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Die Wartburg – Brennpunkt deutscher Geschichte#


Von

Günther Jontes Günther Jontes

Die Fotoaufnahmen aus den Jahren 1989, 1990 und 1995 wurden vom Autor gemacht. Sie sind Teil des Archivs „Bilderflut Jontes“. Die historischen Postkarten stammen aus den Sammlungen des Verfassers.



Zu Füßen liegt die Stadt Eisenach, ringsum breitet sich der Thüringer Wald aus und wie eine Krone liegt die Wartburg, die wie kaum ein anderer mittelalterlicher Wehrbau innerhalb Deutschlands Grenzen in ihren Mauern historische Geschehnisse und diese tragende Persönlichkeiten beherbergt hat, die Zeitgeschehnisse und später romantische Empfindungen bewegt haben. In vielem mischt sich Legende mit späterer Deutung und erforschter geschichtlicher Wahrheit. Vieles aber ist Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte gewesen, die über die diese Mauern umrankenden Geschichten hinausgewachsen ist.

Die Wartburg
Die Wartburgin in einer Zeichnung vom Ende des 14. Jahrhunderts
Eisenach und die Wartburg mehr phantasievoll als historisch korrekt in einer Zeichnung vom Ende des 14. Jahrhunderts

Der Sage nach wurde die Wartburg 1067 von Graf Ludwig dem Springer gegründet. Ihre erste urkundliche Nennung erfolgt aber erst 1080. Nach ihm nennt man das aufbauende Geschlecht als das der Ludwiger oder Ludowinger. Ihr Grundbesitz wird immer größer und mit wachsendem auch politischem Einfluss wird ihnen von Kaiser Lothar III. der Rang von Landgrafen verliehen, der sie über „gewöhnliche“ Grafen hinaushebt. Hohe dynastische Verflechtungen werden sichtbar, als Kaiser Friedrich Barbarossa Jutta, die Halbschwester des Gründers heiratet.

Der Enkel Ludwigs, Landgraf Hermann I. machte die Burg auch zu einem kulturellen Zentrum. Um 1200 hielten sich hier auch die Dichter und Minnesänger Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach auf. Hier soll auch der sagenhafte Dichterkrieg zwischen sechs Sängern stattgefunden haben, der sich aber urkundlich nicht an dieser Stelle nachweisen lässt. Erst 1421 wurde dieser Sängerkrieg von einem Chronisten hier angesiedelt.

Dichterkrieg zwischen sechs Sängern

Angeblich nahmen u. a. auch Walter von der Vogelweide, Reinmar von Zweter, Wolfram von Eschenbach daran teil. Es soll dabei um Leben und Tod gegangen sein. Heinrich von Ofterdingen verliert und soll hingerichtet werden. Allein, die Landgräfin Sophia rettet ihn. Aber er muss gegen den ungarischen Magier Klingsor antreten, den er aber besiegt.

Moritz von Schwind hat in der Zeit des Aufblühens romantischer Wertschätzung der Burg 1855 den angeblichen Sängerkrieg in Wandgemälden dargestellt. Von ihm wurden auch die Gründungssage und die Sage vom Schmied von Ruhla im Stile der Zeit und mit großem malerisch-handwerklichen Können in Bilder gesetzt

Sängerkrieg in Wandgemälden
Sängerkrieg in Wandgemälden
Sängerkrieg in Wandgemälden
Sängerkrieg in Wandgemälden
Sängerkrieg in Wandgemälden
Sängerkrieg in Wandgemälden
Sängerkrieg in Wandgemälden

Der historisch ebenfalls nicht zu beweisende geheimnisvolle Ungar Klingsor des Sängerkrieges leitet über zur berührendsten Gestalt der Bewohner der Wartburg, zur Landgräfin Elisabeth. Klingsor hatte ihre Geburt und ihr Leben vorausgesagt und zur richtigen Zeit kam sie dann auch tatsächlich zur Welt.

Ungar Klingsor

Wie der Seher stammte Elisabeth aus Ungarn. 1207 war sie als Tochter des dortigen Königs Andreas II. geboren worden. Schon im Alter von vier Jahren war sie quasi als Opfer vorausplanender Heiratspolitik auf die Wartburg gebracht worden, um hier erzogen zu werden.

In der Elisabethkemenate des Palas der Wartburg wurde das Leben der 1235 von Papst Gregor IX. Heiliggesprochen 1902-1906 nach Entwürfen von August Oetken in zahlreichen Glasmosaiken dargestellt. Künstlerisch steht diese umfangreiche sehenswerte Folge zwischen einem die Romanik nachempfindenden, aber auch Elemente des Art Nouveau miteinbeziehenden Stil. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte den Auftrag dazu gegeben.

Elisabethkemenate
Elisabethkemenate

Elisabethkemenate
Elisabethkemenate

In der Darstellung der Brautwerbung sieht man das ungarische Königspaar mit der kleinen, bereits mit einem Heiligennimbus geschmückten Prinzessin Elisabeth.

Brautwerbung
Brautwerbung

Elisabeth wurde noch als Kind mit dem gleichnamigen Sohn des Landgrafen Hermann verlobt, der aber bald darauf starb. Während im Bilde das Mädchen schicksalsergeben lächelt, ist dem kleinen Hermann Unwillen oder Angst ins Gesicht geschrieben.

Verlobung
Verlobung

Auch Kaiser Friedrich II. ist bei der Zeremonie zugegen und nimmt am Festmahl teil.

Kaiser Friedrich II.
Kaiser Friedrich II.
Kaiser Friedrich II.
Kaiser Friedrich II.

An die Stelle Hermanns tritt nach dessen Tod dann sein Bruder Ludwig IV., mit dem Elisabeth 1221 die Ehe eingeht. Über das Dynastische hinaus scheint diese Verbindung anfänglich eine Liebesheirat gewesen zu sein.

Ludwig IV.

Später hat der Gatte kein Verständnis für die Werke der Barmherzigkeit, die von Elisabeth ausgehen. Hier wird der Gegensatz zwischen höfischer Welt und gelebter Frömmigkeit deutlich. Die Landgräfin hegt besondere Sympathien für den Bettelorden der Franziskaner. Sie gründet auch unterhalb der Burg ein Hospital und zweigt Nahrung von der Burg für dessen Insassen ab.

