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BARON FIERLINGER#

1876: Dieser Tage sind die längst erwarteten Ernennungen für den Verwaltungsgerichtshof erfolgt. Darunter wurde zum Senatspräsidenten der Sektionschef im Finanzministerium, Dr. Fierlinger ernannt.

Über den Senatspräsidenten Dr. Fierlinger schreibt die „Neue Freie Presse“: Als die bedeutsamste unter allen Ernennungen ist wohl die des Dr. Fierlinger zu betrachten, welcher dazu berufen ist, in dem Senat für Beschwerden in Finanzsachen die voraussichtlich das Gros der verwaltungsgerichtlichen Agenden bilden werden, den Vorsitz zu führen. Und nach der bisherigen Wirksamkeit Fierlingers kann diese Ernennung als eine überaus glückliche bezeichnet werden. Dr. Fierlinger stand bisher im Finanzministerium dem Departement für indirekte Steuern vor, welches notorisch das best geleitete in unserem Finanzministerium ist. Mit einer gründlichen juristischen und politischen Bildung verbindet er eine seltene Kenntnis der viel verschlungenen Irrpfade unserer Gebührengesetzgebung, deren Mängel durch Aufstellung leitender Maximen zu verbessern der Verwaltungs-Gerichtshof wobei in erster Linie berufen sein wird.

Von Fierlinger dürfte man sehr beeindruckt gewesen zu sein, denn einem anderen Blatt ist zu entnehmen: Vorläufig dürfte der ständige Senat für Steuern und Gebühren Arbeit in Hülle und Fülle vorfinden. Aber eben in demselben ragt die geistig gewaltige Gestalt des Sektionschef Fierlinger vor allen anderen hervor. Seine Ernennung hat uns mit besonderer Befriedigung erfüllt. Man rechnet es Fierlinger zu großem Verdienst an, dass er sich in Gebührensachen so vortrefflich auskenne. Das scheint uns jedoch an Fierlinger bei weitem nicht das Beste zu sein.

Ein großes Verdienst Fierlingers ist es, dass er in verhältnismäßig ganz kurzer Zeit die gesamte zersplitterte Gebührengesetzgebung geistig in sich aufnahm, nach jeder Richtung beherrschte, und dass er der Erste war, welcher rechtliche Prinzipien in jene prinzipienlose Kasuistik brachte, so dass seine Entscheidungen nach Inhalt und Form Muster-Entscheidungen waren. Aber das, was uns bei Fierlinger zur besonderen Anerkennung hinreißt, ist sein scharfes, feines und augenblickliches Verständnis, sein durchdringender Verstand, seine schöpferische Kraft und sein liberaler, weiter, nicht bürokratischer Gesichtskreis, dabei Ruhe, Takt und richtiges Maß! Eigenschaften, welche wohl geeignet sind, Fierlinger unstreitig zu einer Größe ersten Ranges in der Verwaltungsjustiz zu machen.

1881: Dr. Julius Freiherr von Fierlinger ist zum Geheimen Rat ernannt worden. Die Anerkennung, welche durch diese Auszeichnung dem ersprießlichen Wirken des Senats-Präsidenten des Verwaltungs-Gerichtshof zuteil wird, wird in juristischen Kreisen auf das Freudigste begrüßt werden. In Baron Fierlinger schätzen wir den hervorragenden Juristen, den unermüdlichen Arbeiter, in seinem Wirkungskreis an der Spitze des Gebührenwesens und in seiner jetzigen Stellung als Senats-Präsident des Verwaltungs-Gerichtshofes. Baron Fierlinger weiß mit treffender Schärfe das Wesentliche eines Falles zu bezeichnen, ohne den Details die ihnen gebührende Berücksichtigung zu versagen. Durch den humanen freundlichen Verkehr mit den Parteien und ihren Vertretern hat sich Baron Fierlinger allseitige Sympathien erworben und sehen wir in ihm die Verkörperung dieser dem österreichischen Beamten- und Richterstande zur Zierde gereichenden Eigenschaft.....

Doch das Leben des geachteten, beliebten und erfolgreichen Mannes Dr. Julius Freiherr von Fierlinger endete am 29. November 1884 mit 56 Jahren.

Er wurde am 31. März 1829 in Krems geboren, absolvierte an der Wiener Universität die juristischen Studien und promovierte sub auspiciis imperatoris. Nach Absolvierung der Gerichtspraxis trat er in die Finanzprokuratur ein und habilitierte sich gleichzeitig als Doktor für das österreichische Zivilrecht an der Wiener Universität. Er hat in verhältnismäßig kurzer Zeit die steile Stufenleiter der Beamtenhierarchie bis zu den höchsten Höhen durchschritten, überall mit Erfolg.

