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unbekannter Gast

Russland gehört zu Europa#

Max Tromm, Jänner 2022

Zusammenfassung#

"Unser" demokratisches Europa liegt viel näher an Russland (dem leider zurzeit nicht demokratischen Osteuropa) als an den USA. Eine Zusammenarbeit von unserem Europa mit Russland wäre für beide Teile vorteilhaft. Die Kombination großer natürlicher Ressourcen (Russland) und großer wirtschaftlicher/wissenschaftlicher/kultureller Ressourcen (unser Europa) würde beiden Teilen helfen und eine wichtige Rolle in der Welt ergeben. Dagegen sprechen zwei Aspekte: (a) Die Nato und (b) die Tatsache, dass Russland (und seine Vasallen wie Weißrussland) demokratielose Unrechtsstaaten sind. In diesem Aufsatz wird vorgeschlagen, dass die europäischen Länder mittelfristig aus der Nato aussteigen, als Gegenleistung Russland allmählich echte freie Wahlen zulässt und das Justizsystem von Politik und Politikern unabhängig wird. Dann kann ein offizielles Bündnis der Seiten beschlossen werden. Man kann nur hoffen, dass der Ukraine Konflikt nicht alle Chancen auf einen solchen Weg vernichtet.

Die Nato#

Die Nato ist ein Überbleibsel aus der Zeit, wo die Angst vor einer kommunistischen Übernahme der Welt, vielleicht mit Europa beginnend, im Raum stand. Das Bündnis sorgte dafür, vor allem durch die militärische Stärke der USA, dass Westeuropa ungefährdet war und eine allmähliche Erweiterung der Demokratie nach Osten stattfinden konnte. Aus dem Schutzbedürfnis der vorher unter diktatorischen Regierungen leidenden Ländern ist deren Annäherung an den Westen, ja der Versuch um Aufnahme in die Nato zu verstehen. Man sollte aber nicht vergessen, dass z.B. viele Länder (Ukraine, Serbien, …) starke Bindungen mit Russland haben und es für sie schön und natürlich wäre, mit alle europäischen Staaten aber auch mit Russland gute Beziehungen auf allen Ebenen zu unterhalten. Dass etwa Serbien eine Nato Mitgliedschaft in Betracht zieht ist ja fast absurd: was hat Serbien in einer Nordatlantikorganisation zu tun? Wo grenzt es, wie andere Nato-Länder wie Tschechische Republik, Rumänien, usw. an den Nordatlantik? Viele meiner deutschen Landsleute sehen die Nato nicht als etwas, das mit dem Nordatlantik zu tun hat, sondern einerseits als ein Verteidigungsbündnis und andererseits als ein Bündnis mit vielen gemeinsamen kulturellen Werten. Passt da eigentlich die Türkei hinein? Wohl auch nur vom militärischen Standpunkt, sonst genau so wenig wie die Türkei in die EU gehört.

Seien wir doch ehrlich: Wenn Russland und Weißrussland „normale“ demokratische Staaten wäre doch eine enge Verknüpfung mit uns sinnvoll und wünschenswert.

Ist Russland ein europäisches Land?#

Wenn man nur die geographische Lage ansieht wird das oft bezweifelt: Schließlich liegt ein großer Teil östlich des Urals und damit geographisch in Asien. Aber: Ist Frankreich ein europäischer Staat: Große Teile liegen im Pazifik, von La Reunion, zu Neu-Kaledonien, oder französisch- Polynesien; oder in Südamerika mit französisch-Guyana, usw. Und die Niederlande und die UK haben noch immer „Besitzungen“ in z.B. der Karibik. Oder wieso rechnen wir Madeira (als Teil von Portugal) mitten im Atlantik zu Europa, oder die Kanarischen Inseln, die wohl viel näher bei Afrika als beim geographischen Europa liegen. Die Antwort ist klar: Es geht nicht um die Geographie, sondern um die Kulturelle Komponente. Und da ist dann sicher Russland mit z.B. seinen berühmten Dichtern und klassischen Musikern sicher ein europäisches Land. Auch andere Länder wie etwa die USA oder Canada habe seinerzeit viel von europäischer Kultur mitgenommen, sich aber nun doch schon sehr verselbständigt. Aber das heißt ja nicht, dass wir nicht weltweit Freunde haben wollen und dürfen, ob nun USA, Canada, Australien,… oder auch aus andern Kulturkreisen wie etwa Japan!

