Symbole in Stein und Bronze - Denkmäler und Monumente #
von Peter DiemInhaltsverzeichnis
- Symbole in Stein und Bronze - Denkmäler und Monumente
- Fürstenstein und Herzogsstuhl
- Die Kapuzinergruft
- Der Austria-Brunnen
- Der Pallas Athene-Brunnen
- Das Andreas Hofer-Denkmal
- Das Befreiungsdenkmal
- Das Heimkehrer-Gedächtnismal
- Das äußere Burgtor
- Das Denkmal für die Opfer des Faschismus
- Das Staatsgründungsdenkmal
- Das Renner-Denkmal
- Das Raab-Denkmal
- Das Figl-Denkmal
- Weiterführendes
Fürstenstein und Herzogsstuhl#
Der „Herzogsstuhl", ein urtümlicher, wuchtiger Doppelthron aus Römersteinen, stammt aus dem 10. Jahrhundert. Er befindet sich noch heute an der Bundesstraße im Zollfeld bei Maria Saal - ein im deutschen Sprachraum einmaliges Monument der Rechtsgeschichte. Nach Ansicht mancher Forscher ist der Herzogsstuhl eine druidische Steinsetzung, da sich seine Position mit Hilfe von fünf regelmäßig angeordneten Berggipfeln bestimmen läßt. Bis 1597 wurde an dieser Stelle der Herzog von Kärnten wie oben erwähnt in sein Amt eingeführt, dort fanden auch Gerichtstage und Lehenszeremonien statt.
Die Kapuzinergruft#
Der Bau einer kaiserlichen Gruft wurde 1618 von Kaiser Matthias angeordnet und 1622 begonnen. Die Gruft wurde 1710 von Lukas von Hildebrandt erweitert; 1753 wurde eine zweite Grablege für das Haus Habsburg-Lothringen errichtet. 1824 wurde festgestellt, dass sich die Kapuzinergruft an der Stelle einer altrömischen Begräbnisstätte befindet. Seit 1633 wurden die Habsburger Herrscher und ihre Angehörigen mit wenigen Ausnahmen in der weitläufigen Gruft bestattet: 144 Leichname, darunter zwölf Kaiser und sechzehn Kaiserinnen, ruhen unter der Kapuzinerkirche am Neuen Markt in Wien. Genauer gesagt: ihre exenterierten Leiber, denn von den meisten Verstorbenen werden die Herzen in Silberbechern im „Herzgrüftl" zu St. Augustin, Gehirn, Augen und Eingeweide aber in Urnen in den Katakomben von St. Stephan aufbewahrt. Die Schlüssel zu den Holzsärgen der Habsburger befinden sich in einem eigenen Schrein in der Geistlichen Schatzkammer. Zu dem im 17. Jhdt. eingeführten spanischen Begräbniszeremoniell und zu diversen anderen, insbesondere nekrophilen Eigenheiten Österreichs vergleiche: Gerhard Roth, Eine Reise in das Innere von Wien. Frankfurt 1991, 22 ff.
Magdalena Hawlik-van de Water, Die Kapuzinergruft. Wien 1987
Zunächst sollten die Sarkophage in barocker Prunkentfaltung den Ruhm der Herrscher perpetuieren: „MANET AETERNUM DIADEMA MONARCHIAE" steht auf dem Sarg Leopolds I. zu lesen. Ab Joseph II., der in einem schlichten Sarg vor dem Prunksarg seiner Eltern ruht, wird der Glanz der Kaisergruft blasser. Dennoch übt die Begräbnisstätte der Habsburger bis auf den heutigen Tag eine unglaubliche Anziehungskraft aus - wohl als „Symbol einer Herrschermacht, die die eigene Vergänglichkeit mit Schönheit bekleidete" (M. Hawlik) und „Saturnalien des Todes" (Hilde Spiel) abhielt.
Am berühmtesten ist die reiche Symbolik des Prunksarkophags von Karl VI. (1685-1740). Das 1751 von Balthasar Moll vollendete Kunstwerk wird von vier Löwen getragen. Es zeigt an den Ecken die Wappenschilder des Heiligen Römischen Reiches, Kastiliens, Böhmens und Ungarns, die von je einem Totenkopf (häufigstes Vanitas-Symbol) mit Krone überhöht werden. Beinahe die ganze vordere Längsseite des Zinnsarkophags nimmt ein Reliefbild der Schlacht von Saragossa (20. August 1717) ein, darunter der Doppeladler mit der Rudolfskrone samt Zepter und Schwert. Oben auf dem Sarg hält eine trauernde Austria (kenntlich am Bindenschild) zusammen mit einem Genius das lorbeerbekränzte Medaillonbild des Kaisers über einer Weltkugel. Dieses wiederum wird bekrönt von einem fünfzackigen Stern auf einer Wolke, umgeben von der sich selbst verzehrenden Schlange, dem Symbol der Ewigkeit. Um den Reigen der österreichischen Symbole zu vervollständigen, liegen links auf einem Polster Erzherzogshut, Zepter, Schwert und das Goldene Vlies, rechts Reichsapfel, Streitkolben und ein Manipel als Zeichen der Würde des römischen Imperators. Das Symbol der sich selbst verzehrenden Schlange mit dem Stern krönt auch den Sarg der Gattin Karls VI., Elisabeth Christine, der Mutter Maria Theresias. Dieser Sarkophag wird aber von vier Adlern getragen, und seine Ecken laufen in vier Genienköpfe mit verhülltem Antlitz wie am Grab der Hemma von Gurk aus. Auch auf diesem Sarg ruhen vier Kronen: links die Rudolfskrone und die Krone Spaniens, rechts die Wenzels- und die Reichskrone.
Tritt das in Österreich so seltene ''Sternensymbol'' rein zufällig völlig gleichzeitig mit der Freimaurer-Bewegung und dem Einsetzen der Aufklärung in Österreich auf?
Der Doppelsarkophag von Franz Stephan von Lothringen und Maria Theresia wurde schon sechzehn Jahre vor dem Tod der Kaiserin vom selben Künstler nach genauen Anweisungen der Herrscherin angefertigt. Er zeigt das sich aufrichtende Kaiserpaar,
auferweckt durch den Schall der Posaune, die ein Genius mit der Sternenkrone eben abgesetzt hat. Die linke Hand der Kaiserin umfasst ein Schwert, Kaiser und Kaiserin ergreifen das Zepter. Der Sarg ist umgeben von vier trauernden Genien, die folgende
Wappen und Kronen halten:
- das kaiserliche Wappen und die Reichskrone,
- das Wappen Ungarns und die Stephanskrone,
- das Wappen Jerusalems mit einem dornengekrönten Helm,
- das Wappen Böhmens und die Wenzelskrone.
An der Schmalseite zu Häupten finden sich Inschriften, bekrönt vom Erzherzogshut Rudolfs IV., des Stifters, (Maria Theresia ließ ja den Klosterneuburger Erzherzogshut von 1616 links liegen und griff auf den „ächten" Erzherzogshut zurück!) und der lothringischen
Krone. Das Fußende des letzten barocken Repräsentationssarkophags ziert ein Totenkopf, der mit der rudolfinischen Hauskrone geschmückt ist. Vor dem Sarkophag von Vater und Mutter steht der Sarg des Sohnes - des Reformkaisers Joseph II. - in zur Schau gestellter Askese: wie zum Protest gegen die barocke Pracht der Eltern ein einfacher Kupfersarg, nur verziert mit einem Kleeblattkreuz und eine Inschrift tragend. Spätere Särge trugen dann wieder Kronen, während der Sarkophag Franz Josephs I., auf hohem weißem Marmorsockel ruhend, völlig schmucklos ist - wohl als Symbol der Einsamkeit und Entrücktheit des „alten Kaisers". Am Kopfende des Sockels findet sich ein Porträt Franz Josephs, ein Werk von Heinrich Deutsch, dem Wiener Bildhauer, der auch das sogenannte Staatsgründungsdenkmal schuf (vgl. den diesbezüglichen Beitrag).
Die fortdauernde symbolische Bedeutung der habsburgischen Nekropole im Zentrum von Wien wurde beim Begräbnis der letzten österreichischen Kaiserin Zita am 1. 4. 1989 wieder deutlich. Das laut Magdalena Hawlik ohne schriftliche Quellen legendenhaft
überlieferte Zeremoniell der dreifachen Bitte um Einlass wurde ausgiebig zelebriert und über das Fernsehen einer nekrophil-nostalgischen österreichischen Öffentlichkeit bewusst gemacht. Es ist das Verdienst von Magdalena Hawlik-van de Water, an die achtzig verschiedene Symbole isoliert zu haben, die sich an den Sarkophagen der Kapuzinergruft befinden.
Es würde hier zu weit führen, sie zu kommentieren. Sie bilden jedoch integrierende Bestandteile der „Pietas Austriaca" und der besonders dem Wiener eigenen pseudo-barocken Begräbnis- und Friedhofskultur.
Siehe dazu auch: Die Kaisergruft
Der Austria-Brunnen#
1846 stiftete die Wiener Bürgerschaft den Austria-Brunnen auf der Freyung. Die hochaufragende Bronzestatue der Austria - im Krönungsmantel, auf dem Haupt über dem offenen Haar die bürgerliche Stadtmauerkrone, in der Rechten eine Lanze und in der Linken den Schild mit dem kaiserlichen Doppeladler - steht auf einer astwerkgeschmückten Säule, zu ihren Füßen vier Flussgottheiten, eine davon männlich. Sie stellen die Hauptflüsse der Monarchie dar: Elbe und Weichsel, Donau und Po. Diese vier Ströme, die in vier verschiedene Meere fließen, symbolisieren auch die vier großen Sprachgruppen des Habsburgerreiches: Germanen und Slawen, Ungarn und Italiener. Die Grundform des Brunnens, das vierblättrige Kleeblatt, könnte als Symbol für Österreichs Glück gemeint gewesen sein. Die von Ludwig Schwanthaler gestalteten Figuren wurden von Ferdinand Miller in München gegossen. Angeblich wurden in der Statue auf ihrem Weg von München nach Wien Zigarren geschmuggelt, die sich noch immer in der Bronzeplastik befinden, weil diese so schnell aufgestellt wurde, dass der Schmuggler keine Gelegenheit mehr hatte, das Schmuggelgut zu entfernen. Nun, Zigarren in einer patriotischen Plastik sind immer noch besser als ein landesverräterisches Pamphlet, wie es sich im Heldendenkmal im Äußeren Burgtor befinden dürfte (vgl. dieses).Wenig bekannt ist, dass sich in einem Hof des Justizpalastes eine Austria-Statue von Edmund von Hellmer befindet. Sie stand vor dem Umbau des Justizpalastes nach dem Brand vom 15. Juli 1927 in einer Nische des Mittelrisalits. Hellmer schuf auch die Vindobona an der Rückseite des Rathauses und die plastische Gruppe um Kaiser Franz Joseph I. im Giebel des Parlaments.
