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Rückfall in Rankings ist erklärbar#

Uni-Wien-Rektor Heinz Engl plädiert für mehr Investitionen in Grundlagenforschung#


Von der Wiener Zeitung (Samstag/Sonntag, 13./14. April 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Heiner Boberski


500 Pharmazie-Plätze fehlen: "Wie das funktionieren soll, bleibt unbeantwortet."#

Heinz Engl
Die Botschaft von zwei Prozent des BIP für die tertiäre Bildung hört Rektor Engl gern.
© apa/Hochmuth

"Wiener Zeitung":Sie sind Mathematiker: Zu wie viel Prozent macht Ihnen Ihre Arbeit als Rektor Freude, zu wie viel Prozent Probleme?

Heinz Engl: Sie macht mir zu 100 Prozent Freude, sonst wäre ich nicht hier. Das heißt nicht, dass es nicht auch Probleme gibt. Aber zur Arbeit gehört das Lösen von Problemen dazu, und auch daran muss man Freude haben.

Spricht man mit österreichischen Uni-Rektoren, hört man meist zwei Grundaussagen. Erstens: Wir bekommen zu wenig Geld. Zweitens: Unter den gegebenen Bedingungen leisten wir Hervorragendes. Würden Sie das auch so formulieren?

Beides ja. Aber was heißt zu wenig Geld? Man muss das etwas substanzieller sagen: Womit will und soll sich die Universität Wien vergleichen? Mit Universitäten in ähnlichen Regionen, in ähnlich bedeutenden Städten, mit einer ähnlichen Aufgabe, zum Beispiel mit der Ludwig-Maximilian-Universität in München oder mit der Universität Zürich. Wir spielen auch wissenschaftlich in einer ähnlichen Liga. Wenn wir uns aber budgetär mit diesen Universitäten vergleichen, zum Beispiel Studierendenzahlen bezogen auf das Budget, dann haben wir gegenüber München einen deutlichen Nachteil und gegenüber Zürich einen noch viel Größeren - von der ETH Zürich gar nicht zu reden.

Sind unter diesen Prämissen die Leistungen der Uni Wien in diversen Rankings zufriedenstellend?

Die Leistungen in der Forschung sind in vielen Fächern absolut Weltklasse, doch in den Rankings bildet sich das nicht ab, dort sind wir hinter Universitäten wie München und Zürich, weil in diesen Rankings ein Mix aus sehr vielen Indikatoren gewählt wird. Und insbesondere beim Indikator Betreuungsverhältnisse - Anzahl der Studierenden zur Anzahl der Professoren oder des wissenschaftlichen Personals - haben wir an der Universität Wien deutlich schlechtere Verhältnisse als an den genannten ausländischen Unis, übrigens auch nicht überall, aber in einigen besonders stark belasteten Studienrichtungen.

In manchen Fachrankings, zum Beispiel zur Forschungsqualität Physik, zur Forschungsqualität Mathematik, schneiden wir sehr gut ab. Wir sind in den Geisteswissenschaften unter den Top 50 der Welt. In der Quantenphysik sind wir Weltklasse, das ist nicht nur, aber natürlich auch mit Anton Zeilinger verbunden, hier haben wir eine breite Spitze und bilden eine starke Achse mit der Universität Innsbruck. Wirkliche Aussage haben Rankings, wenn man sie auf einzelne Fächer bezieht. Trotzdem hat auch eine globale Zahl Bedeutung, weil sie auf Probleme hinweist. Es lässt sich ja klar eruieren, warum wir in den letzten Jahren in diesem Globalranking zurückgefallen sind, weil einfach die Finanzierung mit den Studierendenzahlen nicht mithalten kann. Wir hatten bis vor einigen Jahren 60.000 Studierende, jetzt sind es 91.000. Das Budget ist in diesem Zeitraum bei Weitem nicht so gestiegen wie die Studierendenzahlen.

Warum können es sich die Schweiz und Bayern leisten, mehr in ihre Universitäten hineinzustecken?

