Auf der Suche nach einem Symbol: Das Staatswappen Österreichs 1934-1938#
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- Dieser Beitrag erschien in der österreichischen Zeitschrift für Genealogie und Heraldik ADLER, Band 24, Heft 6 und kann als PDF-File Zum Staatswappen 1934 mit einem reichen Anmeldungsapparat heruntergeladen werden.
Um die Entstehung dieses nur knapp vier Jahre existierenden Wappens wirklich verstehen zu können, muss fünfzehn Jahre zurück, an den Beginn der Ersten Republik gegangen werden, als die alten kaiserlichen Symbole durch die neuen republikanischen ersetzt wurden. Die Gründung des neuen Staates machte auch die Schaffung neuer Hoheitszeichen notwendig, um die junge Republik nach außen zu repräsentieren: Eine neue Flagge und ein neues Wappen mussten kreiert, Gebäude beflaggt, Uniformen gekennzeichnet und Dokumente gesiegelt werden, die neuen Geldscheine, Münzen und Briefmarken sollten die entsprechenden Embleme tragen. Auch sollte bei Staatsfeiern und Sportveranstaltungen eine neue Hymne erklingen.
Vorgeschichte#
Der Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie am Ende des Ersten Weltkriegs, der rasche Übergang von einem monarchischen zu einem republikanischen System und die erzwungene Reduktion des Staatsgebietes auf einen Kleinstaat hat in vieler Hinsicht zu einer Krise der österreichischen Identität geführt. Nicht einmal der Name des neuen Staates war klar und unumstritten. Es war die Rede von der: Republik Südostdeutschland (Karl Renners erster Verfassungsentwurf vom Oktober 1918), die dann die Provisorische Nationalversammlung am 30. Oktober 1918 in den Namen Deutsch-Österreich abänderte. Als sich im Laufe des Jahres 1919 immer mehr die Gewissheit durchsetzte, dass die Länder Deutsch-Böhmen und Sudetenland sowie die südmährischen Gebiete nicht im Verband der Republik Deutsch-Österreich verbleiben würden, neigte die Regierung Renner sogar der Bezeichnung "Ostalpenlande" oder "deutsche Alpenlande" zu. Erst der Friedensvertrag von St. Germain im September 1919 schuf Klarheit und legte das Staatsgebiet und den Namen Republik Österreich fest.
Dies zeigt die grundsätzliche Problematik, unter der die damaligen politischen Gruppierungen agierten. Die jahrhunderte lange gemeinsame Geschichte mit dem Heiligen römischen Reich deutscher Nation, die durch die im 19. Jh. entwickelte Vorstellung einer Sprach- und Kulturnation noch ideologisch untermauert wurde, erschwerte die Identifikation mit dem bestehenden Kleinstaat und erhöhte die Bereitschaft zum Anschluss an das Deutsche Reich. Dazu kam, dass Viele nicht an die Lebensfähigkeit des Staates glaubten, da nach dem Zerfall des habsburgischen Vielvölkerstaates, der größte Teil der Wirtschaftsunternehmen im Ausland lag.
So war es nicht verwunderlich, dass in den Tagen des Staatsumbruchs auch immer wieder schwarz-rot-goldene Fahnen, Armschleifen und Kokarden auftauchten, aber auch rote Fahnen zu sehen waren. Die schwarz-rot-goldenen standen für die die deutschnationalen, das Rot für die sozialdemokratischen und kommunistischen Anhänger...
Schneller noch als mit dem Staatsnamen war man bei der Wahl der Staatsfarben zu einem Ergebnis gekommen. Bereits am 31. Oktober 1918, noch vor Ausrufung der Ersten Republik, wurden auf Vorschlag des christlichsozialen Abgeordneten Wilhelm Miklas vom Staatsrat, der damals provisorisch die Regierungsgeschäfte führte, die neue Staatsfarben festgelegt. Unter Umgehung der den Habsburgern zugeordneten schwarz-gelben Farben, war man auf die älteren babenbergischen Farben Rot-Weiß-Rot gestoßen. Obwohl diese Farben auch im sog. genealogischen Wappen, dem Hauswappen Habsburg-Lothringischen Dynastie vorkommen, waren sie im Bewusstsein der Bevölkerung nicht so tief verankert, und wurden vor allem nicht so sehr mit Habsburg identifiziert, wie die schwarz-gelben Farben.
