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Antike Hochhausstelen in Axum#

Darstellung, Funktion und Vorbilder#


Von

Hasso Hohmann


Lage und Ursprung#

Zerbrochene Stele 1: rechts der Sockel, links die Ostwand mit Axum-Mauerwerk
Zerbrochene Stele 1: rechts der Sockel, links die Ostwand mit Axum-Mauerwerk
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0
Ostfassade auf Segment 3: runde Balkenköpfe und Fenster mit T-Teilung
Ostfassade auf Segment 3: runde Balkenköpfe und Fenster mit T-Teilung
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0
Segmente 4 und 5: Fenster des 12. und 13. Geschosses mit Gittern
Segmente 4 und 5: Fenster des 12. und 13. Geschosses mit Gittern
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0

Im Norden Äthiopiens in der Provinz Tigray auf ca. 2.100 m Seehöhe liegt Axum, die Hauptstadt des axumitischen Reiches, das weit in die arabische Halbinsel reichte, das aus der altsabäischen Kultur hervorging und vom 2.-7. Jahrhundert nach Christus dauerte. Die auffälligsten Objekte der axumitischen Kultur sind spätantike Steinstelen über Gräbern in der Hauptstadt, die seit 1980 zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. Die höchste dieser Stelen, Stele 1, ist umgestürzt und war höher und schwerer als die höchsten und schwersten Obelisken des alten Ägypten. Das Alter der Hochhausstelen wird leicht variierend mit 1.600-2.000 Jahre angegeben. Es dürfte sich um »Totentürme« für Verstorbene aus Herrscherfamilien handeln. Im 4. Jahrhundert wurde Äthiopien christianisiert, danach hat man kaum noch heidnische Hochhausstelen aufgestellt.

1937 verschleppte Italien Stele 2 als Beutestück nach Rom. Erst 2005 wurde sie an Axum zurückgegeben, wo sie sich seit 2008 wieder an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort befindet. In der Zwischenzeit stand in Axum nur Stele 3 noch aufrecht. Sie neigte sich aber stark zur Seite. Um den ca. 24,60 m hohen Monolithen langsam in eine senkrechte Position zu bringen, befestigte man eine riesige Spannkonstruktion an ihm.

Die Stelen 1,2 und 3 stehen bzw. standen auf einer etwa ostwestgerichteten Linie im axumitischen Friedhof, die umgestürzte Stele 1 im Westen, Stele 3 im Osten. Weitere, weniger hohe Hochhausstelen liegen umgestürzt weiter östlich, sie haben zwischen vier und sechs Geschosse.

Stele 1#

Stele 1 dürfte die jüngste in Axum sein. Manche vermuten, dass sie von König Remhai im 3. Jahrhundert nach Christus errichtet wurde. Heute liegen fünf der ursprünglich wohl sechs großen Segmente der umgestürzten und zerbrochenen Stele im Stelenpark südlich ihres ursprünglichen Aufstellungsortes. Das sechste Segment repräsentierte die schlankere Stelenspitze, Teile davon wurden als Spolien in Häusern gefunden. Sie war ähnlich geformt wie bei Stele 2 und 3. Reste einer Metallscheibe belegen, dass zumindest eine der Stelen an der Spitze ein Gesicht und eine Inschrift trug.

Fenstergitter von Geschoß 12
Fenstergitter von Geschoß 12
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0
Maueröffnung mit Stützrahmen in typisch axumitischer Konstruktionsweise
Maueröffnung mit Stützrahmen in typisch axumitischer Konstruktionsweise
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0
Kirche von Debre Damo
Kirche von Debre Damo
© Bernhard Hohmann, unter CC BY-SA 4.0