Näheres zur Allegorie der "Austria" siehe hier.
Der Pallas Athene-Brunnen#
Das heutige Parlament wurde als Reichsratsgebäude durch Theophil von Hansen 1874-1883 in altgriechischen Formen geschaffen. 1898 wurden die beiden Flaggenmaste, 1902 der von Hansen selbst um 1870 entworfene Pallas-Athene-Brunnen hinzugefügt.Das vier Meter hohe Standbild der griechischen Göttin der Weisheit stammt von Carl Kundmann. Sie wird links flankiert von der Allegorie der „Gesetzgebenden Gewalt", rechts von jener der „Vollziehenden Gewalt". Vor ihr befinden sich die Donau, dargestellt als Frauengestalt und der Inn als Männergestalt; hinter ihr umschlingen einander die Flussgöttinnen von Elbe und Moldau. Die Allegorien der vier Flüsse zeugen davon, dass ursprünglich daran gedacht war, die Statue der „Austria" aufzustellen.
Nach einem bekannten Witzwort kehrt die Göttin der Weisheit dem österreichischen Parlament den Rücken zu.
Das Andreas Hofer-Denkmal#
Andreas Hofer (1767-1810) stammte aus dem Südtiroler Passeiertal. Er wirkte als Kommandant der Tiroler und österreichischen Truppen im Befreiungskampf Tirols gegen die Bayern- und Franzosenherrschaft. Zeitweilig agierte er auch von der Innsbrucker
Hofburg aus als Regent des Landes Tirol. Nach mehreren siegreichen Waffengängen verlor er die vierte Berg-Isel-Schlacht und mußte fliehen. Der tiefgläubige und bis in den Tod kaisertreue Hofer wurde durch Verrat an die Franzosen ausgeliefert und auf Befehl Napoleons in Mantua füsiliert. 1823 wurde der Leichnam des Tiroler Volkshelden in der Innsbrucker Hofkirche beigesetzt (Grabdenkmal von Johann Schaller).
Das Bronzedenkmal am Berg Isel zeigt Andreas Hofer mit breitkrempigem Hut und Fahne auf einem zehn Tonnen schweren Porphyrsockel, zwei große Adler zu seinen Füßen. Das Monument wurde von dem in Wien lebenden, aus dem Vinschgau stammenden
Bildhauer Heinrich Natter geschaffen, welcher allerdings knapp vor der Vollendung des Werkes starb. Die Statue wurde am
28. September 1893 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. enthüllt. Nach der Enthüllungsfeier sammelten sich mehr als 10.000 Schützen zu einem festlichen Umzug durch die Stadt Innsbruck.
Am 1. Oktober 1961 wurde ein Sprengstoffanschlag auf das Denkmal verübt, der die Figur vom Sockel stürzte. Die Renovierungsarbeiten wurden noch im selben Jahr abgeschlossen. Anläßlich der Hundertjahrfeier seiner Errichtung bezeichnete Landeshauptmann Alois Parti das Monument als ein „Symbol der Gemeinschaft, der Kraft des Optimismus, der Zukunftshoffnung und der aktiven Gestaltung in unserem ganzen Land".
Schriftliche Mitteilung von Josefine Justic, Innsbrucker Stadtarchiv, an den Autor
Das Denkmal der Republik#
Zwischen dem Parlament und dem Sitz des Wiener Stadtschulrats errichtet, wurde das "Denkmal der Republik" am 12. November 1928 - genau zehn Jahre nach der Proklamation der "Republik Deutschösterreich" - enthüllt.Das dreistufige Steinpodest trägt drei Vierkantschriftsockel zwischen vierkantigen Pfeilern mit den Büsten von Jakob Reumann (1853-1925, Wiener Bürgermeister von 1919 bis 1923), Dr. Viktor Adler (1852-1918, zuletzt Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten) und Ferdinand Hanusch (1866-1923, Staatssekretär für Soziale Fürsorge von 1918 bis 1920). Darüber auf den drei Pfeilern befindet sich ein Inschriftenarchitrav.
Die Büsten wurden von drei verschiedenen Bildhauern - Franz Seifert, Anton Hanak und Mario Petrucci - nach einem Vorbild von Carl Wollek geschaffen.
Beachte: Der eigentliche Staatsgründungsakt der Ersten Republik war nicht das Gesetz vom 12. November oder die an diesem Tag erfolgte Ausrufung der Republik von der Wiener Parlamentsrampe, sondern der 30. Oktober 1918, an dem die Abgeordneten, die sich am 21. Oktober als "provisorische Nationalversammlung des deutsch-österrreichischen Staates" konstitutiert hatten, einen Staatsrat einrichteten, ein provisorisches Grundgesetz beschlossen, das Staatsgebiet definierten und dies vom Balkon des Niederöstereichsicehn Landhauses aus verkündeten.
Der 12. November war während der ganzen Ersten Republik höchst umstritten: Zwar war er am 25. April 1919 vom Nationalrat ohne Debatte einstimmig zum Staatsfeiertag erklärt worden, er wurde aber nie wirklich akzeptiert. Den Christlichsozialen war der revolutionäre Beigeschmack dieses Tages zuwider, die Sozialdemokraten sahen gerade darin ihr Verdienst und versuchten, die Republikgründung als einseitiges Werk der Wiener Sozialdemokratie darzustellen und die Rolle der anderen Parteien und der Bundesländer herunterzuspielen.
Das wird am Republikdenkmal, das 1928 von der Stadt Wien an prominenter Stelle gegenüber dem Parlament errichtet wurde, besonders deutlich: Es zeigt drei sozialdemokratische Politiker, Victor Adler, Jakob Reumann und Ferdinand Hanusch, die alle drei an den Ereignissen des 12. November nicht oder nur am Rande beteiligt waren. Am ehesten noch Victor Adler. Aber der war am 12. November schon tot. Auch Reumann und Hanusch hatten ihre Verdienste, aber ganz sicher nicht im Zusammenhang mit der Republikausrufung. Die tatsächlichen Handlungsführer, die drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung, der Christlichsoziale Johann Nepomuk Hauser, der Großdeutsche Franz Dinghofer und der Sozialdemokrat Karl Seitz, wurden völlig übergangen. Einer gemeinsamen Erinnerungskultur wurde solcherart weitgehend der Boden entzogen.
Die Sozialdemokraten verstanden sich zwar als Hüter der Republik, brachten aber immer wieder zum Ausdruck, dass es eine revolutionäre Republik sein müsse: Die „Arbeiter-Zeitung" titulierte den 12. November regelmäßig als „Gedenktag der Revolution". Dass die Republik nur eine Zwischenstufe sei, konnte man auf den Transparenten der Maiaufmärsche ablesen: „Republik, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel."
Die Christlichsozialen hingegen rückten vom 12. November immer mehr ab und inszenierten an seiner Stelle den 15. November als Tag des heiligen Leopold mit der traditionellen Männerwallfahrt nach Mariazell als mächtiger christlicher Gegendemonstration gegen marschierende Arbeiter.
Der Ausschaltung des Parlaments im Jahre 1933 fiel auch der Staatsfeiertag am 12. November zum Opfer. 1933 veranstaltete die Sozialdemokratie am 12. November noch einen „organisierten Spaziergang", bei dem 225 Personen verhaftet wurden, auch Karl Renner. Dann wurde das Republikdenkmal verhüllt und abgetragen. Am 27. April 1934 wurde der 12. November als Staatsfeiertag abgeschafft. Nach 1945 wurde das Republikdenkmal zwar wieder aufgestellt, der Republikfeiertag aber nicht wieder eingeführt. Karl Renner begründete es mit meteorologischen Umständen: mit der ungünstigen Wetterlage, die Mitte November in der Regel herrsche. 1965 wurde als neuer Nationalfeiertag der 26. Oktober beschlossen.(Roman Sandgruber in: "Die Presse" 8.11.2008)
Anlässlich des Verbots der Sozialdemokratie mit Kruckenkreuzfahnen verhüllt, wurde das Republikdenkmal 1934 von der Stadtverwaltung abgetragen und bis 1948 in der Stadionhalle gelagert. Am 12. November 1948 - genau zwei Jahrzehnte nach seiner ersten Enthüllung - eine ganze Generation nach dem Entstehen der Republik Österreich - wurde das von Mario Petrucci restaurierte Denkmal wieder der Öffentlichkeit übergeben.
Das Monument hat durch seine einseitige Ausrichtung auf drei sozialdemokratische Politiker nie wirklich "staatstragende" Wirkung entfalten können. Statt für Anhänger aller politischen Richtungen die Gründung der Republik Österreich als Gemeinschaftswerk zu symbolisieren, stellt es eher einen parteipolitischen Usurpations- und Kraftakt seitens des "Roten Wien" dar. Als solcher hat es - wie erwähnt - Widerstand der ständestaatlichen Kommunalverwaltung ausgelöst.
Ein Sprengstoffanschlag am 30. April 1961 gegen die Rückseite des Denkmals blieb bis heute ungeklärt.
