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Trumps Architekt aus der Hölle#

Der Wiener Joseph Urban (1872-1933) hat "Mar-a-Lago", den Ruhesitz des Ex-Präsidenten in Florida, entworfen.#


Von der Wiener Zeitung (30. Jänner 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Wolfgang Machreich


Zwischen 1924 und 27 für eine der reichsten Frauen der Welt entworfen: das Art-déco-Anwesen 'Mar-a-Lago' in Palm Beach.
Zwischen 1924 und 27 für eine der reichsten Frauen der Welt entworfen: das Art-déco-Anwesen "Mar-a-Lago" in Palm Beach.
Foto: Jack Boucher (1931–2012). Aus: Wikicommons, unter PD

Als hätte Donald Trump nicht schon genug Ärger am Hals. Laut CNN verdarben ihm seine Frau und ihre Innenarchitektin mit den von den beiden veranlassten Umbauten auch noch die Freude an seinem Golfclub Mar-a-Lago. Als US-Präsident hatte Trump das Anwesen in Palm Beach im US-Bundesstaat Florida mit mehreren Staatsbesuchen zum "Southern White House" geadelt.

Nach dem Auszug aus dem Weißen Haus werde er Mar-a-Lago als "Widerstandsnest" für sein weiteres politisches Wirken nützen, vermuten Trump-Kenner - dazu mussten aber zunächst einmal wieder "Teile des neu angebrachten Dekors, die aus weißem Marmor und viel dunklem Holz bestanden", entfernt werden, zitierte CNN Stimmen aus dem Umfeld des Ex-Präsidenten.

Ob Trump damit einen Beitrag zur Erhaltung der ursprünglichen Bausubstanz leistete, war aus dem Beitrag nicht herauszulesen. Prinzipiell steht das 118-Zimmer-Luxusanwesen mit einer Nutzfläche von 10.000 Quadratmetern als "National Historic Landmark" unter einem gewissen Erhaltungsschutz - wie weit das einen Donald Trump kümmert, der das Gebäude und dazugehörende riesige Areal mit zweifelhaften Methoden weit unter dem Marktwert kaufen konnte, ist jedoch fraglich.

Souterrain-Cabaret#

Eindeutig hingegen ist die Geschichte der Auftraggeberin von Mar-a-Lago und ihres Architekten - sie beginnt in Wien und unter anderem in der "Hölle". Die Hölle im Souterrain des Theaters an der Wien war eines der ersten Jugendstilkabaretts und von 1906 bis 1937 eines der führenden Cabaret-Etablissements der Stadt, bekannt und gerühmt für seine Protagonisten, seinen Wortwitz, seine Frivolität und seine reizvoll-üppige Ausstattung.

"Man muss sagen, dass sich der Teufel dort unten sehr hübsch, sehr verlockend eingerichtet hat. Die Künstler, die in seinen Diensten standen, haben dort unten einen ‚intimen‘ Theatersaal geschaffen, von dessen Wänden teuflische und mythologische Gestalten blicken", schrieb die Wiener Tageszeitung "Die Zeit" zur Eröffnung. Joseph Urban und sein kongenialer Partner und Schwager Heinrich Lefler hatten den in Rot gehaltenen, mit Goldflammen verzierten, mit Boxen und Spiegeln ausgestatteten Höllensaal sowie einen zweiten Jugendstilraum, den heutigen Pausenraum im Theater an der Wien, entworfen.

Urban und Lefler waren beide Mitglieder der Künstlervereinigung Hagenbund, maßgeblich an deren Gründung beteiligt und viele Jahre dort in führenden Positionen präsent. Letzteres wird schließlich zur Emigration oder Flucht Urbans in die USA und in weiterer Folge zu seinem Mar-a-Lago-Engagement beitragen. Aber bei der Gründung des Hagenbunds 1900 herrscht noch eitel Wonne zwischen Urban und seinem Verein. Ursprünglich nannte sich dieser Debattier- und Inspirier-Club bildender Wiener Künstler, die sich wie zuvor die "Secession" aus Unzufriedenheit vom altvorderen Wiener Künstlerhaus abgespalten hatten, "Künstlerbund Haagen".