Als Finanzprokuraturs-Adjunkt bei der Forstservituten-Ablösung in Salzburg, als Finanzrat bei der niederösterreichischen Finanzprokuratur, als Ministerialsekretär, als Sektionsrat, Hofrat und Sektionschef, in all diesen Ranglisten erwies er sich als Meister in den schwierigen ihm übertragenden Arbeiten. Darunter war sein juristisches Wissen, einer vielseitigen Bildung, einer strengen Logik, einer echt wissenschaftlichen Methode.

Als Sektionsrat im Finanzministerium übernahm er das Gebührendepartement, als Sektionschef arbeitete er das Exposé für die schwierigen Verhandlungen des Ausgleichs mit Ungarn aus. Fierlinger konnte die Eindrücke des zweiten Ausgleichs mit Ungarn nie mehr verwinden. Das Verhältnis zu Ungarn erschien ihm wie ein Knoten all der Schwierigkeiten, unter welchen die Monarchie leidet.

Bei seinem Übertritt zum Verwaltungsgerichtshof führte er in Gemeinschaft mit dem Verwaltungs-Gerichtspräsidenten Stählin die Aktivierung dieses Gerichtshofes durch und verfasste sämtliche Durchführungsvorschriften.

Seine Tätigkeit als Senatsgerichts-Präsident des Verwaltungsgerichtshofes hat die Erwartungen, die in diesen Blättern an die Übernahme dieses wichtigen Amtes geknüpft wurden, in vollem Maße erfüllt.

Die Härten des Gebührengesetzes konnte er allerdings als Richter nicht beseitigen, aber viele Ministerialverordnungen, welche diese Härten noch steigerten, wurden durch die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes als wirkungslos erklärt.

Wie wenig hatte Graf Taaffe diesen Mann gekannt, als er ihn aufforderte, seinem Kabinett als Finanzminister beizutreten. Fürlinger als Senats Präsident hatte damals die bescheidenen Räumlichkeiten in der Heugasse inne, als eines Tages, als die Familie noch bei Tisch war, ließ sich Graf Taaffe melden, und Fierlinger erhob sich, begleitet von einem vielsagenden, flehenden Blick seiner Frau, nicht ohne Neugierde, zu erfahren, wie es eigentlich bei einer Ministerbildung zugehe. Taaffe bot ihm das Portefeuille der Finanzen an, Fürlinger lehnte ab, denn die ersten Anzeichen seiner Krankheit machten sich zu dieser Zeit bereits bemerkbar.

Die wichtigen Dienste, die der Verstorbene dem Vaterland geleistet hat wurden von Kaiser Franz Joseph durch seine Erhebung in den Adelstand, durch die Verleihung der Baronie und der Geheimratswürde ausgezeichnet.

Obwohl mit allen erforderlichen Eigenschaften für eine hervorragende Rolle auf parlamentarischem Gebiet ausgestattet, hat es Baron Fierlinger doch verschmäht, dasselbe zu betreten.

Das Glück, welches der Dahingeschiedene in den rühmlichen Erfolgen seiner amtlichen Tätigkeit, in dem Kreis seiner Familie genoss, wurde in seinem letzten Lebensjahr leider getrübt, da er von einer Nerven zerrütteten Krankheit befallen; seine Sprache, seine Glieder waren gelähmt, ein Familienunglück kam hinzu, sein ältester, hoffnungsvoller Sohn, Julius, der als Sprachenforscher ein vielversprechendes Talent bekundete starb erst 20 jährig.

Das Begräbnis fand am 1. Dezember 1884 unter lebhafter Beteiligung statt. Die Leiche wurde vom Trauerhaus, Landstraße, Beatrixgasse 26 in die Pfarrkirche St. Rochus und Sebastian überführt, wo sämtliche Herren der Politik sich eingefunden hatten. Der Tote wurde anschließend nach St. Helena bei Baden geführt.

Fierlinger hinterließ eine Witwe, geborene Anna Dabon, Tochter des oberösterreichischen Großgrundbesitzers und Abgeordneten Dabon, und einen elfjährigen Sohn Claudius. Fierlingers Name wurde in der großen Öffentlichkeit wenig genannt, denn das Gebiet, auf dem er tätig war, bot wenig Gelegenheit, sich populär zu machen.

QUELLEN: Gerichtshalle , 10. Februar 1881, 4. Dezember 1884, 12. Juni 1876, Pilsner Zeitung, 10. Juni 1876, Österreichische Nationalbibliothek ANNO.

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