Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Zum Teufel mit dem Teufel!#

Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 197/2016


Meine Großmutter mütterlicherseits träumte eines Nachts, dass eine dunkle Gestalt auf sie zu-komme, sie vermutete, dass es der Tod sei. So fragte sie, wen dieser holen wolle? Der so Angesprochene zeigte auf meine Großmutter. Darauf bat sie, der Tod solle doch lieber die Nachbarin mitnehmen, die schon alt und krank sei, während sie noch jung wäre und ihre Kinder aufziehen müsse. Die Erscheinung verschwand darauf. Am Morgen danach erzählte meine Großmutter von ihrem Traum. Da klopfte es an der Tür und die Eintretenden teilten mit, dass die Nachbarin in der Nacht gestorben sei.

Nun wäre es natürlich naiv, anzunehmen, Freund Hein hätte die Bitte meiner Großmutter erfüllt. Die Sache lässt sich vielmehr so erklären, dass sie das Sterben der Nachbarin im Schlaf spürte und das in ihrem Traum auf die geschilderte Weise verarbeitete. Dass es solche außersinnliche Wahrnehmungen gibt, ist ja bekannt. Hier geht es aber darum, dass der Tod im Traumbewusstsein Gestalt angenommen hatte, als Person auftrat und sich wie eine solche verhielt. Damit tritt uns ein Phänomen entgegen, das im gesamten Glaubensleben anzutreffen ist.

In jedem Augenblick auf dieser Erde wird unzählige Male gestorben, ohne dass dies „der Tod“ bewirkt hätte, der im Traum meiner Großmutter auftrat und in unserem Denken seit alters her als Bild einer elementaren Wirkmacht existiert. Natürlich „gibt“ es den Tod, er ist Wirklichkeit als allgemeiner Erkenntnisinhalt. Solchen gibt man oft die Gestalt einer Person, diese Bildhaftigkeit ist Merkmal menschlicher Bewusstseinsvorgänge. Mit abstrakten Begriffen ist viel schwerer umzugehen als mit Wesen, die unsere Vorstellungskraft nach dem Muster von Personen bildet. Hans Stetter hat uns das an dieser Stelle auch in Bezug auf Gott vor Augen geführt („Gedanken“ Nr. 195.)

Setzen wir nun mit einem anderen von uns Menschen hergestellten Bild fort, dem des Teufels: In jedem Augenblick geschieht unzählige Male auf unserer Erde Böses, ohne dass dieser daran beteiligt wäre. Auch hier gilt: Das Böse ist Realität, und sich damit auseinanderzusetzen wird sehr viel leichter, wenn man es nicht nur als Prinzip versteht sondern sich auch hier eine Person als Wirkmacht vorstellt. In wie vielen Formen dies geschieht, ist bekannt – Satan, Luzifer & Co. bedürfen keiner weiteren Aufzählung.

Problematisch werden diese uns vertrauten Bilder des Begreifens allerdings, wenn sie zu tatsächlich existierenden Personen werden, die dann in unser Leben eingreifen. Man meine nicht, dies sei dem Aberglauben vorbehalten! Professor Joseph Ratzinger hält den Teufel für einen wirkmächtigen Akteur des Weltgeschehens. In seinem ersten Jesusbuch schildert er die Versuchung in der Wüste so, dass der Teufel im Gespräch mit Jesus geschickt argumentiert, weil er ja die Schrift kennt. Für diesen Papst arbeitet der Teufel auch ständig gegen die Kirche und ist etwa schuld am Skandal sexueller Verfehlungen von Priestern.

Nach dem Bekanntwerde dieser Ereignisse erklärte er: „Der Teufel konnte das Priesterjahr nicht leiden“. In diesem versuchte er bekanntlich, die Heiligkeit des geistlichen Standes darzulegen, bei dem natürlich ohne Schuld des Teufels keine derartige Sünde passieren könnte. Aber auch Benedikts Nachfolger, der aus ganz anderem Holz geschnitzte Papst Franziskus, befasst sich immer wieder mit dem Ränkewerk des Diavolo. Schon 2010 sagte er im Gespräch mit dem argentinischen Rabbiner Abraham Skorka: „Ich glaube an die Existenz des Teufels“. Gleich nach seiner Wahl erklärte er den Kardinälen, dass zum Teufel bete, wer das nicht zum Herrn tue. Dann wiederum mahnte Franziskus, wachsam zu sein und mit dem Teufel keine Geschäfte zu machen, der versuche, von uns Besitz zu ergreifen.