Joseph Urban, um 1900, Karikatur von Rudolf Swoboda
Joseph Urban, um 1900, Karikatur von Rudolf Swoboda.
Foto: R. Swoboda. Aus: Wikicommons

Namensgeber war der Gasthaus-Besitzer Josef Haagen, in dessen Lokal in der Gumpendorfer Straße sich die jüngeren Maler, Bildhauer und Architekten trafen, um gegen den Stachel des Kunst-Establishments zu löcken. Gemäßigter und toleranter als die revolutionären Brüder in der Secession stand der Hagenbund als zweiter Träger der Wiener Moderne in deren Schatten. "Doch allmählich gewann er an Bedeutung, die nach der von der Klimt-Gruppe veranstalteten ‚Kunstschau 1908‘, die auf dem Bauplatz des Konzerthauses stattfand, einen ersten Höhepunkt erreichte", schreibt Markus Kristan in seiner Biographie "Joseph Urban. Die Wiener Jahre des Jugendstilarchitekten und Illustrators 1872-1911" (Böhlau, 2000).

Als Präsident des Hagenbunds war Urban sowohl der kreativ-künstlerische wie organisatorisch-administrative Motor seines Vereins. Ein begnadeter Netzwerker und Kunst-Tausendsassa mit dem Hang zum Enfant terrible der Wiener Gesellschaft zugleich: "Eine andere charakteristische Auffälligkeit seines künstlerischen Lebens sind die zahlreichen Skandale, die seine Jahre in Wien begleiteten", heißt es dazu in Kristans Buch.

Buchcover Joseph Urban
Foto: © Böhlau

Die lokale Presse berichtete ausufernd über Urbans Ausschweifungen und die mit ihm in Zusammenhang gebrachten Plagiate, Bestechungen, Prozesse, Schiebungen und Protektionen. Für Kristan beruhten diese Skandale "zum Teil auf seiner unbändigen Lebenslust und dem damit notwendigen großen finanziellen Aufwand und andererseits auf der von ihm angewandten ‚Stilmischkulanz‘. Durch die ihm eigene Mischung der Stile wurde er oft sowohl von der konservativ orientierten Seite bekämpft, der seine ‚Erfindungen‘ als zu gewagt erschienen, als auch von den Secessionisten attackiert, die wiederum ‚ihren‘ Stil kopiert sahen." Biograph Kristan verortet Urbans künstlerische Position zwischen Secession und dem Neobarock seines Lehrers, des bedeutenden Ringstraßen-Architekten, Carl von Hasenauer: Er "verband beides und schöpfte damit aus einem schier unerschöpflichen Motive-Reservoir".

In Abwandlung eines Augustinus-Zitats lässt sich über Urban sagen: "Unruhig war sein Herz, bis es Ruhe fand in ihr - in seiner Kunst." Bereits seine Lehrer attestierten dem 1872 Geborenen diese Unruhe, die ohne die guten Beziehungen seines Vaters, eines Bezirksschulinspektors, zum Schulausschluss geführt hätte. Gleichzeitig wurden die außergewöhnliche Beobachtungsgabe des Zöglings und seine Fähigkeit zu detailgetreuen Beschreibungen gelobt.

"Der einzige Unterrichtsgegenstand, der ihn aber wirklich faszinierte, war Mathematik und Darstellende Geometrie", recherchierte Biograph Kristan: "Urban soll die Logik von Algebra sofort verstanden haben und mit Begeisterung sämtliche geometrischen Figuren besonders sauber und rein gezeichnet haben." Trotzdem verordnete Urbans Vater seinem Sohn, die Rechtsanwaltslaufbahn einzuschlagen, "um sich - wie er sagte -, ‚Herr Doktor‘ nennen zu dürfen" und ein "finanziell gesichertes, von der Gesellschaft angesehenes Leben als Beamter führen zu können". Urban fügte sich dem Wunsch, ließ sich aber bald von einem Architekten-Freund zu einem Kurs für Bautechnik an der Technischen Hochschule überreden, wechselte an die Akademie - und fand seine Berufung.

Liebe zur Farbe Blau#

1892 schickte ihn sein Lehrer Carl von Hasenauer für acht Monate nach Kairo, um dort den durch einen Brand zerstörten Palast des Vizekönigs wiederaufzubauen. Nach Österreich kehrte Urban mit einer ihn nicht mehr loslassenden Lust an opulenter Farbenpracht und einer besonderen Liebe zur Farbe Blau zurück. Dass der von Urban wieder aufgebaute und vergrößerte Palast bis zum Sturz von König Faruk als königliche Residenz diente und heute als Regierungsgebäude benützt wird, ist eine von den damals wie heute unruhigen Zeitläuften fabrizierte Parallele zu Trumps Reserve-White-House in Mar-a-Lago.

