Der Mensch zwischen Gut und Böse, Tugend und Laster#
Ein romanisches Bilderbuch an der Apsis der Pfarrkirche von Schöngrabern in Niederösterreich#
Von
Die Bilder wurden vom Verfasser im Jahre 2000 aufgenommen. Sie sind Teil des Archivs „Bilderflut Jontes“
In Schöngrabern, einer Katastralgemeinde des Marktes Grabern im niederösterreichischen politischen Bezirk Hollabrunn, liegt urkundlich erstmals 1319 erwähnt die Pfarrkirche Unsere Liebe Frau Mariä Geburt. Diese steht etwas erhöht im nördlichen Ortsteil und stellt einen spätromanischen Saalbau mit eingezogenem Chor und Rundapsis dar, wie ein Blick erkennen lässt. Der Westteil ist während der Barockzeit zur Vergrößerung angebaut und mit einem Turm versehen worden. Pfarre wurde sie schon vor 1210 und die Errichtung der Kirche um 1220 dürfte mit dieser Pfarrerhebung im Zusammenhang stehen.
Umbauten im 18. und 19. Jahrhundert veränderten das Bild, ein romanisches Südportal wurde zugemauert. Kirchenbrände während der Franzosenkriege führten zu Zerstörungen, die u. a. eine Erneuerung des Langhausgewölbes erforderten. 1840 wurde das ursprüngliche Gewölbe im Chorraum entfernt und durch eine Kopie eines Kreuzrippengewölbes aus Holz ersetzt.
Im späten 18. Jahrhundert waren die Langhausaußenseiten mit Mörtel verputzt worden, den man 1907 wieder entfernte und somit die Fügungen aus romanischer Zeit freilegte. Der romanische Rundbogenfries und Zahnschnitt kamen dabei wieder zur Geltung.
Dabei kamen auch Reliefs mit Darstellungen zum Vorschein, die als Monatsbilder für Dezember und Jänner gedeutet werden-.
Die Monatsbilder Dezember und Jänner an der Langhauswand
Ein weibliches Fabelwesen mit Fischleib spielt Harfe und erregt die Aufmerksamkeit eines Hundes, während daneben ein Mann mit Schwert einen sich aufbäumenden Eber tötet.
Am ehesten könnte dieses Rad noch für den Jahresanfang, also den Jänner stehen. Ohne eine Verbindung herstellen zu wollen, denkt man an die Carmina Burana, dieser Sammlung von Vagantenliedern, die im 11., 12. und 13. Jahrhundert entstanden sind. Carl Orff hat in seiner Vertonung für Orchester und Stimmen an den Anfang und an das Ende als machtvollen Chor eine Anrufung des Glücks und zwar in ihrer Spielart als Fortuna gesetzt. Im mittellateinischen Original heißt es O fortuna velut luna statu variabilis / O du Schicksal, wie der Mond veränderst du dich ständig. Wer es im Relief antreibt und wem es hinterher rollt, lässt sich nicht deuten. Ebenso wenig kann man die in Speichen des Glücksrades verflochtenen Wesen entwirren oder gar erklären.
Eine Innenrenovierung 1936/37 entfernte störende barocke und spätere Umgestaltungen und legte u. a. auch mittelalterliche Vorzeichnungen für Wandmalereien frei, die in ihrer fast nur schattenhaft erhalten gebliebenen Textur gerade noch erkennen lassen, dass es sich um Teufel handelt.
Der mittelalterlichen Auffassung gerecht wird die Darstellung des Satans mit krallenbewehrten Vogelfüßen. Später wird ja daraus ein Huf. Die Fledermausflügel kennzeichnen ihn als Geschöpf der Nacht. Es handelt sich um eine Szene, die sich zwischen einem großen und einem wesentlich kleineren Teufel abspielt. Der „Hilfsteufel“ hat ein zusätzliches Attribut, das ihn in den untersten Bereich der satanischen Gesellschaft verbannt. Er hat wie oft die irdischern Bettler einen Stelzfuß, er ist somit höllischer Abschaum.
Bei dieser Wandmalerei handelt es sich um das Motiv des sogenannten Schreiberteufels oder des Teufels mit dem Sündenregister um eine nur selten belegte Darstellung wie der Satan gezwungen wird, den Mächten des Himmels dienen zu müssen. Nach einer mittelalterlichen Legende musste er während der Messe hinter dem Altar stehen und alle diejenigen Kirchenbesucher aufschreiben, die während der Messe schwätzten und sich ungebührlich benahmen. Nun konnte man eines Tages beobachten, wie dem Teufel das Pergamentblatt zu klein wurde und darauf kein Platz mehr war, die diesmal besonders zahlreichen Sünder zu notieren. Aber er wusste sich zu helfen, indem er mit Zähnen und Pratzen das Pergament packte und mit Gewalt auseinanderzerrte, um es zu vergrößern und damit Platz zu schaffen für die Liste der zu Bestrafenden. Auf unserem Fresko hier sieht man ihn schreiben und dabei hält ihm sein Helfer das Blatt.
Dieses Motiv hatte noch im Barock Bestand, zeigt doch in der dortigen Bibliothek eine der Skulpturen der Vier Letzten Dinge von Joseph Thaddäus Stammel einen solchen Schreiberteufel mit Tintenfass, Feder und sogar einer Brille auf der Nase.
Die halbkreisförmige Apsis zeigt eine sehr klare vertikale Gliederung. Nach oben hin begrenzen Bogenfries und Zahnschnitt die Fensterzone, deren Felder durch Halbsäulen mit figuralen Kapitellen Zonen bilden, welche die stark schattenden Hochreliefs tragen, die nicht in Kartuschen gefasst sind, sondern frei aus der Wand dringen. Das ergibt 6 rechteckige Felder. Ein Kordongesims trennt die Apsis horizontal und darunter gibt es drei weitere Zonen mit Reliefs. Diese sind so hoch angebracht, dass menschliche Hände sie nicht erreichen, beschädigen oder schänden können.
