ALMTAL#
Weilte man früher irgendwo auf Urlaub gab es kaum Möglichkeiten von seinem Urlaubsort weit entfernte Ausflüge zu unternehmen. Das änderte sich, als die ersten Kraftwagen zum Einsatz kamen. Eine dieser Ausflüge ins Almtal wird 1925 hier geschildert:
„Noch vor kurzem hätte man zum „schön wärs schon“, dieser freundlichen Aufforderung ein lange gedehntes Aber angehängt. Denn ein Ausflug ins Almtal, das war ein böser Begriff, der entweder viele Wegstunden zu Fuß involvierte oder an einem Tag der Woche das sich Anvertrauen an eine wackelige Postkutsche, die einem die Knochen im Leibe zusammenschüttelte.
Heute ist es ganz anders, die Kraftwagenverbindung des Herrn Muckenhuber befördert uns glatt und ohne unser Skelett zu verrücken in einer Stunde dorthin. Bitte, das ist kein Aufschnitt, wers nicht glaubt, besteige am Rathausplatz in Gmunden um 7 Uhr 15 morgens den Kraftwagen. Wir können auch zu bequemer Mittagsstunde dorthin fahren. Aber da wir die Partie bis zum Almsee machen wollen, denn auch dorthin ist heute bereits für eine Verbindung mit dem Wagen, und zwar einem Omnibus gesorgt, wählen wir die Morgenstunde. Gibt es doch nichts Herrlicheres als eine Fahrt in den jungen Tag hinein, wo die Landschaft in hehrer Schönheit vor uns liegt und die Sonne ihre bezauberndsten Lichter über die Welt wirft.
Die Fahrt ist vom Ausgangspunkt an jeden Moment lohnend. Es ist zunächst auch eine Entdeckungsfahrt in die nächste Umgebung Gmundens, die wir heute mit ganz anderen Augen sehen, als zu einer Zeit, da wir sie nur ach, allzu genau kennen lernten. Keine Mühsal hemmt und beschwert mehr den Fuß wie zur Hamsterzeit, wo der Blick auch prüfend über Gärten und Felder ging, allerdings mit dem Gedanken im Hinterhalt: Werden sie uns genügend ernähren?
Reine Freude an der Natur öffnet uns den Blick, der über ährenreife Felder, satt grüne Matten und Früchte tragende Gärten schweift. Sanft hügeliges Flachland weitet sich hinter Engelhof zu beiden Seiten der Straße. Wie eine freundliche Villegiatur taucht Gschwandt auf der Anhöhe mit seiner weit das Landschaftsbild beherrschenden Kirche auf. Das freundliche Gemäuer der Häuser blinkt auf, die sich hübsch um die Kirche gruppieren, wahrlich es ist in der Ortsanlage ein vernünftiges System befolgt worden. Auch Ohlsdorf mit seiner interessanten Wallfahrtskirche taucht entfernt auf.
Die Anhöhe von St. Konrad ist leicht genommen, wir beginnen den Triumph der modernen Technik über Entfernung und Raum langsam zu ahnen. Als ihre Besieger geht es wie im Fluge weiter. Hin und wieder erinnert uns ein Schupfer bei den Straßenschwellen, dass es vielleicht gar zu schön wäre, wenn auch noch die Landgemeinden ein wenig Verständnis aufbrächten und etwas für die Beseitigung der Gräben und Schwellen tun würden. Es ist um so mehr zu verwundern, dass es nicht geschieht, da hauptsächlich die Landbevölkerung Gebrauch von der bequemen Verbindung mit Gmunden macht. Wohlgemerkt, nicht der Tourist, der Sommergast, der Ausflügler ist Hauptfrequenz der Kraftwagenverbindung mit dem Almtal, sondern der „Dasige“ dieser einsam gelegenen Dörfer. Er hat sich sehr rasch mit der modernen Verkehrsgelegenheit befreundet. Es ist aber nicht zu glauben, dass er sich nicht auch bei Touristen und Ausflüglern einbürgern sollte. Denn er bedeutet doch die Erschließung eines Paradieses. Wer nie im Almtal war, hat keine Ahnung von dieser angehäuften Pracht von Schönheit. Drei, vier andere Orte könnte man noch mit den Gruppen von Bergen, den drei- und vierfach ineinander geschobenen Waldkulissen ausstatten und alle hätten noch genug Schönheit.