Dazu schreibt Petra Stuiber im "Standard" vom 30.4./1.5.2016:
Es regnete am Abend des 30. April 1961 in Wien - und das war gut so. Wäre es trocken geblieben, hätte die noch junge Republik womöglich Verletzte oder gar Todesopfer in der Wiener Innenstadt zu beklagen gehabt. Denn um 22.45 Uhr erschütterte eine Detonation den Schmerlingplatz zwischen Parlament und Palais Epstein an der Ringstraße. An der Rückseite des Republikdenkmals war ein Sprengsatz detoniert. Der Schaltkasten für die Scheinwerfer, die das Denkmal beleuchteten, flog in die Luft, Trümmer wurden bis zu 50 Meter weit weggeschleudert. Fensterscheiben und zwei Oberlichten im Parlament gingen zu Bruch. Mehr ist nicht passiert. Denn der traditionelle Fackelzug am Vorabend des 1. Mai, der genau am Denkmal vorbeiführt, war wegen des Regens abgesagt worden. Drei Tage später schwor Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP) im Ministerrat empört, man werde „alles tun, der Täter habhaft zu werden". Mehr sagte Gorbach nicht. Den Verdacht sprach sein Vizekanzler, SPÖ-Chef Bruno Pittermann, aus: „Es wird mit den Anschlägen in Südtirol in Zusammenhang gebracht." Diese Verknüpfung ist 55 Jahre später noch immer nicht restlos bewiesen - aber, so meint der Historiker Thomas Riegler, der sich mit dieser Frühphase des Rechtsterrorismus beschäftigt: „Vieles spricht dafür.
Standort: Dr. Karl Renner Ring, Wien 1.,
Künstler: siehe oben
Redaktion: Peter Diem
Das Befreiungsdenkmal#
Offiziell findet man verschiedene Bezeichnungen: (Russisches) Befreiungsdenkmal, Russisches Heldendenkmal und Denkmal der Roten Armee. Die Wiener nennen das hochaufragende Monument am südlichen Ende des Schwarzenbergplatzes meist ein wenig abschätzig „Russendenkmal". Das Denkmal, das an die 18.000 (!) bei der Befreiung von Wien gefallenen Soldaten der Roten Armee erinnert, geht auf einen Entwurf von Major Sergej Jakowlew zurück, der im Zivilberuf ein prominenter Moskauer Architekt war. Die Gesamtleitung des als erstes Bauwerk nach Kriegsende am 19. August 1945 vollendeten Monuments hatte Alexandr Scheinfeld, ebenfalls ein als Offizier dienender Moskauer Architekt. Die 15 Tonnen wiegende Bronzefigur wurde von 40 Mitarbeitern der Wiener Vereinigten Metallwerke in Erdberg gegossen, wobei auch noch übriggebliebene Hitlerbüsten Verwendung fanden.
Näheres bei Portisch, Österreich II, a. a. O., 410 ff.
Auf einem insgesamt 20 Meter hohen, marmorverkleideten Sockel, im unteren Teil in Form eines fünfzackigen roten Sterns, verziert durch Fahnen und Gardeabzeichen, steht die 12 Meter hohe Figur eines Rotarmisten. Der Soldat trägt einen vergoldeten Helm und die bekannte russische Maschinenpistole mit Rundmagazin. Mit der Rechten umfaßt er die Fahne, mit der Linken hält er einen runden goldenen Schild mit dem Sowjetwappen. Im Hintergrund erhebt sich eine breite, acht Meter hohe Balustrade, an deren Enden sich je eine Gruppe von zwei kämpfenden Männern befindet - ein Paradebeispiel für sozialistischen Realismus, der allmählich zur kunstgeschichtlichen Rarität wird. Eine der Inschriften in russischer Sprache lautet übersetzt:
Ewiger Ruhm den Helden der Roten Armee, gefallen im Kampf gegen die deutsch-faschistischen Landräuber für die
Freiheit und Unabhängigkeit der Völker Europas (Michalkow).
Das Monument befindet sich in der Obhut der Gemeinde Wien. Österreich ist bekanntlich nach den detaillierten Bestimmungen in Artikel 19 des Staatsvertrags vom 15. Mai 1955 verpflichtet, Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler der alliierten Mächte auf österreichischem Boden „zu achten, zu schützen und zu erhalten".
Vor dem Befreiungsdenkmal erhebt sich der anlässlich der Vollendung der Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung am 24. Oktober 1873 in Anwesenheit des Kaisers in Betrieb gesetzte Hochstrahlbrunnen, der nach den ursprünglichen Plänen vor der Votivkirche, dann vor dem Neuen Rathaus stehen hätte sollen. Der Erbauer der Wasserleitung und des Brunnens, Anton Gabrielli, war ein Freund der Astronomie. Demgemäß symbolisiert die jeweilige Zahl der Wasserstrahlen die Tage des Jahres, die Monate, die Monatstage, die Wochentage und die Stunden des Tages.
Zwischen 1945 und 1956 stand vor dem Brunnen auf dem damaligen „Stalinplatz" ein russischer Panzer, der sich jetzt im Heeresgeschichtlichen Museum befindet. Manchmal führt die Erinnerung an die schlechten Erfahrungen, die die Österreicher mit den Besatzungssoldaten - insbesondere mit den sowjetischen - in den zehn Jahren der alliierten Besetzung gemacht haben, zum offenen Ressentiment gegen Mahnmale wie das „Russendenkmal". Dennoch - je größer der Abstand zur Kriegs- und Nachkriegszeit wird, desto mehr müsste man sich doch eigentlich darüber Rechenschaft geben, wieviel unschuldiges Blut gerade die Völker der ehemaligen Sowjetunion im Kampf gegen die Hitlerherrschaft geopfert haben, und wie wenig das österreichische Volk zu seiner eigenen Befreiung beigetragen hat. Solche Gedanken müssen einem in den Sinn kommen, wenn man sich etwas Zeit nimmt, die kyrillischen Goldbuchstaben an einem „Russendenkmal" zu entziffern - egal ob an jenem am Wiener Schwarzenbergplatz oder irgendwo draußen in den weiten Gefilden Niederösterreichs, wo bis hinauf ins Waldviertel noch kleine sowjetische Soldatenfriedhöfe bestehen.
Eine Umfrage des Gallup-Instituts, veröffentlicht im „Standard" am 11. Februar 1992, wies nach, dass das Denkmal 71 Prozent der Wiener bekannt ist. Eine deutliche Mehrheit (59 Prozent) ist für die Erhaltung des Denkmals. Nur 9 Prozent der 1.000
Befragten stimmten der Meinung zu, das Denkmal solle als Überrest des Stalinismus beseitigt werden. Haben die Österreicher also doch ihren Frieden mit der Zeitgeschichte geschlossen?
Wien hat übrigens wahrscheinlich europaweit das einzige Denkmal Stalins, das alle Zeiten und Systeme überdauert hat und überdauern wird: am Haus Schönbrunner Schlossstraße 30 in Wien-Meidling befindet sich ein Relief mit dem Kopf Jossif Wissarionowitsch Stalins (1879-1953), der 1913 in diesem Haus mit Studien zur nationalen Frage beschäftigt war.
Bei Dietmar Grieser ("Wiener Adressen", Insel-Verlag, Frankfurt, 1986) lesen wir:
Das stattliche Miethaus, wo Anfang 1913 der 33jährige Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili einige Wochen lang »auf Tür Nr. 7« (in der Emigrantenwohnung des Genossen Alexander Trojanowskij) Unterkunft fand, um in Wien seine Abhandlung »Der Marxismus und die nationale Frage« zu recherchieren und zu schreiben, beherbergt heute unter anderem eine Fremdenpension, und es ist eine Pikanterie unter vielen, daß unter den Nationalflaggen, die die Gästeschaft des Hauses begrüßen, die seines prominentesten Bewohners (fast möchte man sagen: natürlich) fehlt: Hammer und Sichel der Sowjetunion.
Die Angaben über die Dauer von Stalins Wien-Visite (seinem letzten Auslandsaufenthalt bis zur Konferenz von Teheran 1943, also für dreißig Jahre!) schwanken zwischen drei Wochen und zwei Monaten, auch ihr Verlauf ist nur unzulänglich dokumentiert. Wir wissen, daß Alexander Trojanowskij (der später Stalins erster Botschafter in Washington sein wird) und dessen Gattin Jelena Rosmirowitsch, vermutlich über Vermittlung Lenins, den Gast beherbergen; wir wissen, daß Nikolai Bucharin, der spätere Chefredakteur der »Prawda«, der zu dieser Zeit ebenfalls als Emigrant in Wien lebt, dem des Deutschen unkundigen Genossen bei der Beschaffung und Lektüre des Quellenmateriais zur Hand geht; wir wissen, daß Stalin seine Wiener Tätigkeit in einem in grammatikalisch abscheulichem Russisch abgefaßten Brief an einen der Freunde in Petersburg als »Quatsch« abtut (tatsächlich hat er nie wieder- und auch dieses eine Mal nur auf Drängen Lenins - eine rein theoretische Schrift verfaßt); und wir wissen vor allem, daß es in der Wohnung seiner Wiener Gastgeber zur ersten Begegnung Stalins mit dessen späterem Todfeind Trotzkij kommt (dem sofort die »bösen gelben Augen« des Georgiers auffallen).
Jänner 1913. Aus Jossif Dschugaschwili (dem »Sohn des Eisens«) ist gerade Jossif Stalin (der »Mann aus Stahl«) geworden. Sein in der Zeitschrift »Sozialdemokrat« abgedruckter Aufsatz »Die Wahlen in Petersburg« ist der erste, den er mit dem nach langem Hin und Her gewählten Pseudonym unterzeichnet. Lenin, der mit ihm in Krakau das Thema »Marxismus und nationale Frage« in großen Zügen durchgesprochen hat, schickt seinen Gehilfen nach Wien: Als gebürtiger Georgier und somit Mitglied einer kleineren Volksgruppe erscheint er ihm als der ideale Mann, am Hauptsitz des Austromarxismus zur Klärung der Frage beizutragen, welche Rolle in einer sozialistischen Republik nach dem Sturz des Zarenregimes den einzelnen ethnischen Einheiten zukommen solle. Stalin entledigt sich seines Auftrags, der von Lenin durchgesehene und verbesserte Text (Länge: 40 Druckseiten) erscheint ohne Verzug in der Zeitschrift »Prosweschtschenije« (»Aufklärung«), im Jahr darauf auch als eigene Broschüre. Da die Erstveröffentlichung für eine legale Zeitschrift bestimmt ist, wählt der Autor trotz aller revolutionären Tendenzen ein eher vorsichtiges Vokabular. An einem allerdings läßt Stalin keinen Zweifel: Die »Österreichische Schule« mit Otto Bauers föderativem Nationalitätenprogramm ist abzulehnen.
