Der Obelisk als Machtsymbol#
Ein herrscherlicher Bauherr#
Am 14. November 1918 wird T.G. Masaryk von der Tschechoslowakischen Nationalversammlung in Abwesenheit zum Präsidenten gewählt, am 21. Dezember 1918 kehrt er in die Tschechoslowakei zurück. Nach Übernahme des Präsidentenamtes geht Masaryk sogleich daran, der jungen Republik eine entsprechende Symbolik zu geben. Dazu gehört zunächst ein entsprechender Amtssitz. Bewusst auf die Geschichte Tschechiens aufbauend, wählt er nicht etwa eine Stadtwohnung, sondern bestimmt die Burg auf dem Hradschin zu seiner Residenz. Als Sommersitz wählt er das Barockschloss Lány (dt. Schloss Lana, etwa 35 km westlich von Prag) aus. Er beruft den aus Laibach stammenden, zu dieser Zeit in Wien wirkenden Otto-Wagner-Schüler Jože Plečnik (1872—1957) nach Prag. Zusammen mit seiner kunstsinnigen Tochter Alice beauftragt Masaryk den Slowenen mit der umfangreichen Renovierung und künstlerischen Ausgestaltung der herabgekommenen Burg. Masaryk und sein kongenialer slawisch-österreichischer Partner entwerfen nicht nur ein bauliches Gesamtkunstwerk in einem ein wenig an Otto Wagner angelehnten, aber dennoch eigenständigen Stil, sondern beziehen auch die unmittelbare Umgebung der Burg mit ein – also ein landschaftsplanerisches Konzept, das Jože Plečnik begeistert umsetzt. Wer wollte da nicht an die gerade erst fünf Jahre vorher fertiggestellte Neue Hofburg in Wien denken, die Masaryk sicher gut kannte. Oder an die visionären Umbaupläne für Schloss Schönbrunn durch Fischer von Erlach in den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts?Der Obelisk, die Obelisken#
Bei Planung und Ausführung der Bauten wurde an nichts gespart. Einen Wunsch aber wollte sich Masaryk jedenfalls erfüllen – er wollte unbedingt einen großen Obelisken. Plečnik war dieser Wunsch Befehl. Den Granitsteinbrüchen von Mrákotín bei Telč – nahe an der heutigen österreichischen Grenze – wurde der Auftrag für einen riesigen Monolithen erteilt. Der rund 17m lange Obelisk zerbarst jedoch beim Transport. Aber Masaryk und Plečnik gaben nicht auf. Masaryk erklärte sich bereit, die Kosten für einen neuen Obelisken aus eigener Tasche zu tragen – immerhin ging es um 380.000 Kronen! Als auch vom zweiten, einem ursprünglich 19 m langen Granitkoloss noch im Steinbruch ein größeres Stück absprang, beschloss Plečnik, die verbleibende 15,5 m lange Granitsäule zu verwenden – vor allem auch deshalb, weil sich kein anderer Lieferant mehr fand, und weil es aus mythologischen, ästhetischen und aus Gründen der Dauerhaftigkeit Granit sein musste, wie ihn Plečnik schon für das Wiener Zacherl-Haus verwendet hatte. Der nunmehr oben abgeflachte Monolith wurde behauen, auf einen quadratischen Sockel gesetzt und erhielt einen Ehrenplatz im für offizielle Zeremonien gedachten dritten Burghof. Jahre später wurde ihm noch eine Pyramidenkontur aus vergoldetem Metall aufgesetzt, um die für Obelisken typische Spitze anzudeuten.Der große Obelisk im dritten Burghof#
Symbolpolitik mit unterbewusster BedeutungSo war der „republikanische Monarch“ zu dem von ihm heiß ersehnten Phallus-Symbol gekommen – wahrscheinlich hatte Masaryk nicht nur an die römischen Obelisken und jene von Schönbrunn gedacht, sondern auch an das 1885 fertiggestellte, 169 m hohe Washington Monument in der amerikanischen Bundeshauptstadt. Als „Abfallprodukt“ bekam das mächtige „Sonnensymbol“ in der Burg 1926 übrigens noch einen kleinen „Bruder“: Vor den Eingang von Schloss Lány setzte Plečnik ein elegantes Gefallenenmonument in Form eines mit einer Granitstele verbundenen Flaggenmastes. Schon 1923 hatte der geniale Architekt für seinen Bauherrn einen schlanken, 10 m hohen Obelisken mit schwerem jonischen Kapitell auf der „Mährischen Bastion“ errichtet. Damit aber nicht genug, gibt es auf den „Wällen“ auch noch einen 8 m