Bei der Wahl eines Wappens war es vor allem Staatskanzler Karl Renner, der sich im Alleingang in mehreren Schritten als Symbolstifter hervortat. Angesichts der angespannten Lage trat Staatskanzler Renner in seinen Reden immer für die Zusammenarbeit aller drei großen Stände der Bürger, Bauern und Arbeiter ein. So wie in der Regierung die drei staatstragenden Klassen zusammenarbeiten, sollten Sie sich auch im Wappen symbolisch wieder finden. Deshalb bestand sein erster Entwurf "aus einem Stadtturm aus schwarzen Quadern, gekreuzten Hämmern in rot, umgeben von einem goldenen Kranz von Aehren" . Diese Konstruktion war jedoch einem Firmenlogo ähnlicher als einem staatlichen Emblem, weshalb sie auch von den damaligen Zeitgenossen heftig kritisiert worden war.
In weiterer Folge war man jedoch bestrebt, die Konzeption des Staatswappens auf eine breitere Basis zu stellen. Aus den verschiedensten Entwürfen gelangte man schließlich wieder zum traditionellen Adler zurück, der jedoch im Gegensatz zu seinem monarchischen Erscheinungsbild nur noch einen Kopf besitzen sollte. Die Symbolisierung der drei Stände Bürger, Bauern und Arbeiter, stellte dabei die Kernaussage des Emblems dar, gewissermaßen als Zeichen der Sozialpartnerschaft, die im Sinne des Gesamtstaates zusammenarbeiten sollten. Wie der christlichsoziale Abgeordnete und spätere Bundeskanzler Rudolf Ramek in seiner Funktion als Berichterstatter für die Abgeordneten des Nationalrates ausführte, sollte der Adler Sinnbild der Staatlichkeit und der Staatsgewalt sein. Sichel und Hammer sollen Zeichen der gesamten wirtschaftlich tätigen Bevölkerung in Stadt und Land sein. Als Zeichen der Staatsform war die Mauerkrone (Republik) im Gegensatz zur Kaiserkrone (Monarchie) gedacht, aber nicht als Symbol des Bürgertums. . Die in den beiden Wappenvarianten auftretenden Farben ließen zwar Anklänge an die deutschen Farben Schwarz-Rot-Gold erkennen, um in dezenter Weise die nationale Zusammensetzung des Staates anzudeuten, jedoch dominierte der Rot-weiß-rote Brustschild des Adlers die Gesamterscheinung.
Die heraldische Ausarbeitung wurde an den Wappenmaler Ernst Krahl übertragen, der sich jedoch stilistisch nicht am babenbergischen Adler orientierte, wie es den neuen Staatsfarben rot-weiß-rot entsprochen hätte, sondern an dem Adler, der gegen Ende der Monarchie von Hugo Gerard Ströhl entworfen worden war.
Die konstituierende Nationalversammlung beschloss schließlich am 8. Mai 1919 dieses Wappen ohne irgendeine weitere Diskussion. Offensichtlich überlagerten die bevorstehenden Friedensverhandlungen in St. Germain bereits jegliche anderen politischen Themen. Während die christlichsoziale Partei und ihr Organ, die Reichspost, die Annahme des Wappens nicht weiter kommentierte, erschien in der Arbeiterzeitung ein eher sich belustigender Artikel mit der einleitenden Feststellung: "Schon lange haben wir das Gefühl gehabt, dass uns etwas fehlt, aber wir sind lange nicht darauf gekommen, was. Nun sehen wir, dass es hauptsächlich das Staatswappen sei." Zu den Symbolen wird lediglich bemerkt, "ob es nicht möglich gewesen wäre, diese Symbole reiner, also nicht auf dem Umweg über diesen einköpfigen Adler zu verwirklichen, müssen wir zur Entscheidung Berufeneren überlassen". Wenn also Hammer und Sichel auf sozialistischen oder gar kommunistischen Druck hin in das Wappen aufgenommen worden wären, wie dies später immer wieder behauptet wurde, hätte man vom Organ der Sozialdemokratie wohl einen etwas euphorischeren Artikel erwartet.