Wo kaufte Stalin in Meidling ein?
Das Heimkehrer-Gedächtnismal#
Auf dem Wiener Leopoldsberg findet man das von Mario Petrucci geschaffene und am 12. September 1948 enthüllte Erinnerungsmal für die Heimkehrer des Zweiten Weltkrieges. Es entstand auf Initiative von Bundeskanzler Leopold Figl zum Dank für die glückliche Heimkehr und zur Würdigung der Verdienste der Heimkehrer-Hilfe der ÖVP. Das Erinnerungsmal ist aus Bruchsteinen gemauert und läuft in einen Pylonen aus, der eine Opferschale aus Stein trägt. In den vier Nischen finden sich folgende Inschriften:
Den Opfern schwerster Notzeit - Gottes Frieden Dem Vaterland - der Heimgekehrten - Dank Für die kommenden Geschlechter - ernste Mahnung - Herr mach uns frei um Deines Namens willen.
Es dauerte zunächst bis Ende 1946, bis 306.000 Österreicher aus den USA, 211.000 aus Großbritannien, 67.000 aus Frankreich und 7.500 aus Jugoslawien zurückkamen. Der erste größere Heimkehrertransport aus der Sowjetunion ließ bis 12. September 1947 auf sich warten; es vergingen fast drei Jahre, bis die ersten Gefangenen aus den Weiten Rußlands und Sibiriens heimkamen. Bis Dezember 1947 waren es 162.000; die letzten wurden allerdings erst Mitte 1955 entlassen. Es gibt kaum ergreifendere Photos als jene von den österreichischen Bahnhöfen, wenn wieder ein Mann, Verwandter oder Freund - einer von einer Dreiviertelmillion! - abgemagert, aber überglücklich den Heimatboden betrat und von den Seinen in die Arme geschlossen wurde. Auch der Verfasser musste als Bub mehrere Monate auf seinen Vater warten, den die Sowjets erst nach Kriegsende nach Odessa verschleppt hatten.
Zur Neugestaltung vergleiche: Denkmal Leopoldsberg
Das äußere Burgtor#
Symbole aus Stein und Bronze #
Das Äußere Burgtor - ein österreichisches Heldendenkmal?#
von Peter DiemDas uns heute bekannte Äußere Burgtor wurde 1821 zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig begonnen und 1824 von
Peter Nobile vollendet. Das Monument steht an der Stelle des 1660 als Festungsbau gegen die Türken errichteten „alten" Burgtors. Burgbastei und Löwelbastei waren 1683 die am heißesten umkämpften Abschnitte der Stadtumwallung. 1809 war das alte Burgtor so wie andere Teile der Bastionen von den napoleonischen Truppen gesprengt worden. Kaiser Franz I. von Österreich (1768-1835) beauftragte den Hofbaumeister Peter von Nobile mit dem Bau. Die Pläne hierzu entwickelte der aus Mailand stammende Architekt Luigi Cagnola (1762-1833).
Das neue Tor wurde 1821-1824 von Soldaten ausschließlich „nach Römerweise" ausgeführt und ist mit großen dorischen Säulen verziert. Es trägt auf der zur Innenstadt gewandten Seite den Wahlspruch von Kaiser Franz I. „IUSTITIA REGNORUM FUNDAMENTUM", während auf der Ringseite bronzene Wappen der Kronländer angebracht sind - dazwischen immer wieder in Lorbeerkränzen das kleine österreichische Wappen von 1915. Dies geht auf eine Spendenaktion im Jahre 1916 zurück, als man für sechs Kronen seinen Namen in ein Lorbeerblatt einprägen lassen konnte. In diesem Jahr wurde auch der Spruch „LAURUM MILITIBUS LAURO DIGNIS" hinzugefügt.
Das Denkmal besitzt fünf Tore, deren mittleres früher fast immer geschlossen blieb, da es dem Kaiser persönlich vorbehalten war.
Nach einem Ideenwettbewerb wurde das Äußere Burgtor 1933/34 durch Rudolf Wondracek, einen Schüler von Otto Wagner, zu einem Heldendenkmal für die Toten des Ersten Weltkrieges umgestaltet. Nach den Ergebnissen des Wettbewerbs hätte der Umbau eigentlich durch den Holzmeister-Mitarbeiter Max Fellerer gemeinsam mit Eugen Wörle und Fritz Wotruba erfolgen sollen, doch dürfte deren Entwurf zu unkonventionell gewesen sein (Wotruba hatte den „Toten Krieger" durch eine nackte Figur darstellen wollen).
Barbara Feller, Ein Ort patriotischen Gedenkens. In: Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur. Katalog zur Ausstellung im Wiener Künstlerhaus. Baden 1994, 142 ff.
Wondracek errichtete oberhalb der Durchfahrt einen mächtigen Zentralraum, die nach oben offene vertretenen , von welcher zwei Ehrenstiegen nach beiden Seiten des Platzes herabführen. Wondracek:
„Die Helden des Weltkrieges sind unter freiem Himmel gefallen, sie sollen unter freiem Himmel geehrt werden."
Die Ehrenhalle schmücken ein fast drei Meter hoher Doppeladler aus Stein und ein riesiger Lorbeerkranz aus Kupfer, beides von Wilhelm Frass. Dazu kommen Bildnisse des hl. Michael und des hl. Georg sowie 24 Gestalten aus drei Jahrhunderten österreichischen Soldatentums zwischen 1618 und 1918, vom Musketier bis zum Kampfflieger. Dieser Bilderschmuck wurde mittels eines neuen Steinschnittverfahrens von den akademischen Malern Herbert Dimmel und Leopold Schmid ausgeführt. Die Seitenwände der Treppen zieren acht imposante Kriegerköpfe, welche die wichtigsten in der k.u.k. Armee vertretenen Nationalitäten symbolisieren.
Beiderseits des Heldendenkmals wurde die den Heldenplatz ringseitig umgebende Mauer durch je ein Tor durchbrochen, das jeweils zwei große steinerne Adler ganz im Stil der Kunst des Nationalsozialismus bewachen. Auf der Ringstraßenseite des Heldendenkmals stehen zwei Schalen für Opferflammen, die jährlich zu Allerseelen und anderen feierlichen Anlässen entzündet werden. Der Heldenplatz und das Burgtor waren Schauplatz diverser Feierlichkeiten und wurden damit in den Jahren 1933 bis 1938 zu einer Stätte der Selbstmanifestation des autoritären Ständestaats.
An der Südseite des Heldentors befindet sich das anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. am 10. September 1983 errichtete, von Gustav Peichl entworfene Papstkreuz.
Den Gefallenen des Ersten Weltkrieges ist die Krypta geweiht - ein Sakralraum, in dem sich das Epitaph eines Kriegers aus rotem Marmor (ebenfalls von Wilhelm Frass) und ein einfacher Altar befinden. In der Krypta lagen bis 2012 zehn Ehrenbücher mit den Namen der österreichischen Soldaten auf, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben lassen mussten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die nunmehr maschingeschriebenen Listen der Toten dieses Krieges dazu. Die Seiten der Folianten wurden während der Monate Jänner bis Oktober täglich umgeblättert. Sie befinden sich heute im Kriegsarchiv.
1965 beschloss die Bundesregierung, symmetrisch zur Krypta einen Weiheraum für die Opfer des österreichischen Freiheitskampfes einzurichten. Der Raum war ursprünglich als Kultraum für nichtkatholische Bekenntnisse und als Aufbahrungsraum für Staatsbegräbnisse gewidmet. Er enthält einen schwarzen Marmorblock, dessen Oberseite das Bundeswappen trägt. Auf seiner Vorderseite steht zu lesen: „IM GEDENKEN AN DIE OPFER IM KAMPFE FÜR ÖSTERREICHS FREIHEIT".
Gestaltet wurde dieses Mahnmal durch den Architekten Robert Kramreiter (1905-1965).
In einer Vitrine in der Vorhalle werden Dokumente über die Wiedererrichtung der Republik Österreich aufbewahrt. Der Weiheraum wurde am 27. Mai 1965 seiner Bestimmung übergeben. Im Gegensatz zur Krypta bestehen die Fenster dieses Raumes aus Milchglas - man sieht von außen nichts, während man die Einrichtung der Krypta wenigstens in groben Umrissen wahrnehmen kann. Der Weiheraum kann nicht besucht werden; er ist nur am Nationalfeiertag zugänglich.
Das Heldendenkmal wurde im Rahmen einer zweitägigen patriotischen Feier am 9./10. September 1934 eröffnet. Bei dieser von Karl Kardinal Innitzer geleiteten Feier intonierten 1.000 Sänder des Ostmärkischen Sängerbundes zusammen mit der Militärmusik eingebaut in die Liturgie der Felödmesse die Deutsche Messe von Schubert.
Auch Adolf Hitler erwies dem Denkmal die Ehre; er legte am 15. März 1938 vor dem „Toten Krieger" einen mit der Führerstandarte geschmückten großen Lorbeerkranz nieder. Einige Zeit später bekam die SA ihr eigenes Ehrenmal in der mittleren Durchfahrt des Burgtores, im ehemaligen „Kaisertor". Dieses Denkmal wurde 1945 entfernt. Auch Hermann Göring kam, die Gefallenen zu ehren; bei seinem Besuch erklang das Lied vom „Guten Kameraden" am 27. März 1938. Große Beachtung als Kriegerdenkmal fand das Burgtor in der Nazizeit jedoch nicht. Das NS-Regime hatte für den Fall des Endsiegs weit größere Pläne: Die von Reichsarchitekt Friedrich Tamms errichteten, bis heute das Wiener Stadtbild beherrschenden Flaktürme sollten mit schwarzem Marmor verkleidet werden, in welchen die Namen der Gefallenen eingraviert worden wären.
