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ANGST VOR HABSBURG#

Bald nachdem die Monarchie zu Ende war, ein Weltreich, dessen Dynastie hunderte von Jahren herrschte, wurde allmählich zum Mythos. Noch dazu als die geheimen Gemächer von Schönbrunn und der Hofburg für die Öffentlichkeit frei gegeben und jedermann mit der Intimsphäre dieses Herrschergeschlechtes konfrontiert wurde. Dutzende Bücher erschienen, Zeitungsartikel beschäftigten sich plötzlich mit den Habsburgern und auch Film und Theater ließen Geschichte Revue passieren. Wenn auch nicht immer der Wahrheit entsprechend. Mehr denn je strömen Menschen bis in die Gegenwart aus aller Welt herbei um sich von der kaiserlichen Atmosphäre faszinieren zu lassen.

So hat das Rathaus 1930 den Film „Kaiser Franz Joseph als Regent und Mensch“ für Jugendliche verboten, weil sich die Darstellung angeblich nicht an die geschichtliche Wahrheit hält, weil sie nur die schönen Seiten dieser monarchistischen Jahre hervorhebt und so geeignet ist, ein falsches Geschichtsbild zu vermitteln.

Deshalb rufen nun einige bürgerliche Blätter die Schutzgeister der Demokratie an. Die „Neue Freie Presse“ erwartet sogar von der besseren Einsicht unseres Landesvaters Karl Seitz, dass er die Magistrats Filmstelle blamieren und den Film freigeben werde.

Wenn die Herren Karl Seitz und Dr. Viktor Adler namens ihrer Partei oft und oft bei den Regierungen Kaiser Franz Josephs an bessere Einsicht und Menschengüte appellierten, dann ist es immer wieder geschehen, dass der Appell nicht ungehört blieb, die Monarchie auf den Gebrauch ihrer überwältigen Machtmittel verzichtete und selbst unter Preisgabe materieller und ideeller Interessen einer Entwicklung freien Lauf ließ, an deren bolschewistische Ausartungen damals niemand glauben konnte. So wurde die österreichische Sozialdemokratie eine starke Partei und dankte dem Kaiser Franz Joseph, indem sie ihren hervorragenden Abgeordneten Pernerstorfer zu Hofe schickte, als das erste Parlament des allgemeinen Wahlrechtes dem Träger der Krone huldigte. Das war Demokratie in monarchistischer Zeit.

Wer aber heute noch glauben kann, dass ein Appell an bessere Gefühle bei denen Erfolg haben könnte, die jetzt in Wien regieren, der ist unbelehrbar. Das Jugendverbot für diesen Film ist auf einem anderen Gebiet nur der Ausfluss jenes freien Ermessens, das in Steuersachen die Wiener erwerbstätige Bevölkerung an den Ruin und Verzweiflung gebracht hat. Und es lehrt wieder, dass man solchen Leuten nicht die Macht anvertrauen kann, weil sie sie diktatorisch missbrauchen. Es ist rote Diktatur in der demokratischen Republik.

Wir müssen aber gestehen, dass wir mit diesem Verbot höchst zufrieden sind. Die Öffentlichkeit erfährt jetzt, wie die Roten ihre Macht gebrauchen und wie sie sie gebrauchen würden, wenn ein ungnädiges Schicksal und die Dummheit der Bürgerlichen sie noch stärker machen sollten. Sie weiß auch, dass es zur sozialdemokratischen Jugenderziehung gehört, die Kinder blutrünstige Revolutionslieder singen zu lassen und ihnen den Anblick der Greuelszenen russischer Filmpropaganda zu vermitteln, und kann sich überzeugen, wohin alle rote Politik zielt: zu den zehn Petersburger Tagen mit Massenmorden und Unglück. Schon in die Seele der Kleinsten soll der Gedanke an die rote Diktatur eingepflanzt werden.

Aber so sehr sie die Stadt Wien aussaugen und so oft sie auch ihre Kinder rote Galgenlieder singen lassen – sie fühlen sich doch nicht mehr sicher. Noch vor zwei Jahren haben sie über die Monarchisten gelacht. Das Verbot des Films beweist, dass sie sie bereits fürchten. Und ob sich einer nun zu den Monarchisten bekennt oder nicht, uns ist alles willkommen, was die gegen links sich schließenden Reihen vermehrt. Diese Reihen werden noch stärker werden, je mehr die anderen in ihrer Angst ihr schlechtes Gewissen offenbaren. Es ist ganz gut so. Nur so weiter Herr Seitz! Es kann den Antimarxisten kein größerer Gefallen geschehen als durch diese Propaganda. Auch die Arbeiter Zeitung setzt sich mit dem Franz Joseph Film auseinander.

…..... Der Film ist ein üblicher Kitschfilm, zusammengeschnitten und zusammengekleistert aus alten verlogenen Bildern. Auch ernst zu nehmende Monarchisten müssten dieses schlechte Filmerzeugnis ablehnen, das sonst auch keine Beachtung fände, doch der 100. Geburtstag des Monarchen lässt eine Filmverleihanstalt und einige Kinos auf erträgliche Einnahmen hoffen.

Bei der Jugend aber soll er keine falschen geschichtlichen Auffassungen erwecken. Nach dem Wiener Kinogesetz dürfen bekanntlich Filme vor Kindern und Jugendlichen zwischen dem dritten und dem vollendeten 16. Lebensjahr grundsätzlich nicht vorgeführt werden. Der Film müsste vielmehr Qualitäten aufweisen, die es im Interesse der Jugenderziehung und der Jugendbildung rechtfertigen, dass er für Jugendliche zugelassen wird.....

….....dieser runde Geburtstag Franz Josephs soll anscheinend zu einer guten Konjunktur für „Erinnerungen“ aller Art gemacht werden. Erinnerungen die natürlich den Habsburgerkaiser verherrlichen, aber den Ehrenden auch allerlei tragen sollen. Man klebt aus uralten Fotos „Filme“ zusammen, gibt leere und gleichgültige Briefe als dicke Bücher heraus, weiht Kapellen ein, kurz das patriotische Geschäft blüht......

...Es sind Franz Josephs Paladine die ihre Erlebnisse mit dem Kaiser erzählen und die sie mit der Kaiserkrone geschmückten Band herausgeben. Paladine: das klingt so pathetisch, so imponierend, es ist so, als ob die Großen auftreten würden, die des Kaisers Gedanken in Tat umgesetzt haben, und es sind ja doch nur verkrachte Minister, abgehauste Diplomaten, geschlagene Generäle, die wirklich nicht nach König Artus Tafelrunde ausschauen. Manches macht dabei den Eindruck einer wahren Leichenschändung....

… Sie wollen alle den Kaiser schrecklich loben, vermögen aber alle zu erzählen, dass er sich an Akten erinnert hat und pünktlich gewesen ist - gewiss Tugenden aber zur Erzeugung einer Legende von Cäsarengröße reichen sie doch nicht aus.

Die Rathauskorrespondenz teilt mit: Die Firma Luschinsky hat gegen den Bescheid des Magistrats mit dem Ansuchen den Film auch zur Vorführung vor Jugendlichen zuzulassen, abgewiesen worden ist, Berufung an die Landesregierung eingebracht. Da gerade Ferien waren und keine Sitzung der Landesregierung einberufen werden konnte, hat Bürgermeister Seitz als Landeshauptmann die Entscheidung selbst gefällt und der Berufung stattgegeben....

QUELLEN: Freiheit, 14. August 1930, Arbeiter Zeitung, 13. 14. 15. und 17. August 1930, Österreichische Nationalbibliothek ANNO


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