Neue Bibelübersetzung ins Deutsche #
Von
Hans Jörg Stetter
Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 209/2017
Ich habe kürzlich den Artikel von Chr. Frevel und Th. Soeding über die neue deutsche Bibelübersetzung in "Christ in der Gegenwart" gelesen und bin beeindruckt von der Mühe, die sich dabei ein Team von Experten gemacht hat. Dass beim Umfang der Bibel Inkongruenzen geblieben sind, ist unvermeidlich. Aber gerade die im Artikel geschilderten Überlegungen zum Versuch einer besseren Wiedergabe des Originaltextes haben bei mir Zweifel daran geweckt, ob der Original-Text überhaupt so wichtig ist, angesichts der (beim Alten Testament oft jahrhundertelangen) Entstehungsgeschichte der Texte. Auch beim, – für unseren christlichen Glauben doch viel wichtigeren, – Neuen Testament ist der "Originaltext" ja größtenteils viele Jahrzehnte nach Jesu Tod entstanden und seine oft komplexe Entstehungsgeschichte ist nur Experten bekannt. Die Schwierigkeit für die meisten heutigen Christen liegt doch beim Verständnis und der Deutung der Texte! Das wirft die Frage auf, ob für ein zeitgemäßes jesuanisches Christentum die Bibel überhaupt noch die Bedeutung hat, die ihr (konfessionsübergreifend) beigemessen wird.
Die Lehre Jesu besteht doch eigentlich im Wesentlichen aus zwei "Pfeilern":
- Wir sollen und können auf Gott vertrauen, der uns in barmherziger Liebe zugewandt ist. (Diese Botschaft rechtfertigt den Ausdruck "Erlösung" für seine Mission.)
- Die wichtigste Leitschnur für unser Handeln ist die hilfreiche Zuwendung zu unseren Nächsten, wobei "Nächster" jeder Mensch ist, der unserer Hilfe bedarf.
Obwohl die Formulierungen, die das NT Jesu in den Mund legt und von denen er die meisten wohl so ähnlich verwendet hat, damals unmittelbar aus dem Leben gegriffen und verständlich gewesen sein müssen, sind sie das heute großenteils nicht mehr. Sie müssen deshalb – ob mehr oder weniger originalgetreu übersetzt – jedenfalls durch gute Pastoral verständlich gemacht werden, was ja auch von Papst Franziskus betont wird.
Aber einer solchen steht bei allem Bemühen etwas entgegen, was in der Bibel grundgelegt ist und sich durch die dogmatische Festschreibung des Glaubens der frühen Jahrhunderte bis heute weitgehend erhalten hat, nämlich ein Gottesbild, das auf dem jüdischen Weltbild zur Zeit Jesu, auf der griechischen Philosophie und insbesondere auf der Staats- und Rechtsstruktur des römischen Imperiums beruht: Gott als der Stammesgott "seines Volkes" und als der mächtige, Verehrung heischende Imperator und Richter, der, umgeben von lobsingenden "Heerscharen" von Engeln, im Himmel thront. Was dabei unter "Himmel" zu verstehen ist, bleibt unklar, im Wesentlichen bis in den Katechismus der Katholischen Kirche (KKK; vgl. dort Nr. 326). Dieses Gottesbild umgibt uns nach wie vor, im Schmuck der meisten Kirchen, in den Liedern und Gebeten etwa des "Gotteslobs", und vielfältig auch in der Liturgie. Der grundlegende Begriff "Transzendenz" erscheint im KKK nicht einmal als Stichwort im "Thematischen Register" von 44 zweispaltig im Kleindruck gefüllten Seiten!
Wenn jemand in einer christlichen Familie und Umgebung aufgewachsen ist, dann hat er das so internalisiert, dass er nicht mehr darüber nachdenkt. Aber vielen heutigen Jugendlichen und auch spirituell aufgeschlossenen Erwachsenen, die etwa gehört oder gelesen haben, dass (nach Aussagen hochkarätiger Kirchenlehrer) Gott das höchste denkbare geistige Wesen ist, wird der Anachronismus des kirchlichen Glaubens und Feierns bewusst und sie wenden sich davon ab. Sie übernehmen zwar die jesuanischen Leitlinien für ein rechtes Leben, aber Gott ist für sie als das die "transzendente Sphäre" erfüllende Geist-Wesen allgegenwärtig (vor allem auch in jedem Menschen), und er besitzt kein anthropomorphes Bild und keine anthropomorphe Eigenschaften!
Em. Univ. Prof Dr. Hans Jörg Stetter ist Mathematiker und Mitglied des Vorstandes der Laieninitiative.
Herbert Kohlmaier, eine Anmerkung zur Einheitsübersetzung #
Mit der neuen Einheitsübersetzung ist ganz zweifellos ein wichtiger Schritt unternommen worden. Sie wird im Vorwort, das von den Vorsitzenden der deutschsprachigen Bischöfe unterzeichnet ist, als „zuverlässig und verständlich“ bezeichnet, in der Bewerbung als „genau“. Gerade deshalb ist auf eine Textstelle hinzuweisen, deren Übersetzung zu hinterfragen wäre.
Es handelt sich dabei um den bekannten so genannten Hymnus des Philipperbriefes (Phil 2,5-11). Er wird in der neuen Einheitsübersetzung wie schon zuvor so wiedergegeben, dass Gott Jesus den Namen gegeben hat, der größer ist als alle Namen, „damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu“. Nimmt man den griechischen Urtext zur Hand, liest man allerdings, dass sich die Knie „en ... onoma“ (Name) beugen sollen. Die Verbindung dieser beiden Wörter wird mit „unter Berufung auf“ übersetzt, an sich bedeutet das Wort „en“: in, bei, unter und zwischen. Luther schreibt daher in seiner Übersetzung „dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen...“
Eine kleine Ungenauigkeit? Gibt es doch zwei Betrachtungsweisen christlicher Frömmigkeit: Jesus anzubeten oder Gott im Namen Jesu anzubeten. Sie haben bekanntlich in der Entwicklung der Lehre eine nicht unwesentliche Rolle gespielt.