Überdies war die charakteristische Kombination von Hammer und Sichel unter den Symbolen der österreichischen Sozialisten nicht in Gebrauch. Es gab wohl den Hammer, der von zwei Händen gehalten wurde, jedoch die kreuzweise übereinander liegenden Hammer und Sichel tritt in keinem österreichischen propagandistischen Bildwerk hervor. Ein frühes Beispiel der gemeinsamen Verwendung von Hammer und Sichel konnte lediglich in der ungarischen Reichshälfte der Monarchie 1904 bei einem Maiabzeichen festgestellt werden.
Im Verlauf der proletarischen Revolution 1917/1918 waren in Russland mehrere Symbole entstanden: Hammer und Amboß, eine geballte Arbeiterfaust, Säbel und Gewehr gekreuzt. Im Februar 1918 fasste der Rat der Volkskommissare den Beschluss, Hammer und Sichel in das Emblem der Sowjetmacht aufzunehmen. Es sollte jedoch noch bis 1924 dauern, bis nach Gründung der UdSSR diese Werkzeuge zum Bestandteil des offiziellen Staatswappens erklärt werden sollten. Tatsächlich wurden ab diesem Zeitpunkt Hammer und Sichel zum klassischen Abzeichen aller kommunistischen Parteien nach dem Ersten Weltkrieg. Auch die Künstler bemächtigten sich alsbald dieses Abzeichens, um es auf Denkmälern, Plakaten, Filmen, Theateraufführungen und sonstigen Bau- und Kunstwerken zu verwenden und derart zu seiner steten Verbreitung beizutragen.
Gleichzeitig trat damit jene fatale Parallelentwicklung ein, die bis zum heutigen Tag Diskussion hervorruft und die Attribute des Adlers Hammer und Sichel in ein Zwielicht stellt. Immer wieder wurden diese Symbole verdächtigt durch kommunistische Einflussnahme auch in das österreichische Staatswappen geraten zu sein.
Die Furcht vor einer kommunistischen Machtübernahme war von Beginn der Republik an eine große und ein ständiger Begleiter. Als am 12. November 1918, die neue Republik vor dem Parlament proklamiert und die neue Staatsflagge gehisst werden sollte, kam es zu einem folgenschweren Zwischenfall. Die dort anwesenden "Roten Garden", eine Gruppe radikaler Sozialisten, hatten nämlich die weißen Streifen aus den Fahnen herausgerissen, weshalb nur rote Stoffbahnen emporstiegen. Die tägliche Politik wechselte ständig zwischen den beiden Möglichkeiten, entweder in einer Demokratie zu überleben, oder in eine kommunistische Diktatur zu stürzen. Die Proklamierung von Räterepubliken in der unmittelbaren Nachbarschaft, am 21. März 1919 in Budapest und am 5. April in München, ließ alle radikalen Elemente der Linken aktiv werden. Die Abgrenzung von den radikalen Sozialisten zu den Kommunisten war eine fließende. Immer wieder gab es revolutionäre Ausbrüche. Sowohl am 17. April, als auch am 15. Juni 1919, kam es zu kommunistischen Putschversuchen zwecks Ausrufung einer Räterepublik nach dem ungarischen oder bayerischen Muster, die jedoch im Sande verliefen.
