Festspiele im Grünen#
Zweimal blieb es bei der Grundsteinlegung für ein Großes Festspielhaus in Salzburg. Am Beginn der Festspiele 1920 stand Hans Poelzigs Projekt im Schlosspark von Hellbrunn. In Salzburg als Kuriosum in Erinnerung, ging es in die Architekturgeschichte des Expressionismus ein.#
Von DIE FURCHE (Donnerstag, 29. Juli 2010) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Norbert Mayr
Im Jahr 1950 wurde für das Festspielhaus einer geplanten internationalen Musikolympiade im Kurgarten unmittelbar neben dem Schloss Mirabell ein symbolischer Grundstein gelegt. Sein Planer Clemens Holzmeister brachte 1953 mit Herbert Graf den Bauplatz in der Hofstallgasse neben seinem Festspielhaus von 1926/1937 ins Spiel. Die dortige Eröffnung des Großen Hauses 1960 determinierte den Festspielbezirk im historischen Zentrum.
Das war nicht immer so. Für den Schriftsteller Josef August Lux sollte das Festspielhaus "nicht in der 'gequetschten Enge' der Stadt [...], sondern im landschaftlichen Weichbild" liegen. Diesem Plädoyer für den Standort Hellbrunn 1918 ähnlich waren auch andere Standortüberlegungen wie Maria Plain oder Bürglstein. Schon das erste Mozartfestspielhaus-Projekt der Architekten Helmer und Fellner 1890 sollte "fern vom Getriebe des profanen Lebens" auf dem Mönchsberg entstehen. Salzburg wollte mit der "Fülle seiner Naturschönheiten" punkten, das Architekturbüro die Vorzüge des Richard-Wagner-Festspielhauses in Bayreuth für Salzburg umsetzen und die Nachteile eliminieren.
"Exotische Blüte im grauen Panorama"#
Das Projekt im Süden des Hellbrunner Schlossparks kam bis zur Grundsteinlegung 1922. Der Theatermagier und Festspielmitbegründer Max Reinhardt hatte bereits in einer Denkschrift 1917 von diesem Ort "abseits vom städtischen Alltagsgetriebe" geschwärmt, "der durch natürliche und künstlerische Weihe so ausgezeichnet erscheint, dass die Menschen in den sommerlichen Ruhetagen, befreit von ihren Sorgen und Mühen, gerne hinpilgern".
Ende 1919 eröffnete in Berlin das von Hans Poelzig für Reinhardt geplante Große Schauspielhaus. Dieser erste repräsentative Bau der jungen Republik erschien vielen als "exotische Blüte im grauen Panorama der Nachkriegszeit", so der deutsche Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt. Reinhardts Forderung, dass Bühne und Zuschauerraum ineinandergreifen, beherzigte der deutsche Architekt auch in Salzburg. 19 Meter hätte sich Vorbühne bzw. Orchestra – beide höhenverstellbar – in den Zuschauerraum geschoben, sich räumliche Integration mit großer Flexibilität verbunden. Im August 1920 präsentierte Poelzig sein Ideenprojekt: „So bin ich doch in Salzburg und muß mich mit dem Zauber der Vergangenheit auseinandersetzen, wenn ich will, daß das Neue überhaupt dazu klingen soll. Ich weiß ja ohnehin nicht, was ein Künstler ohne die Vergangenheit machen will, [...] um sie zu überwinden und etwas zu schaffen, was neben ihr Bestand hat. [...] Es kommt eben auf das Wie an. Auch ich hasse die Historie, soweit sie mich einzwängen will, und liebe die Vergangenheit, soweit sie künstlerische Instinkte bei mir weckt."
Der Architekt wollte mit einem "Schöpfungsbau" die Baukunst in dem vom Ersten Weltkrieg zerrütteten Land erneuern. Inspiriert u. a. vom "Deutschen Barock" führte er seine Ideen für ein Mozarttheater in Dresden 1918 weiter und gab mit dem Salzburger Projekt der Architektur des Expressionismus eine neue, einzigartige Facette. Dabei schöpfte Poelzig für seinen "Stil der Zukunft“ aus Vergangenheit und konkretem Ort. Mozart, Rokoko, die Grotten und das Steintheater von Hellbrunn konnten – von ihm spezifisch interpretiert – als grottenartige Höhle, künstliche Landschaft anklingen.
Von Rokoko-Flammen umspielt#
Das ursprüngliche Ensemble von 1920 mit dem kaskadenartig terrassierten Großen Haus bettete Poelzig mit einem Netz an Wandelgängen in die ansteigende Topografie ein und entsprach der Forderung nach einem Großem Festspielhaus für 2000 und einem Kleinem Festspielhaus für 800 Personen sowie einem Restaurantgebäude. Das Projekt wurde 1922 auf das Große Haus für Oper, Schauspiel und Konzert für 3000 Zuschauer reduziert, das Freilichttheater blieb. Das „Amphitheater-Parterre“ sollte 2000, drei "Zuschauerringe" und zwei Galerien 1000 Menschen fassen.
Die Dynamik wich dem versachlichten, ellipsenförmigen Raum. Ihn sollten 22 Betonbogenbinder, die im Druckring auf 33 Metern Höhe enden, überwölben. Das 1920 von "Rokoko-Flammen" umspielte Gebilde, das – außen begehbar – aus dem Gelände wuchs, überarbeitete Poelzig zum strengen, mächtigen, von der Kegelpyramide des Zuschauerraums dominierten Baukörper. Mit den Umplanungen und Einsparungen verlor die Konzeption an Stimmigkeit.
Für das ansteigende Parkett nutzte Poelzig die Geländeschwelle des Katzenbühel. So wäre das Haus halb in den heute südlichsten Schlosspark, halb in den heutigen Zoo situiert worden, wo auch der Grundstein gelegt wurde. Dieser ist schon lange verschollen, die erhaltene Urkunde zur Grundsteinlegung ist diesen Sommer im Monatsschlössl in Hellbrunn zu sehen.
Außergewöhnlich, aber nie umgesetzt#
Dem Durchmesser der gewaltigen Kuppel des antiken Pantheons in Rom von etwa 43,5 Metern entsprach die Auditoriumsbreite in Salzburg, dessen Länge vom rückwärtigsten Platz im Parterre zum eisernen Vorhang sogar 55 Meter betragen hätte.
Die baulich leichter realisierbare Fassung von 1922 mit einer Länge von rund 160, einer Breite von 110 und Höhe von bis zu 50 Metern blieb – ohne die erhoffte, internationale Finanzierungshilfe, verschärft durch die Inflation – auf dem Papier. "An Stelle von Poelzigs genialem Projekt ist als Umbau das Festspielhaus in Salzburg von Clemens Holzmeister zur Ausführung gelangt," kommentierte der Architekturkenner Walter Müller-Wulckow 1929 im Buch "Bauten der Gemeinschaft" die weitere Entwicklung der Festspiel-Architektur. Während Poelzigs außergewöhnliches, aber keineswegs unumstrittenes Projekt in die Architekturgeschichte des Expressionismus einging, behielt Salzburg den "800.000-Dollar-Traum" – 4000 $ galten damals als "Millionenspende" – nur als überdimensionales Kuriosum in Erinnerung.