Elisabeths Ehe mit Hermann entspringen drei Kinder: Hermann, Sophie und Gertrud.

Hermann, Sophie und Gertrud
Hermann, Sophie und Gertrud

In diesem Zusammenhang soll sich auch das bekannte Rosenwunder begeben haben. Mit in ihrem Gewandbausch verborgenen Gebäck verlässt Elisabeth die Burg und geht zu den Armen, wird dabei aber von ihrem Gatten ertappt, der sie auffordert, ihm zu offenbaren, was sie da unter ihrem Gewand versteckt hielte. Als sie dies tut, hatten sich die Brote in Rosen verwandelt.

Rosenwunder

Elisabeths Bautätigkeit zeigt sie mit einem Plan in der Hand und Bauleute wie Maurer und Steinmetzen sind am Werk zu sehen.

Elisabeth mit Plan
Bauleute

Elisabeths Leben ändert sich radikal, als ihr Gattin sich mit Kaiser Friedrich II. 1227 auf den Vierten Kreuzzug begibt, aber schon in Italien an einer Seuche stirbt.

Kaiser Friedrich II.
Kaiser Friedrich II.
Kaiser Friedrich II.
Kaiser Friedrich II.

Sein Nachfolger ist Elisabeth aber nicht wohlgesonnen und vertreibt sie mit ihren Kindern von der Wartburg. Sie geht nach Marburg an der Lahn und wirkt dort innerhalb des Dritten Ordens der Franziskaner.

Elisabeth
Elisabeth

Ihre Magd Isentrude hat über die Hintergründe dieser Vertreibung genau berichtet.

Magd Isentrude

Durch ihren Dienst seelisch und körperlich vollkommen erschöpft stirbt Elisabeth 1231 im Alter von nur 24 Jahren. In einem sehr kurzen kirchlichen Prozess wird sie bereits 1235 vom Papst heiliggesprochen.

Elisabeth
Elisabeth

Von der Wartburg aus bietet sich der umfassendste und schönste Blick auf den Thüringer Wald und die Stadt Eisenach.

Blick von der Wartburg
Blick von der Wartburg
Blick von der Wartburg
Blick von der Wartburg
Blick von der Wartburg
Blick von der Wartburg
Blick von der Wartburg

Burgen waren Wehrbauten, man konnte sich in ihnen geborgen fühlen. Deshalb war schon der Zugang für allfällige Angreifer und Belagerer durch gewisse Maßnahmen erschwert: Ausgesetzte Lage auf Bergen und Felsen, auch Verborgenheit in Wäldern, Schluchten, sogar Höhlen, in ebenem Gelände Schutz durch Wassergräben. Die ältesten mittelalterlichen Burgen bestanden wie in der Antike aus Wall, Graben, Palisaden und wiesen im Inneren hölzerne Funktionsbauten auf. Erst in der Begegnung mit der byzantinisch-sarazenischen Baukunst während der Kreuzzüge im Vorderen Orient hielten Steinbautechniken in Europa Einzug und führten zu dem, was im Hochmittelalter zur typischen Burg wurde. Auch die Wartburg steht in dieser Entwicklungslinie. Der Weg zu einer Hochburg war beschwerlich, steil und lang. Wer nicht hinaufreiten konnte, musste wie aller Nachschub getragen werden, was durch Tragtieren wie Esel und Maultiere erfolgte. Auch die stattlichste steirische Burg, die Riegersburg, hat für diese Zwecke einen sehr ausgesetzt angelegten Eselsteig.

Die Wartburg kann ebenfalls mit einem solchen aufwarten. Im kulturellen Wandel mit dem Einsatz des Tourismus fand hier ein Paradigmenwechsel statt. Nicht mehr Güter werden mehr befördert, sondern die Ware Tourist wird damit zur Burg hochgeschleppt. Aus lebenswichtiger Versorgung ist ein Spaß geworden.

Eselstation

Die mehr als erbärmliche Autoproduktion der DDR mit ihrer Zwangs- und Kommandowirtschaft gipfelte in einem Kraftwagen, der in Eisenach produziert wurde und den stolzen Namen „Wartburg“ trug. Dem Fremden, der die Wartburg besuchen will, tun sich Schwierigkeiten auf. Auf einem schmalen Weg nur gelangte man einst zur Burg. Mit Mühe wurde in der Gegenwart daraus eine Fahrstraße. Das heißt: Autobusse und einzelne PKWs müssen unter bleiben. Kurz nach der Wende 1989 machten einige findige Leute ein gutes Geschäft damit, dass sie unter dem Wahlspruch „Mit dem Wartburg auf die Wartburg“ gegen entsprechendes Salär Leute mit diesem Auto grüppchenweise zur Burg brachten und dort abluden.

Wer seine eigenen Beine gebrauchte, kam oben ziemlich müde an und die Sonne kann auch in Thüringen tüchtig vom Himmel brennen. Aber von alters her wartet hier schon ein Wirtshaus, die Burgschenke, ein stattlicher Ziegelbau im Stile der Renaissance-Erweiterungsbauten der Burg. Hier erwarten gastronomische Erfrischungen besonderer Art, unter welchen die famose Thüringer Bratwurst und die Thüringer Klöße hervorragen.

Burgschenke
Burgschenke

Aber erst jetzt steht man an der Pforte der Burg. Steil fällt das Gelände nach allen Seiten ab und nur eine Zugbrücke erlaubt den Weg von einer Schanze zum Torturm.

Torturm
Torturm

Höchstgelegener Aussichtspunkt, aber auch letzter Zufluchtsort bei der Belagerung einer mittelalterlichen Burg war der Bergfried. So war es auch bei der Wartburg, wo heute auf diesem Turm ein großes Kreuz steht. Damit wird daran erinnert, dass mit dem schützenden Aufenthalt Martin Luthers als Junker Jörg und dessen hier erfolgte Bibelübersetzung eine neue und prägende Phase der deutschen Reformation in Gang gekommen war.

