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Die Gestalt des Jägers über die Zeiten hinweg#

Die typische Gestalt des Jägers ist die, welche über die Kreatur obsiegt hat. Hier gleichen sich die Darstellungen über Jahrtausende hinweg. Dr. Harald W. Vetter hat die jagdkulturellen Epochen bis zur Gegenwart beleuchtet.#


Von Der Anblick (2/2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Dr. Harald W. Vetter, Fotos: S. Erker, KK, Jagdzeit. Österreichs Jagdgeschichte. Eine Pirsch.


Bogenschützen bejagen anlaufendes Rotwild. Höhlenmalereien in Valtorta (Zentralspanien)
1) Bogenschützen bejagen anlaufendes Rotwild. Höhlenmalereien in Valtorta (Zentralspanien), die erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts entdeckt wurden. Hier werden die Jäger noch als ganz abstrakte Figuren ohne Antlitz und vor allem in ihrer vollen, fast eleganten Bewegung dargestellt. Bemerkenswert sind die ziemlich fragilen „Strichmännchen“ im Gegensatz zum übergroß gemalten Wild. Damit sollte wohl auch der jägerische Mut zum Ausdruck kommen. Man schätzt, dass diese Höhlenmalereien bis zu 13.000 Jahre alt sind.

Jagdszene im Gästezimmer der „Villa Romana del Casale“ (Sizilien)
2) Jagdszene im Gästezimmer der „Villa Romana del Casale“ (Sizilien). Dieses spätrömische Mosaik aus dem beginnenden 4. Jahrhundert n. Chr. beeindruckt besonders durch die Dramatik und Lebendigkeit des Geschehens. Vier Jäger mit zwei Hunden stellen mit Speeren einen Eber. Der verwundete „angeflickte“ Mann im Vordergrund zeugt von der Gefährlichkeit des damaligen Weidwerkens auf wehrhaftes Wild. Die Gesichter der Jäger drücken hier bereits deutliche Emotionalität aus: Wagemut, Schmerz, Angst und Überraschung.

Mit „Typus“ meint man seit der abendländischen Antike Gestalt oder Gepräge, also das konstant Kennzeichnende einer Person oder Sache. Vor allem Literatur- und Kunstgeschichte, aber auch die Anthropologie beschäftigen sich mit auffällig ähnlichen oder gleichen Elementen von Erscheinungen, die sich konsequent durch die ganze Menschheitsgeschichte ziehen, soweit sie uns wissenschaftlich erschlossen ist. Bereits in der Prähistorie tritt die Gestalt des Jägers mit aller Macht und Prägnanz in zahllosen Höhlenmalereien und Felszeichnungen hervor, wobei diese sich jedoch nicht nur auf unseren Kontinent erstrecken. Schon vor ca. 35.000 Jahren oder mehr (die wissenschaftlichen Meinungen gehen hier immer noch ziemlich auseinander) schuf der Mensch des Jungpaläolithikums also Höhlenzeichnungen und Felsritzungen, die oft in ungemein plastischer Form Mammut, Bison, Hirsch, Elch, Bär, Wildpferde und Sauen darstellen. Allerdings ist die Figur des Jägers hier entweder einem fantastischen, wohl kultischen Mischwesen geschuldet oder nur sehr schematisch, gleichsam nebenher als fast wieder modernes und abstraktes „Strichmännchen“ dargestellt. Der gewaltige Anlauf des Wildes überwiegt jedenfalls bei Weitem noch die ganz anonyme Präsenz der Jagenden, die naturgemäß noch ein weidwerkendes Kollektiv bilden. Die Farben wurden aus Holzkohle, Eisenbzw. Manganoxid und Ockererde gewonnen. Sicher wurden auch Blut, Milch und diverse Pflanzenextrakte beigemischt. Es ist wohl schwer vorstellbar, dass sich hier einige steinzeitliche Künstler nur des Zeitvertreibs wegen verewigt haben. Schamanistischer Kult und Magie werden wahrscheinlich die wahren Gründe dafür gewesen sein.

Franz Stephan von Lothringen im roten Parforce-Jagdrock. Porträt von einem anonymen Hofmaler um 1723
3) Franz Stephan von Lothringen im roten Parforce-Jagdrock. Porträt von einem anonymen Hofmaler um 1723. Diese spätbarocke Darstellung des späteren Gemahls Kaiserin Maria Theresias zeigt den ungefähr Fünfzehnjährigen in typisch imperialer Pracht und mit weit ausholendem Gestus. Das Antlitz drückt herrschaftliches Selbstbewusstsein aus, ja wohl auch ein wenig Freude an der Hetzjagd. Meutehund und abgefangener Hase an den beiden Bildrändern, nicht zuletzt die Steinschlossflinte in der linken Hand des damaligen Herzogs sind die entsprechenden und üblichen Attribute solcher Bilder.