Das Kruckenkreuz als Ordenszeichen#
Besonders die christlichsoziale Partei und ihr Bundeskanzler Prälat Ignaz Seipel machten sich zum Vorkämpfer um die Entfernung der berüchtigten Werkzeuge. Als 1923/24 ein neues republikanisches Ordenssystem, Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich genannt, geschaffen werden sollte, lag es auf der Hand, dass der neue Staatsadler Hauptbestandteil des Zeichens werden sollte. Bundeskanzler Seipel lehnte jedoch den Adler als Halsdekoration wegen der "bolschewistischen Attribute" Hammer und Sichel, die "im Ausland einen ungünstigen Eindruck" machen könnten, ab. Schließlich einigte man sich im Ministerrat auf die Anbringung des Staatswappens nur auf einfachen Medaillen, wobei "Sichel und Hammer nicht gar zu auffallend proportioniert" sein sollten. Die ersten sieben Grade des Ordens erhielten als zentrales Zeichen das Kruckenkreuz, das damit erstmals 1924 in die Reihe der Staatssymbole aufgenommen wurde. In weiterer Folge wurden das Kruckenkreuz auch auf Münzen verwendet: Am Revers der 200 Kronen Münze und nach 1924, nach Einführung der Schillingwährung, auf den 2 und 5 Groschen Münzen. Auf Briefmarken hingegen fand das Kruckenkreuz zunächst keine Verwendung.
Seipel vertritt damit eine Haltung, die symptomatisch für das christlichsoziale Lager war. Nach dem Untergang des Habsburgerreiches pflegte man dort eine gewisse Reichsromantik, d.h. dass das gegenwärtige republikanische Klein-Österreich nur eine Zwischenstufe darstelle, die eigentliche Aufgabe Österreichs jedoch in einem größeren Territorium in unbestimmter Zukunft liege. Dieses religiöse Sendungsbewusstsein war bereits im christlichsozialen Organ der "Reichspost" im November 1918 erkennbar, wo darauf hingewiesen wird, dass die neuen Staatsfarben schon die Babenberger und die österreichischen Kaiser getragen hätten und "an eine der ruhmvollsten Kreuzzugepisoden" erinnern würden. Die Anspielung auf die Kreuzzüge war es wohl auch, die das Kreuz, und zwar in Form des Kruckenkreuzes als Hauptsymbol forcierte.
Der scharfe antimarxistische Kurs des bürgerlichen Lagers machte keinen großen Unterschied zwischen Austromarxismus und Bolschewismus. Im Verlauf der Verfassungsdiskussion 1929 forderte die Reichspost die "Korrektur des österreichischen Wappens durch Entfernung der unseren Staat kompromittierenden Moskauer Bolschwikensymbole und durch künstlerische Umgestaltung des einköpfigen Adlers und durch Umgestaltung des einköpfigen Adlers, dieser zermalmten Spottfigur umstürzlerischer Einfaltspinsel". Die Verhandlungen der bürgerlichen Parteien mit den Sozialdemokraten um eine Reform der Verfassung sahen deshalb unter anderen Punkten auch eine Entkleidung des Adlers von Hammer und Sichel vor. Die langwierigen Verhandlungen, die Österreich an den Rand des Bürgerkriegs brachten, endeten schließlich ohne Änderung des Bundeswappens.
Anfang der 1930er Jahre verschärfte sich die allgemeine politische Lage immer mehr, hervorgerufen durch die Krise der Weltwirtschaft und der parlamentarischen Demokratie. Überall in Europa entstanden autoritäre und faschistische Bewegungen. 1933 nützte Bundeskanzler Dollfuß eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit des Nationalrates aus und erklärte die "Selbstauflösung" des Parlaments und das Regieren mit dem Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz aus 1917. Dieser Weg mündete über eine Reihe von Verfassungsbrüchen in eine neue, nämlich die ständisch-autoritäre "Verfassung 1934".
Das Ende der parlamentarischen Demokratie der Ersten Republik und deren Umwandlung in einen autoritär geführten Staat führte ab 1933 auch zu einer neuen Definition staatlicher Identität. Die Begriffe Staat und Nation sollten mit neuen Inhalten erfüllt und durch neue Symbole repräsentiert werden. Diese Symbole sollten zwar staatliche Embleme sein, aber auch als Kampf- und Propagandazeichen gegen das nationalsozialistische gewordene Deutschland eingesetzt werden können. Das Ziel war mit Hilfe der Österreich-Ideologie ein neues Österreich-Bewusstsein zu schaffen. Mit der Hervorhebung altösterreichischer Traditionen sollte an die Zeit von 1804-1806 angeknüpft werden, als Österreich sowohl Teil des Heiligen Römischen Reiches, als auch eigenständiges Kaisertum war. Mit den Attributen: katholisch, deutsch und habsburgisch, und der Betonung der eigenen Leistungen sollte gegenüber Deutschland ein neues Selbstverständnis geschaffen werden. Aus dem Reservoir von Landschaft, Geschichte und Kultur wurden neue Sinnbilder geschöpft oder wiederbelebt, um einen neuen österreichischen Patriotismus zu entfachen.