Dieses Kreuz hat beide Tyranneien des 20. Jahrhunderts überdauert. Als mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 auch der Wartburgausschuss in die Klauen des Gauleiters Sauckel geriet, der dieses Komitée wegen Unbotmäßigkeit kurzerhand auflöste, ließ ein übereifriger NS-Kreisleiter das Kreuz entfernen und durch ein riesiger Hakenkreuz ersetzen. Internationale Proteste erreichten allerdings, das dieses bereits nach vier Tagen wieder entfernt wurde. Die Burg diente während der Dritten Reiches aus naheliegenden Gründen als ein Zentrum von Parteiveranstaltungen. Nach dem Krieg wurde sie durch die sowjetische Besatzungsmacht wieder für den Besuch geöffnet. Ein neues goldenes Kreuz – das ursprüngliche war ja durch die NSDAP entfernt und zerstört worden – wurde aus Privatinitiative gestiftet. Zur Zeit der DDR war man eifrig bemüht, an der Erhaltung und Restaurierung des Baubestandes zu arbeiten. Rechte des ursprünglichen großherzoglichen Stammhauses waren inzwischen auf die Stadt Eisenach übergegangen.

Vom Bergfried, von dem seit 1990auch wieder die Flagge der deutschen Einheit weht, hat man den besten Blick auf die gesamte Burg, die Stadt Eisenach und auf die sich weitum erstreckenden grünen Kuppen des Thüringer Waldes.

Blick vom Bergfried
Blick vom Bergfried
Blick vom Bergfried

Mehrere Höfe gliedern den Grundriss der Burg. Das entspricht durchaus dem mittelalterlichen System von Zwingern, die so angelegt waren, dass bei einer Belagerung mehrere für sich noch mit Bollwerken versehene Teile von den Feinden Stück für Stück unter großen Verlusten erobert werden mussten. Der erste Hof ist der Mittelpunkt der Vorburg, in welche nur ein einziger Zugang über die einstige Zugbrücke führt. Hier dominiert das in seinen Fassaden stark gegliedert Fachwerk.

Diese Art zu bauen ist dort zu Hause, wo es sowohl an Hausteinen als auch an Langholz mangelt. Ein Skelett von sich gegenseitig stützenden sorgfältig behauenen Holzelementen wird geschlossen („ausgefacht“), indem die Zwischenräume mit einem Gemisch aus Mörtel, Schotter usw. ausgefüllt, glattgestrichen und dann weiß gekalkt werden. Durch den Kontrast der Materialien entstehen sehr reizvolle Fassaden, die in Teilen Deutschlands ganze Ortschaften in unnachahmlicher Weise prägen.

Fachwerkhäuser
Fachwerkhäuser
Fachwerkhäuser
Fachwerkhäuser
Fachwerkhäuser

Ein Knackpunkt der Verteidigung von Burgen war die Versorgung mit Trink- und Nutzwasser. Bei hochgelegenen Burgen gab es keine Quellen, sodass man Regenwasser sammeln und in Zisternen vorrätig halten musste. Nicht immer gelang es wie etwa in Nürnberg oder Graz Brunnenschächte durch den gewachsenen Fels bis zum Grundwasserspiegel hinunter zu treiben. Die Zisterne der Wartburg war einst eingehaust, liegt jetzt aber offen und hat keine Funktion mehr.

Zisterne

Das an den romanischen Palas angebaute „Ritterbad“ ist ein Denkmal des Bedürfnisses nach persönlicher Hygiene der Burgbesatzung im Mittelalter.

Ritterbad

Die Wehrmauern, die östlich und westlich die Burg begrenzen, hatten die Aufgabe, bei Angriffen die Verteidiger rasch an ihre zugewiesenen Plätze zu bringen. Die Verwaltung der Burg, die Vogtei und die Wohnquartiere der Besatzung befanden sich ebenfalls im ersten Burghof.

Wehrmauern
Wehrmauern
Wehrmauern
Wehrmauern

In der Vogtei befinden sich auch die Räumlichkeiten, die Martin Luther während seines zehnmonatigen erzwungenen Aufenthaltes auf der Wartburg zur Verfügung standen. 1517 hatte er in Wittenberg am Tor der Schlosskirche seine 95 Thesen angeschlagen, die zum Auslöser seines Kampfes gegen die römische Kirche wurden. 1521 war er in Worms von Kaiser Karl V. in Acht und Bann getan worden und musste dadurch um sein Leben fürchten. Er fand jedoch in seinem Landesherrn Kurfürst Friedrich dem Weisen einen warmen Förderer und Beschützer, der ihn entführen und im Geheimen auf der Wartburg unterbringen ließ. Luther hatte seine Kutte abgelegt, die Tonsur zuwachsen lassen und sich einen Vollbart zugelegt. Sein späterer „Hofmaler“ Lukas Cranach hat den als Junker Jörg anonym auftretenden Schutzhäftling porträtiert.

Martin Luther

Hier in der heute Lutherstube genannten Kammer übersetzte er in nur vier Monaten das Neue Testament ins Deutsche, wobei er als Grundlage die griechische Originalfassung heranzog und durch die prominenteste lateinische, die Vulgata, ergänzte. Durch diese Übertragung schenkte Martin Luther dem deutschen Volk die neuhochdeutsche Schriftsprache auf Grundlage der kursächsischen Kanzleisprache und mitteldeutscher Mundarten. In seinem „Sendbrief vom Dolmetschen“ begründete er diese Neuschöpfung später auch theoretisch. Luthers Übersetzung war keineswegs die erste in dieses Idiom. Aber sie begründete und festigte Deutsch gegenüber dem Latein der Gelehrten und er publizierte künftig auch selber nur mehr auf Deutsch. Durch diese für den ganzen hochdeutschen Sprachraum verbindliche Schriftform des Deutschen ist auch der politische Einheitsgedanke auf eine neue Grundlage gestellt worden.1522 geschah bereits der erste Druck, dem bald zahlreiche weitere folgten.

Übersetzung des Neuen Testaments

Die Einrichtung der Lutherstube ist denkbar einfach, ja primitiv. Tisch, Sessel, ein Walwirbel als Fußstütze, genügten für die Arbeit. In einer Nische stand eine Liegestatt. Der Kachelofen ist eine spätere Zutat. Den Tintenfleck an der Wand sucht man vergeblich. Angeblich hatte Luther sein Tintenfass nach dem ihn versuchenden Satan geschleudert. Das muss bis heute Legende bleiben.

Lutherstube
Lutherstube
Lutherstube
Lutherstube

Auch die Bilder an den Wänden sind spätere Zutaten und zeigen die Eltern sowie ihn mit seiner Gattin, der ehemaligen Zisterzienserinnennonne Katharina v. Bora (1499-1552). Als die Eltern Hans und Margret Luther 1527 ihren Sohn in Wittenberg besuchten, porträtierte sie Lukas Cranach.