langen ovalen, diesmal aber horizontal liegenden Monolithen. Insgesamt verfügte Masaryk also um einen Monolithen mehr als das Schloss Schönbrunn. Man mag diese teils tiefenpsychologisch ausgerichtete Analyse der „republikanischen Hofarchitektur“ Masaryks vielleicht für übertrieben halten, doch sollte man noch eines beachten: Am 5. Dezember 1941 verlangte der stellvertretende Reichsprotektor Reinhard Heydrich (er war am 27. September 1941 in Prag eingetroffen) von Staatspräsident Emil Hácha die Entfernung des großen Obelisken. Der Staatskanzlei gelang es mit tschechischer List, diesen diabolischen Akt unter Hinweis auf die Schwierigkeiten und Kosten des Abtransports zu verhindern. Heydrich kam bis zu seiner Ermordung durch Widerstandskämpfer (Attentat am 27. Mai 1942) nicht mehr dazu, nachzuhaken. Aber zeigt nicht dieser Versuch der „Kastration“ der Tschechoslowakei durch einen nationalsozialistischen Gewaltherrscher die tiefe Symbolik, die hinter dem Wunsch nach einem möglichst langen und hohen Obelisken am Amtssitz des Präsidenten steht? „Republikanisch“ waren diese baulichen Strukturen jedenfalls nicht, eher nach Wilfried Daim „sekundärfeudal“ im unbeugsamen Willen, den verachteten „Vater-Herrscher“ zu übertrumpfen.
Ironie der Geschichte: Wie man in dem weiter unten abgedruckten Text aus der offiziellen Broschüre des Hradschin lesen kann, wollten auch die kommunistischen Machthaber in der Tschechoslowakei den Obelisken entfernen!
Die GESCHICHTE DES OBELISKEN
"Der Monolith befindet sich jetzt im Schloss -
ein Licht im Schloss, das an den Sieg von Wahrheit,
Arbeit und Liebe erinnert ..."
(Aus Alice Masarykovás Brief an Josip Plečnik)
Die Geschichte von Plečniks Obelisk ist sehr dramatisch. Zu Beginn war es Präsident Masaryks Wunsch, auf dem Schlossgelände ein Denkmal für die Opfer des Ersten Weltkriegs zu errichten. Zu dieser Zeit - von 1920 bis 1921 - arbeitete der slowenische Architekt Josip Plečnik an der Komposition des Garten Eden, den er über eine massive Treppe mit dem Hradčany-Platz verband, die durch ein Doppelportal von einem dreieckigen Treppenabsatz auf der Schlosstreppe aus betreten wird. Unter der Treppe platzierte er einen Gewölberaum, in dem sich die Kapelle befinden sollte. Von der Mitte des kleinen Gartens verlegte er den Barockbrunnen etwas weiter östlich in den Na-Valech-Garten und ließ an seiner Stelle eine riesige Steinschale aus einem einzigen Stück Mrákotín-Granit platzieren. Das Denkmal wurde subtil auf zwei Steinblöcke gesetzt, so dass es über dem Boden schwebte. Zu dieser besonderen Dominanz des Gartens wollte der Architekt ein weiteres charakteristisches Element hinzufügen, das ein Gegengewicht zur massiven Schüssel bilden würde. Dies sollte eine schlanke, neunzehn Meter hohe Säule sein, die sich im unteren Drittel der Treppe befand. Und diese Säule sollte das Denkmal für die Kriegsopfer werden.
Das schlanke vertikale Projekt hatte eine Reihe von Varianten. Plečnik wollte eine Säule aus Steinblöcken zusammenbauen, damit im oberen Drittel eine Öffnung für das Ewige Licht geschaffen werden konnte. Die Spitze sollte mit einer Skulptur versehen werden: Es gab eine Reihe von Möglichkeiten - eine goldene Kugel mit Blitz, einen Adler oder einen Löwen. Am Ende gewann die Variante mit einem Löwen, die zu einem doppelten slowakischen Kreuz aufsteigt. Die Skulptur wurde von Jan Štursa in Originalgröße modelliert (das Modell wurde im Schlossdepot aufbewahrt). Dann traten Probleme auf - den slowakischen Vertretern gefiel es nicht, dass sich der Löwe über dem Kreuz befand. So skizzierte Štursa prompt eine Variante, bei der der Löwe unten ist und ihm das Kreuz in den Rücken getrieben wird. Diese Komposition erwies sich jedoch als erfolglos und Plečnik lehnte die Idee der skulpturalen Dekoration des oberen Teils der Säule vollständig ab.