Das Kruckenkreuz als Staatssymbol#
Noch bevor der Staat ein neues Wappen bekam, wurde von Dollfuß 1933 eine "Vaterländische Front" (V.F.) gegründet, die "Träger des österreichischen Staatsgedankens" sein sollte. Sie war im Aufbau den faschistischen Organisationen in Italien und der nationalsozialistischen Partei in Deutschland nachempfunden und sollte die bisherigen politischen Parteien ersetzten. Alle Staatsbürger sollten in einer Bewegung zusammengefasst werden. Damit hätte der Klassenkampf überwunden und die staatliche Wirtschaftsführung durch Gliederung in zusammengehörige Berufsgruppen (Stände) organisiert werden sollen. Das war ein Ziel der Ständeverfassung von 1934. Architekt Clemens Holzmeister schuf für jeden der sieben Berufsstände und für die "kulturellen Gemeinschaften" ein modernes "Zunftzeichen" . In der Praxis kam diesen Zeichen hauptsächlich zeremonielle Wirkung zu. Sie wurden bei Umzügen mitgeführt und auf Wandteppichen dargestellt.
Zum Hauptsymbol der Vaterländischen Front wurde das Kruckenkreuz erklärt, das als Ordenszeichen schon zehn Jahre zuvor bei den staatlichen Ehrenzeichen verwendet und das schon seiner Ähnlichkeit wegen dem Hakenkreuz bewusst gegenübergestellt wurde. Das Kruckenkreuz wurde in die Mitte der rot-weiß-roten Flagge platziert und ab 1936 im Inland der staatlichen gleichgestellt. Von seinem symboltheoretischen Hintergrund her, sollte das Kruckenkreuz das christliche Germanentum verkörpern, im Gegensatz zum Hakenkreuz, das das heidnische Germanentum repräsentierte. Entscheidend für die psychologische Wirkung des Hakenkreuzes ist die durch die Anordnung seiner vier Haken entstehende optische Dynamik, die einen Rotationseffekt hervorruft, mit der aber auch eine gewisse Aggressivität mitschwingt. Das Erscheinungsbild des Kruckenkreuzes hingegen steht für eine eher statische, defensive Haltung, so wie es auch der Dollfuß-Schuschnigg-Staatsdoktrin entsprach.
Das Wappen#
Der Kern der "vaterländischen" Symbolik, das heraldische Gesicht des Staates, sollte jedoch im Staatswappen zum Ausdruck gebracht werden. Der Rückgriff auf etwas Althergebrachtes, etwas Traditionelles, dem ein Wiedererkennungseffekt innewohnte, das aber in neuem Gewandt erscheinen sollte, war durchaus beabsichtigt. Staatssekretär Karwinsky , der im Bundeskanzleramt für die Kreierung der Staatssymbole zuständig war, beauftragte am 24. März 1934 den Wappenmaler Carl Ernst Krahl , dessen Vater Ernst Krahl schon das Staatswappen 1918/1919 künstlerisch gestaltet hatte . Das Aussehen des Adlers war noch nicht in allen Details festgelegt, nicht einmal die Anzahl seiner Köpfe, stand schon fest. Die Überlegungen hinsichtlich seines Aussehens und seiner Attribute waren innerhalb der Regierung und der sie beratenden Experten noch im Fluss. Im ersten Entwurf zur sog. Oster-Fassung der Bundesverfassung, war nämlich zunächst noch von einem "einköpfigen" Adler, die Rede. Erst in der weiter überbearbeiteten Oster-Fassung erscheint der doppelköpfige Adler. Bundeskanzler Dollfuß wollte ursprünglich dem rot-weiß-roten Brustschild des Adlers noch das rote Kruckenkreuz in der Mitte auflegen, um so eine möglichst enge Verbindung zwischen Staat und Vaterländischer Front zu symbolisieren. Er nahm jedoch nach Rat der Heraldiker davon Abstand, um das Wappen möglichst einfach auszustatten.