Lutherstube
Lutherstube
Lutherstube
Lutherstube

So zeigte sich die Lutherstube auf historischen Postkarten aus der Zeit um 1910. Sie erscheint überreich ausgestattet

Lutherstube auf Postkarte
Lutherstube auf Postkarte
Lutherstube auf Postkarte

Reformatorische Bezüge anderer Art finden sich ebenfalls auf der Wartburg. Um die Zeitenwende hatte sich auch eine religiöse Gruppe herangebildet, die man die Wiedertäufer nennt, weil sie als eines ihrer Prinzipien die Kindertaufe ablehnten. Sie wurden sehr streng verfolgt und auch Luther hat sich beizeiten gegen sie gewendet. Eine lokal wirkende wichtige Gestalt unter ihnen war der Bauer Fritz Erbe, der 1533 hier ins Verlies geworfen wurde und in diesem 1548 starb, ohne seinem Glauben abzuschwören. Seinen von ihm in die Mauer geritzten Namen fand man bei einer Restaurierung. Eine Gedenktafel erinnert heute an ihn.

Gedenktafel Wiedertäufer

Weitaus größer ist der innere Burghof, der in einem beträchtlichen Teil seiner Länge vom romanischen Palas eingenommen wird. Darunter versteht man das repräsentativste Gebäude einer Burg, das gehobenen Wohnzwecken mit teilweise beheizbaren Räumen, den Kemenaten, Empfängen fremder Gäste und unterhaltsamen Gelegenheiten diente. Hier wurde auch gespeist. Der Palas der Wartburg gilt als das schönste weltliche romanische Bau nördlich der Alpen. Der Begriff leitet sich vom französischen palais ab, das wiederum auf das lateinische palatium zurückgeht. Die lautgesetzliche deutsche Weiterentwicklung hat das Wort Pfalz hervorgebracht, das die Zwischenresidenzen reisender Herrscher benennt.

Die Fassaden des Palas mit ihren vorgelagerten romanischen Arkadengängen

Arkadengänge
Arkadengänge
Arkadengänge
Arkadengänge

Der Bau des Palas begann um 1170. Die Fassaden haben vorgelagerte Arkadengänge. Er enthält im Erdgeschoss den Speisesaal, den Rittersaal für die Männergemeinschaft als Landgrafenräume und die sogenannte Elisabethkemenate als beheizter Wohnbereich der Frauen. Die Säulen tragen mit Adlern und Phantasiewesen geschmückte Kapitelle.

Säulen der Elisabethkemenate
Säulen der Elisabethkemenate
Säulen der Elisabethkemenate
Säulen der Elisabethkemenate

Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden diese Räume im Sinne historisierender und auf das Mittelalter Bezug nehmender Raumgestaltung recht bunt ausstaffiert. Diesen Zustand haben nach 1900 zahlreiche Postkartenserien für das Besucherpublikum im Bilde festgehalten.

Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie

Das Obergeschoss enthält den Thronsaal, den Sängersaal und die Burgkapelle. Der Palas war ursprünglich nur als zweigeschossigiger Bau gedacht, wurde aber mit dem Wachsen der Bedeutung der Burg nach 1200 nochmals aufgestockt um einen Festsaal aufzunehmen.

Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
Postkartenserie
An höfisches Leben erinnern Fresken aus dem beginnenden 14. Jahrhundert, die Turniere als ritterlichen Kampfsport darstellen.

Turnier-Fresken
Turnier-Fresken

Detailreich sind die Mosaiken, welche die Szenen aus dem Leben der hl. Elisabeth begleiten

Mosaik
Mosaik
Mosaik

Romantische Empfindungen hatten früh, als die Burg bereits zu verfallen drohte, eingesetzt, wobei besonders die landschaftliche Lage und der Blick in die Tiefe Anziehungskraft hatte Goethe kam 1777 erstmals auf die Burg, fand an der Architektur aber wenig Gefallen. Als der Dichter später bereits staatsmännische Pflichten zu erfüllen hatte, besuchte er aber die Burg des Öfteren und veranlasste auch, dass Herzog Carl August Kunstwerke, historische Waffen und Rüstungen dorthin bringen ließ und so erstmals die Wartburg auch wie heute Aufgaben als Museum zu erfüllen begann.

Die Burschenschaft 1817 unter dem Wahlspruch Ehre – Freiheit – Vaterland#

Im Mittelalter hatten sich Studenten, die nicht in ihren Heimatorten studierten, in ´gemeinsamen Quartieren, den Bursen (wörtl. Börse, Behälter) zusammengefunden. Aus dieser Bleibe lässt sich für die Insassen der Begriff Bursch ableiten. In ihrer Entwicklung als eigener Stand innerhalb der intellektuellen Eliten hatten sie bald eine immer bedenklichere Entwicklung genommen. Rauflustig ihr Recht des Waffentragens ausnützend stets auf Händel aus, wurden diese Leute mancherorts zur Plage, zogen auch als Vaganten von Universität zu Universität. Lose in „Orden“ organisiert, die sich der Herkunft ihrer Mitglieder nach auch als Landsmannschaften verstanden, hatten sie aber zur Zeit der Franzosenkriege äußerst tapfer und patriotisch gesinnt an den Kämpfen zur Niederringung Napoleons teilgenommen und wie etwa der Freiheitsdichter Theodor Körner vielfach auch mit ihrem Blut bezahlt.

Als nach dem Sieg die europäischen Mächte mit ihren absolutistisch regierenden Fürsten, allen voran Preußen und Österreich, die zuvor gegebenen Versprechungen nicht einhielten, die das Volk auf eine liberalere Geisteshaltung und Ansätze von Mitbestimmung hoffen ließen, formierten sich unter den Studenten Protestbewegungen. 1815 wurde in Jena an der dortigen Universität die erste deutsche Burschenschaft gegründet. Sie begannen einen Kampf für Freiheit der Lehre und Forschung, für politische Offenheit und für die Einheit aller deutschen Länder, die noch immer in Kleinstaaterei verharrten. 1817 wollten die inzwischen zu einer bemerkbaren politischen Größe herangewachsenen Burschenschaften ein Zeichen setzen und wählten zum Treffpunkt die Wartburg, um alle Studenten im deutschen Sprachraum zusammenzuführen. Dieses Fest sollte am 18. und 19. Oktober 1817 hier stattfinden. Sogar der Landesfürst Großherzog Carl August hatte dazu die Genehmigung erteilt. Sein Minister Johann Wolfgang von Goethe war dem gegenüber skeptisch. Seine Verhalten während der Franzosenzeit war ja von Opportunismus geprägt und kein Ruhmesblatt in der Biographie dieses Geistesheroen.