Eine weitere Kontroverse verursachte der Präsident, der die die Säule mit einem kurzen Gedicht über gefallene Soldaten versehen wollte. Einige Autoren haben jedoch Texte vorgelegt, die meist zu lang oder zu erbärmlich waren. Der Präsident sprach auch General Medek an, war aber auch mit seinem Vorschlag nicht zufrieden. Plečnik und Masaryk beschlossen schließlich, von einem Text abzusehen. Und der Architekt griff zur einfachsten Lösung: einem bloßen Stein - einem Monolithen - in Form eines Obelisken ohne Dekoration.
Es gab andere Probleme, diesmal weit prosaischer. Ein so großer Stein war noch nirgendwo in Europa gebrochen worden. Nur in Mrákotín war es möglich, ein Stück mit geeigneten Proportionen zu finden. Durch einen unglücklichen Zufall brach der Stein jedoch während des Transports nach Prag aauseinander, worauf der für den Transport verantwortliche Ingenieur plötzlich entlassen wurde. Trotz seines Verbots werkten die Soldaten weiter. Der Transport mit einer speziellen Technik war sehr herausfordernd und die Stimme von Plečnik wurde stärker Bau einer monumentalen Treppe im Jahr 1921 im Paradies-Garten Bearbeitung des Obelisken im Steinbruch Mrákotín Die Idee war in der Durchführung unnötig extravagant und teuer. Am Ende wurde die gesamte Veranstaltung größtenteils von Masaryk selbst finanziert. Übrigens fand auch der zerbrochene Monolith seinen Platz: Der Architekt Bohumil Hiibschmann errichtete ihn auf dem Platz unterhalb des Emmaus-Klosters in der Prager Neustadt. Sogar die gebrochene Spitze wurde als Denkmal in Písek in Südböhmen verwendet.
Plečnik wollte jedoch nicht aufgeben. Es wurde ein weiteres passendes Stück in Mrákotín gebrochen, aber auch diesmal ist ein Teil abgebrochen. Außerdem war der Stein zu kurz. Und so beschloss der Architekt, es an einem anderen Ort zu verwenden - als einen der Schwerpunkte im III. Innenhof, wo in der älteren slawische Ära ein ikonischer slawischer Kamin war.
Der Obelisk wurde 1929 zum großen Ruhm und zur Aufmerksamkeit der Prager Bürger hierher transportiert und mit spezieller Ausrüstung errichtet. Es geschah im Jahr des St. Wenzel- Jahrtausends, aber der Obelisk war in erster Linie ein Symbol der Demokratie. Das Grab eines unbekannten Soldaten sollte in die darunter liegende Betongruft gelegt werden, befand sich aber schließlich im Bereich des Denkmals in Vítkov.
Und so steht der Mrákotín-Monolith hier bis heute. Die abgebrochene Spitze fehlt jedoch. Plečnik selbst machte mehrere Vorschläge, umsies zu ergänzen, aber es wurde zu seinen Lebzeiten nichts installiert. Während der kommunistischen Ära wurde erwogen, den Monolithen zu entfernen, der mit seiner einfachen Form und Symbolik die verantwortlichen Beamte irritierte - schließlich wie alles, was an die Ära der demokratischen Tschechoslowakei erinnert. Es erschienen auch mehrere Entwürfe für die zusätzliche Dekoration, aber zum Glück blieb der Obelisk in seiner ursprünglichen Form.
Die goldene Pyramide, die heute auf der Spitze des Obeliken ruht, wurde erst 1996 zum Zeitpunkt des Ausstellungsprojekts Josip Plečnik - Architektur für eine neue Demokratie - installiert. Es war eiugentlich nur eines der Plakate der Ausstellung, aber am Ende blieb es hier und viele sehen es als Symbol für eine erneuerte Demokrat
Dieser Text stammt aus einer offiziellen Broschüre des Hradschins.
Farbfotos: P. Diem, Schwarz-weiß-Bilder: Broschüre des Hradschin