Sturmumtost, wellenumbraust – Die Aran-Inseln vor Irlands Küste#
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Alle Fotos wurden vom Autor in den Jahren 1992 und 1993 aufgenommen und sind Teil des Archives "Bilderflut Jontes".
In der Bucht von Galway an der Westküste der Republik Irland liegen die Oileáin Arann, die Aran-Inseln, die auf Englisch Aran Islands Irland, Aran Islands heißen. Die Hauptinsel ist Inis Mór/Inishmore Inishmore, Irland . Sie ist vom Festland aus gerade noch sichtbar, hat eine Länge von 13 km und ist etwa 3 km breit. Einst war ihre Bevölkerung ganz auf den Fischfang eingestellt.
Ins Bewusstsein der Welt ist sie vor mehr als 80 Jahren gedrungen, als der Regisseur Robert F. Flaherty einen der ersten ethnographischen Dokumentarfilme drehte, der die tollkühnen Männer zeigt, wie sie von ihren fragilen Booten aus mit Lanzen und Harpunen Haie jagen. In Kilronan, dem Hauptort von Inishmore, wird dieser Film noch heute täglich für die zahlreichen Touristen gespielt, die die Insel vor allem in den Sommermonaten besuchen.
Die alten, heute schon historischen Boote (irisch curragh) sind eine Besonderheit Irlands. Holz war immer schon kostbar und so sind diese Ruderboote aus einem leichten Gerüst aus Holzbrettchen gefertigt, die mit einer geteerten Leinwand oder mit Leder überzogen wurden.
Die raue See, die an Klippen und Riffen reiche Küste hat unter den Fischern immer wieder zahlreiche Todesopfer gefordert. Da die Leichen oft erst nach langer Zeit angeschwemmt wurden und die Identifizierung einer ganzen Crew schwierig war, hatten die einzelnen Familien bestimmte Strickmuster auf ihren Wollpullovern, an denen man sie dann erkennen konnte.
Man erreicht die Arans am besten mit einem der Fährschiffe von Galway aus. Die Überfahrt kann wegen rauer See und hohem Wellengang oft zu einem kleinen Abenteuer werden. Anfälle von Seekrankheit sind dann nicht selten.
Man legt im Hafen der Hauptstadt der Insel Inishmore, in Kilronan an, der heute nichts mehr vom Flair eines Fischerhafens aufweist.
Heute lohnt sich der Fisch- und Garnelenfang nicht mehr. Die etwa 1250 Einwohner leben vom Fremdenverkehr, der in der Mehrzahl Iren vom Festland anzieht. Die Insel mit ihren reizvollen Küsten und Landschaften kann man zu Fuß, mit Kleinbussen, Pferdewägelchen oder mit dem Fahrrad erkunden.
Auf den Araninseln gibt es wie in der ganzen County Galway viele Menschen, die als Muttersprache noch das alte irische Gälisch sprechen, das im Laufe der Jahrhunderte während der englischen Zwingherrschaft durch das Englische verdrängt und ersetzt wurde. Die Republik Irland setzt aber viel daran, dass diese für die eigene Identität so wichtige Sprache wieder auflebt. Sie begegnet einem auf den Araninseln wieder sehr oft.
Man hat bei Begegnungen mit diesen Inseliren das Gefühl, dass hier noch eher ein gemütlicheres zwischenmenschlicheres Klima herrscht als in den Städten der Hauptinsel. Ein wenig zusammenzustehen, etwas trinken, ein wenig plaudern, singen und musizieren gehört hier ebenso zum Leben dazu, wie ein Pub aufzusuchen, sich leise oder laut zu betrinken und den Arbeitstag ausklingen zu lassen. Den lieben Herrgott ein wenig einen guten Mann sein lassen: Das alles macht diese Menschen sympathisch.
Die Küstenlinie von Inishmore bietet ein Bild der Klüfte und Klippen. Jahrtausende hindurch nagt die See, der raue Atlantik, an dieser Kalksteinmasse, schafft Abbrüche und lässt zuweilen donnernd ganze riesige Teile in die Tiefe stürzen. Ein ewiges Spiel der Wellen, die da vom Wind angetrieben anrollen und sich an den Klippen brechen oder auf Strände prallen. Kein gemütlicher Ort für Surfer, Segler oder gar Schwimmer!
Ebbe und Flut mit einem großen Tidenhub beherrschen die Küste. Bei Ebbe hinterlässt das Meer dann Tang und abgestorbene Meereswesen wir Muscheln, Schnecken oder Seesterne.