Zusammenarbeit Russland und unser Europa#

Zu einer solchen kann es nur kommen, wenn unser Europa nichts mehr mit der Nato zu tun hat, und Russland eine Demokratie mit freien Wahlen, mit Beachtung aller Menschenrechte etc. wird. Ist das denkbar? Wäre es nicht einen Versuch wert, mit Russland den Vertrag für ein Europäisches Zusammenarbeits Abkommen (kurz ECA, European Collaboration Agreement) zu erarbeiten, das mit einigen Meilensteinen (wie Begrenzung der Militärausgaben in einem Prozentsatz der Größe der Länder, oder Einführung eines politisch unabhängigen Justizsystems,…) 2035 in Kraft tritt, wo in einem koordinierendem Rat die Sitzanzahl nach der Größe der Staaten verteilt ist.

Kann unser Europa die Nato aufgeben? Sicher nicht sofort. Zuerst muss, den Vorstellungen Macrons entsprechend, eine echte europäische Armee aufgebaut werden.

Kann man erwarten, dass Russland sich in eine Demokratie verwandeln lässt? Vielleicht ist hier Putin der entscheidende positive Faktor. Er kennt unser Europa. Im Moment wird im unterstellt, dass er vielleicht sogar militärisch Russland zur Größe der ehemaligen Sowjetunion zurückführen will. Putin wird in diesem Oktober 70 Jahre alt. 2035 wird er 83 sein (und wie wir ihn kennen: fit sein). Könnte sein größtes Ruhmesblatt nicht sein, dass er mit unserem Europa kooperiert, durch dessen Unterstützung den Lebensstandard der russischen Bevölkerung stark erhöht, ein unabhängiges Rechtssystem einführt, freie Wahlen verankert, wo er vielleicht sogar der erste demokratisch gewählte Präsident wird (der wie ein König lebt und verehrt wird, aber nur repräsentative Aufgaben hat).

Bringen wir unser Europa und Russland dazu, sich nach dem alten österreichischen Spruch AEIOU zu verhalten: Allen Ernstes Ist Osteuropa Unersetzlich.

Diskussion#

Andreas: Die Gesamtidee klingt verrückt. Aber der Grundgedanke, dass es natürlicher wäre, mit Russland statt mit den USA eng zuammenzuarbeiten ist schon ok. An Tromm habe ich die Frage: Dieser koordinierende Rat, wenn der nach der Größe der Bevölkerung geht wird dann wohl riesig und arbeitsunfähig sein (wie das eruopäische Parlament)?

Tromm zu Andreas: Ich fürchte ich muss doch den Entwurf des ECA vorlegen. Aber da warte ich lieber noch auf weitere Anmerkungen.

Also die Sitzverteilung geht so:
Die Einwohnerzahl wir auf die nächsten 50 Millionen auf oder abgerundet, dann pro 50 Millionen ein Sitz vergeben. Das bedeutet nach heutigen Zahlen:

Russland: 147 Millionen, also gerundet 150, also 3 Sitze
Deutschland: 82 Millionen, gerundet 100, also 2 Sitze
Frankreich: 70 Millionen, gerundet 1 Sitz. Aber: Länder können sich zusammenlegen dann rotieren ein oder mehrere Sitze. Beispiel: Die Niederlande mit 18 Millionen haben zunächst keinen Sitz. Legen sie sich mit Frankreich zusammen haben sie zusammen 88 Millionen, d.h. 2 Sitze. Damit gehört Frankreich ein fixer Sitz, der andere rotiert zwischen Frankreich und den Niederlanden.
Tschechien, Griechenland und Schweden haben zusammen 30 Millionen, also zusammen einen Sitz, der entsprechend rotiert, usw.
Bei mit Russland, UK, Weißrussland und Ukraine etwa 700 Millionen EW hat der Rat 14- 20 Sitze, ist also noch überschaubar. Die heutige EU hat davon 8-10 Sitze.

Christian: Könnte man die Kriegsbereitschaft der NATO und das Bestehen auf ungehemmter Expansion nach Osten als Versuch der NATO werten, ihre Legitimation und Unabkömmlichkeit zu erhärten?

Siehe auch: Diskussionsforum Ukraine Konflikt und Diskussion dort!

Oberst i.R. Kurt Gärtner zum Versuch eines Ausgleichs zwischen Nato und Russland: Am 27. Mai 1997 wurde in Paris die Nato-Russland-Grundakte beschlossen. Unter andrem einigte man sich darin auf eine friedliche Zusammenarbeit: Die Nato und Russland betrachten einander nicht als Gegner, darüber hinaus betonen sie, die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Staaten zu respektieren und deren Recht, die Mittel zur Gewährleistung ihrer eigen Sicherheit selbst wählen zu können. Daraus würde ich ableiten, dass die Ukraine selbst entscheiden darf, ob sie der EU und/oder der Nato beitreten will.
Aber wie wir feststellen müssen, spielen die sicherheitspolitischen Interessen Russlands und der Nato eine bedeutende Rolle. Ferner sieht man auch, wie fragil internationale Verträge manchmal sind.

