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Die gesprengte Kette#

Die Hintergründe zum seit 75 Jahren gültigen österreichischen Bundeswappen.#


Von der Wiener Zeitung (13. Mai 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Peter Diem


Am 13. April 1945 endete die Belagerung Wiens durch die Rote Armee. Das Kriegerdenkmal am Schwarzenbergplatz erinnert daran, dass 18.000 russische Soldaten (vor allem aus der Ukraine) bei der Befreiung Wiens gefallen waren. Auch die Verluste auf deutscher Seite waren ähnlich hoch - beides für unsere heutigen Begriffe unfassbare Zahlen. Russische Soldaten traten aber nicht nur als Befreier von der Nazi-Herrschaft auf, sondern verübten im Überschwang ihres Sieges ungezählte Schandtaten.

Peter Diem ist Rechts- und Staatswissenschafter, Akademischer Übersetzer und Politikwissenschafter. Er war unter anderem Leiter der Grundlagenforschung der ÖVP, Leiter der Medienforschung im ORF, Konsulent bei GfK Wien und Lehrbeauftragter an den Universitäten Wien, Salzburg und Innsbruck.
Peter Diem ist Rechts- und Staatswissenschafter, Akademischer Übersetzer und Politikwissenschafter. Er war unter anderem Leiter der Grundlagenforschung der ÖVP, Leiter der Medienforschung im ORF, Konsulent bei GfK Wien und Lehrbeauftragter an den Universitäten Wien, Salzburg und Innsbruck.
Foto: © privat

Vermehrt durch den Abtransport österreichischer Industrieanlagen wurde das Image der Befreier so geschädigt, dass die Beteiligung der KPÖ an der am 27. April 1945 gebildeten provisorischen Staatsregierung politisch praktisch folgenlos blieb und sie bei der ersten Nationalratswahl am 25. November nur auf 5,4 Prozent der Stimmen und damit nur auf 4 Mandate im Nationalrat kam. Wien lag in Trümmern, Stephansdom und Staatsoper waren ausgebrannt. Bis zum tatsächlichen Kriegsende in Europa, der bedingungslosen Kapitulation der Armee Hitler-Deutschlands am 8. Mai, sollte noch mehr als eine Woche vergehen. Die Versorgungslage war katastrophal - auch wenn die Rote Armee der Wiener Bevölkerung 12.000 Tonnen Lebensmittel, darunter eine Tonne Erbsen, spendete.

Erneuerung der demokratischen Rechtsordnung#

Und dennoch begann Österreich schon in diesen Tagen mit der Erneuerung der demokratischen Rechtsordnung. Am 1. Mai 1945 wurde die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920 in der Fassung von 1929 wieder in Kraft gesetzt. Und am selben Tag beschloss die provisorische Staatsregierung das Gesetz "über Wappen, Farben, Siegel und Embleme der Republik (Wappengesetz)". Es war Karl Renner, der erste Kanzler auch der Zweiten Republik, der die Initiative hierzu ergriff. Er brachte am 30. April in der zweiten Sitzung des Kabinettsrats den Antrag auf Anbringung einer "mattsilbernen, entzweigerissenen Kette zwischen den Fängen des Bundesadlers" ein. Als "Kabinettsrat" fungierte die Staatsregierung ja als provisorischer Gesetzgeber.

Mit der Herstellung des neuen Siegels wurde Karl Ernst Krahl vom Heraldischen Institut (das es heute nicht mehr gibt) beauftragt. Bereits im 2. Stück des neuen Staatsgesetzblattes am 1. Mai 1945 verlautbart, bestimmt das Wappengesetz 7/1945:

"Artikel 1. (1) Die Republik Österreich führt das mit Gesetz vom 8. Mai 1919, StGBl. Nr. 257, eingeführte Staatswappen, das die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone, versinnbildlicht, wieder ein. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.

(2) Die Zeichnung des Staatswappens ist aus der einen Bestandteil dieses Gesetzes bildenden Anlage ersichtlich."

Diese Anlage wurde am 20. Juni 1945 im Staatsgesetzblatt unter der Nummer 22/1945 nachgereicht. Sie ist bis heute die einzige heraldisch korrekte offizielle Darstellung des österreichischen Bundeswappens. Dabei geht es vor allem um die Schraffierung, die bei schwarz-weißen Darstellungen die Farben ausdrückt: senkrecht schraffiert = Rot (Zunge, die beiden Felder im Bindenschild), punktiert = Gold (Schnabel, Mauerkrone, Hammer, Sichel). Aus der heraldisch korrekten Schwarz-Weiß-Darstellung leitet sich die korrekte farbige Version ab (siehe Bilder).

Der offizielle Bundesadler in Schwarz-Weiß und in Farbe. - © Illustration: Republik Österreich
Der offizielle Bundesadler in Schwarz-Weiß und in Farbe.
Foto: © Illustration: Republik Österreich

Korrektes österreichisches Bundeswappen ist vierfärbig#

Der Text des Wappengesetzes 1945 macht deutlich, dass das Bundeswappen nicht ein einfacher schwarzer Adler wie etwa jener der Bundesrepublik Deutschland ist. Der Text dokumentiert, dass der Bundesadler nicht zwei Attribute (nämlich Hammer und Sichel wie im Sowjetwappen) besitzt, sondern mehr: den rot-weiß-roten Bindenschild, die goldene Stadtmauerkrone, die goldene Sichel, den goldenen Hammer und die gesprengte Eisenkette. Leider wird in der Folge die Farbe Gold immer wieder ausgelassen - so bis heute selbst in den offiziellen Publikationen der Präsidentschaftskanzlei. Ob dahinter die mittlerweile völlig unbegründete Angst steckt, das Zusammenspiel der Farben Schwarz, Rot und Gold könnte als deutschnationales Signal angesehen werden, oder nur die übliche österreichische Schlamperei, wird sich wohl kaum ergründen lassen.

So muss man leider feststellen, dass bis heute praktisch nur das Bundesheer das korrekte Wappen und die korrekte Flagge mit dem Wappen verwendet. Umgekehrt setzt sich besonders bei großen Sportveranstaltungen die Wappenfahne immer mehr durch, was die demokratiepolitische Frage aufwirft, ob sie nicht zum allgemeinen Gebrauch - also nicht nur für Bundesdienststellen - zugelassen werden sollte.

Die heraldisch korrekte Beschreibung des Bundeswappens blieb jahrzehntelang nur einfach-gesetzlich geregelt, bis sie 1981 als Artikel 8a ins Bundesverfassungs-Gesetz aufgenommen wurde. Das mittlerweile online verfügbare Ausführungsgesetz, das erst drei Jahre später beschlossene Wappengesetz 1984, enthält weder eine korrekte schwarz-weiße noch eine für die Fahnenproduktion brauchbare digitale Farbdarstellung. Eine diesbezügliche Novelle ist dringend nötig. Denn nur damit kann das für Österreich international blamable Wirrwarr an Wappen- und Flaggendarstellungen beseitigt werden.

Wiener Zeitung, 13. Mai 2020

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