Interessanterweise wurde in dieser Phase der Diskussion die Hinzufügung der Nimben (Heiligenscheine) zu den Adlerköpfen noch offen gelassen. Der Wappenmaler lieferte in seinen weiteren Entwürfen beide Varianten und gab auch gleich seine historisch-heraldischen Bemerkungen dazu ab: Nimben gebe es auf den Köpfen des Adlers des Römisch Deutschen Reiches zuerst im 15. Jahrhundert, bis zu dessen Ende im Jahre 1806. Der Doppeladler des Kaisertums Österreich ab 1804 hätte jedoch keine Nimben getragen. Während im Ministerrat Verteidigungsminister Schönburg-Hartenstein dafür eintrat, die Nimben als einfache goldene Reifen zu gestalten, meinte Staatssekretär Glas , dass das Wort nimbiert von der Bevölkerung nicht verstanden werde und man stattdessen "von einem goldenen Schimmer umgeben", verwenden sollte. Staatssekretär Karwinsky führte jedoch die Diskussion wieder auf das Heilige Römische Reich zurück und meinte, dass nur der volle Nimbus dem Wappen entsprechen würde.
Die weiteren Überlegungen betrafen die Attribute des Adlers. Dass Hammer und Sichel keine Rolle mehr spielen sollten, lag auf der Hand. Da jedoch die historischen Kaiseradler zum Vorbild genommen wurden, die Schwert, Szepter und Reichsapfel in den Fängen hielten, sollte auch dem neuen österreichischen Staatsadler etwas entsprechendes zum Halten gegeben werden. Wappenmaler Krahl produzierte dazu mehrere Entwürfe zur Ansicht, wobei er dem Adler in den rechten Fang ein Kreuz, in den linken ein Schwert gab. Zur Auswahl des gewünschten Kreuzes stellte er gleich eine ganze Palette von Kreuzformen zur Verfügung, die vom einfachen hohen lateinischen Kreuz bis zum reich verzierten rubinbesetzten Barockkreuz reichte.
Bis Ende März 1934 war schließlich der Diskussionsprozess innerhalb der Regierung soweit gereift, dass Staatssekretär Karwinsky Wappenmaler Krahl neuerlich mit der Ausfertigung großformatiger Wappenbilder beauftragen konnte. Der doppelköpfige Adler sollte nunmehr doch in einer einfacheren Weise gestaltet sein, ohne das Kruckenkreuz und ohne Werkzeuge in den Fängen. Die Überlegungen betrafen die Gestaltung der Nimben, ob sie voll ausgefüllt, oder doch nur auf Kreisringe reduziert sein sollten. Krahl brachte sich noch zusätzlich mit eigenen Variationen der Adlerfigur, die das Federkleid betrafen ein, die jedoch alsbald das Missfallen anderer Künstler hervorrufen sollte.
