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Jesus und der Zölibat#


Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 25/2012


Beim Versuch, den Pflichtzölibat für Priester zu rechtfertigen, wird regelmäßig damit argumentiert, dass Jesus selbst so gelebt hätte und dies für seine Nachfolge beispielgebend sei. So auch der verhinderte Weihbischof von Linz Gerhard Maria Wagner in seinem neulichen „Kurier“-Interview. Wie gescheit das ist, dem sei etwas näher nachgegangen, wobei mir die dabei verwendete etwas direkte Sprache verziehen werden möge.

Ob Jesus überhaupt ehelos lebte, ist von der Wissenschaft nicht eindeutig geklärt, wird aber überwiegend angenommen. An sich war es in der damaligen Gesellschaft normal, dass ein Rabbi seine Frau hatte. Darüber etwas zu schreiben, erschien daher den Verfassern der Evangelien überflüssig. So auch bei Petrus: Nur die Erwähnung seiner Schwiegermutter informiert uns darüber, dass er sich im heiligen Stand der Ehe befand (sonst wäre sicher auch behauptet worden, der „erste Papst“ habe zölibatär gelebt). Unverheiratete Wanderprediger gab aber auch. Jesus übte diese Tätigkeit erst in etwas späteren Jahren aus, weswegen Manche vermuten, er könnte verwitwet gewesen sein Wie immer es sei: Jesus war, wie auch die Kirche lehrt, ganz und gar Mensch. So hatte er natürlich Geschlechtsorgane, die einerseits männliche Hormone produzierten (was seinen Bart zur Folge hatte), andererseits Sperma. Man muss wohl davon ausgehen, dass Jesus das erlebte, was bei (jungen) Männern normal ist: Nächtliche Erektionen und bei Unterbleiben von Geschlechtsverkehr (oder dessen Ersatz) Samenergüsse verbunden mit einem erotischen Traum.

Manche wird diese unverblümte Aussage schockieren, aber warum soll man natürliche Dinge nicht beim Namen nennen! Die Betrachtungen der christlichen Theologie zeichnen allerdings ein übermenschliches Bild von Jesus (das Wort „unmenschlich“ sei als missverständlich vermieden). Schon seine Mutter war von Erbsünde frei, und das bedeutet natürlich asexuell. Jungfrau sowieso, und das immerwährend. Wenn ihr Sohn dann vom Heiligen Geist rein und nicht durch einen Geschlechtsakt schmutzig gezeugt wurde, kann bei ihm alles „Niedrige“ der menschlichen Existenz ausgeschlossen werden – entsprechend der etwas verschrobenen Betrachtungsweise früherer Frömmigkeit.

Man nehme es mir nicht übel, aber ich halte von dieser theologischen Genitalverstümmelung des Rabbi Jesus nichts. Sein Bild als Sohn und fleischgewordenes Wort Gottes wird für mich nicht im Mindesten getrübt, wenn er Sex – in welcher Form auch immer – gehabt hätte. Ist Geschlechtlichkeit nicht im Schöpfungsplan vorgesehen? Und Eros nicht sogar etwas Göttliches? Gott will sicher nichts anderes, als dass wir mit dem, was unser Körper begehrt, verantwortungsvoll umgehen. Was von ihm kommt, ist heilig, wir sollen es als Quelle der Freude an dem uns geschenkten Leben erkennen.

Andernfalls gerieten wir dann schon sehr in die Nähe der Gnosis, zumindest zu einer sicher ganz und gar nicht gottgefälligen sauertöpfischen Weltsicht. Wünschen wir daher auch der Geistlichkeit einen guten Appetit bei Festmählern oder viel Genuss beim Entzünden der Zigarre danach. Wie immer es sei: Im Judentum gab es keine Trennung von Körper und Seele, der Mensch wurde in seiner Ganzheit gesehen. Daher kommt ja auch unser Glaubensbild der Auferstehung der Toten samt ihrem Leib – wenn auch in „verklärter“ Form.

Das „Beispiel“ als Nachfolgemerkmal#

Gehen wir aber davon aus, dass Jesus tatsächlich zölibatär gelebt hat. Daraus zu folgern, man müsse sich in seiner Nachfolge dem anschließen, erscheint wohl recht seltsam. Wäre es nicht gerade für Priester viel logischer, dem Beispiel der Apostel als ihren Vorgängern nachzueifern? Das würde ihnen wohl besser anstehen und nahelegen, zu heiraten. Um das zu erfahren, was die Kirche auch lehrt, nämlich dass die eheliche Liebe mitsamt der Schaffung neuen Lebens ein Abbild der Liebe zwischen Gott und uns ist. Gab es nicht viele von der Kirche hoch verehrte Heilige beiderlei Geschlechts, die sehr wohl verheiratet waren? War ihre Nachfolge Jesu deshalb weniger vorbildhaft? Hinzugefügt sei: Sind die Geistlichen der anderen christlichen Kirchen, denen die Ehe nicht untersagt ist, minderwertig, weil sie die Nachfolge Jesu nur „unvollkommen“ praktizieren? Immerhin werden sie samt Weib und Kind mit offenen Armen empfangen, wenn sie zur Römischen Kirche übertreten. Ungeachtet ihres „Makels“.

Priester als Kopien Jesu zu betrachten, regt zu allerlei weiteren und reizvollen Überlegungen an. Zunächst wären einmal der Prälat und der Monsignore flugs abzulegen, denn es kann ausgeschlossen werden, dass Jesus solche Titel trug. Auch nicht seine Apostel, denen er ja verbat, über Ränge und Würden auch nur nachzudenken. Ich meine ferner, dass an Kleidung und Kopfbedeckung der Jünger weder purpurrote noch violette Farben beeindruckend prangten.

Wenn man Nachfolge als Nachahmung der Lebensweise ansieht, hieße das nicht zuletzt, sich zumindest bei Gottesdiensten des Aramäischen zu bedienen, der Sprache Jesu. Latein wäre da jedenfalls auszuscheiden. Die Sprache der verhassten römischen Macht war zur Zeit Jesu aus begreiflichen Gründen nicht gerade beliebt und man muss wohl annehmen, dass er sie nicht verwendete. (Falls er sie überhaupt beherrscht haben sollte – aber immerhin könnte er ja dann Einiges davon nachgelernt haben, als man ihn in der alten Liturgie so anredete).

Ich spielte einmal mit dem ehemaligen Bischof von Graz-Seckau Josef Schoiswohl das in Österreich beliebte Tarock. Er war darin ein Meister. Hätte ich ihm gesagt, er dürfe es eigentlich nicht pflegen, denn Jesu habe sicher nicht Karten gespielt und er sollte sich an ihm gefälligst ein Beispiel nehmen, hätte Exzellenz wohl mit dem Finger an die Stirn getippt.

Und genau das tue ich, wenn ich ganz dumme Argumente für die Pflicht zum Zölibat lesen muss.


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