Das Burgtor beim Heldenplatz in Wien#
von Ernst ZentnerVor Jahrhunderten war Wien, das galt für die Innere Stadt und der Ringstraße, eine dominante Stadtfestung. Im Wien Museum gibt es eine in den 1730er Jahren gemalte Wien-Ansicht, die ein wehrhaftes Bollwerk mit der Silhouette des Stephansdoms, weniger eine Stadt, zeigt. Diese Festung besaß in fast jeder Himmelsrichtung ein markantes Tor. Plätze und Namen weisen heute noch darauf hin: Schottentor, Kärntnertor, Stubentor. Für die Kriegsführung im 18. Jahrhundert beispielweise reichte das Bollwerk. Jedoch in der Zeit Napoleons erkannten die Stadtverantwortlichen, dass dicke Mauern nicht mehr gegen moderne Kriegskunst sicher genug waren. Kaiser Franz Joseph ließ die Basteien schleifen und das Glacis errichten.
"Unter den Freveln einer Zeit, die nun der Geschichte angehört, zeichnet sich die, nach bereits geschlossenem Frieden, erfolgte Sprengung einiger Fronten der Festungswerke aus, welche die Hauptstadt des österreichischen Kaiserreiches umgeben. Aus dem Schutte der zerstörten Werke erhob die Sorgfalt des Kaisers einen neuen Bau, welcher in seinen weiten Räumen große Plätze, und einen, dem Vergnügen der Bewohner dieser Residenzstadt gewidmeten, öffentlichen Garten umschließt. Zwei große Denkmähler sollten, dem Willen des Monarchen gemäß, die Stätten früheren Zerstörung verherrlichen; das eine als Erinnerung an die bewegte Vergangenheit; das andere der Kunst gewidmet. Ein im reinsten architectonischen Styl erbautes Thor begränzt den Platz vor der kaiserlichen Burg. Ein Tempel, nach dem Vorbilde des Theseus=Tempels zu Athen, enthält dass größte Werk Canova's ["Theseus besiegt den Kentauren", 1805-19; KHM].
Die sämmtlichen Bauten wurden durch das Militär ausgeführt, und so trugen die dieselben Arme, welche während mehr als zwanzigjährigen Kriegen, den Feind des Vaterlandes [Napoleon] bekämpft hatten, nach errungener Ruhe, zu den schönsten Werken des Friedens bey.
Seit länger als einem Jahre ist der öffentliche Garten, und seit mehreren Wochen sind das Burgthor und dessen nächste Umgebungen vollendet. Se. k. k. Majestät wollten jedoch die Bedeutung dieses Thores durch den Zeitpunct der Eröffnung desselben näher bezeichnet wissen, und haben daher befohlen, daß selbe am eilften Jahrestage der für ganz Europa, und besonders für ganz Deutschland so entscheidenden Schlacht bei Leipzig Statt finden solle.
Das Publicum wird benachrichtiget, daß die Durchfahrt durch das neue Burgthor, vom 18. October um 12 Uhr Mittags an, allgemein frei seyn wird."
Abend-Zeitung 292 Montag, am am 6. Dezember 1824. Dresden. Veranwortlicher Redacteur: E. G. Th. Winkler (Th. Hell), Seite 1168:
Nachrichten aus dem Gebiete der Künste und Wissenschaften.
Correspondenz=Nachrichten.
Tagebuch aus Wien.
Am 17. Sept. [1824] Das herrliche neu erbaute Burgthor ist fertig; aber die Passage durch daselbe noch gehemmt, da die Eröffnung desselben zur Verherrlichung einer bevorstehenden feierlichen Gelegenheit aufgespart ist. Dieser Bau ist im reinsten architektonischen Styl, dem Herrn Hofbaurath Peter Nobile gebührt der Ruhm der kenntnisreichen Ausführung. Kraft und Anmuth sind darin vereinigt. Das ganze zeigt sich als ein Mittelgebäude mit zwei Seitenflügeln in einer Ausdehnung von 228 Schuh. Von der Stadtseite zeigt es sich als ein Portikus von fünf Bogen und zwölf Säulen tragen hier das Mittelgebäude. Sie haben 27 Schuh Höhe und messen 4 Schuh 7 Zoll im Durchmesser. Von den 5 Bogen ist der mittelste ausschließlich zur Durchfahrt des Hofes, die beiden nächsten zur allgemeinen Aus= und Einfahrt und die beiden äußersten für die Fußgänger bestimmt. Ueber dem Mittelgebäude zeigt sich der Walspruch des Kaisers: Justitia regnorum fundamentum. In den Seitenflügeln befinden sich rechts die Wachtstube, links Gemächer, über deren Gebrauch noch nichts bestimmt ist. In den beiden Mauern, welche sich an den Seitenflügeln befinden, sind Treppen angebracht, welche auf die Platforme des Thores führen, von welchen man eine herrliche Aussicht auf die Vorstädte Wiens und die nahe Gebirgskette genießt. Die äußere Ansicht des Thores ist mehr fest als zierlich, hier befinden sich keine Säulen, sondern nur die fünf Bogen. Die Aufschrift lautet hier: Franciscus I. Austriae Imperator MDCCCXXIV. Den ganzen, zugleich festen und zierlichen Bau führte das Militair aus unter der Leitung des Majors von Zimmer vom Geniecorps, und Jahrhunderte wird dieses Denkmahl für die Gnade des Monarchen und dessen Wohlwollen für unsere Residenz ein sprechender Beweis seyn. Es giebt sogenannte Sylbenstecher [Silbenstecher bzw. Wortklauber] in Künsten. Auch hier hatten während des Baues Manche Manches zu erinnern und zu beanstanden, jetzt aber, da das Monument in seiner ganzen Pracht da steht, herrscht nur eine Stimme über dessen Zierlichkeit und Festigkeit."