Weil sie es müssen. In Hochlohnländern wie bei uns führt kein Weg vorbei an starken Universitäten, an Vorsprung durch Forschung. Österreich könnte es sich auch leisten. Es leistet es sich eben nicht in dem Maß, wie die Schweiz und Bayern oder Baden-Württemberg - es ist ja nicht in ganz Deutschland so - es aus guten Gründen tun, um ihren Wirtschaftsstandort top zu halten. Und das funktioniert. Es gibt ja noch einen anderen Aspekt - Österreich investiert über den FWF in Grundlagenforschung nur ein Drittel von dem, was die Schweiz investiert. Anderseits wird in Österreich in angewandter Forschung vom Staat viel mehr investiert als in der Schweiz. Steht die Schweiz deswegen wirtschaftlich schlechter da? Ich glaube nicht. Das Entscheidende sind aus meiner Sicht staatliche Investition in Grundlagenforschung, die sich langfristig auszahlt.

Hat man das bei uns noch nicht richtig begriffen?

Das ist eine Frage der politischen Prioritätensetzung. Angewandte Forschung - ich habe viel in diesem Bereich gearbeitet - basiert auf starker Grundlagenforschung. Und die Schweiz investiert staatlich praktisch nur in Grundlagenforschung, doch in wesentlich stärkerem Ausmaß als Österreich. Das soll jetzt nicht nur negativ klingen. Das Ziel der österreichischen Regierung, bis 2020 zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die tertiäre Bildung zu investieren, würde ja alle Ziele, die wir uns stecken, erreichbar machen. Es geht jetzt nur darum, diese politische Zielsetzung in den nächsten Jahren auch zu realisieren. Wir sind weit entfernt von den zwei Prozent.

Die Uni Wien hat viele verschiedene Standorte, wird da eine stärkere Bündelung angepeilt?

Wir haben, je nachdem wie man es zählt, 60 bis 100 verschiedene Standorte in Wien, darunter sind auch einzelne angemietete Wohnungen. Das ist weder für die Forschenden noch für die Studierenden ideal noch ist es kostenmäßig effizient. Wir haben ein Standortkonzept, das wir in den nächsten Jahren umsetzen wollen und das von einer innerstädtischen Konzentration ausgeht. Wir fühlen uns als Innenstadt-Universität. Ein großer Schritt wird jetzt getan, indem wird das Betriebswirtschaftliche Zentrum aus der Brünner Straße ins Stadtzentrum bringen, zum Oskar Morgenstern Platz, der nach einem großen österreichischen Wirtschaftswissenschafter benannt wird - in ein Gebäude an der Roßauer Lände, das jetzt neu adaptiert wird. Damit bringen wir die Betriebswirtschaft und die Volkswirtschaft in die Nähe der anderen Fächer, vor allem der Mathematik im gleichen Gebäude, weil zwischen diesen Fächern eine enge Beziehung besteht. Das ist ein Beispiel unseres Standortkonzepts, wir werden das in den nächsten Jahren forcieren, auch im Biologiebereich, und wir werden auch Kleinstandorte zusammenführen.

Wie stellen Sie sich die künftige Studienplatzfinanzierung vor? Es gibt die Überlegungen mit Studiengebühren, über die jetzt der Verfassungsgerichtshof entscheidet ...

Ich habe immer gesagt, Studiengebühren sind eine Frage der Politik. Wir werden sehen, wie der Verfassungsgerichtshof entscheidet. Wir sind eine staatlich finanzierte Universität, und das ist auch gut so. Ich als Rektor muss daran interessiert sein, dass der Bund uns adäquat zu unseren Aufgaben finanziert. Ob das aus Steuergeldern oder Studiengebühren kommt, ist eine Entscheidung der Politik.

Echte Engpässe gibt es aber nur in einem Teil der Fächer?

