Die vier Gasometer in Wien-Simmering#
Von
Hasso Hohmann (Juni 2019)
Wenn Reisende vom Flughafen Schwechat mit dem Shuttle Bus nach Wien fahren passieren sie zunächst die endlos vielen Türme mit verknoteten Rohrleitungen und riesigen Ölbehälter der Raffinerie in Schwechat, die vor allem bei Nacht angesichts der Größe dieser Anlage mit ihren zehntausenden von Lampen prächtig und eindrucksvoll aussieht. Nach kurzer Fahrstrecke erscheinen dann bald aber die vier hohen schlossähnlichen Ziegelbauten der Gasometer in Wien Simmering. Damit weiß der Ortskundige, dass er nun in Wien ist. Früher waren die vier hohen Türme noch markanter, als sie noch weitgehen frei standen. Aber auch heute sind sie immer noch mächtige monumentale Industriedenkmale.
Die vier Gasbehälter des Gaswerkes Simmering wurden 1896 bis 1899 errichtet. Jeder misst bis zur Spitze der Kuppel 75 m, jeder hat einen Innendurchmesser von 62,8 m und hatte einen Gasbehälter mit 90.000 m³ Volumen, der von einer am Fuß 160 cm, an der Krone immer noch 90 cm starken Hartbrandklinker-Mauer umgeben war. Die Außenmauer hat eine Höhe von 46,29 cm über dem künstlich angeschütteten Außenterrain.
Als ich 1980 bereits das zweite Mal die vier Gasometer in Wien Simmering aufsuchte, um sie fotografieren, konnte ich auch mit einem Techniker sprechen. Er sagte mir, dass es ein Straßenbauprojekt gibt, für das alle vier Gasometer abgetragen werden sollen. Er wisse noch nicht, wann die Gasometer außer Betrieb genommen würden, dies werde aber in den nächsten fünf bis zehn Jahren sicher geschehen und dann sei ein baldiger Abbruch anzunehmen.
Präsident und Generalkonservator Erwin Thalhammer vom Bundesdenkmalamt hatte auch gute Kontakte zum “Internationalen Städteforum Graz“ (ISG), wo ich damals gerade zu arbeiten begonnen hatte. So besuchte ich 1980 Erwin Thalhammer in seinen vergoldeten Amtsräumlichkeiten im Zentrum von Wien und machte ihn auf diese vier markanten, als städtebauliche Merkzeichen interessanten und auch in ihrer schlossähnlichen Gestaltung als Dokumente einer monumentalen Industriearchitektur des ausgehenden 19. Jh. aufmerksam und stellte formell den Antrag auf ihre Unterschutzstellung nach dem Denkmalgesetz. Als Nachnutzung schlug ich eine Verwendung als Außendependence des Wiener Technischen Museums vor. Angesichts der Dimension könnte man hier Raketen aufstellen und mittelgroße Flugzeuge einhängen. Die Idee gefiel dem Österreichischen Generalkonservator gut.
Noch im selben Jahr rief mich Thalhammer aus Wien im ISG in Graz an und teilte mir mit, dass es ihm gelungen sei, einen der Gasometer unter Schutz zu stellen, indem das Straßenbauprojekt leicht modifiziert wurde. Nur wenig später 1981 teilte er mir dann mit, dass nun alle vier Türme unter Schutz stünden und das Straßenbauprojekt nun völlig anders konzipiert wurde. Er schied 1982 aus dem Amt und die Idee mit der Nachnutzung durch das Technische Museum geriet leider in Vergessenheit.
In den Jahren 1985 und 1986 wurden dann alle vier Gasometer stillgelegt und 1988 einer der Türme für die 1989 veranstaltete Ausstellung zur Sozialdemokratie “Die ersten 100 Jahre“ von Manfred Wehdorn saniert. Offenbar wurde er dadurch auch auf die Notwendigkeit einer Nachnutzung dieser riesigen Bauwerke gestoßen. In der Zeit danach gab es dann einen von Wehdorn vorbereiteten Wettbewerb, aus dem die Büros Coop Himmelblau, Wilhelm Holzbauer, Jean Nouvel und Manfred Wehdorn als Sieger hervorgingen. Ab Anfang 1999 wurden die vier Projekte umgesetzt. Schon lange sind in den Türmen 600 unterschiedlich große Wohnungen, eine Veranstaltungshalle für 4000 Besucher, ein Studentenheim, Einkaufs- und Gastronomieflächen, ein Kindertagesheim, ein Multiplexkino und Räume für das Stadt- und Landesarchiv entstanden. Die U-Bahnlinie U3 hat eine eigene Haltestelle bei den Gasometern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde das Gesamtprojekt auch ein Mittel zur Aufwertung des umliegenden Gebietes.