Die eigentliche Tragik des „österreichischen" Heldendenkmals aber ist nicht seine äußere Indienstnahme durch die nationalsozialistischen Machthaber, sondern vielmehr seine „innere Entweihung" durch den künstlerischen Schöpfer seiner Symbole.
Der Bildhauer Wilhelm Frass, 1886 in St. Pölten geboren, war Mitglied der Secession und Träger des Großen Österreichischen Staatspreises. Als Nachbar des von ihm sehr geschätzten, elf Jahre älteren Anton Hanak arbeitete und wohnte er in jenem von der Wiener Weltausstellung 1873 übriggebliebenen „Staatsatelier" in der Krieau, in dem zuletzt Alfred Hrdlička zu Hause war - welche Ironie des Schicksals, wie wir sogleich sehen werden!
Wilhelm Frass schuf u. a. das Denkmal für Carl Auer von Welsbach, den Erfinder des Gasglühstrumpfs, der Osmium-Glühlampe und des als Zündstein verwendeten Cer-Eisens, an der Ecke Boltzmanngasse/Währinger Straße in Wien 9. Den über 2,70 Meter langen „toten Krieger", den Frass für die Krypta im Burgtor meißelte, bezeichnete der Künstler in der Gedenkschrift von 1934 als „Symbol des Urgedankens des Soldaten". Die Gebärde seiner linken Hand zeige, „dass er sein Herzblut für uns gegeben, die Rechte ruht bei dem Gewehr als Symbol der Waffen, mit der der Soldat sein Heimatland verteidigt".
1938 stellte sich heraus, dass Frass illegaler Nationalsozialist war. Er wurde Mitarbeiter des SS-Mannes und späteren NS-Bürgermeisters von Wien Hanns Blaschke und Leiter der Kunst- und Modeschulen der Stadt Wien. Nach dem Krieg wurde er auf Betreiben des ebenfalls in der Nazi-Zeit hervorgetretenen Josef Hoffmann als „minderbelastet" wieder voll in das Wiener Kunstleben integriert. Wilhelm Frass starb 1968, ohne weitere größere Werke vollendet zu haben.
Und nun kommt das schier Unglaubliche:
Während bei der Einweihung am 9. 9. 1934 der aus 400 einzeln handgetriebenen Kupferblättern bestehende Lorbeerkranz und das drei Meter hohe „kleine Reichswappen 1836" aus Lindabrunner Kalkstein bereits fertiggestellt waren, hatte Frass die aus 15 Tonnen roten Adneter Marmors gehauene Kriegergestalt nicht rechtzeitig vollenden können. So lag bei der Einweihung nur ein Gipsabdruck des Recken in der Krypta. Der begeisterte Hitler-Anhänger Wilhelm Frass benützt einen unbewachten Augenblick, um bei der endgültigen Montage des marmornen Kriegers im Frühjahr 1935 eine Metallkapsel unter die Figur zu legen. In einem Brief vom 20. Dezember 1938 an den Kunsthistoriker Karl Hareiter schrieb Frass, dass er „diese Figur des toten Kriegers zum Gedenken an meine gefallenen Kameraden gemacht habe und dass mit dem Tage, an dem wir Österreicher im Zeichen des Hackenkreuzes (Sonnenrades) mit allen Deutschen ein Volk bilden, die Gefallenen nicht umsonst ihr Leben gelassen haben" (Orthographie wie im Original). Zum Volltext des Artikels
Frass bat Hareiter, darüber in der Weihnachtsnummer 1938 des „Völkischen Beobachters" zu berichten, was auch geschah.
In dem dort veröffentlichten Brief freute sich Pg. („Parteigenosse") Frass diebisch, dass die Würdenträger der „Systemzeit" (= Ständestaat) ahnungslos vor einer Figur mit hochverräterischem Inhalt gestanden waren.
Das Monument war jahrzehntelang Schauplatz eines immer gleichen, insgesamt wenig einfallsreichen Rituals: Die Bundesregierung begab sich am Morgen des Nationalfeiertags zum Heldendenkmal. Zwei Gardesoldaten legten in jedem der beiden Weiheräume (Bild oben) einen Kranz nieder, dessen Schleife vom Bundeskanzler ausgebreitet wurde. Zu dem von der Militärmusik intonierten Lied „Ich hatt' einen Kameraden" verharrte man einige Minuten schweigend vor dem Epitaph. Damit war die Zeremonie auch schon vorbei. Etwas später wurde sie freilich wiederholt - diesmal unter Assistenz des Bundespräsidenten mit Defilierung des Gardebataillons. Krieger und Nazimanifest lagen danach wieder ruhig unter den am Dach des Denkmals gehissten rot-weiß-roten Flaggen.
In den Neunzigerjahren wurde das Heldendenkmal zur Gänze renoviert. An Sonn- und Feiertagen wird um 9:30 Uhr die hl. Messe gefeiert.
Die oben genannte Praxis wurde nach Auffindung der unter dem Marmorblock verborgenen Briefe geändert. Es wird auch an eine komplette Umgestaltung des Heldenplatzes (Tiefgarage, Tiefspeicher der ÖNB) gedacht, bei welcher das Heldendenkmal in das kommende "Haus der Geschichte" einbezogen werden soll, wobei auch an eine Öffnung der "Ehrenhalle" ins Auge gefasst wird.
Josef Dvorak, Von Kruken-, Haken- und anderen Kreuzen, FORVUM, März/April 1988
Der Standard schreibt am 7.5.2012
Eine zeitgeschichtliche Überlieferung soll nun auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden: Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) will aufklären lassen, ob in der Krypta am Wiener Burgtor tatsächlich eine Hülse mit Nazi-Huldigungen versteckt ist...
Darabos hat seine Militärs nun angewiesen, sich an die Burghauptmannschaft und das Bundesdenkmalamt zu wenden. „Diese Klärung ist mir persönlich als Historiker wichtig.“ Die Militärhistorische Denkmalkommission seines Hauses stehe jedenfalls bereit, Burghauptmannschaft und Bundesdenkmalamt dabei zu unterstützen.
Das BMLV meldet am 19.7.2012:
Seit Jahrzehnten hielt sich das Gerücht, dass der Bildhauer Wilhelm Frass im Jahr 1935 eine Metallhülse mit Nazi-Huldigungen unter seiner Skulptur des gefallenen Kriegers in der Krypta am Wiener Heldenplatz versteckt haben soll. Um diese Vermutungen zu klären, ließ Verteidigungsminister Norbert Darabos die Skulptur unter Aufsicht einer Kommission von einem Restaurator heben und untersuchen.
Metallhülse mit zwei Schriftstücken#
Tatsächlich wurde dabei unter der Skulptur - also dort, wo die Staatsspitze mehrmals im Jahr den Gefallenen der beiden Weltkriege gedenkt - eine Metallhülse mit zwei Schriftstücken entdeckt: eines von Wilhelm Frass und eine Schrift seines Mitarbeiters Alfons Riedel. Die am Donnerstag zusammengetretene Expertenkommission hat die Authentizität der Funde mittlerweile bestätigt.
Weitere Untersuchungen#
In Übereinstimmung mit den Experten wurde beschlossen, das Denkmal wieder zu verschließen. Die Hülse mit den Papierstücken bleibt in Verwahrung des Verteidigungsministeriums und wird nach Empfehlung der militärhistorischen Denkmalkommission einer weiteren wissenschaftlichen Verwendung zugeführt.
Alle Fotos oben: P. Diem
Copyright der Fotostrecke unten: Bundesheer/Roman Icha
Der Brief von Wilhelm Frass im Wortlaut:
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Wien, am 8.April 1935
Im Namen der tausenden Kameraden, die in dem großen Kampfe um unser heiligstes Volkstum gefalle sind, schuf ich diese Figur. Möge der Herrgott nach all dem Furchtbaren, nach aller Demütigung, den unsagbaren traurigen Bruderzwist beenden und unser herrliches Volk einig, im Zeichen des Sonnenrades, dem Höchsten zuführen. Dann, Kameraden, seid Ihr nicht umsonst gefallen! In diesem unvergänglichen Stein ist mein Glaube an die ewige Kraft des deutschen Volks gemeiselt, die kein Tod zu enden vermag.
Der Bildhauer Wilhelm Frass
Der Brief von Alfons Riedel im Wortlaut:
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Als Mitarbeiter an dem toten Krieger, hat mir das Erlebnis des großen Krieges als Jugendlicher im Hinterland, mit all seinem Heroismus und Schrecken, den nachhaltigsten Eindruck gemacht und hege ich in voller Erkenntnis der heroischen Größe des Kampfes der deutschen Nation um ihr Lebensrecht nur diesen Wunsch, der bisher leider nur Wunsch von Generationen war und geblieben ist: Ich wünsche, daß künftige Generationen unseres unsterblichen Volkes nicht mehr in die Notwendigkeit versetzt werden, Denkmäler für Gefallene aus gewaltsamen Auseinandersetzungen von Nation zu Nation errichten zu müssen.
Alfons Riedel Bildhauer
Das weitere Schicksal der Krypta#
"Ich hätte es lieber gehabt, dass keine Kapsel dagewesen wäre", sagte Darabos. Die Schriftstücke wurde bereits auf ihre Authentizität überprüft und werden nun weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen. Voraussichtlich werden sie dann dem Heeresgeschichtlichen Museum übergeben, kündigte Generalleutnant Christian Segur-Cabanac, der Bergung der Kapsel geleitet hatte, an.
