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Ohne Hände am Lenkrad#

Autos, die von selbst bremsen, überholen und die Spur wechseln, werden bald auf Österreichs Straßen unterwegs sein.#


Von der Wiener Zeitung (Samstag, 26. November 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Bernd Vasari


Googleauto
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Foto: © Julia Tim/JiSign/Fotolia

Wien. Der erste Schritt für das selbstfahrende Auto ist vollbracht. In der vergangenen Woche ging die Verordnung für automatisiertes Fahren in Begutachtung. Drei Anträge wurden dazu im Verkehrsministerium eingereicht. Einer vom Bundesheer für Tests mit selbstfahrenden Autos, einer vom steirischen Autozulieferer AVL List für einen Autobahnpiloten mit automatischem Spurwechsel sowie einer von Salzburg Research für einen selbstfahrenden Kleinbus in Salzburg-Stadt.

In der kommenden Woche wird dann auch die Europäische Kommission einen Actionplan präsentieren, mit dem die Weichen für die Vernetzung des Verkehrs auf europäischer Ebene gestellt werden. Dem selbstfahrenden Auto wird also der Boden bereitet. Das Technologie- und Transportunternehmen Austria Tech, das im Eigentum des Bundes steht, wird dabei die Harmonisierung auf europäischer Ebene vornehmen.

Martin Böhm, Bereichsleiter für Systemgestaltung und Implementierung von Austria Tech, spricht mit der "Wiener Zeitung" über selbst einparkende Autos, die Weitergabe von Daten und die Technologie ITS-G5. Sie wird ab 2018 serienmäßig in die Fahrzeuge eingebaut werden und das Fahrverhalten nachhaltig verändern.

"Wiener Zeitung": Herr Böhm, zuletzt hat das österreichische Parlament konkrete Schritte in Richtung automatisiertes Fahren gesetzt. Werden wir in zehn Jahren mit selbstfahrenden Autos auf den Straßen unterwegs sein?

Martin Böhm: Einige von uns sicherlich. In zehn Jahren wird es vor allem in den hochpreisigen Segmenten selbstfahrende Fahrzeuge in Serie geben. In einigen Teilbereichen gibt es das aber heute schon. Viele Autofirmen wie etwa BMW, Audi oder Volvo testen bereits. Mit der in Begutachtung gegangenen Verordnung für automatisiertes Fahren wird nun dafür ein Rechtsrahmen geschaffen. Das wird sich auch positiv auf die Wertschöpfung Österreichs auswirken, weil die internationale Autoindustrie dann bei uns testen wird.

Autos, die selbst einparken, automatisch bei Stau sich dem Vorderauto anschließen, oder eigenständig die Spur halten können, gibt es bereits serienmäßig. Was sind die nächsten Schritte in der Entwicklung?

Es werden immer mehr automatische Elemente ins Auto kommen. Das wird ein fließender Übergang sein. Heute gibt es etwa das einparkende Fahrzeug, bald soll es aber auch ausparken können. Da die Sensorik des Autos dafür nicht reicht, wird es als Nächstes mit anderen Autos vernetzt werden. Die Vernetzung des Verkehrs wird daher der nächste Schritt sein.

Was ist für eine Vernetzung des Verkehrs notwendig?

Wesentlich ist eine digitale Infrastruktur mit hochgenauen Kabeln und einem Verkehrs- und Informationsmanagement. Weiters müssen auch die Fahrzeuge untereinander kommunizieren.

Die Europäische Kommission wird in der kommenden Woche den C-ITS (Connected - Intelligent Transport Systems) Actionplan vorstellen. Was kann man sich darunter vorstellen?

Der Actionplan ist die Basis für das Ausrollen von vernetzten Services in Europa. Es geht dabei um die Vernetzung mit den anderen Mitgliedsstaaten. Ein europäischer Autofahrer soll verkehrsrelevante Informationen in sein Auto geliefert bekommen, ganz egal, in welchem Land er sich befindet. Die Technologie dafür heißt ITS-G5 und wird von den Herstellern ab 2018 in die neuen Autos eingebaut werden.

Welche verkehrsrelevanten Informationen werden das sein?

Das Paradebeispiel ist für mich die Baustelle. Bei einer Baustelle passieren sehr viele, vor allem schwere Unfälle, weil sich die normale Verkehrssituation ändert und der Fahrer zu spät oder gar nicht reagiert. Vor allem dann, wenn der Fahrer im EU-Ausland unterwegs ist und die Sprache auf den Hinweistafeln nicht versteht. In Zukunft wird die Applikation im Auto den Fahrer warnen und Informationen über die bestmögliche Weiterfahrt geben. Auch Staumeldungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Informationen über die Straßenbeschaffenheit werden künftig dabei sein.

In welcher Form soll die Information ins Auto transportiert werden?

Im ersten Schritt wird der Fahrer die Informationen ins Navi bekommen, später einmal wird man diese Informationen auch in automatisierte Prozesse einfließen lassen. Das Auto wird dann automatisch langsamer werden und ausweichen, wenn es nötig ist. Das wird auf jeden Fall kommen.

Die Weitergabe von Daten sorgt für Sicherheit, gleichzeitig werden dabei aber auch Daten über das Fahrverhalten von Personen gesammelt. Wird es in Zukunft keine Verkehrspolizisten mehr geben?

Martin Böhm
Martin Böhm
Foto: © Austria Tech

Die Informationen sollen natürlich nicht in ein Bestrafungssystem umgewandelt werden. Das Ziel ist es, anonyme Daten zu transportieren. Es geht um Dienste für das Verkehrsmanagement.

Wer ist künftig verantwortlich, wenn ein Unfall mit einem selbstfahrenden Auto passiert? Soll es wie bei selbstfahrenden U-Bahnen sein, wo das Unternehmen schuld ist?

Das ist eine gute Frage. Noch gilt die Wiener Konvention: Der Fahrer hat die Letztverantwortung. Wie lange noch, kann ich aber nicht sagen. Für den legistischen Rahmen fehlt uns noch ganz viel.

Wie wollen sie Menschen dazu bekommen, dass sie in ein selbstfahrendes Auto einsteigen, wo es so wie etwa bei Google statt einem Lenkrad nur noch einen roten Startknopf gibt?

Die Industrie wird beweisen, dass es sicher ist. Es gibt bereits U-Bahnen, die selbstfahrend sind. Vor zehn Jahren wäre auch niemand in eine U-Bahn ohne Fahrer eingestiegen. Heute stört das niemanden mehr. In Wien wird bald die fahrerlose U5 kommen. Ich versichere Ihnen, dass die Wiener mit ihr fahren werden, als wäre es das Normalste auf der Welt.

Martin Böhm studierte Geographie an der Universität Wien und schloss eine Ausbildung als Master für Verkehrstelematik Management ab. Bei Austria Tech ist er der Bereichsleiter für Mobilty Systems und ITS-Deployment.

Wiener Zeitung, Samstag, 26. November 2016