Setzt man die Teile von Stele 1 zusammen, so ergibt sich eine Gesamtlänge von ca. 33,50 m. Das Fundament ist ca. 2,85 m lang bzw. tief, die sichtbare Länge der Stele betrug also etwas mehr als 30 m. Im Sockelbereich misst der Stelenquerschnitt 3,84 m x 2,35 m, bei allen Stelen wird das Profil nach oben jedoch schlanker. Stele 1 wog mehr als 520t. Ihre vier Ecken werden durch Risalite stabilisiert und betont, zwischen denen die Regelfassaden zurückweichen. Das Erdgeschoß ist fensterlos und zeigt an der Nord- und Südfront je eine Tür. Die südliche verfügt über einen Klopfring, bei der nördlichen wurde ein solcher sauber abgemeißelt. Das zweite Geschoß hat eine geringere Raumhöhe als die folgenden und weist quadratische Fenster mit Vierfelderteilung auf. Alle anderen Fenster haben stehende Formate und meist eine T-Teilung. Unter dem Sturz lässt sich an allen Fenstern sämtlicher Stelen eine feine Profilierung erkennen, die vielleicht eine faltbare aufgezogene Jalousie darstellt. In den beiden unteren Geschossen von Stele 1 sind die Wände so reliefiert, dass man sie als Axum-Mauerwerk interpretieren kann. Sie entsprechen weitgehend dem Wandaufbau in der Kirche von Debre Damo ca. 70 km nordöstlich von Axum aus dem 6. Jahrhundert. Das heißt, es wurden hier unregelmäßig geformte Bruchsteine zu einer relativ brüchigen Mauer zusammengesetzt, die unter vertikalem Druck dazu neigt, sich in die Breite zu verformen. Die lagenweise eingebrachten horizontalen Balkenroste halten die Wände dabei zusammen und stabilisieren sie. Die Roste reichen durch das Mauerwerk von der Außen- bis zur Innenfassade. Um den auf Zug beanspruchten Querhölzern an den Knotenpunkten ausreichend »Vorholz« zu bieten, stehen sie außen und innen vor und ergeben die sogenannten Affenköpfe. In den Geschossen 11-13 umfassen die zurücktretenden Regelfassaden im Norden und Süden statt der je drei nebeneinander angeordneten hochformatigen Fenster mit T-Teilung nur noch zwei sowie im Osten und Westen statt der zwei nur noch ein breiteres Fenster. Die Eckrisalite haben auf jeder Seite weiterhin jeweils ein Fenster.

Die Fenster dieser Stockwerke beinhalten flächige Gitter aus Stein oder Holz statt der T-Teilung, sind im Format kleiner als die Maueröffnung und liegen tiefer in der Laibung als die Fenster in den unteren Geschossen. Sie halfen also vor allem, das Licht von außen zu reduzieren. Die einzelnen Gitteröffnungen haben starke Ähnlichkeit mit dem 1.000 Jahre jüngeren Zeichen für Lalibela. In Axum bestehen sie jeweils aus einem Rundbogen oben, einer Einschnürung darunter und einer etwa kreuzförmigen Erweiterung unten. Alle in Stein dargestellten Maueröffnungen der drei Stelen warten in den Eckpunkten mit vortretenden quadratischen Balkenenden auf. Sie ergeben zusammen mit den vertikalen Elementen der Maueröffnungen rechts und links einen je aus vier rektangulierten Hölzern gebildeten Stützrahmen, der bis zur Innenseite der Mauer reicht, das Mauerwerk entlastet und den Sturz trägt. Die gleichen Architekturelemente finden sich an allen Maueröffnungen der ca. 1.000 Jahre jüngeren Monolithkirchen von Lalibela und an der Kirche von Debre Damo, einer Holz- und Steinkonstruktion aus dem 6. Jahrhundert. Bei Stele 1 wird dieses »Axum-Mauerwerk« ab dem drittem Geschoß aufwärts modifiziert, indem danach lediglich die Deckenbalken aus den Fassaden herausragen. Man ging offenbar davon aus, dass die Mauern der einzelnen Stockwerke durch die vielen Stützkonstruktionen an den Fenstern ausreichend entlastet werden. Die Wandflächen sind als verputzte Mauerflächen ausgeführt und treten daher leicht in den Fassaden vor.