Am Morgen des 18. Oktober versammelten sich etwa 500 Studenten in Eisenach. Sie zogen auf die Burg und führten dabei die Fahne des Lützow’schen Freicorps mit den Farben Schwarz-Rot-Gold mit sich, die bis in die Gegenwart die deutschen Farben bleiben sollten.

Burschenschaft 1817

Die Versammlung dieses Burschenschaftertreffens fand im Festsaal des Palas statt. Unter dem bis heute bei den Burschenschaften geltenden Motto Freiheit – Ehre – Vaterland stellten sie ihre Forderungen an die Fürsten auf. Diese gipfelten in einer Rede des Theologiestudenten Heinrich Riemann mit den Worten: „Vier lange Jahre sind seit jener Schlacht verflossen, das deutsche Volk hatte schöne Hoffnungen gefasst. Sie sind alle vereitelt, alles ist anders gekommen, als wir erwartet haben. Viel Großes und Herrliches, was geschehen konnte und musste, ist unterblieben. Mit manchem heiligem, edlem Gefühl ist Spott und Hohn getrieben worden. Von allen Fürsten Deutschlands hat nur einer sein gegebenes Wort gelöst, der, in dessen freiem Lande wir das Schlachtfest begehen.“

Am Abend wurde auf einer Anhöhe knapp unter der Burg ein Siegesfeuer entzündet, in welchem man spontan die Symbole des fürstlichen Absolutismus verbrannte. Das waren ein Schnürleib der dekadenten preussischen Offiziere, ein hessischer Soldatenzopf und ein österreichischer Korporalstock. Außerdem wurden einige Schmähschriften ins Feuer geworfen. Dieses Wartburgfest der deutschen Burschenschaften war die erste machtvolle bürgerliche Opposition gegen die Fürstenwillkür.

An dieser Stelle steht heute noch das 1903 eingeweihte Burschenschafterdenkmal, das sogar nationalsozialistische und kommunistische Willkür überdauert hat. Sein Architekt war Wilhelm Kreis.

Burschenschafterdenkmal
Burschenschafterdenkmal
Burschenschafterdenkmal

Unter Metternichs Anleitung wurden mit den sogenannten Karlsbader Beschlüssen die Burschenschaften dann 1819 verboten und eine gnadenlose Verfolgung mit zahlreichen Prozessen und Einkerkerungen setzte ein. Der deutsche Dichter und Burschenschafter Fritz Reuter hat uns ein erschütterndes Zeugnis seiner Leiden in dem in plattdeutsch geschriebenen autobiographischen Werk „Ut mine Festungstid“ („Aus der Zeit meiner Festungshaft“) überliefert. Aber der Same war auf fruchtbaren Boden gefallen: Gemeinsam kämpften in den Revolutionen von 1848 auch in Wien Arbeiter und Studenten gemeinsam auf den Barrikaden. 1859 wurde in Wien die erste Burschenschaft gegründet. Sie existiert heute noch.

Die Wartburg ist im Laufe der Zeit schon zur Zeit, als noch Großherzöge über Sachsen-Weimar geboten, zum Museum für Kunst und Kunsthandwerk geworden.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ließ Großherzog Carl Alexander die bereits in Verfall begriffene Burg durch den Architekten Hugo von Ritgen wiederherstellen. 1922 übernahm die Wartburg-Stiftung die Verwaltung.

Sammlungen historischer Möbel aus Mittelalter und Renaissance#

Möbel aus Mittelalter und Renaissance
Möbel aus Mittelalter und Renaissance
Möbel aus Mittelalter und Renaissance
Möbel aus Mittelalter und Renaissance
Möbel aus Mittelalter und Renaissance
Möbel aus Mittelalter und Renaissance
Möbel aus Mittelalter und Renaissance
Möbel aus Mittelalter und Renaissance
Möbel aus Mittelalter und Renaissance

Sammlungen Glasmalerei#

Glasmalerei
Glasmalerei
Glasmalerei
Glasmalerei
Glasmalerei
Glasmalerei
Keramik

Die Wartburg im Bilde historischer Postkarten#

historische Postkarten
historische Postkarten
historische Postkarten
historische Postkarten
historische Postkarten
historische Postkarten

Anthologie „Die Wartburg in der Lyrik“#

Die historischen Ereignisse, die die Wartburg im Mittelpunkt haben, sind in vielerlei Weise dichterisch bearbeitet worden. Besonders die deutschen Dichter der Romantik haben sie in Balladen und Stimmungs- und Gesinnungslyrik besungen. Stets wurde dabei versucht, in sprachlicher Hinsicht sich einer Syntax und Wortwahl zu befleißigen, die dem mittelalterlichen Charakter der Burg gerecht werden sollte. Das führte auch dazu, dass diese Poeme heute so gut wie ganz vergessen sind, weil sie das verkörpern, was die Literaturgeschichte als „Butzenscheibenromantik“ bezeichnet. Die Dichtung folgte dabei den Prinzipien des 19. Jahrhunderts, die auch die neuere künstlerische Ausstattung der Burg in Malerei, Mosaik und Mobiliar hervorgebracht hatten.

Ludwig Uhland (1787-1862)#

Am 16. Oktober 1816 (!)

Wenn heut ein Geist herniederstiege,
Zugleich ein Sänger und ein Held,
Ein solcher, der in heil’gem Kriege
Gefallen auf dem Siegesfeld,
Der sänge wohl auf deutscher Seele
Ein scharfes Lied, wie Schwerterstreich,
Nicht so, wie ich es künden werde,
Nein! himmelskräftig, donnergleich.

Man sprach einmal von Festgeläute,
Man sprach von einem Feuermeer,
Doch was der große Fest bedeute,
Weiß es denn jetzt noch irgend wer?
Wohl müssen Geister niedersteigen,
Von heil’gem Eifer aufgeregt,
Und ihre Wundenmale zeigen,
Dass ihr darein die Finger legt.