Nun gibt es tatsächlich gute Gründe, eine Macht des Bösen wahrzunehmen. Die ganze Geschichte bis in unsere Gegenwart zeigt, wie ihr viele Menschen und ganze Systeme erliegen können, um dann Schrecken und Verderben zu erzeugen. Das Böse hat zweifellos seine Anziehungskraft, ja sogar seine Faszination. Es kann sich in Gemeinschaften festsetzen und durch gegenseitige Beeinflussung gewaltig verstärken. Aber ist es zulässig, wirklich anzunehmen, es sei Ergebnis des Handelns eines eigenständigen Wesens namens Teufel?

Ein solcher wirklich existierender Teufel wirft unlösbare theologische Problem auf. Auch dieser Übeltäter müsste ja wie alles auf der Welt von Gott herrühren. Dem stünde allerdings die Güte Gottes gegenüber. So wurde die Figur eines ursprünglich guten Engelsfürsten erdacht, der nach einem Aufstand gegen Gott vom Himmel gestürzt wurde. Also ist er schon immer und allgegenwärtig da, der Satan, auch in der jüdischen und christlichen Bibel. Gott verkehrt sogar mit ihm – er lässt zu, dass der Teufel den Job prüft. Das Bild kehrt wieder bei Goethes Faust – nicht ohne subtilen Spott. Gott, den der Teufel manchmal trifft, lässt sich mit diesem in eine Wette ein. („Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern, und hüte mich, mit ihm zu brechen“).

Jedes Jahr wird vor dem Salzburger Dom das tiefgründige Spiel vom Sterben des reichen Mannes aufgeführt Es lässt niemanden unberührt. In ihm lässt Hugo von Hofmannsthal neben dem Teufel sogar die guten Werke des Jedermann als Person auftreten. Doch göttliche Dramaturgie, in der Satan eine bestimmte Rolle spielt, ist Frucht menschlicher Vorstellung. Kann doch ein Teufel, den Gott in seinem unbegreiflichen Ratschluss gewähren lässt, die Gebrechlichkeit und Sündhaftigkeit der Welt verständlich machen! Ohne ihn, mit dem vielleicht sogar Gott nicht fertig wird, wäre ja alles in bester Ordnung! Somit ist unser Vater im Himmel, den wir als „Lieben Gott“ ansprechen, frei von der Verantwortung für böse Schicksalsschläge. Wir Menschen sind es dann natürlich auch. Denn der Teufel will nicht, dass alles gut sei, und weiß schlaue Wege, uns zu verführen. Als Person mit eigenem abscheulichen Wollen?

Nun, der Teufel ist tatsächlich geschaffen, aber nicht von Gott, sondern von menschlicher Vorstellungskraft. Als mächtiger Akteur, der ins Weltgeschehen eingreift und dem gegenüber wir machtlos sind, ist er das Produkt jenes menschlichen Geistes, der auch zum Bösen neigt und damit seine liebe Not hat. Da wird alles erträglicher, wenn man das Übel auf diese Weise dingfest und wieder einmal zur Person machen kann. Also „gibt“ es den Teufel, aber eben nur in den Köpfen von uns Menschen und auch von Päpsten. Ebenso wie die Dämonen, die sich unglücklicher Personen bemächtigen und mit Wohlwollen des Vatikans auch heute noch von Exorzisten fleißig ausgetrieben werden.

Das Böse bleibt ein ewiges Rätsel. Am ehesten können wir es wohl als Folge des Umstandes verstehen, dass uns Gott als freie Menschen erschaffen hat, die sich vom Guten auch abwenden können und das dann verantworten müssen. Aber das alles spielt sich, wie uns Jesus eindringlich sagt, in unserem Herzen ab. Auf den Teufel dürfen wir es keinesfalls abschieben!