In der Zwischenzeit wurde die früher verschlossene Krypta der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Portrait des illegalen Nationalsozialisten Wilhelm Frass#
Der Bildhauer Wilhelm Frass und sein "Bekennerbrief"
Weiterführendes
Das Denkmal für die Opfer des Faschismus#
Nach dem Entwurf von Leopold Grausam wurde auf dem Morzinplatz 1985 ein Denkmal für die Opfer des Faschismus errichtet: ein die Faust ballender, vorwärtsschreitender Mann in Bronze erhebt sich zwischen einfachen Steinquadern - Sinnbild der Überwindung der dunkelsten Jahre in der Geschichte unserer Republik. Die Inschrift „Niemals vergessen" wird von einem gelben Judenstern und dem roten Dreieck der „politischen" KZ-Häftlinge flankiert. Nemetschke/Kugler bezeichnen das letztere fälschlich als den „rosa Winkel der Homosexuellen" - wieder ein Beispiel für die Schwierigkeiten, die selbst Fachleute mit den Symbolen unserer Zeitgeschichte haben.
Nina Nemetschke/Georg Kugler, a. a. O., 325 f.
An dem schon 1951 aufgestellten linken Steinblock liest man:
„Hier stand das Haus der Gestapo. Es war für die Bekenner Österreichs die Hölle. Es war für viele von ihnen der Vorhof des Todes. Es ist in Trümmer gesunken wie das tausendjährige Reich.Österreich aber ist wieder auferstanden und mit ihm unsere Toten. Die unsterblichen Opfer".
Die rund 6000 von den Nazis zwischen 1938 und 1945 allein in Wien hingerichteten Männer und Frauen wurden übrigens meist bei Nacht und Nebel an jener Stelle des Zentralfriedhofs verscharrt, an der sich heute die Gedenkstätte „L" (Gruppe 40) östlich der Gedächtniskirche mit einem Ehrenhain für 40 Widerstandskämpfer befindet. Den Opfern für ein freies Österreich 1938-1945 ist auch ein Denkmal von Fritz Krämer/Wilhelm Schütte gewidmet, das sich zwischen Kirche und Gedenkstätte „L" befindet.
zur Neugestaltung vergleiche: Denkmal Leopoldsberg
Das Staatsgründungsdenkmal#
Nur wenige Menschen in Wien und ganz Österreich kennen das sogenannte „Staatsgründungsdenkmal". Die hochaufragende, silbern glänzende Stahlkonstruktion steht im 3. Wiener Gemeindebezirk, im Schweizergarten, nur wenige Meter von der Gürtelstraße entfernt, von dieser aus aber nicht einsehbar, weil durch Buschwerk verdeckt. Der eckige Metallkörper vereinigt sich aus zwei geschwungenen Pfeilern zu einer Art von Säule, die eine durch Schliffornamente verzierte Oberfläche besitzt. Es handelt sich dabei um den Entwurf des Wiener Bildhauers Heinrich Deutsch, mit welchem dieser den ersten Preis und damit die Zusicherung der Ausführung beim 1964 ausgeschriebenen Wettbewerb für ein Renner-Denkmal gewonnen hatte (vgl. dieses).
Das für den Rathauspark an der Ecke Stadiongasse - Ring ursprünglich als 11,55 Meter hohe Granitsäule geplante Kunstwerk wurde 1966 aus Gründen der Kostenersparnis von der VÖEST-Stahlbauabteilung in Chrom-Nickel-Stahl hergestellt und am Tag vor dem Nationalfeiertag, am 25. Oktober 1966, im Schweizergarten als „Staatsgründungsdenkmal" aufgestellt.
In der Wiese vor dem Denkmal befinden sich steinerne Schriftpulte, die den Text der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 zeigen. Sie wurden erst später weiter in den Rasen hineinversetzt, weil sie durch die vor ihnen stehenden Parkbänke jahrelang nicht gut lesbar waren. Wie bei den meisten Denkmälern Wiens und Österreichs fehlt dennoch jeder Hinweis auf den Schöpfer des Werks sowie auf den Anlass der Errichtung und die Intention des Monuments. Im konkreten Fall müsste ein solcher Hinweis freilich das Eingeständnis beinhalten, dass das Denkmal von den Stadtvätern als zu „modern" für die Ringstraße angesehen worden war und daher unter der Bezeichnung „Staatsgründungsdenkmal" im Schweizergarten („Da sieht man es weniger!") aufgestellt wurde.
Das Renner-Denkmal#
Karl Renner wurde am 14. Dezember 1870 in Unter-Tannowitz bei Nikolsburg als 18. Kind einer verarmten Weinbauernfamilie geboren. In seinen Lebenserinnerungen weist er darauf hin, dass beide seiner Elternteile „aus uraltem deutschen Bauernstamme" kamen. In mehreren Situationen seines Lebens schlug sich sein ererbtes sudetendeutsches Bewusstsein in einer deutsch- und anschlussfreundlichen Einstellung nieder - ähnlich wie bei dem aus Nordböhmen stammenden Theodor Kardinal Innitzer. Renner gehörte seit 1907 dem Reichsrat an. Er war Führer des rechten, gemäßigten Flügels der österreichischen Sozialdemokratie. Als Staatskanzler trat er 1918-1920 an der Wiege der Republik dafür ein, dass sich diese als „Deutschösterreich" bezeichnen und zum Bestandteil der Deutschen Republik erklären solle. Dr. Karl Renner setzte sich auch in St. Germain unablässig für die Vereinigung Österreichs mit Deutschland ein. So schrieb er 1931 dem späteren NS-Bürgermeister von Wien, Dr. Hermann Neubacher, in einem Brief, dass man mit ihm, Renner, werde rechnen können, wenn es um einen Anschluss an Deutschland gehe.
Siegfried Nasko, Karl Renner - Zwischen Anklage und Verherrlichung. Zur Eröffnung des Karl-Renner-Museums in Gloggnitz.
In: morgen, Nr. 19/1981, 307
Renner war Präsident des Nationalrates bis zum 4. März 1933, als er als Parlamentspräsident zurücktrat und damit ungewollt zur sogenannten „Selbstausschaltung" der Volksvertretung beitrug, da in weiterer Folge auch der Zweite und der Dritte Präsident zurücktraten. Er wurde später - wie Theodor Körner - vom ständestaatlichen Regime in Haft genommen. Nach dem „Anschluss" wurde Renner in Gloggnitz unter eine Art Hausarrest gestellt, durfte jedoch einmal pro Woche zu einer Tarockpartie nach Wien fahren. Als die Nationalsozialisten bei ihm die Akten von St. Germain und das goldene Staatssiegel suchten, stellte sich heraus, dass dieses bei der unter dem Abwaschbecken verwahrten Küchenwaage als Gewichtsersatz Verwendung gefunden hatte - wieder werden wir daran erinnert, welcher Wert österreichischen Staatssymbolen manchmal beigemessen wird! Am 3. April 1938 ließ Karl Renner in einem Interview für das „Neue Wiener Tagblatt" die staunende österreichische Öffentlichkeit wissen, dass er „die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation freudigen Herzens begrüße". Neben dem Motiv der Anpassung wollte Renner mit dieser Erklärung vermutlich auch den damaligen Zentralsekretär der Sozialdemokratischen Partei, Dr. Robert Danneberg, der mit anderen prominenten Österreichern am 1. April 1938 in das KZ Dachau gebracht worden war, schützen. Darüber hinaus verfasste Renner noch eine 80-seitige Denkschrift: „Die Gründung der Republik Österreich, der Anschluß und die Sudetendeutschen. Dokumente eines Kampfes", die er angeblich dem deutschen Außenamt 1938 zur Verfügung stellte. Die Broschüre existiert nur in Druckfahnen.
Walter Kleindel, „Gott schütze Österreich". Der Anschluss 1938. Wien 1988, 209 ff.
Oberkofler/Rabofsky, Pflichterfüllung für oder gegen Österreich, a. a. O., 31.
Heinz Fischer, Karl Renner und sein Manuskript über den Anschluß und die Sudetendeutschen. In: Anton Pelinka et al. (Hg.), Zwischen Austromarxismus und Katholizismus. Festschrift für Norbert Leser. Wien 1993
1945 trat Renner wieder auf den Plan: Als er sich in der Kommandantur Gloggnitz über Plünderungen und Vergewaltigungen durch Soldaten der Roten Armee beschwerte, erkoren ihn die Sowjets zu ihrem Mann der ersten Stunde. Der Name Karl Renner war ja den zuständigen sowjetischen Politoffizieren ohnedies bekannt. Geschickt präsentierte sich Renner in einem Brief an Stalin, in welchem er dessen Feind Trotzki erwähnte, als etwas seniler, aber weitblickender sozialistischer Politiker und Garant eines unabhängigen Österreichs. Stalin, der den „alten Fuchs" aus seiner Wiener Zeit kannte, vermeinte leichtes Spiel mit dem Polit-Pensionisten zu haben und bestellte ihn zum Staatskanzler. So kam Renners Name nicht nur auf die „Totenscheine" des Habsburgerreiches und der Ersten Republik, sondern auch auf die „Geburtsurkunden" der österreichischen Staatsgebilde von 1918 und 1945. Karl Renner hat sich - wie wir an anderer Stelle berichten - nicht nur um das Staatswappen der Ersten Republik, sondern auch um eine Bundeshymne für dieselbe gekümmert. Das erinnert daran, dass sich auch Lenin persönlich mit dem sowjetischen Staatswappen befasst hatte - so wie patriarchalische Firmenchefs auch heute noch gelegentlich den Zeichenstift zur Hand nehmen, um ein Firmen-Logo zu entwerfen (was man dann meist auch an dessen graphischer Qualität erkennen kann). Eine kritische Würdigung des Politikers und Publizisten Dr. Karl Renner bezeichnet es als das Auffallende an seiner Person, dass er immer wieder als Repräsentant der jeweils herrschenden Strömung erschien: „Niemals kämpfte er gegen diesen Hauptstrom an."
Anton Pelinka, Karl Renner zur Einführung. Hamburg 1989, 99, 103
Es soll an dieser Stelle jedoch betont werden, dass es ungerecht wäre, Karl Renner einfach in ein deutschnationales Eck zu stellen, ohne seinen Mut, seinen Einfallsreichtum und seinen sicheren Instinkt, im entscheidenden Augenblick das Richtige zu sagen und zu tun, zu würdigen.