An der Südseite zeigt sich über dem Rundbogenfenster die Heiliggeisttaube über den Krügen der Hochzeit von Kana, dazu in der Mitte der Kopf Gottvaters und rechts die Muttergottes mit dem Christkind. Dadurch wird in Zusammenschau die hl. Dreifaltigkeit ins Bild gebracht. Neben dem Fenster trennen zwei reich verzierte Säulen die Szenen.
Im linken Feld wird im Jüngsten Gericht das Urteil über einen Toten gesprochen, der von einem Teufel bedrängt wird. Auf der anderen Seite aber steht der hl. Erzengel Michael als der Seelenwäger, der mit seiner Waage Gut und Böse im Leben des zu Richtenden vergleicht.
Rechts könnte es um die Verdammung der Eitelkeit gehen und unterhalb des großen Gesimses spielt sich der Sündenfall im Paradies ab.
Adam und Eva beim Sündenfall bilden eine sehr drastische Gruppe. Ein Schlangenwesen klammert sich an den Arm der Eva, die einerseits mit der Hand ihre Scham bedeckt, mit der anderen aber mit weit aufgerissenen Augen den Apfel zum Mund führt. Über Adams Unterleib hat sich ein schirmendes Blatt gelegt. Er greift mit der Rechten in den mit Früchten und Blättern bedeckten Baum der Versuchung, während ihn ein Dämon an der Schulter fasst.
Links neben dem Fenster erblickt man die Fabel vom Wolf und dem Kranich, rechts kämpft Samson mit dem Löwen, während über dem Fenster Mönch und Nonne in die Gewalt des Teufels gekommen sind. Unter dem Gesims nähern sich Kain und Abel mit ihren Opfergaben dem thronenden Gottvater. Darunter verschlingt ein Drache einen Menschen.
Kain ist der älteste Sohn der Menschheitseltern und wird in der Bibel als gewalttätiger Frevler dargestellt, während sein Bruder Abel im Alten Testament durch Opfer und Tod gleichsam den Opfertod Christi vorwegnimmt, präfiguriert. Kain wird laut Genesis 4, 1-16 als Ackerbauer, Abel hingegen als Viehzüchter und Schafhirt bezeichnet.
Ganz symmetrisch in seiner Haltung thront Gottvater im reich geschmückten Gewand. Die rechte Hand ist segnend erhoben, die linke hält ein Schwert am Griff umklammert, das die Richtergewalt symbolisiert. Sein strenger Gesichtsausdruck weist auch auf seine Macht des Urteilens und Strafens.
In der Bibel heißt es: Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn ein Opfer von den Früchten des Feldes dar; auch Abel brachte eines dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr schaute auf Abel und sein Opfer, aber auf Kain und sein Opfer schaute er nicht. Die Beinbewegung Kains zeigt hier das Herbeieilen. Er trägt in Händen eine sorgfältig gebündelte Getreidegarbe.
Da Gott Kains Opfer nicht annimmt, erfüllt denselben Hass gegen seinen Bruder. Und die Bibel dazu: Hierauf sagte Kain zu seinem Bruder Abel: Gehen wir aufs Feld! Al sie auf dem Feld waren, griff Kain seinen Bruder Abel an und erschlug ihn. Auf dem Relief hat der Bildhauer das Opfer mit dem Mord vereint. Abel trägt ein Lamm zu Gott hin, während ihn Kain mit finsterem Gesichtsausdruck am Haar fasst. Der zum tödlichen Schlag erhobene Arm ist abgebrochen. Die Bruchreste erlauben aber die Deutung dieser Geste.
An der Nordseite der Apsis steht rechts der Kampf eines Mannes mit einem Bären, links die mutmaßliche Versuchung des Mannes durch das Weib, während über der Fensterlaibung zwei Menschen an Christus hängen. Das Relief unter der Konsole zeigt den Kampf Davids mit dem Löwen.
Mit einer Stichwaffe kämpft ein Mann gegen einen bedrohlich das Maul aufreißenden Bären, der einen Menschen mit seinen Pranken umschlungen hält. Das Tier verkörpert das Böse. Von hinten wird er von einem Hund angegriffen.
Dieses Relief wird als Versuchung des Mannes durch die Frau interpretiert. Ein kurzberockter Mensch hat seine Arme wie schützend vor der Brust verschränkt, während das Weib mit tief fallender Haartracht und langem Kleid, anscheinend einen Spiegel als Symbol vor der Brust haltend einen Blumenstrauß in Richtung des Mannes hält. Das Motiv entspricht der Haltung der Zeit zu der Polarität der Geschlechter.
Simson tötet den Löwen, der mit seiner Mähne als ein solcher charakterisiert wird. Simsons Waffe soll ein Eselskinnbacken sein. Auch Hunde beteiligen sich an dem Kampf.
Der Blick durch das romanische Langhaus und den Chorbogen in die ihres originalen Gewölbes beraubte halbkreisförmige Apsis.
Das Langhausgewölbe wurde erneuert, als ein Kirchenbrand 1809 das ursprüngliche zerstört hatte.
Der romanische Kruzifixus ist eine Kopie desjenigen in der Wiener Ruprechtskirche
Das gotische Fresko um 1330 zeigt eine Schutzmantelmadonna mit gegürtetem, pelzgefüttertem Gewand und Stifterfiguren.
Apostelfiguren als Reliefs aus der Zeit nach 1200 an der inneren Nordmauer vom ursprünglichen romanischen Westportal
Romanisches Sakramentshäuschen mit schmiedeeisernem Gitter aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts.