber, Die römerzeitlichen Inschriften der Steiermark. Graz 1969(Veröffentlichungen der Historischen Landeskommission für Steiermark. Arbeiten zur Quellenkunde 35)
  • Erich Hudeczek – Ekkehard Weber – Walter Modrijan [Hrsg.], 1900 Jahre Flavia Solva. Graz 1971 (Schild von Steier. Beiträge zur steirischen Vor- und Frühgeschichte und Münzkunde. Kleine Schriften 11)
  • Gert Christian [Hrsg.], Flavia Solva. Leibnitz 1989 (Sprechende Steine. Mitteilungsblatt des archäologischen Vereines Flavia Solva, Sondernummer)
  • Erwin Pochmarski – Manfred Hainzmann, Steine erzählen. Römische Steindenkmäler auf Schloss Seggau bei Leibnitz. Graz 2004: Steirische Verlagsanstalt
  • Stephan Karl – Gabriele Wrolli, Der Alte Turm im Schloss Seggau zu Leibnitz. Historische Untersuchungen zum ältesten Bauteil der Burgenanlage Leibnitz in der Steiermark. Wien, Berlin o.J. (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 55)


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