Ihr Fürsten! seid zuerst befraget:
Vergaßt ihr jenen Tag der Schlacht,
An dem ihr auf den Knieen laget
Und huldiget der höhern Macht?
Wenn eure Schmach die Völker lösten,
Wenn ihre Treue sich erprobt,
So ist’s an euch, nicht zu vertrösten,
Zu leisten jetzt, was ihr gelobt.

Ihr Völker, die ihr viel gelitten,
Vergaßt auch ihr den schwülen Tag?
Das Herrlichste, was ihr erstritten,
Wie kommt’s, dass es nicht frommen mag?
Zermalmt habt ihr die fremden Horden,
Doch innen hat sich nichts gehellt,
Und Freie seid ihr nicht geworden,
Wenn ihr das Recht nicht festgestellt.

Ihr Weisen! muss man euch berichten,
Die ihr doch alles wissen wollt,
Wie die Einfältigen und Schlichten
Für klares Wort ihr Blut gezollt?
Meint ihr, dass in den heißen Gluten
Die Zeit, ein Phönix, sich erneut,
Nur um die Eier auszubrüten,
Die ihr geschäftig unterstreut?

Ihr Fürstenrät’ und Hofmarschälle
Mit trübem Stern auf kalter Brust,
Die ihr vom Kampf um Leipzigs Wälle
Wohl gar bis heute nichts gewusst,
Vernehmt! an diesem heut’gen Tage
Hielt Gott der Herr ein groß Gericht.
Ihr aber hört nicht, was ich sage,
Ihr glaubt an Geisterstimmen nicht.

Was ihr gesollt, hab’ ich gesungen,
Und wieder schwing’ ich mich empor,
Was meinem Blick sich aufgedrungen,
Verkünd’ ich dort dem sel’gem Chor:
Nicht rühmen kann ich, nicht verdammen,
Untröstlich ist’s noch allerwärts,
Doch sah ich manches Auge flammen,
Und klopfen hört’ ich manches Herz.

Karl Follen (1796-1840)#

Burschenfest 1817

Brause, du Freiheitssang, brause wie Wogendrang
aus Felsenbrust!
Feig bebt der Knechte Schwarm, uns schlägt das Herz so warm,
uns zuckt der Jünglingsarm
voll Tatenlust.

Gott Vater, dir zum Ruhm flammt Deutschlands Rittertum
in uns aufs neu.
Neu wird das alte Band, wachsend wie Feuersbrand
Gott, Freiheit, Vaterland,
altdeutsche Treu.

Stolz, keusch und heilig sei, gläubig und deutsch und Freitag
Hermanns Geschlecht!
Zwingherrschaft, Zwingherrnwitz tilgt Gottes Racheblitz,
euch sei der Herrschersitz,
Freiheit und Recht.

Freiheit, in uns erwacht ist deine Geistermacht,
Heil dieser Stund!
Blühend in Ritterkraft, glühend nach Wissenschaft
sei Deutschlands Burschenschaft
ein Bruderbund.

Schalle, du Becherklang, schalle du Hochgesang
aus deutscher Brust!
Ein Herz ein Leben ganz, stehn wir wie Wall und Schanz
Bürgen des Vaterlands,
voll Himmelslust.

Anastasius Grün (1806-1876)#

Dich, ernste Wartburg, möchte’ ich grüßen
Als Frühlings Burg zu aller Frist,
Da deutschen Lenz treu zu umschließen
Freistätt’ und Liebeshort du bist!

In dichter Wälder dunklem Rahmen
Wahrst du ein lichtes Frühlingsbild,
Dass allem, die zu dir je kamen,
Lenzahnung süß im Herzen quillt.

War’s nicht in deinen luft’gen Hallen,
Wo einst in alter Zeit erwacht,
Wie Leu-gewordne Nachtigallen,
Das Rauschen einer Liederschlacht?

Ein schönes Kämpfen, wo der Sieger
Mit Wohllaut süß den Gegner lähmt
Und den besiegten schwächern Krieger
Mit Wonne göttlich überströmt!

Du Fels,dran los die Donnerwolke,
Das Lenzgewitter, Luther, brach,
Da der Prophet zu seinem Volke
Verhüllt aus Wolkenschleiern sprach!

Das Wetter hat gereint, durchschüttert
Den Himmel, dass er heller blaut,
Manch morsches Haus in Grund zersplittert,
Dass fester, schöner man’s erbaut!

Du Steinwand, dran in spätern Tagen
Der Jugend üpp’ger Rebenspross
Lenzungeduldig ausgeschlagen,
Lenzübermütig frei aufschoss!

Die Rebe wollt’ im Keime sprühen
Von Früchten, die dem Herbst gespart!
Kein Edelreis, das nicht im Blühen
Schon künft’ger Frucht Bewusstsein wahrt!

Doch jetzt kein Frühlingslied mehr flötet,
Kein Blühn wagt sich zur Marmorflur;
Der Lenz hat selbst den Lenz getötet,
Gras säend auf der Edlen Spur.

Mit Polens Reichstag, als zerstoben
Sein Heer, im fremden Lande doch
Treu hielt zusammen, gotterhoben;
Da Polen nicht verloren noch!

So scharten Frühlings Auserkorne
Die Blumen hier sich bald aufs neu’,
Dass Lenz, der noch nicht ganz verlorne
Sich guter Stellvertreter freu’.

Da stehn sie, hütend seine Krone
In Feuerwächters Gartenplan:
Doch hat der Mann die Lärmkanone
Hart aufgefahren nebendran.

Dass nimmer Feuersnot empöre
Das liebe Städtchen Eisenach,
Den tiefen Waldesfrieden störe,
Der es umwölbt mit grünem Dach!

Der ehrne Nachbar dünkt erschreckend
Wohl eben nicht den Blumenbund;
Mohnköpfe spähn, empor sich streckend
Neugierig in des Mörsers Schlund.

Schlingblumen greifen in die Speichen,
Das Ungetüm hinwegzuziehn:
Am Pulverschrein, dreist ohne Gleichen,
Die kecken Feuernelken sprühn.

Der Mörser dient als Bank im Garten,
Es sitzt auf ihm ein zärtlich Paar;
Den Ausgang will ich nicht erwarten,
Da allerseiten Feurgefahr!

