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Gefälschte Landkarten#

Teil des Austria-Forum Archivs#

MATRIX Über geografische Daten und ihre Auslegungen

Landkarten sind Machtinstrumente. Oft wurden sie in der Geschichte nach den Vorstellungen von Politik und Machthabern gezeichnet, nicht entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen. Joseph Daniel von Huber kartierte 1770 die Stadt Wien. Die realistische Darstellung missfiel dem Hofkriegsrat. Die Karte durfte erst gedruckt werden, als von Huber die Befestigungsanlagen, etwa die Mölker Bastei, viel mächtiger und größer darstellte als im Entwurf. Die überdimensionale Darstellung der Verteidigungsmauern sollte Angreifer abschrecken.

In der Sowjetunion war die Kartenfälschung seit ihren Anfangszeiten integraler Bestandteil der Po1itik. Josef Stalin begann schon in den 1930er Jahren damit, irreführende Karten des Staatsgebietes anfertigen zu lassen. Sie machten es den deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg besonders schwer, sowjetische Ziele anzugreifen. Statt Brücken oder Straßen fanden sie oft Sümpfe oder Schluchten. Später trachteten die Auftraggeber von Karten der UdSSR vor allem danach, durch (unrealistische) Größe die Welt zu beeindrucken. Erst mit den aufkommenden Satellitenbildern bekam die Menschheit Korrektive in die Hände, die auch die Sowjetunion die Kartenmanipulationen aufgeben ließen.

Nicht so China. China hat ein eigenes Kartengesetz mit rund 70 Paragrafen. Nur wenige Firmen dürfen dort überhaupt Karten drucken. Und wenn westliche Firmen Globen oder Atlanten in China anfertigen lassen, wird die chinesische Sicht der Welt gedruckt. Vor allem besteht China auf die "Nine—Dash Line" - das ist quasi die virtuelle Annexion von Taiwan sowie von großen Teilen des Südchinesischen Meeres bis zu den Philippinen und Malaysia. Auch die Grenzen zu Indien sind mehr oder weniger "politisch erfunden".

Dies bildet auch Google Maps ab. Wie der Künstler Simon Weckert in einer Arbeit dokumentiert, sehen die Landesgrenzen von Indien oder China ganz anders aus, je nachdem, wo man den digitalen Kartendienst benutzt. Der indische Bundesstaat Himachal Pradesh liegt am Himalaya und grenzt im Osten an Tibet. Ruft man Google Maps von China aus auf, ist Himachal Pradesh weitaus kleiner als in der indischen Ausgabe der Karte. Die Suchmaschine passt sich also den geografischen Wünschen der jeweiligen Länder und ihrer Machthaber an.

Geodaten lassen sich aber auch ganz privat fälschen. Für Mobiltelefone gibt es mittlerweile eine Menge Werkzeuge; die Positionen nur vortäuschen. Mit "Geo-Spoofing" kann man einerseits Fotografien von Orten fingieren, die man nie besucht hat (weil die Koordinaten bei vielen Smartphones auf Wunsch in das Bild integriert werden). Sie können andererseits aber auch benutzt werden, um Dienste in Ländern aufzurufen, die sich etwa durch "Geo-Blocking" abschotten. Virtuelle Geodaten sind eben manchmal im ureigenen Sinn des Wortes nur virtuell. Das zeigt auch MATRIX am 30. September über die Atlasgestaltung als Machtwerkzeug und die digitalen Assistenten der Fälscher:innen.

Warum geografische Grenzen im Netz mit Vorsicht zu genießen sind,
MATRIX 30.9., 19:05 Uhr
© ORF Jede Art der Kopie des mp3 files ist ohne ausdrückliche Genehmigung des ORF verboten
Text: Franz Zeller, Producer der Ö1 Sendereihe MATRIX