Auf den Araninseln setzt sich geologisch gesehen die Kalksteinmasse der großen Hauptinsel Irland fort. Dies führt zu Karsterscheinungen, denn das Wasser ständiger Regengüsse und das Wetter mit seinen Sturmböen setzen diesen Formationen nachhaltig zu. In Kalkschieferbrüchen steht das Rohmaterial für die zahllosen Steinmäuerchen und –zäune in jeder Menge zur Verfügung.
Da das Wasser den sich nur langsam bildenden Humus wegschwemmen und der Wind wegblasen würde, ist die Landwirtschaft der Arans auf Kleingartenwirtschaft beschränkt, die in winzigen von Steinmauern beschützten Parzellen unterhalten wird. Die Anlegung und Schichtung dieser Mauern ist eine bewundernswerte Fertigkeit. Um Durchgänge zu schaffen, kann die Mauer an jeder Stelle eingerissen und nach Bedarf in Windeseile wieder richtig geschichtet werden. Das Verfahren ist Jahrstausende alt und erprobt.
In den kleinteiligen Gärten wird Gemüse und dergleichen angebaut und dabei bedient man sich einer einzigartigen Methode, um langsam aber stetig Humus zu erzeugen. Der in Massen angeschwemmte Tang wird gesammelt, mit feinem Sand vermischt und der Kompostierung auf dem Bodengrund überlassen. Nach einigen Jahren ist die dünne Krume über dem Felsboden dann in der Lage, angebaute Pflanzen zu ernähren.
Küste, Meer, Fels und spärliche Vegetation des Inneren der Insel prägen den Naturcharakter der Aran-Inseln. Der Mensch hat in diese Natur seine Kultur als Bewältigung der natürlichen Vorgaben gesetzt. Haus, Kirche, Kloster des historischen Erbes sind aus den Materialien errichtet, welche die Natur hier bietet. So verbindet sich alles organisch durch das Zutun des Menschen. Die Landschaften der Insel sind großzügig und in ihrer Kargheit beeindruckend. Wird Irland an und für sich die Grüne Insel genannt, so sind es hier andere Elemente, die einen überwältigen. Und Baumbewuchs oder größere Gebüsche zählen hier schon als Naturwunder.
Die Natur in ihrer evolutionären Gestaltungskraft erlaubt den Lebewesen, sei es Pflanze oder Tier, sich fast jeder Situation anzupassen und vorgegebene Nischen für sich auszunutzen. Auf den Araninseln ist dies wortwörtlich umgesetzt. Die Flechten, die trockene Felsen überkrusten und dennoch überleben, sind die dauerhaftesten. Moose bilden Polster, die aus den Spalten förmlich hervorquellen. Und Blümlein als Blütenpflanzen sind schon die nächste Entwicklungsstufe der Pflanzenwelt der Insel.
Ja, es gibt sogar Bäume, zwar winzig, in eine Felsspalte gezwängt, jedoch voll ausgebildet, blühend und Früchte tragend. Bezaubernd ist so ein Kirschbaum, wenn er den kurzen Sommer dafür benutzt, bevor ihn die Herbst- und Winterstürme wieder dazu zwingen, sich zu ducken.
Sieht man von Kilronan, der Hauptstadt von Inishmore ab, so gibt es keine Siedlungen im Sinne des Festlandes. Kein Dorf, kein Weiler offenbart sich. Einzeln und verstreut akzentuieren weißgekalkte Häuser mit ihren Strohdächern die Landschaft und nehmen ihr etwas von der imposanten Einöde. Die Urform des Aranhauses ist wohl der Steinbau, der aus Steinen geschichtet wie ein umgekehrter Schiffsbauch anmutet.
Langsam weichen die Strohdächer auch den besseren und dauerhafteren Eindeckungen aus Ziegel oder Schiefer. Die klassischen Stroheindeckungen waren gegenüber den Stürmen sehr empfindlich und mussten deshalb entsprechend geschützt werden. Man bindet sie fest, sodass sie nicht davongeweht werden können.
Die Inseln waren schon vor Jahrtausenden besiedelt. Das am meisten beeindruckende Monument frühester Zeit ist das steinerne Fort Dún Aonghaste, das als Dun Aengus sprachlich anglisiert wurde. Für die heidnischen Iren war Angus der Gott der Liebe und Jugend. Sich über einer 90 m hohen Klippe an der Westküste aufbauend, ist es eine Festung, vielleicht auch eine vorgeschichtliche Kultstätte aus der Bronzezeit mit Erweiterungen in der Eisenzeit und im Frühmittelalter. Bronzezeit bedeutet, dass es etwa um 1000 v. Chr. entstand, was am Kontinent chronologisch ungefähr dem Einsetzen der Hallstattkultur entspricht. Die Erbauer und Nutzer der gewaltigen Anlage waren ein namentlich nicht bekanntes Volk, das vor dem Eintreffen der Kelten in Irland dieses besetzt hatte. Keltisch ist dann die eisenzeitliche Erweiterung und die Anlage weiterer Ringwälle im Frühmittelalter, also ab dem 6. nachchristlichen Jahrhundert.
Dun Aengus ist also an die 3000 Jahre alt. Es liegt auf einer Klippe und hat im Laufe seiner Existenz wahrscheinlich schon durch Abstürze der Felsformationen, auf welchen es ruht, Teile verloren. Es ist nicht ungefährlich, in das Innere zu gelangen, denn man muss sich auf einem schmalen ungesicherten Pfad um die Hauptmauer, die viele Meter dick ist, winden und sollte es dabei vermeiden, in die dräuende Tiefe zu schauen, wo weit unten die schäumenden Brecher an die Küste donnern.
Die ganze Anlage besteht aus raffiniert verlegtem Trockenmauerwerk und den Verteidigungscharakter erkennt man schon im Vorfeld, wo zackig-scharfe Steinplatten so aufgestellt und in den Boden gerammt wurden, dass eine Annäherung zu Fuß oder zu Pferd gewaltig erschwert wurde.
Mit archäologischen Grabungen im Inneren des Forts versucht man seit geraumer Zeit Aufschlüsse über die Bestimmung von Dun Aengus zu gewinnen.
Man kann auch Baustrukturen erkennen, die in ihrer Rundform darauf hindeuten, dass es sich dabei um die Überreste von Häusern handelt, die eine Dachkonstruktion aus quergelegten Baumstämmen gehabt haben könnten. Oder waren es kapellenartige Heiligtümer und Kultplätze?
Irland spielt für die Ausbreitung des Christentums in West- und Mitteleuropa eine ganz besondere Rolle. Als das Papsttum in Rom im Frühmittelalter einen derartigen Niedergang zu verzeichnen hatte, dass es in der ständigen Auseinandersetzung mit den Herrschenden alle gestaltende Kraft verloren hatte, kamen aus Irland und Schottland Glaubensboten und missionierten die germanischen und keltischen Völker. Schon vor der Erschaffung des westlichen Mönchswesen durch den Hl. Benedikt gab es in Irland Klöster, deren Ursprünge wahrscheinlich durch Einflüsse der ägyptischen Wüstenväter des Ostens zu erklären sind. Mit einer handschriftlichen Bibel ausgerüstet, oft auch eine Glocke mit sich tragend kamen sie und predigten und tauften. Landläufig wurden sie bei uns noch im Hochmittelalter als „Schotten“ bezeichnet. Vertraute Name wie St.Kolumban, St.Gallus, St. Bonifatius tauchen da auf, von Legenden umgaben, Wunder tuend und ein Segen für die von Gott und Kirche verlassenen Völker. Der von niederen Volksschichten für ihre männliche Nachkommenschaft bei uns häufig gewählt Vorname Kevin ist von dem dort hochverehrten irischen Heiligen ab geleitet. Und dass der wichtigste irische Heilige St. Patrick/Patritius in Irland und ausgerechnet im steirischen Vorau gleichermaßen Verehrung findet, hängt damit zusammen, dass das oststeirische Chorherrenstift im Mittelalter mit einem irischen Kloster eine Gebetsverbrüderung geschlossen hatte.
Auf Inishmore gibt es bedeutende Überreste ausgebreiteter Klosteranlagen. Dass sie heute wie die „Sieben Kirchen“ nur mehr Ruinen sind, geht nicht auf Vernachlässigung zurück. In brutalen Kampagnen verfolgten englische Herrscher wie König Heinrich VIII. oder Oliver Cromwell die standhaften Katholiken, die sich nicht der neuen anglikanischen Staatskirche unterwerfen wollten. Auch heute noch eindrucksvoll sind die Überreste dieser Klöster wie sie auch die „Sieben Kirchen“ darstellen.
Das einzige, was heute noch außer den Kirchenruinen an die ursprüngliche Bestimmung erinnert, ist die Weiterbelegung des alten Friedhofes. Auch einige uralte Flechtwerksteine haben überdauert.
Dort hingegen, wo der blanke Fels direkt an die Oberfläche drängt, ist man gezwungen, Hochgräber anzulegen.