„Die schäbige Aktentasche, die er auch am 29. April 1945 vom Rathaus zum Parlament schleppte, war das Requisit seiner politischen Genialität: Wenn sich die anderen an den Beratungstisch setzten, konnte er aus dieser Aktentasche immer schon die fertigen Gesetzesentwürfe auf die Tischplatte legen." (Hellmut Andics).
1964 konstituierte sich ein Dr. Karl Renner-Denkmal-Verein, der aufgrund eines geladenen Wettbewerbs den ersten Preis mit der Zusicherung der Ausführung an den Wiener Bildhauer Heinrich Deutsch für jene Skulptur vergab, die heute als weithin unbekanntes „Staatsgründungsdenkmal" im Schweizergarten direkt neben dem Südbahnhof steht. Bedingung der Ausschreibung durch den Verein war es erstens, Gründung (1918) und Wiedererrichtung (1945) der Republik Österreich, an der Karl Renner maßgeblichen Anteil hatte, künstlerisch zum Ausdruck zu bringen, und zweitens, den Text der Unabhängigkeitserklärung „inschriftlich in die Komposition des Denkmals aufzunehmen". Diesen beiden Bedingungen sollte durch eine aus zwei Bögen emporwachsende Säule vor einer leicht geschwungenen Mauer mit dem Text vom 27. April 1945 entsprochen werden. Doch die Rathausmehrheit konnte sich nicht dazu durchringen, dieser Gestaltung der Ecke Stadiongasse - Ring ihre Zustimmung zu geben.
So wurde am 27. April 1967 der Öffentlichkeit eine weitaus konventionellere Lösung vorgestellt: Das für den am Silvestertag 1950 verstorbenen ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik errichtete Denkmal besteht aus einem silbern schimmernden Metallkopf, geschaffen von Alfred Hrdlicka, umgeben von einem Baldachin aus zwölf 6 Meter hohen zarten Stahlsäulen, entworfen von Dipl. Ing. Josef Krawina. Wer nun glaubt, diese Lösung hätte keinerlei Widerstände ausgelöst, irrt gewaltig. Hrdlicka mußte sich gegen wütende Proteste und Angriffe, insbesondere aus dem Fußvolk der SPÖ, zur Wehr setzen.
Aus der Mitte
Was dem unbefangenen Betrachter des Renner-Denkmals kaum auffallen wird, mutet bei genauem Hinsehen eher seltsam an:
Der schwarze Marmorblock mit dem Kopf des Staatsmannes steht nicht im Zentrum der mittleren der neun quadratischen Sockelplatten, sondern ist leicht zum Parlament hin verschoben, sodass sich der Kopf auch nicht mehr in der Mitte unter den oben fast kreisförmig zusammenlaufenden Säulen befindet. Man kann über die Bedeutung dieser ungewöhnlichen Anordnung Spekulationen in mehrere Richtungen anstellen.
- Als ein Motiv für die leichte Verschiebung der Kopfplastik in südliche Richtung bietet sich an, dass dies ein letzter Gruß der Freimaurer an ihr prominentes Mitglied Dr. Karl Renner war: der Platz der Gesellen in der Loge ist ja im Süden, im „Mittag". Wenn ein „Vollendeter Bruder" also symbolisch zum „Großen Baumeister aller Welten" aufblickt, so ist sein Platz in der Ewigkeit ein wenig südlich (rechts) der Mitte.
- Ein zweites Motiv könnte der Hinweis darauf sein, dass Renner als Repräsentant des rechten Flügels der Sozialdemokratie galt.
- Eine dritte Möglichkeit wäre die Annahme, dass durch die Verschiebung der Lage des Kopfes zum Parlamentsgebäude hin angedeutet werden sollte, dass das Parlament die wichtigste Wirkungsstätte im Leben Karl Renners war.
- Die letzte - bei einem Symbol dieser Art, wie wir wissen, nie völlig auszuschließende - Variante besteht darin, dass es sich einfach um ein Versehen bei der Ausführung des Baues handelt.
So stand es in meinem Buch 1995. In Wahrheit stellte sich im Jahre 2001 Folgendes heraus: die asymetrische Anordnung war Absicht.
In einem Brief von Architekt Prof. Josef Krawina an den Autor vom 20.12.2001 heißt es:
"In der Tat hat die 'Außermittig-Setzung' des Sockels beim Dr. Karl Renner-Denkmal im Wiener Rathauspark eine tiefere Bedeutung: Dr. Karl Renners Wahlempfehlung im März 1938 für 'Hitlerdeutsschland' bewog mich zur asymetrischen Lösung. Ich wollte damit einfach dokumentieren, dass die Bevölkerung nicht einheitlich hinter der Person Renners stand. Zudem (wie das Leben so spielt?) ergeben die nunmehr angeordneten Quader insgesamt vom Gesichtspunkt der Stein-Massen ein geschlosseneres, harmonischeres Gesamtbild (das war meine offizielle, damalige Begründung)..." Wer hätte das gedacht!´
Das Raab-Denkmal#
Ing. Julius Raab wurde am 29. November 1891 in St. Polten geboren und starb am 8. Jänner 1964 in Wien, nachdem er, bereits gesundheitlich schwer angeschlagen, bei der Bundespräsidentenwahl am 28. April 1963 dem amtierenden Präsidenten Adolf Schärf, der 55 Prozent der Stimmen erhielt, mit 41 Prozent unterlegen war. Nach seinem Kriegsdienst als Pionieroffizier trat Julius Raab in die väterliche Baufirma in St. Pölten ein. Als Führer der niederösterreichischen Heimwehr hatte er den sogenannten „Korneuburger Eid" (vgl. S. 247) zwar mitgeschworen, war aber bald danach ausgeschieden, da ihm der radikale Kurs der Heimwehren nicht lag. Raab widmete sich in der Folge dem Aufbau der Standesvertretungen der Gewerbetreibenden, was er als ÖVP-Wirtschaftsbundobmann ab 1945 weiter verfolgte. Zwischen 1953 und 1961 Bundeskanzler in vier Regierungen, gelang es ihm, nicht nur die österreichische Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg mit entscheidenden Impulsen zu versehen („ Raab-Kamitz-Kurs"), sondern auch zusammen mit Leopold Figl, Adolf Schärf und Bruno Kreisky 1955 den Staatsvertrag zu vollenden.In den ersten Jahren nach seinem Tod ein Denkmal für Julius Raab zu errichten, war zunächst gar nicht so einfach: weder war es leicht, die dafür nötigen Mittel aufzutreiben, noch war es einfach, einen geeigneten Platz zu finden. Schließlich einigte man sich darauf, das Monument gegenüber dem Parlament in die Volksgartenumfriedung einzubauen; die zuständigen Ministerien der Regierung Klaus waren dabei behilflich. Das Denkmal selbst wurde von dem bekannten Architekten Clemens Holzmeister entworfen; das Medaillon mit dem Antlitz des wortkargen Politikers mit der Virginia,der so gerne Knackwurst aß (die berühmte „Beamtenforelle"), stammt von Toni Schneider-Manzell. Das Monument besitzt eine starke Symbolkraft: es ist die Nachbildung eines altrömischen „Friedenstores", d. h. einer Pforte, die nur im Kriegsfall geöffnet wurde. Erwähnenswert ist weiters die Inschrift auf der Volksgartenseite, ein Satz aus dem Testament von Julius Raab:
„Aber alle bitte ich inständig, die rot-weiß-rote Fahne hochzuhalten und unser schönes Österreich als einen Hort der Freiheit zu bewahren."
Diese Worte waren dem Buch "Die Symbole Österreichs", aus dem diese Beiträge stammen, als Motto vorangestellt.
Neben dem Denkmal rostet ein Flaggenmast traurig vor sich hin. Als für die Vorbereitung der Denkmalenthüllung am 15. Mai 1967 verantwortlicher Bundesorganisationsreferent der ÖVP hat ihn der Verfasser setzen lassen - in der Hoffnung, dass er an allen Staatsfeiertagen, am 15. Mai und am Todestag von Julius Raab mit der von Raab so geliebten rot-weiß-roten Flagge geschmückt werden würde. Wie man sich leicht vorstellen kann, ging das nur so lange gut, als derjenige sich persönlich darum kümmerte, der diesen verwegenen Gedanken gefasst hatte.
An Julius Raab erinnert auch der nach ihm benannte Platz vor der Wiener Urania
Das Figl-Denkmal#
Dipl.-Ing. Dr. h.c. Leopold Figl verdient es genauso wie Karl Renner, Julius Raab und Bruno Kreisky, unter die Großen der politischen Geschichte der Republik Österreich gezählt zu werden. Der am 2. Oktober 1902 in Rust im Tullnerfeld geborene Bauernsohn war seinem Beruf nach Agraringenieur, widmete sich jedoch bald der Politik. Seit 1933 Direktor des Niederösterreichischen Bauernbundes, war er in der NS-Ära zweimal inhaftiert. Noch 1945 wurde über ihn das Todesurteil gefällt. Figl war Mitbegründer der ÖVP und bis 1961 ihr Obmann, vom 20. Dezember 1945 bis zum 2. April 1953 Bundeskanzler. Während der sechs Jahre, in denen er Außenminister war, konnte er den Staatsvertrag unterzeichnen. Leopold Figl starb am 9. Mai 1965 als Landeshauptmann von Niederösterreich.
Die frühere Regierungsgasse zwischen Herrengasse und Minoritenplatz heißt heute Leopold-Figl-Gasse. Der Niederösterreicher Leopold Figl war wohl der populärste aller Nachkriegspolitiker Österreichs. Nicht nur seine Vorliebe für ein Gläschen Wein, sondern vor allem seine tief menschliche Art zu sprechen, wird allen jenen, die ihn erlebten, in Erinnerung bleiben. Immer wieder ist man gerührt, wenn man seine schlichte Weihnachtsansprache aus dem Jahre 1945 von der Schallplatte hört:
Ich kann euch zu Weihnachten nichts geben. Ich kann euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben. Ich kann euch keine Gaben für Weihnachten geben. Kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum
Einschneiden... Wir haben nichts. Ich kann euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich ...