Turbulent waren bereits die Gründe, die 1911 zu Urbans "Auswanderung oder Flucht?" führten, wie Biograph Kristan das betreffende Kapitel in seinem Buch betitelt. Die Wiener Gläubiger des Künstlers verurteilten Urbans Amerikareise als Flucht vor ihren Forderungen: Seine "Unmäßigkeit" hätte den Hagenbund in die finanzielle Bredouille gebracht, lautete ein Vorwurf, "zweitens wurde ihm ‚sehr übel vermerkt‘, daß ihm die Lieferanten des Huldigungsfestzuges einen Brillantring ‚im Werte von mehreren tausend Kronen‘ geschenkt hatten". Eine Anzeige wegen betrügerischer Krida folgte. Im Juni 1912 erließ das Wiener Landesgericht einen Steckbrief gegen Joseph Urban.

Noch ein Wiener#

Da arbeitete dieser bereits in der Neuen und für ihn sicheren Welt als Ausstatter der Boston Opera. 1918 wechselte er in dieser Funktion an die New Yorker Met und war dort genauso wie bei der Gestaltung zahlreicher Shows am Broadway äußerst erfolgreich tätig. "Doch auch private Auftraggeber erfreuen sich an seinem opulenten Geschmack", schreibt die Historikerin und Kuratorin Marie-Theres Arnbom in ihrem kürzlich erschienenen Buch "Die Villen von Pötzleinsdorf" (Amalthea, 2020).

Buchcover: Die Villen von Pötzleinsdorf
© Amalthea

In mehrfacher Hinsicht herausragend unter den Mäzenen, die Urbans Kunst schätzten, war Marjorie Merriweather Post, die Eigentümerin des Lebensmittel-Konzerns General Foods und eine der reichsten Frauen der damaligen Zeit. Sie lässt sich zwischen 1924 und 1927 "ihren Besitz neu gestalten", schreibt Arnbom: "Mar-a-Lago in Palm Beach, heute das Domizil Donald Trumps." Die Urban-Expertin entdeckte noch weitere Wiener Spuren in Palm Beach: "Joseph Urban pflegt die Kontakte zu seinen alten Wiener Freunden und Kollegen, darunter der Bildhauer Franz Barwig." Und Arnbom zitiert aus der Bau-Reportage einer US-Zeitung: "Begeistert vom überladenen europäischen Historismus importierte Post den Bildhauer Franz Barwig aus Wien. Barwig produzierte eine Messing- und Gips-Menagerie aus Papageien, Affen und anderen Bestien gemeinsam mit einer Fülle von Cherubim, die über sie wachen. Nichts außer Gold vollendete dieses Werk."

Damit Barwig und Urban beim Bau ihrer Sommerresidenz nicht gebremst wurden, leerte ihre Auftraggeberin angeblich den gesamten US-Markt für Blattgold. Die Wiener Künstler, heißt es bei Arnbom, "können aus dem Vollen schöpfen, die besten Materialien stehen ihnen zur Verfügung, Holzfiguren und Paneele, Plafonds und Steinskulpturen entstehen innerhalb und außerhalb des Hauses, die schließlich Gartenanlagen und Swimmingpools überblicken - ein Stück Pötzleinsdorfer Kunst im Reiche Donald Trumps".

Trotz der Aussicht auf lukrative Aufträge und ein gutes Leben in Amerika trieb Franz Barwig die Sehnsucht nach Wien in die Heimat zurück - von finanziellen Sorgen und einem Nervenleiden gequält, begeht er hier 1931 Suizid. Sein Hagenbund-Freund Urban bleibt, stirbt zwei Jahre später in New York. Der als Architekt und charismatischer Lebenskünstler seelenverwandte Hans Adolf Vetter beklagte in seinem Nachruf auf ihn: "Als Wien im Jahre 1911 Joseph Urban an New-York verlor, waren sich nur die Wenigsten eines Verlustes bewußt; als aber New York 1933 für immer auf ihn verzichten mußte, trauerte ganz Amerika am Grabe eines großen Künstlers. Das ist wienerisch."

Wolfgang Machreich lebt als freier Autor und Journalist in Wien. Zuletzt ist von ihm erschienen: "Apropos Hurensohn. Manierliches Reden über schlechte Manieren".

Wiener Zeitung, 30. Jänner 2021