Jetzt hüpfen glühnde Rosenlunten
Sogar ums Zündrohr unbedacht,
Nun seid gefasst, ihr andern unten,
Dass bald die Lärmkanone kracht.

Ernst von Wildenbruch (1845-1909)#

Wartburg

Dunkles Tal zu meinen Füßen,
Nur zu Häupten lichte Höhn,
O du Herz in Deutschlands Busen,
Thüringen, wie bist du schön!

Aus der Tiefe unabsehlich
Steigt es Waldes grüner Schwall,
Blauer Himmel rings darüber,
Wonne, Wonne überall!

Und vom Berg zum Tal hernieder
Lichter Zinnen froher Glanz!
Wartburg, du auf Deutschlands Stirne
Bräutlich unberührter Kranz!

Ob des Morgens süßes Lächeln
Jauchzend alle Lande weckt,
Ob des Mondes weicher Schimmer
Flimmernd Tal und Hügel deckt:

Immer schön und immer lieblich,
Immer jung und immer neu,
In der Nähe, in der Ferne
Meine Seele bleibt dir treu!

Paul Heyse (1830-1914)#

Reisebriefe II.

Sehr nachdenklich meinen Tag begann ich.
Nach der Wartburg, unter missgelauntem,
Weinerlichem Himmel, dem zuweilen
Tropft’ ein Tränlein aus der Wolkenwimper,
Schritt ich aufwärts durch die Frühlingswälder,
Dachte, wie vor fünfundzwanzig Jahren
Singend ich denselben Weg gewandelt,
Wieviel Wasser wohl seitdem zum Meere,
Wieviel Blut vom Herzen mir geflossen,
Wie – mit einem Wort – ich alt geworden.
Könnt’ ich heut nicht meine Silberhochzeit
Feiern mit der alten Lutherfeste?
Sie zwar hat sich sehr verjüngt. Der Neubau
Mit den Fresken Meister Schwinds – die gute,
Dicke, kluge, fein Märchenseele
Schläft nun auch schon ihren letzten Schlummer –
Dann das reinlich aufgeräumte traute
Lutherstübchen – der berühmte Teufels-
Tintenfleck erst kürzlich frisch gefirnisst –
In dem Kasten auf dem Tisch, an dem die
Bibel übersetzt ward, eine Sammlung
Photographischer Karten (auch Fritz Reuters
Eisenacher Villa) – Neuerungen,
Die mich seltsam mahnten, wie die liebe
Zeit vergeht und wir mit ihr, und wenig
Nur besteht, vom Guten kaum das Beste.
Und nachdenklich nach dem neuerbauten
Gotisch aufgeputzten kleinen Wirtshaus
Ging ich, meiner Silberhoechzeitsstimmung
Einsam auf dem Söller nachzuhängen.
Zart im Duft verschleiert lag die Landschaft,
Und erblauend überm Tannendunkel
Sah das kahle Rhöngebirg herüber.
Aber neben mir im Schenkenstübchen
Lärmt’ ein Klaablatt Eisenacher Schüler,
Rauchend, Karten spielend und die Schenkin
Mit vorzeitigen Studentenwitzen
Um die Hüfte fassend. Süße Jugend!
Dacht’ ich. Hast auch du vielleicht vorzeiten
Hier dich aufgeführt im gleichen Stile,
So den Genius des Orts verleugnend?
Nein, wie sehr du warst ein grüner Junge,
Voller Schulwitz noch und Schülerpossen –
Erste Liebe schwellte dir die Seele,
Vor dir lag die Welt in Märchensonne,
Schon verstummtest du vor großen Namen.
Und das Spiel des Lebens, das du wagtest,
Nicht um Pfennige hing’s.

Joseph Victor von Scheffel (1826-1886)#

Wartburg

Wem wird nicht wohl zu Sinnen,
O Wartburg, adlig Haus,
Schaut er von deinen Zinnen
Ins grüne Land hinaus.

Brauchst Löwen nicht, noch Drachen
Als Hüter am Portal;
Viel gute Geister wachen
Um Turm und Rittersaal.

Und wie ein güldner Schleier,
Durchsichtig leicht und rein,
Schmiegt sich um dein Gemäuer
Der Dichtung Heiligenschein.

Das Lied sangkund’ger Meister,
Die Tugend hoher Frau’n,
Der Dank bedrängter Geister:
All’ halfen einst dich bau’n.

Und wo man allerwegen
Das Echt’ und Rechte hegt,
Dort ist ein eigner Segen
Ins Fundament gelegt.
Drum, wie dich selbst, du feste,
Neu baut ein hoher Sinn,
Erbaust du alle Gäste,
Die pilgernd zu dir ziehn.

Und keinen siehst du scheiden,
Der nicht den Hut noch schwenkt
Und nah und fern in Freuden,
O Wartburg, dein gedenkt.

Wartburg-Heimweh

Wo ich streife, wo ich jage,
Bleibt ein Wunsch mir ungestillt,
Weil ich stets im Sinne trage,
Wartburg, deiner Schönheit Bild.
In des Forsts umlaubtem Grunde,
In der Talschlucht dunklem Graus
Sehnt das Aug’ zu jeder Stunde
Sich nach dir, mein „Herz-ruh-aus“.

Hei, nun ist der Grat erstiegen,
Der sich hub als Scheidewand.
Und ich seh’ dein Banner fliegen
Fern um schmalen Felsenrand.
Gleich erregten Meereswogen
Sträubt sich Berg an Berg empor,
Deiner Mauern lichter Bogen
Ragt als Leuchtturm drüber vor.

Und ich kenn’ aus luft’ger Ferne
Jedes Stück des stolzen Baus,
Bergfried, Zwinger und Zisterne,
Palas, Tor und Ritterhaus:
Und ich grüß’ die kleine Lücke
In des Turmes hoher Wand,
Wo ich mir und meinem Glücke
Eine zweiter Heimat fand.

Der Bauleute Sang nach Vollendung des Landgrafenhauses

Dem Meister Heil, der hier in treuem Sinnen
Das Haus erschuf an steiler Felsenwand,
Im Waffenschmuck der Türme und der Zinnen
Wie ragt es königlich hinab ins Land!
Nach seinem Plan ward Stein auf Stein gerücket,
Der Raum geteilt, der Giebel aufgedacht:
Was uns in Hof wie Halle itzt entzücket,
Der kühne Schwung, das Ebenmaß, die Pracht:
Ist seine Schöpfung. Fröhliches Gelingen
Half ernster Fleiß und unermüdet Ringen.