Ebensolches spielt sich in der nordeuropäischen Frühzeit ab. Germanen und Kelten begnügten sich lediglich mit Ritzungen und Gravuren auf verschiedenen Werkstoffen wie Stein, Kupfer, Bronze und Eisen. Eine individuelle Gestaltung des Jägers kommt nicht vor. Auch in den Kulturen Mesopotamiens, Ägyptens, der Griechen und der Römer ist dies fast ähnlich bestellt. Wir finden zwar auf Mosaiken, Wandmalereien und Reliefs bzw. als Skulpturen jagdliche Darstellungen in Fülle, jedoch zeigen sich der Jäger und die Jägerin tatsächlich – mit wenigen, doch umso bemerkenswerteren Ausnahmen aus der Spätantike – zumeist noch ziemlich „entpersonalisiert“ oder als zwar höchst beeindruckende, jedoch gleichsam überindividuelle Gottheiten. Zahllose vor allem figurale Darstellungen der Jagdgöttinnen Artemis und Diana stehen dafür. Auch im Mittelalter änderte sich da nicht wirklich besonders viel.

 4) Ein Alpenjäger, um 1830/40 von Johann Ender. Ender war ein bekannter Wiener Maler der Biedermeierzeit. Dennoch hat dieses Ölgemälde eines Weidmanns in steirischer Tracht nichts Idyllisches an sich. Eher der Romantik Caspar D. Friedrichs oder Joseph Anton Kochs geschuldet, zeigt dieses Bildnis den gleichsam trittfesten Weidmann in idealistischer Manier in einer heroisch wirkenden Gebirgslandschaft. Haltung und Antlitz drücken eine wilde Entschlossenheit aus, der Natur mutig Paroli zu bieten. Diese Darstellung scheint das damalige hohe Ansehen der Jagd ganz besonders zu betonen, was durch Atmosphäre und Landschaft unterstützt wird.
4) Ein Alpenjäger, um 1830/40 von Johann Ender. Ender war ein bekannter Wiener Maler der Biedermeierzeit. Dennoch hat dieses Ölgemälde eines Weidmanns in steirischer Tracht nichts Idyllisches an sich. Eher der Romantik Caspar D. Friedrichs oder Joseph Anton Kochs geschuldet, zeigt dieses Bildnis den gleichsam trittfesten Weidmann in idealistischer Manier in einer heroisch wirkenden Gebirgslandschaft. Haltung und Antlitz drücken eine wilde Entschlossenheit aus, der Natur mutig Paroli zu bieten. Diese Darstellung scheint das damalige hohe Ansehen der Jagd ganz besonders zu betonen, was durch Atmosphäre und Landschaft unterstützt wird.