Süd- und Westfassade von Stele 2
Süd- und Westfassade von Stele 2
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0
Tür an der Nordseite mit Klopfring
Tür an der Nordseite mit Klopfring
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0

Stele 2#

Stele 2 ist 24,60 m lang und misst über der Erde 21 m. Ihr Profil erstreckt sich an der Basis über 2,32 m in Ostwest- und über 1,26 m in Nordsüdrichtung. Sie hat ein Fundament von 2,90 m Tiefe, wiegt ca. 170t und stellt ein Hochhaus mit elf Geschossen dar. Nur an den Breitseiten im Norden und im Süden finden sich je zwei Risalite, im Osten und Westen hingegen nicht. Im Erdgeschoß existierte im Norden und Süden je eine Eingangstür mit je einem Klopfring. Das zweite Geschoß ist wieder niedriger und zeigt Fenster mit quadratischem Format und Vierfelderteilung. In den Regelgeschossen zwischen drittem und elftem Geschoß gibt es jeweils zwei Fenster an der Ost- und der Westfassade wie auch in den Regelfassaden. In den vier vortretenden Fassadenstreifen an der Süd-und der Nordseite ist jeweils ein Fenster anzutreffen. All diese Fenster verfügen über stehende Formate und eine T-Teilung. Der Wandaufbau bei Stele 2 ist im Gegensatz zu Stele 1 über die gesamte Höhe in Axum-Mauerwerk ausgeführt. Stele 2 könnte daher die älteste sein, zumal das Weglassen der Holzroste bei den Stelen 1 und 3 in den meisten Geschossen auf eine Weiterentwicklung hindeutet.

Süd- und Ostfassade von Stele 3
Süd- und Ostfassade von Stele 3
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0
Eingangstür an der Südseite
Eingangstür an der Südseite
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0
Südfassade des zweiten bis vierten Geschosses
Südfassade des zweiten bis vierten Geschosses
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0

Stele 3#

Stele 3 hat über der Erde eine Höhe von 20,60 m, dazu kommt noch ein Fundament von angenommenen 3 m Höhe bzw. Tiefe. Der Monolith ist also ca. 23,60 m lang und misst an der Basis 2,65 m in Ost-West- und 1,18 m in Nord-Süd-Richtung. Ihr Gewicht wird auf ca. 160t geschätzt. Die Stele stellt ein Hochhaus mit zehn Geschossen an der Ost-, Süd- und Westseite dar, die Nordseite ist bis auf ein Relief im Kopfstück glatt.

Im Gegensatz zu Stele 1 und 2 ist bei dieser Stele das Axum-Mauerwerk nur im Erdgeschoß anzutreffen. Die Eingangstür an der Südseite zeigt ein rechteckiges Schloss mit einem Riegel, der bis in die Laibung reicht. Im zweiten und zehnten Geschoß finden sich im Osten und Westen nur je ein Fenster: Die niedrigen im zweiten verfügen über ein quadratisches Format mit Vierfelderteilung, die im zehnten haben drei stehende Flügel, darüber zwei liegende Oberlichter. An der Regelfassade im Süden des zehnten Geschosses ist ein ähnliches Fenster vorhanden, alle anderen haben hingegen ein stehendes Format mit T-Teilung.

Fallenschloss an einem Hochhaus in Shibam, Jemen
Fallenschloss an einem Hochhaus in Shibam, Jemen
© Hasso Hohmann, unter CC BY-SA 4.0

Das Schloss auf der Tür der Stele erinnert an die heutigen hölzernen Fallenschlösser der nahen Hochhäuser in Shibam im Jemen. Dort sind allerdings die Riegel etwas weiter unten durch das Schloss geführt, weil oben Platz für die kleinen hölzernen Fallen gebraucht wird. Ob der Bildhauer hier den Riegel nur versehentlich etwas zu hoch angeordnet hat oder ob es sich um ein anders konstruiertes Schloss handelt, wird man wohl nicht mehr feststellen können.