Im Verlauf des weiteren Entstehungsprozesses der Verfassung gab es im April und Mai noch weitere Gespräche, wobei besonders ein Künstler hervortrat, der für die Ausarbeitung der Entwürfe für die neuen 5 Schilling Münzen vorgesehen war: Edwin Grienauer. Er bezeichnete die von Krahl entworfenen neuen Wappen als "heraldisches Monstrum" und beanstandete vor allem die gerade Anzahl der Flügel, die Krahl seinem Adler gegeben hätte, als unhistorisch. Seiner Meinung nach hätte die Zahl der Federn eines heraldischen Tieres immer ungerade zu sein. Außerdem kritisierte er den verwendeten Stil als unkünstlerisch, da er sich offenbar "an Vorbilder aus der schlimmsten Zeit heraldischer Verwilderung angelehnt habe, nicht genug tun kann an Schnörkeln und Auswüchsen, die weder organisch noch dekorativ motiviert erscheinen". Tatsächlich hatte Krahl in seinen verschiedenen Entwürfen, die er seitdem geliefert hatte, das Federkleid des Adlers immer wieder variiert. Die Anzahl der Federn schwankte von 9 Flügelfedern beim ersten Entwurf bis zu 8 Federn beim zuletzt entworfenen. Der Schwanz, mit jeweils 7 Federn, war breit ausladend und ornamental sehr verschlungen stilisiert, darüber hinaus versah er seinen Adler mit einem Schlagschatten. Stellungnahmen von Prof. Löhr , Direktor des Münzkabinetts des Kunsthistorischen Museums und Dr. Kletler vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv, stellten jedoch klar, dass in keiner offiziellen Wappenbeschreibung die Anzahl der Flügelfedern vorkomme und nur der Brustschild des Adlers genauer beschrieben werde. Wie auf den Münzprägungen und Siegeln übereinstimmend festgestellt wurde, besaß der kaiserliche Reichsadler seit über 300 Jahren jedoch stets 7 Flügelfedern und 3 bis 5 Schwanzfedern. Auch sei die Gestaltung der Köpfe nicht ganz gelungen, da sie mehr an einen Fisch erinnern, als an einen Adler.
Ende April fand eine neuerliche Besprechung statt, an der noch weitere Experten teilnahmen: Karl Sterrer, Professor an der Akademie der Bildenden Künste und Dr. Otto Hurm , Dozent an der Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums für Kunst und Industrie, sowie Maler Robin C. Andersen und Wappenmaler Krahl. Dabei wurde der Beschluss gefasst dem Wappenmaler als Entwurf für das neue Bundeswappen "eine Darstellung des alten deutschen Reichswappens aus der Blütezeit der Heraldik zu empfehlen". Vorbild solle jener Adler sein, "der sich in der linken oberen Ecke des Gemäldes von Albrecht Dürer, Bildnis Kaiser Maximilians I. von 1519 " befinde.Carl Ernst Krahl legte am 5. Mai einen neuerlichen Entwurf vor beklagte sich dabei, dass es "Bestrebungen gebe das neue österreichische Staatswappen gegen die Gepflogenheiten anderer Staaten, in eine moderne Form zu pressen, die in keiner Weise mit sämtlichen traditionellen und heraldischen Auffassungen in Einklang bringen lässt, auch wenn der Versuch gemacht würde diese Bestrebungen durch eine scheinbare Anlehnung an Albrecht Dürer zu verschleiern". In diesem Sinne folgte er auch nicht den Empfehlungen der Expertenkommission indem er den Dürer Adler vom Bildnis Maximilians I. übernahm, sondern fertigte wieder seinen eigenen Adler, wobei er sich jedoch dieses Mal erweichen ließ, den Adler mit sieben Flügelfedern und fünf Schwanzfedern zu zeichnen. Auf die angesprochenen Kritikpunkte, wie Weglassung des Schlagschattens, vereinfachte Darstellung der Schwanzfedern und Umgestaltung der Schnäbel ging er jedoch ein und setzte sie in seinem neuerlichen Entwurf um.
Professor Sterrer lehnte aber diesen Entwurf sogleich als weiterhin ungenügend ab. Stattdessen schlug er die Ausschreibung eines kleinen Wettbewerbs von sechs Künstlern vor, darunter Prof. Andersen und Prof. Holzmeister, die freilich die Sache weiter in die Länge gezogen hätte. Das Finanzministerium drängte jedoch auf Finalisierung der Wappenfrage, um mit der Herstellung der neuen 5 Schillingmünze beginnen zu können. Letztendlich erhielt ebenfalls Bildhauer Grienauer den Auftrag zur Herstellung eines Entwurfes für das neue Bundeswappen, außerdem erklärten sich noch Architekt Prof. Oswald Haerdtl und die Keramikerin Gudrun Baudisch freiwillig bereit, solche Entwürfe zu liefern. Im Ministerrat vom 14. Mai 1934 langten schließlich alle Entwürfe ein. Obwohl ursprünglich die Wappenfrage gar nicht auf der Tagesordnung stand, wurde sie nachträglich noch darauf gesetzt. Staatssekretär Karwinsky berichtete kurz über die Entstehungsgeschichte des Wappenbildes und ohne weitere Diskussion wurde der von Krahl zuletzt vorgelegten Adler genehmigt. Die übrigen Entwürfe gingen wieder an die Künstler zurück. Somit war der Adler von Krahl im Stil des 15. Jahrhunderts gestaltete Doppeladler, mit geringfügigen stilistischen Änderungen an den Adlerköpfen, die zuvor kritisiert worden waren, und am Brustschild als Bundeswappen beschlossen worden...