Nun wollen wir aber einen gewaltigen Sprung über die gleichsam geschichtlichen Reviergrenzen hinweg wagen. Erst in der Renaissance, also zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert, rüsten vor allem die italienischen Künstler Antlitz und Gestalt des Weidmanns mit realen, typischen Zügen aus. „Wiedergeboren“ aus der Antike versuchen die Maler und Bildhauer gleichzeitig sowohl dem Idealismus als auch dem Naturalismus ihren Tribut zu zollen. Das Weidwerken wurde erst jetzt zu einem je eigenen Tun, also als ein ganz persönliches Abenteuer gestaltet, das Habitus und insbesondere das Antlitz des adeligen Jägers formt. Noch vielmehr ist dies im Barock der Fall. Mit allem Prunk und herrschaftlichen Gesten präsentieren sich die Potentaten in den von Bildhauern, Malern und Grafikern geschaffenen Werken. Die Jagd steht hier zumeist gleichermaßen für Machtanspruch und vergnüglichen Zeitvertreib. Man hat hier den Eindruck, dass der so gefeierte Herrscher auch jegliche Macht über die Natur hätte, ja diese ihm gleichsam ebenso geradezu untertan wäre. Und es sind dies nicht nur seine Jagdknechte und leibeigenen Treiber oder seine Hundemeute, sondern naturgemäß jegliches jagdbares Wild – ob „wehrhaft“ oder nicht –, das vor ihm „hinsinkt“. Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1787), der bedeutendste französischschweizerische Aufklärer, trieb in allen seinen Schriften die Individualisierung des Menschentums samt einem völlig neuen Naturverständnis vehement voran und nur wenig später hatte die Französische Revolution wenigstens einmal die Standesschranken eingerissen. Gut 50 Jahre danach war das Weidwerk zumindest von Gesetzes wegen „demokratisiert“, jedoch dadurch kaum marginalisiert. Die Jagd blieb immerhin noch lange Zeit wesentlich mit dem Adel konnotiert und wurde von diesem vor allem, was „Weidgerechtigkeit“ und Brauchtum betrifft, weiterhin eifrig fortgeschrieben. Man machte sich in allerhand Jagdzeitschriften spöttisch über Bauern- und Sonntagsjäger lustig, die die herkömmlichen Verhaltensweisen, Traditionen und Fertigkeiten gar nicht wirklich begriffen, geschweige denn verinnerlichen könnten. Im 19. Jahrhundert und darüber hinaus war das „Kräftedreieck“ Jäger, Tier und Gesellschaft allenfalls erst erahnbar, die Jagdmaler waren immer noch eifrig dabei, den „Jagdherrn“ – jetzt freilich mit sehr viel individualistischeren Zügen – entsprechend darzustellen. Die Angehörigen des bayrischen oder österreichischen Hochadels taten es einander gleich, ja wollten sich mit eindrucksvollen, wirklichkeitsnahen Ölgemälden gar noch übertreffen. Doch alle Überhebung war schließlich vergeblich, denn seit Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Fotografie, hier ein realistischeres Handwerk zu führen. Freilich, lange genug standen die Jäger auch da noch in ziemlich stolzer Pose: oft in fast unglaubwürdig feiner Kleidung, triumphierend neben der Beute oder sich auf die Büchse lehnend. Auch diese Dokumente des Wirklichen haben durchaus immer noch etwas fast Theatralisches. Und wenn wir uns ehrlich sind, die heutigen Erinnerungsfotos in Farbe, meistens rasch mit dem Handy geschossen, sind gar nicht sehr viel anders. Die typische Gestalt des Jägers ist die, welche über die Kreatur obsiegt hat. Hier gleichen sich die Darstellungen natürlich über Jahrtausende hinweg. Nur dass in unserer Gegenwart mehr Stolz, Freude und hoffentlich Dankbarkeit in den Mienen der Abgebildeten zu sein scheinen. Denn wir haben es heute allmählich doch verstanden: Wir werden niemals die Natur gänzlich umgestalten können, sie gestaltet und prägt vielmehr uns.


Porträt des Wolfgang Anton Reichsritter von Manner, von Zygmund Ajdukiewicz, 1897
5) Porträt des Wolfgang Anton Reichsritter von Manner, von Zygmund Ajdukiewicz, 1897. Der polnische Historien- und Genremaler hat hier mit seinem sehr realistischen Werk diesen passionierten Jäger und Kunstsammler psychologisch beeindruckend eingefangen. Von Manner, dem österreichischen Beamtenadel entstammend, wirkt darauf wie ein recht verfeinerter Intellektueller, der dem bürgerlichen Weidwerk verhaftet ist. Zwar scheint sein Blick selbstbewusst, doch eher wohl etwas zurückgenommen. Eigentlich wirkt das Bildnis wie aus einem seinerzeitigen Fotoatelier. Jagdsitz, Drilling, Stock und der im Hintergrund abgehängte Beutegreifer betonen noch das jägerische Tun. Auffallend ist weiters das unprätentiöse, geradezu schlichte Jägerhabit.
Erinnerungsfoto an eine Ischler Hofjagd mit Kaiser Franz Joseph I. im August 1912
6) Erinnerungsfoto an eine Ischler Hofjagd mit Kaiser Franz Joseph I. im August 1912: Das Gruppenbild zeigt den greisen Kaiser inmitten seiner Jäger um einen guten Hirsch. Kennzeichnend für jene Ära sind die stets eingenommene, eher statuarische Pose und der Ernst in den Gesichtern. Der Herrscher trägt den Beutebruch am rechten Hutrand, im Äser des Stücks ist der „Letzte Bissen“ gerade noch zu erkennen. Die heimische Jagdtradition drückt sich ebenso in der Angleichung der schlichten Jägertracht aus
Zeitgenössisches Foto einer Jägerin und eines Jagdführers mit erlegtem Muffel
7) Zeitgenössisches Foto einer Jägerin und eines Jagdführers mit erlegtem Muffel: Unverhohlene Freude und Stolz über das Jagdglück wollen selbstverständlich zumeist mit einem „Schnappschuss“ festgehalten werden. Es mag schon sein, dass die Schützen öfters dabei auch ein wenig posieren, doch scheint die heute gezeigte Haltung und Mimik eine weitaus gelöstere und offenere zu sein, als dies in vergangenen Zeiten der Fall gewesen ist. Vielleicht ist dies nun einer insgesamten Öffnung des Weidwerks geschuldet.


Der Anblick (2/2017)