Wie schnell zergeht, was andre Künste schaffen,
Das Wort verfliegt, der süße Ton verhallt,
Die reichste Farbe wehrt nicht als Gewaffen
Der Zeit Verwüstung, und ihr Schmelz wird alt.
Er aber hat sein Werk in Stein gedichtet
Und in den Berggrund quaderfest gesenkt,
Nun steht’s für alle Zukunft aufgerichtet
Bis keiner mehr in deutscher Zunge denkt,
Wahrzeichen fester Kraft und hoher Milde,
Dem Feind zum Trutz, dem Freund zu Hort und Schilde.

Erspart bleibt fürder, willst du Schönheit schauen,
Die Pilgerfahrt nach welschem Land und Meer,
Wetteifernd mit dem besten fremden Gauen
Prangt hier ein Kleinod, kunstdurchglänzt und hehr:
Gleich einem jener Marmorprachtpaläste,
Entstiegen aus Venedigs Meeresschoß.
Hebt sich Thüringens jungfräuliche Feste
Auf deutschem Berge säulenschlank und groß.
Statt Salzflutwogen rauscht um ihre Mauern
Der Eichen und der Buchen flüsternd Schauern.

Nun walte Gott ob den geschmückten Räumen
Und schirme, den die Burg als Herrn verehrt:
Viel gutes Tagwerk und viel süßes Träumen
Sei ihm und all den Seinen drin beschert.
Der Meister gibt die Schlüssel aus den Händen,
Ihn lobt sein Werk, er selber zieht davon;
Als Mann der Jugend Kunsttraum zu vollenden,
Ward ihm verliehn zu bestem Arbeitslohn.
Im Grundstein seines Baues ruht ein Segen:
Heil ihm und den Bewohnern allerwegen!

Wartburg-Dämmerung

Die Sonne ist verglommen,
Und Dämm’rung wandelt sacht.
Willkommen, Gottwillkommen,
O Burg auf hoher Wacht:
Gleich einem, dem im Dunkeln
Der Freundin Auge winkt,
Hat mir ein spätes Funkeln
Vom Turm noch zugeblinkt.

Denn wie der Tag erstehend
Mit erstem Strahl dich grüßt,
Hat er, zur Rüste gehend,
Zuletzt noch dich geküsst.
Noch schmiegt sich warm ein Glühen
Um deiner Felsen Moos,
Als riss’ es nur mit Mühen
Und Schmerz von dir sich los.

Dich liebt das Licht. Es webet
Goldfäden in dein Kleid,
Und jeden Stein umschwebet
Ein Hauch von Heiterkeit:
Drum hebt das Herz sich freier,
Der Sinn wird frisch und rein,
Dunstnebels blasser Schleier
Hüllt nur die Niedrung ein.

Und was am Niedern kleblich,
Vertörung, Hass und Wahn,
Das kreucht und keucht vergeblich
Zu deinen Höhn hinan.
Zu Gottes klaren Sternen
Hebst du das Haupt empor,
Aus lichten Himmelsfernen
Hörst du der Engel Chor!

Wartburg-Abschied

Schon jagt der Winterwind im Land
Das Laub von Busch und Bäumen,
Schneeweiß erblinkt der Höhen Rand.
O Burg, ich muss dich räumen!
Im blauen Banner sah ich gern
Den streifigen Leuen glasten,
Wohl dem, der bei des Leuen Herrn
Als Fahrender darf gasten!

Der Landgraf ist so wohlgemut,
Dass er mit stolzen Helden,
Was er an Schätzen hat, vertut,
Und solcher Sinn ist selten.
Fährt Zug um Zug zum Hofe ein
Und droht ihn aufzuzehren:
Er klagt noch, dass zu wenig sei’n,
Die seines Gutes gehren.

Bei ihm zerrinnt die schlimme Zeit
Mit Stechen und Tjostieren,
Mit Ritterspiel und Hövischheit,
Foresten und Turnieren;
Das beste Ross verschenkt sein Mund,
Als ob’s ein Lamm nur wäre,
Und gält ein Weinfass tausend Pfund,
Stünd’ doch kein Becher leere.

So lebt, o Herr, im Liede schon
Dein Lob und Anerkenntnis,
Und uns erquickt als bester Lohn
Ein freies Kunstverständnis.
Dir hat Frau Aventiuren Kuss
Die Jünglingsstirn geadelt,
Hoch ehrt dein Lob, doch danken muss
Auch der, den du getadelt.

Du hältst in kundig sichrer Faust
Die echte Wünschelrute,
Wo sie sich rührt, quillt und entbraust
Ein Strom von geistigem Gute.
Kraft, die sich zag nicht selbst vertraut,
Weckst du zu keckem Schaffen
Und rüttelst von der Bärenhaut
Die Trägen und die Schlaffen.

Und ziemt ein Wunsch, so sei es der:
Üb Maß in deinen Milden,
Es singt und siedelt auch ein Heer
Von Stegreifvolk und Wilden.
Setz einen Key als Seneschal
Zum Scheuche der Scherwenzer
Und sondre kunstgefügten Schall
Vom Dudeln der Schnarenzer.

Nun schirme Gott, du werter Mann,
Dein sinniges Gebaren!
Mein Dichten bleibt dir untertan,
Wohin ich auch mag fahren.
Magnetisch macht ein Druck der Hand
Der Lieder Knospen sprossen.
Bei Sold und Gold und Prunkgewand
Gedeihn sie nur verdrossen.

Wann wird’ ich an die Säulenzier
Des Burghofs wiedrum lehnen?
Das Tor knarrt auf, schon bläst man mir,
Mein Aug füllt sich mit Tränen.
Der besten Nachtigallen Schlag
Und Herzen sonder Tücke
Und aller Freuden Ostertag
Lass ich mit Schmerz zurücke.

Wie weit die Wartburg in ihrer Bedeutung für die studentische Traditionspflege ausstrahlte, zeigt das bekannteste Studentenlokal im Bereich der Grazer Karl-Franzens-Universität, das Wirts- und Couleurhaus „Zur Wartburg“ der 1869 gegründeten akademischen Burschenschaft Allemannia.

Wirts- und Couleurhaus „Zur Wartburg“