Ab St, Konrad, eine Ortschaft, die weit gestreckt auseinander liegt und anderen Ende die schöne Kirche freundlich herüber grüßt, ändert sich die Landschaft, der alpine Charakter drückt seinen Stempel auf. Bergrücken schieben sich auf zu beiden Seiten, die gewaltig emporstreben und die satte Pracht des grün in verschiedenen Nuancen zeigt. Es schmerzt das Auge, wenn der Blick auf Waldflächen stößt, die abgeholzt werden. Man möchte diese Schönheit nicht verstümmelt sehen. Die Vorläufer des romantischen Almtales rücken an. Der Scharnstein Spitz reckt seine bizarre Form empor. Noch sind wir weit entfernt von ihm. Aber ringsum häufen sich die bewaldeten Hügel, sie stehen in Gruppen hinter- und nebeneinander. Und wie diesen, die Berge in Rudeln gleich dem Wilde. Der Scharnstein Spitz zeigt uns beim Näherkommen seine alte Burgruine. Hier mag sich einst mittelalterliche Räuberromantik abgespielt haben, die Ritter von Scharnstein in den Engpässen des Gebirges den fahrenden Kaufleuten abgepasst und ihnen ihre Beute abgenommen haben. Und daneben bieten die spitze „Säul'n“, der pittoreske Bräukogel, der Mittagskogel, rechts der Zwillingskogel ihr Antlitz der Sonne dar und zeichnen in den Äther ihre wunderlichen Formen. Jäh streben sie vor uns empor, so gewaltig und majestätisch wirken sie in der Unmittelbarkeit, dass sie in der Höhe weit unterschätzt werden könnten. Sie alle sind beliebte Ziele auch für Nicht-Schwertouristen.
Wir befinden uns in Scharnstein. Am Grunde fließt die Alm, ein zahm aussehendes, klares und seichtes Wässerchen, man kann auf seinem Grunde jedes Steinchen sehen, es ist Forellenwasser. Man würde ihr nicht ansehen, dass sie verwüsten und zum reißenden Strom werden kann, wenn die Schneewässer sie im Frühling schwellen und sie mit Vehemenz ihr Bett verlässt. Dem lieblichen Ort drückt die Industrie ihr Gepräge auf. Die Redtenbacher Sensenwerke haben die Krise wieder überwunden und von den Fabriksräumen geht wieder das Gesurre der Arbeit aus. In dem Größenverhältnis zu den Berggiganten da drüben wirkt der Ort wie das Spielzeug des Riesen. Vertrauensvoll blinzeln die kleinen Häuschen zu den Bergriesen empor, sie fühlen sich in ihrem Schutz gut geborgen und halten gute Kameradschaft.
Den Weg von hier nach Grünau legen wir in der kleinen Bahn zurück, die gleich Anschluss an den einfahrenden Kraftwagen hat. Von Grünau aus kann der Fußweg oder der Weg im Omnibus zum Almsee gemacht werden. Für den tüchtigen Touristen reicht die Zeit fast für die Wanderschaft hin und zurück und dem Anschluß zum letzten Kraftwagen nach Gmunden um 5 Uhr nachmittags.
Alle Herrlichkeiten der Bergwelt tun sich hier auf. Durch satte Wiesen führt der Fußweg zuerst rechts und links streben die Berge empor, immer neue Arten und Formen zeigen. Weiter gegen den See wird die Landschaft erhaben einsam, ihre Majestät wird in ganzer Größe fühlbar, bis das Ziel, der Almsee der romantischeste der Salzkammergutseen krönend winkt. Wir betreten historisch interessanten Boden. Man könnte mit offenen Augen träumen in dieser Einsamkeit und Schönheit Sind wirklich erst wenige Stunden vergangen, seit wir die lauten Stätten der Menschen verlassen haben? Ein Film hat sich vor unseren Augen abgerollt, so abwechslungsreich und bunt und wir fühlen, er wird immer in uns nachwirken. Wer offene Sinne hat und das Ereignis einer Almtalwanderung mitgemacht hat, wird es nie vergessen, sofern er Natureindrücken zugänglich ist. Dass die große Partie in einem Tage gemacht werden kann, vermutlich mit einem günstigen frühen Morgenzug auch aus Linz, sicher aber aus Wels ist eine gute Sache für sich. Der hastenden Menschheit ist ja nicht allzu viel Zeit gegeben, verinnerlichenden Eindrücken nachzugeben. Es ist in jeder Hinsicht ein Verdienst des Herrn Muckenhuber, die Linie Gmunden - Almtal bequem erreichbar gemacht zu haben. N.G.
QUELLE: Gmundner Kurliste ÖNB
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