Analogien und Entstehung#

Manche Forscher vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen den Axum-Stelen und den Hochhäusern von Shibam gibt. Indizien sprechen für eine ca. 2.000-jährige Bautradition bei den Lehmhochhäusern von Shibam, wobei diese Bauten alle ca. 300 Jahre erneuert werden müssen. Zwischen den Hochhäusern in Shibam und den Stelen von Axum besteht allerdings ein markanter konstruktiver und gestalterischer Unterschied: Die Lehmfassaden in Shibam sind glatt und verfügen über keine Risalite, während es sich bei den Stelen von Axum um eine Kombination aus verputztem Steinmauerwerk und horizontalen stabilisierenden Holzrosten mit hölzernen Stützrahmen bei den Öffnungen handelt. Anzumerken ist zudem, dass Hochbauten in Axum-Konstruktion in einer Klimazone mit ausgeprägter Regenzeit nicht sehr lange zu überleben vermochten, da die vor-tretenden Holzköpfe kaum gegen Schlagregen geschützt waren. Vielleicht gab es aber pro Stockwerk überstehende Dächer zum Schutz des Holzes, die sich in Stein nicht darstellen ließen. Die drei riesigen Felsblöcke aus Syenit für die drei Stelen wurden ehedem im ca. 4 km entfernten Steinbruch mit Treibhölzern gebrochen. Der Transport dieses harten Tiefengesteins erfolgte über einen längeren, ebenen, befestigten Weg mit Hilfe vieler Baumstämme als Rollenlager. Am Aufstellungsort mussten die Monolithe dann jeweils über eine Rampe mit weniger als der halben Höhe der Stelenlänge gezogen werden, damit sie, um ihren Schwerpunkt gedreht, in eine vertikale Position gebracht werden konnten. In allen Publikationen über Axum wird vermutet, dass Stele 1 bei ihrer Aufstellung bereits umstürzte. Das verwundert, da das sehr differenzierte Hochhausrelief mit seinen Vor- und Rücksprüngen bei Transport und Aufstellung hinderlich gewesen und wohl auch beschädigt worden wäre.

Übersicht: Abmessungen und Struktur#

Stele 1Stele 2Stele 3
Höhe über Erde 30,65m21,70m20,60m
Fundament2,85m2,90m3,00m
Höhe inklusive Fundament33,50m24,60m23,60m
Querschnitt in Ost-West-Richtung3,84m2,32m2,65m
Gewicht520t170t160t
Stockwerke131110
Axum-Mauerwerk2 Geschosse11 Geschosse1 Geschoß

Außerdem waren die Steinmetzarbeiten an den Stelen von Gerüsten aus viel einfacher als am liegenden Monolithen auszuführen, und das Stockwerksdesign hätte Sollbruchstellen beim Hantieren mit den Stelen ergeben. Daher dürfte Stele l erst deutlich nach ihrer Aufstellung durch ein Erdbeben, das Einsinken des Fundamentes oder durch feindliche Einwirkung umgestürzt und zerbrochen sein. Der unglaubliche Aufwand für den Bau der drei höchsten Grabstelen war ein Beweis technischen Könnens und diente vor allem der Schaffung eines Wohnortes für die Verstorbenen. Vergleicht man die Stelen mit den Hochhäusern in Shibam, so sind die Erdgeschosse vermutlich als Stallungen, die zweiten Geschosse für Vorräte genutzt worden. Da es immer mehr Tote als Lebende eines Clans gab, wurden die Totenhäuser mit mehr Geschossen ausgestattet als die Häuser für die damals Lebenden.

Universitätsdozent
Dipl.-lng. Dr.techn. Hasso Hohmann
Institut für Stadt- und Baugeschichte
Technische Universität Graz

Literatur#

  • Breyer, Francis Amadeus Karl: Das Königreich Aksum. Geschichte und Archäologie Abessiniens in der Spätantike. Darmstadt 2012.
  • Hohmann, Hasso: Mediterranes Ökosystem. Kultur- und Naturlandschaften der Griechischen Insel Tinos. Graz 2012.
  • Wallis-Budge, Ernest Alfred Thompson: A History of Ethiopia, Nubia and Abyssinia. Oosterhout 1928.
  • Wenig, Steffen: Im Kaiserlichen Auftrag. Die Deutsche Aksum-Expedition 1906 unter der Leitung des deutschen Orientalisten Enno Littmann. Band 1: Die Akteure und die wissenschaftlichen Unternehmungen der DAE in Eritrea. Berlin 2005.