Engpässe, also quantitativ schlechte Betreuungsverhältnisse, gibt es in den meisten sozialwissenschaftlichen Fächern, in einigen geisteswissenschaftlichen Fächern und in in lebenswissenschaftlichen Fächern. Die Biologie, die Ernährungswissenschaften sind sehr stark nachgefragt, auch die Pharmazie, wo wir seit Neuestem Zugangsregelungen haben, allerdings mit einer Zahl, die wir laut Gesetzgeber aufnehmen müssen, die weit über den verfügbaren Laborplätzen liegt. Wir haben in der Pharmazie 200 Laborplätze und müssen 700 Studierende aufnehmen. Wie das funktionieren soll, bleibt unbeantwortet.

Es fällt auf, dass sich die Universität Wien, auch anlässlich von "75 Jahre Anschluss", klar ihrer Vergangenheit stellt. Der Lueger-Ring wurde umbenannt. Ist die einlangende Post nur noch an die Adresse Universitätsring adressiert?

Ich glaube fast ausschließlich. Aber wenn man einem Taxifahrer sagt "Universitätsring", weiß ich nicht, ob das jeder findet. Umbenannt hat die Stadt, aber durchaus auf unser Ersuchen. Es war für die Universität Wien ein wichtiger Schritt, den insbesondere amerikanische Wissenschafter, die den alten Namen immer kritisch betrachtet haben, sehr positiv vermerkt haben. Es ist auch ein Zeichen für die zentrale Bedeutung der Universität für die Stadt, dass dieses Stück Straße jetzt Universitätsring heißt.

Wo möchten Sie konkret in drei bis fünf Jahren mit der Universität Wien stehen?

Vor allem möchte ich Studierenden mehr Platz und eine bessere Betreuung anbieten können, auch in Fächern, in denen wir jetzt noch Probleme haben, auch am Anfang des Studiums im Sinn von weniger Wartezeiten. Unsere Lehrpersonen bemühen sich extrem, aber wenn man eine Vorlesung mit 600 Leuten im Audimax hat, muss die persönliche Betreuung hintanstehen.

Es geht nur mit deutlich mehr finanziellen Mitteln oder wenn wir faire, aber doch reale Zugangsregelungen haben, am besten wäre eine Kombination von beidem. Ein zweiter Punkt ist: Wir sind in den Natur- und Lebenswissenschaften, wo Geräte teuer sind, derzeit relativ gut ausgestattet. Aber Ausstattung veraltet schnell, wir müssen, wenn wir Weltklasse bleiben wollen, ständig neu investieren, auch in Baulichkeiten. Ich glaube, die Mittel, die dafür notwendig sind, werden vom Bund unterschätzt.

Wissen: #

Die Uni Wien bietet aktuell 55 Bachelor-, 4 Diplom-, 116 Master- und 12 Doktoratsstudien sowie 41 Universitätslehrgänge. Von den 92.000 Studierenden (davon 27 Prozent aus dem Ausland) sind 15.000 Studienbeginner.

An der Uni Wien arbeiten 9500 Personen. Sie hat ein Globalbudget von 1,118 Milliarden Euro, das ergibt mit den Kostenersätzen für Studienbeiträge über 1,3 Milliarden Euro für drei Jahre (ohne Drittmittel). 2012 gab es Umsatzerlöse von rund 520 Millionen Euro, die kompetitiv eingeworbenen Drittmittel sind steigend. Als jährliche Wertschöpfung allein für den Standort Wien werden 1,1 Milliarden Euro angegeben.

Zur Person:#

Heinz Engl,seit 2011 Rektor der Universität Wien, war davor ab 1992 Professor für Industriemathematik an der Uni Linz, ein auf drei Erdteilen gefragter Gastprofessor und in etlichen Forschungseinrichtungen aktiv. Er gründete 2003 in Linz das Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics (Ricam) der Akademie der Wissenschaften, das Software für das geplante weltgrößte Teleskop in Chile liefert. Der gebürtige Linzer wurde am 28. März 60 Jahre alt.

Wiener Zeitung, Samstag/Sonntag, 13./14. April 2013