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Libussa und die Stierstiege#

Architektur im Ringturm: Die Prager Burg und der Otto Wagner Schüler Josef Plečnik.#


Von der Wiener Zeitung (Montag, 27. Juni 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Brigitte Borchhardt-Birbaumer


In der internationalen Architekturgeschichte stellen Plečniks spezifische Modernisierungen für die Prager Burg (im Bild) in den Jahren 1920 bis 1934 eine einzigartige Leistung dar.
In der internationalen Architekturgeschichte stellen Plečniks spezifische Modernisierungen für die Prager Burg (im Bild) in den Jahren 1920 bis 1934 eine einzigartige Leistung dar. Die Prager Burg zählt heute zu den weltweit größten erhaltenen königlichen Burgensembles.
© vig

Nachdem Thronfolger Franz Ferdinand 1913 die Nachfolge Otto Wagners an der Wiener Akademie durch seinen Laibacher Schüler Josef Plečnik (1872-1957) nicht unterzeichnete, ging dieser als Professor an die Technische Hochschule seiner Heimatstadt zurück.

Zuvor war er von 1911 bis 1921 in Prag, durch Vermittlung seines Studienkollegen Jan Kotěra, an der dortigen Kunstgewerbeschule lehrend tätig. Dabei lernte er auch den ehemaligen Universitätsprofessor und ersten Präsident der tschechischen Republik, Tomá Garrigue Masaryk (1850-1937) kennen, der ihn von 1920 bis 1934 zum "Burgarchitekten" ernannte.

Symbol nationaler Würde#

Der ehedem von den Habsburgern bewohnte Komplex um den Veitsdom sollte nicht nur behutsam modernisiert, sondern auch mit einer neuen Symbolik aufgeladen werden, mit böhmisch-slawischen Wurzeln, die bis zur sagenhaften Dynastiemutter der Přemislyden, Libussa reichen. Dafür sorgte der nicht funktionalistische, sondern vielmehr mit einem persönlichen Klassizismus arbeitende Architekt.

Die ihm nun gewidmete Ausstellung "Die Prager Burg & Plečnik" des Architekturzentrums im Ringturm kann mit Fotografien arbeiten, die Plečnik-Spezialist Damjan Prelovek in den Jahren der Öffnung durch Präsident Václav Havel in den Räumen der Burg rund um eine große Ausstellung 1996 machen konnte. Heute ist bis auf die Höfe kein Zugang mehr in Gärten, Säle und Präsidentenwohnung möglich.

2006 bekam der Architekt eine Büste im Wallgraben in Erinnerung an seine - schon damals wegen Fremdenfeindlichkeit - nicht immer einfachen Dienste. Zeitgleich mit den Umbauten, die sich durch Masaryks Tochter Alice auf die Innenräume ausweiteten, die zuvor Kotěra entworfen hatte, waren archäologische Sensationsfunde wie das altägyptische Grab Tutanchamuns und die Rekonstruktion der minoischen Paläste von Knossos in Kreta durch Arthur Evans so populär, dass Plečnik sie in die Stiertreppe zum Wallgarten und Details wie Türschnallen mit einplante. In der Schau ist einer seiner heute zeitlos erscheinenden Sessel aus dem Damensalon zu sehen, der in den 1970er Jahren um umgerechnet 60 Euro ersteigert wurde. Vor kurzem erbrachte ein ähnliches Stück 43.000 Euro. Nicht alles an Mobiliar ist auf der Prager Burg erhalten geblieben, das Herzstück der Kanzlei Masaryks als Bibliothek und das Impluvium von 1923/24 in der Mitte der Präsidentenwohnung aber zum Glück schon.

Heute ist auch bekannt, dass Alice Masaryková und Plečnik auf eine engere Beziehung verzichteten, um die gemeinsame Arbeit an dem Programm nicht zu gefährden. Plečniks Festhalten an der "Bekleidungstheorie" Gottfried Sempers, ist neben dieser Liebe der Schlüssel zu den magischen Details. Zudem steht auf einer Granitschale "Semper", was die lateinische Übersetzung mit dem Namen des Vorbilds verknüpft. Selbst die Pflasterung der Höfe ist teppichartig und die Balustraden voll mit Kugeln, die Stiegenhäuser neben offenem Ziegelwerk voller Vasen und teils umgedrehten minoischen Säulen. Die Metalldetails fertigte um 1924 Plastiker Damian Pean, es handelt sich um Figuren, Vasen, Leuchter und Teile der Dachrinnen in Blattform. Die Linde als nationaler Symbolbaum ist so wichtig wie die Blitze hinter den Löwen in Anspielung auf die Nationalhymne.

Wer dies alles einmal vor Ort oder auch in Plečniks späteren stadtplanerischen Veränderungen für Ljubljana gesehen hat, den lässt es genauso wenig los wie seine Grabsteine, Möbel, Tische, Altäre, Taufbecken voller Details, die wir in Wien auch am Zacherlhaus und der Heilig-Geist-Kirche studieren können.

Hans Hollein und viele andere Architekten waren und sind deshalb selbst bei Stiegen oder im Materialmix der Steine von ihm beeinflusst. Der bekannte Prager Fotograf Josef Sudek hat die Transporte der tonnenschweren Diorit- und Granitschalen dokumentiert und so mischen sich die neuen mit jenen historischen Aufnahmen.

Die Deklination und die Geheimnisse von Plečniks antiken und symbolischen Vorbildern kann man im Katalog der Schau teils als Bildwörterbuch nachvollziehen. Prelovek, Jan Sapák und Kurator Adolph Stiller schreiben da neben Karl Fürst Schwarzenberg, als Kanzler Präsident Havels, großer Kenner der Prager Burg und ihrer komplexen Geschichte. Als Masaryk 1937 starb, bemühte sich Edvard Bene, Plečnik weiter zu beschäftigen, um die Durchbrüche zur Altstadt mit einem Boulevard und einer Villa des Präsidenten zu erweitern. Doch segte sich lauter Widerstand gegen einen Slowenen als Burgarchitekt und so sagte er ab. Im heutigen Stilpluralismus, und kritischer Haltung zur Phase des internationalen Stils der ersten Moderne, schätzt man Antipoden Wagners wie ihn gerade in Wien. Das verspricht der Schau hoffentlich auch in den heißen Sommermonaten genügend Publikum, das Details wie einen Adler einer Standarte für die Prager Burg oder die verfeinerten Sitzmöbel zur spannenden Baugeschichte studieren will.

Wiener Zeitung, Montag, 27. Juni 2016


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