Diese Worte sind zu einem Symbol für den unbändigen Willen der Kriegsgeneration geworden, Österreich aus Schutt und Trümmern wieder aufzubauen. Sie sollten uns Nachgeborene mahnen, uns trotz unseres Wohlstandes aktiv um die Res publica zu kümmern.
Wie sehr diese Zeit freilich verblasst ist (oder wie stark das Bild vom „Bundes-Poldl" von seiner Vorliebe für den Wein geprägt ist), zeigt ein Versprecher eines Radioreporters, der aus der erwähnten Weihnachtsansprache einmal wie folgt zitierte:
„ . . . Kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschenken ..."
Das bereits zitierte Buch von Nemetschke/Kugler (1990) erwähnt zwar die beiden eher nichtssagenden Denkmäler für Rudolf von Alt und Clemens Maria Hofbauer am Minoritenplatz, weiß aber über das ebendort aufgestellte, hochaufragende Denkmal für Leopold Figl (den Bauernführer, KZ-Häftling, Bundeskanzler, Außenminister, Nationalratspräsidenten und Landeshauptmann) nichts zu berichten.
Nach Czeike wurde das Denkmal von Obermoser und Coufal geschaffen und am 13. Juli 1973 enthüllt.
Schlussätze von Figls Rede im Belvedere abspielen
Figls Weihnachtsworte abspielen
Das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus#
Symbole aus Stein und Bronze#
von
Im Gegensatz zum so genannten „Staatsgründungsdenkmal" erhielt das mehrteilige, heftig umstrittene Mahnmal von Alfred Hrdlička einen besonders prominenten Aufstellungsort, nämlich den Albertinaplatz direkt hinter der Staatsoper. Das begehbare Monument wurde knapp vor Ende des sogenannten „Bedenkjahres" am 24. November 1988 enthüllt. Es besteht aus vier Teilen: durch das aus zwei Marmorblöcken bestehende „Tor der Gewalt" gehend, trifft man auf die aus Bronze gefertigte Figur des „straßenwaschenden Juden". Dahinter folgt die Marmorskulptur „Orpheus betritt den Hades", ein Werk Hrdličkas aus dem Jahr 1975. Den Abschluss des „Gedenkplatzes" bildet der hoch aufragende „Stein der Republik", in welchen ein Teil des Textes der Unabhängigkeitserklärung vom
27. April 1945 eingemeißelt ist.
Besonders die Figur des weniger als lebensgroßen, gekrümmt knienden und die Straße reinigenden alten Mannes erregte die Gemüter der Wiener. Ein Grund dafür war zunächst der Umstand, dass sich zahlreiche Touristen den Rücken der Symbolgestalt zum Ausruhen oder zum Posieren für ein Erinnerungsphoto aussuchten. Wenn dies auch meist arglos geschah, geriet es doch zum Ärgernis, weshalb die Figur alsbald mit einer - ihr Elend noch steigernden - Stacheldrahtauflage versehen wurde. Ein weiterer Grund für die Ablehnung des Denkmals liegt in der Verewigung des Bildes vom verfolgten, geknechteten und zum Untergang verurteilten Juden. Manche hätten an Stelle dieser Darstellung lieber ein Symbol der Überwindung von Verfolgung und Tod gesehen. Der bekannte Bildhauer hält dieser Ansicht entgegen, dass nur die fortdauernde Provokation den schläfrigen Geist des Österreichers aus seiner Lethargie zu wecken vermag.
Unübersehbar#
Jedenfalls ist die in Stein gehauene und so im Stadtzentrum auf Dauer präsente Unabhängigkeitserklärung ein wichtiges Symbol für die Eigenständigkeit Österreichs. Dass man auf sie durch ein „Tor der Gewalt" zuschreitet, vorbei an einem Sinnbild für eine der größten Tragödien der Menschheitsgeschichte, in welche Österreicher als Täter und Opfer gleichermaßen verwickelt waren, ist ein sehr gelungenes künstlerisches, politisches und volksbildnerisches Konzept. Insofern vermag die halb figürliche, halb abstrakte Darstellungsweise des Hrdlička-Denkmals zweifellos eine größere Wirkung auszuüben als die abstrakte Ästhetik des Denkmals im Schweizergarten.
Das Denkmal steht übrigens an jenem Ort, an dem sich bis zu einem Bombenangriff am 12. März 1945 der feudale Philipphof befand. Die Trümmer begruben eine große Anzahl von Menschen, die sich damals in den Keller des Gebäudes geflüchtet hatten. Die Ruine wurde ohne Exhumierung der Bombenopfer am 24. Oktober 1947 durch Sprengung eingeebnet. Eine Tafel im Boden vor dem Denkmal weist auf diesen Umstand hin. Etwas abseits finden sich weitere Tafeln mit Erläuterungen zum Denkmal.
Der "straßenwaschende Jude"#
"Meine Mutter war hellauf begeistert, als Adolf Hitler (Deutsch-)Österreich, seine und ihre eigenen Heimat, an das Deutschen Reich anschloss. "Der Kurt[von Schuschnigg] is furt - jetzt geht's uns guat!" Das glaubte auch sie - nicht zuletzt angesichts der bisherigen Arbeitslosigkeit. Am 15. März 1938 lauschte sie entzückt der Rede des "Führers" auf dem Wiener Heldenplatz. Aber was musste sie auf dem Heimweg sehen? Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden von SA-Leuten gezwungen, die Symbole und Parolen des "christlichen Ständestaates" mit Zahnbürsten und anderen mehr oder weniger ungeeigneten Werkzeugen von den Straßen zu entfernen. Johlende Zuschauer und Zuschauerinnen boten ein Zerrbild des "goldenen Wiener Herzens". Bei meiner Mutter stellte sich plötzlich Ernüchterung vom nationalsozialistischen Rausch ein. Mit der Missachtung der Menschenwürde wollte sie als redliche Deutsche nichts zu tun haben. --- Die Figur des straßenwaschendenden Juden soll bleiben!"
Aus: Online-Presse 25.11.2004
Ernst Bruckmüller:#
Die erste Anregung für ein Antifaschismus-Denkmal war ein später stornierter Auftrag an Alfred Hrdlicka seitens der Gesiba für eine Wohnhausanlage im 19. Bezirk. Mitte der siebziger Jahre war der "straßenwaschende Jude" bereits Bestandteil des Hrdlicka- Entwurfes für die Stephansplatz-Gestaltung: "Der straßenwaschende Jude als Synonym für die Okkupation 1938 und für Rassenverfolgung" (Hrdlicka, Gesamtwerk, 189). 1983 wurde der Vertrag zwischen dem Künstler und der Gemeinde Wien abgeschlossen, der die Errichtung des Mahnmales gegen Krieg und Faschismus auf dem Albertina-Platz vorsah. Vor dem endgültigen Baubeginn kam es 1987/88 zu lebhaften Kontroversen über den Platz und über den Künstler (weniger über das Denkmal selbst). Zum Entwurf schrieb Hrdlicka: "Der Boden innerhalb der Anlage wird mit traditionellen Wiener Pflastersteinen ausgelegt sein. Dort stößt man auf eine einzelne, knieende Gestalt – der straßenwaschende Jude! So wird einerseits der Kontrast zwischen Gewalt und Individuum augenfällig, andererseits ist diese vereinzelte Figur das Symbol des Ausgeliefertseins. Der straßenwaschende Jude soll die Wiener an das erinnern, was sie selbst einst angestellt haben. Damals haben sie es ja so komisch gefunden (...)" (Fried, Hrdlicka, Ringel, 132). Die Figur des die Straße (bzw. die Gehsteige) waschenden Juden erinnert an die zahlreichen Demütigungen, denen österreichische Juden ab dem 12. März 1938 seitens (zumeist) nationalsozialistischer österreichischer Fanatiker und ihrer antisemitischen Mitläufer ausgesetzt waren. Tatsächlich zeigt der massenhafte Ausbruch von Hass und Verachtung im Zusammenhang mit dem sogenannten "Anschluss" in den Tagen des März 1938 insbesondere in Wien, daß hier mehr zum Ausbruch kam als die Akzeptanz nationalsozialistischer Anschauungen: Hier machte sich ein weit über die Nazis hinausreichendes, tiefsitzendes Ablehnungssyndrom in besonders abstoßender Weise Luft.
Die Figur "Orpheus betritt den Hades" bezog Hrdlička auf die Bombenopfer in den Kellern des Philipphofs.
-- Unbekannt, Dienstag, 6. Oktober 2020, 10:20
Weiterführendes#
- Wiener Zeitung: Keine Stadt für Bilderstürmer (Essay)
- Schediwy, R.: Verquaderung des Gedenkens (Essay)
- Politische Denkmäler der Zwanziger-Jahre
- Politische Denkmäler im Wien der Ersten Republik
- Denkmäler des autoritären Ständestaats
- Denkmäler in der Zeit des Nationalsozialismus
Der Artikel zeigt sehr deutlich, welche Schwierigkeiten Österreich im Umgang mit der Vergangenheit hat, bzw. damit, sich zu ihr zu bekennen. Dass das Raab-Denkmal nicht beflaggt wird, ist erschütternd. Allerdings drängt die EU die nationalen Symbole zurück, sodass zu befürchten ist, dass sich da kaum etwas ändern wird.
Diese Symbole - wie es das Forum macht- darzustellen, wird daher immer relevanter, weil sie sonst in Vergessenheit geraten und somit kaum mehr eine dem Grundsatz der "Anschaulichkeit" entsprechende Methode etwa im Geschichtsunterricht praktiziert werden könnte. Eine Neuauflage des zugrunde liegenden Werkes wäre ebenfalls ein Desiderat. Dessen ungeachtet ist die seinerzeitige Initiative des Autors sehr zu begrüßen. Raab hat sich enorme und kaum zu überschätzende Verdienste -noch dazu auch in der schwierigen Besatzungszeit- erworben.
--Glaubauf Karl, Samstag, 28. August 2010, 07:58