"(Wiens neueste Verschönerungen)
Freudig ergießt und erquickt sich unser Blick, wenn wir aus den Stadthoren auf das herrlich grünende Glacis blicken, das wie ein smaragdenes Band rings die Stadt bis an den, die Leopoldstadt scheidenden Donauarm umzieht. Ja, das Glacis mit seinen blühenden Bäumereihen, welche die dasselbe durchschneidenden Wege bekränen, mit den reinen erquickenden Lüften, herübergeweht von den nachbarlichen Bergen und den rebebepflanzten Hügeln - sind ein Vorzug, den Wien mit keiner der großen Städte Europas theilt, und ihm bei seiner ernsten Physiognomie, durch die ferne gelegenen großartigen Gebäude der Vorstädte, wie durch die Wälle der hoch aufgethürmten Stadt, gleichsam ein erheiterndes Lächeln abgewinnt. Hier ist auch seit einigen Jahren ungemein für Verschönerung geschehen. Wüst und traurig lagen die Trümmer der Wälle, Zeugen des feindlichen Uebermuthes, umher. Sie wurden hinweggeschafft; stehen gebliebene Reste, so wie verunstaltende alte Gebäude mittelst einer neuen Sprengungsart entfernt, und gegenwärtig ist der Wall rings umher ein vollendeter kriegerischer Gürtel, in welchem seine Propyläen, das prächtige Burgthor mit seinen freundlichen Umgebungen, eine herrliche Schließe bilden. Der Graben um die neuen Wälle ist mit Rosen bewachsen, Wege, beiderseits mit Pappeln besetzt, führen durch denselben, und einzelne sind, so wie auf den Basteien, durch die herrlichsten Gartenanlagen geschmückt ..."
Neben dem Burgtor wurde 1983 das sogenannte Papstkreuz (von Gustav Peichl entworfen) aufgestellt. Johannes Paul II. weihte es bei seinen beiden Wien-Besuchen 1983 und 1998.
2002 wurde seitlich des Äußeren Burgtores ein schlichtes aber monumentales Denkmal für die im Dienst getöteten Polizisten und Gendarmen errichtet.
Im Jahr 2008 fand in Wien die Fußballeuropameisterschaft statt. Um die Sicherheit des Baujuwels zu gewährleisten, wurden sämtliche heikle Bereiche wie Fenster oder ähnliches mit riesigen dicken Spanplatten gesichert.
Vor wenigen Jahren wurde die belastende Geschichte der NS-Zeit am Grabmal des unbekannten Soldaten (eigentlich Gefallener Krieger, rötlicher Marmor, Wilhelm Frass, 1935) durch eine entsprechende seitlich eingerichtete Gedenktafel irgendwie entschärft. An dieser Stelle finden nun die Kranzniederlegungen am Nationalfeiertag statt. Längst gegenüber wurde in einem anderen Raum ein Gedenkmonument für die Opfer der NS-Zeit eingerichtet (1965). Eigentlich ein dunkler großer Quader, an dem ebenfalls an wichtigen Tagen Kranzniederlegungen stattfinden: IM GEDENKEN AN DIE OPFER IM KAMPFE FÜR ÖSTERREICHS FREIHEIT. Schlicht und einfach gestaltet.
Wie oft gedenken wir wirklich der Opfer, die im Kampf für Österreichs Freiheit ihr Leben gaben?
Wir nehmen diese Errungenschaft der Freiheit und Demokratie als zu selbstverständlich hin - und merken nicht einmal wie sie allmählich entschwinden könnten.
Copyright Ernst Lanz 2018-2019-2020
(Text wird wahrscheinlich nie fertig … und Geschichte kennt kein Finale)
Weiterführendes
- Burgtor - Heldendenkmal/Wissenssammlungen/Symbole (Symbole aus Stein und Bronze - Das Äußere Burgtor - ein österreichisches Heldendenkmal?. Von Peter Diem)
- Äußeres Burgtor, Heldendenkmal Krypta/Bilder und Videos/Bilder Wien/1010 Gedenktafeln
- Äußeres Burgtor vom Burgring/Bilder und Videos/Bilder Wien/1010
- Das äußere Burgtor in Wien/Bilder und Videos/Historische Bilder IMAGNO (anonyme Zeichnung, um 1820)
- Äußeres Burgtor/Geschichte Wiki Wien
- Äußeres Burgtor/AustriaWiki
- Der Heldenplatz (Essay von Lanz E.)
Peter von Nobile
Theseustempel