Friedrich: Ja, wenn Russland ein "normaler" demokratischer Staat wäre, dann wäre eine enge Verknüpfung mit uns auf jeden Fall sinnvoll! Die Idee mit einem Vertrag für ein europäisches Zusammenarbeitsabkommen klingt wirklich gut und sollte auch versucht werden - aber ich fürchte Putin wird da nicht mitspielen.

Hans-Georg Stork: Zitat aus seinem Essay"Europea neu denken": Keine (politisch initiierten und medial verzerrten und verstärkten) Feindbilder als Katalysatoren eines EUropäischen Zusammenhalts – Kooperation statt Konfrontation, und nicht: “gut” hier (im “Westen”), “böse” und “schlecht” dort (im “Osten”, wie von vielen Medien gerne mit Häme kolportiert)...“Sicherheit” ohne Waffen, nicht mit immer mehr. Eine zunehmende Militarisierung ist letztlich kontraproduktiv. EU-ropa (und Europa!) wären die großen Verlierer. Stattdessen: z.B. noch mehr Erasmus (Mundus, Plus), und ähnliche Programme, welche “Menschen zusammenführen”.
Zitat aus einem Interview von Gerhard Lechner mit Professor Andreas Kappeler in der Wienerzeitung am 13. 2. 2002: LECHNER: Wladimir Putin ist nicht nur in der Weltpolitik hochaktiv, er ist vergangenen Sommer auch unter die Historiker gegangen. In einem Artikel bezeichnete der russische Präsident Russen und Ukrainer wörtlich als "ein Volk". Warum? KAPPELER: Wladimir Putin ist nicht nur in der Weltpolitik hochaktiv, er ist vergangenen Sommer auch unter die Historiker gegangen. In einem Artikel bezeichnete der russische Präsident Russen und Ukrainer wörtlich als "ein Volk".Er sieht die UdSSR als Modell an, zu dem er zurückkehren will......Er wirft dem Westen vor, die Ukraine als Aufmarschgebiet gegen Russland zu missbrauchen. LECHNER: Ist da nicht auch was dran? KAPPELER: Es stimmt schon, dass der Westen die Ukraine in ihren Bestrebungen zu Demokratie und Loslösung von Russland unterstützt hat. Man vergisst dabei aber gelegentlich, dass dieser Prozess nicht vom Westen initiiert wurde. Es war die Ukraine, die sich immer wieder um Westanbindung, um Beitrittsperspektiven zu EU und Nato bemüht hat. Der Westen hat ihr dabei ständig die kalte Schulter gezeigt und nie eine verbindliche Zusage gemacht.... Es war die Ukraine, die sich für den Westen entschieden hat, nicht umgekehrt. Der Grund dafür war, dass für Kiew das westliche Modell ganz einfach attraktiver war.

Zitataus dem Gastbeitrag "Lösungen zum Ukraine Konflikt" von Tibor Pásztory in der Wiener Zeitung "Lösungen zum Ukraine Konflikt": (Es) scheint eine mögliche Lösung des Ukraine-Konfliktes einfacher, als die derzeit verfahrene Situation es erahnen lässt: Die Ukraine und der Westen verzichten auf einen Nato-Beitritt so lange, wie russische (oder von Russland abhängige) Truppen nicht in der Ukraine einmarschieren oder andere Formen kriegerischer Handlungen, wie etwa Cyber-War, setzen. Sollte jedoch Russland diese Handlungen setzen, würde die Ukraine automatisch der Nato beitreten, womit innerhalb der Nato ebenso automatisch der Bündnisfall einträte. Mit dieser Doppelstrategie wäre allen Interessen gedient... Doch nun zu einem weiteren Gedanken abseits solcher akut notwendiger Lösungsmodelle. Würde Russland der Nato rein hypothetisch beitreten (was es ja vor Jahrzehnten angeblich sogar wollte), stellte auch ein Nato-Beitritt der Ukraine keine Gefahr mehr für Russland dar. Ein solches Szenario gilt zwar derzeit als ebenso unrealistisch wie eine Annäherung Russlands an die EU, doch muss es erlaubt sein, Visionen zu entwerfen, die das Potenzial haben, eine neuerliche Teilung Europas zu verhindern. Auch würde eine solche strategische Wende Präsident Wladimir Putin die Chance geben, in die Geschichtsbücher einzugehen als derjenige, der das Werk Peters des Großen vollendet hätte.

Die Euro-Asiatische Zusammmenarbeit Diese wurde schon in einem Beitrag der IIASA-Options 2019 als fragil gesehen, ist nun durch die russische Invasion der Ukraine, aber auch das Aufflammen der Taiwan Diskussion endgültig für längere Zeit unmöglich]. August 2022.





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