Zusammenfassung#
Staatswappen sind bis zum heutigen Tage Ausdrucksformen staatlicher Symbolik. Sie geben Auskunft über den politischen Willen eines Staates und seine Staatsform, die in der Verfassung festgelegt ist. Als Zeichen der Herrschaft sollen sie die politische Kontinuität oder Wandel, Tradition oder Neuanfang eines Staates ausdrücken. In manchen Fällen soll aber auch auf ein Staatsziel hingewiesen werden, das in der ferneren Zukunft liegt und das es erst zu erreichen gilt. Mit dem neuen Bundeswappen , wollte die autoritäre Regierung Dollfuß die von ihr propagierte Österreich-Ideologie symbolisieren und dem Staat ein neues heraldisches Gesicht geben. Es wurde etwas gesucht, das den Keim einer neuen österreichischen Identität hätte bilden sollen. Der Rückgriff zum bekannten Doppeladler des Heiligen Römischen Reiches bedeutete Kontinuität und Legitimation zugleich. Der auf die Brust aufgelegte österreichische Bindenschild sollte durch seine babenbergische Herkunft ebenfalls die fast tausendjährige Eigenständigkeit Österreichs signalisieren. Die Nimben der Adlerköpfe deuteten auch schon im Alten Reich eine besondere Stellung an und waren deshalb in einem Staat mit christlich-katholischer Ausrichtung durchaus willkommen. Krone, Zepter und Reichsapfel , wurden bewusst ausgeklammert, um keine Erinnerung an die untergegangene österreichisch-ungarische Monarchie aufkommen zu lassen, die in den Nachfolgestaaten einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen hatte. Es gab wohl verschiedene Überlegungen den Adler mit anderen Attributen, wie sie der kaiserliche oder der republikanische Adler zuletzt besaßen, auszustatten. Schlussendlich ließ man die Beigaben jedoch wieder entfallen und so erhielt gerade der Adler eines Staates, der nach Ständen gegliedert sein sollte, keinen Hinweis auf seinen berufsständischen Aufbau.
Mit dem neuen Bundesadler wurde der untaugliche Versuch unternommen, das Rad der Zeit zurückzudrehen. Der Adler war Bestandteil einer Ideologie, der jedoch die Mehrheit der Bevölkerung ihre Gefolgschaft verweigerte und blieb letztendlich eine Illusion. Nach dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 wurde der Adler sogleich in der Requisitenkammer der Geschichte verräumt.
Das 1934 geschaffene Staatswappen Österreichs hat nur vier Jahre bestanden. Untersucht wurden der Weg zu seiner Entstehung, seine Bedeutung und seine Gestaltung. Nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie war in aller Eile ein Staatswappen geschaffen worden, das schon bald in Diskussion gezogen worden war. Obwohl in pragmatischer Weise und mit der Intentionen eines sozialen Ausgleichs der Adler mit Attributen ausgestattet wurde, die alle damals existierenden Bevölkerungsklassen repräsentieren sollten, gerieten vor allem zwei Gegenstände (Hammer und Sichel) in Misskredit, da die Kommunisten und auch die entstandene Sowjetunion diese Gegenstände ebenfalls für ihr symbolisches Auftreten verwendeten und dadurch sofort falsche Assoziationen hervorrief. In einer Art Retro-Perspektive versuchte man an das Heilige Römische Reich anzuknüpfen und dessen heraldisches Auftreten zu imitieren.