DER DOM ZU ST. STEPHAN #
1948: Kein Wiener der zufällig in das Stadtzentrum kam versäumte es einen interessierten Blick auf den Steffl zu werfen um zu sehen, welche baulichen Fortschritte es beim Dom inzwischen gegeben hatte.
In diesen Tagen gab es jedoch für die Passanten eine Überraschung die für sie atemberaubend war, denn in schwindelnder Höhe kletterten drei Männer im Gerüst umher um die Teile der Dachkonstruktion zu montieren und zu verschrauben. Mochte ihnen auch ein 32 Meter hoher Kran, als „Montagenadel“ bekannt, die mühevolle Arbeit der Konstruktionsteile in diese Höhe zu befördern, abnahm, so blieb es für sie anstrengend und gefahrvoll genug Zu ihrem Stundenlohn erhielten sie eine Gefahrenzulage von 29 Groschen.. Außerdem waren sie jeder Witterung ausgesetzt. Trotz allem wurden sie doch durch den interessanten Überblick über die Stadt entschädigt, obwohl viele Ruinen, die noch so manchen Einblick in einstige Räumlichkeiten gewährten, Schutthaufen, die zerstörten Brücken, die notdürftig hergerichtet damit die Menschen ans andere Ufer des Donaukanals gelangen konnten, schön war diese Aussicht allerdings nicht zu nennen. Keiner von ihnen hätte je gedacht, dem Steffl einmal so nahe zu sein. Die Teile der Dachkonstruktion die über dem Langschiff angeordnet wurde, war kräfteraubend, kein Wunder wog sie doch an die 500 Tonnen. Das vom Feuer vernichtete Gebälk aus Lärchenholz wog allerdings noch ein vielfaches mehr, nämlich 1200 Tonnen.
Die verschiedenen Teile der Konstruktion stellte die bekannte und erfolgreiche Firma Waagner-Biro her, die dann mit einem sogenannten „Derrick-Kranes“ über das Hauptportal weiter zum Flachdach gebracht, mit Binder dann zusammengeschraubt und nun kam die bereits erwähnte „Montagenadel“ abermals zum Einsatz um in einem Abstand von acht Metern aufgestellt zu werden. Ein waagrechter Träger in der Dachkonstruktion, genannt „Pfetten“ stellten nun die Verbindung zwischen den Bindern her.
Die Arbeiter bewegten sich am First des Daches in 37 Meter über dem Gesimse und 61 Meter über dem Straßenniveau. Nachdem das Werk mit der Verschraubung beendet war, befestigte man die hölzernen Ziegellatten. Dazu waren die Dachdecker nötig, die ebenfalls schwindelfrei und die Kletterei in diesen Höhen beherrschen sollten, denn das Dach wies eine Neigung von 64 Grad und bei der Apsis sogar 75 Grad auf.
Um das Dach des Stephansdoms den einstigen Glanz wieder zu verleihen wurden aus der Tschechoslowakei 200.000 glasierte Ziegel in zehn verschiedenen Farben bestellt. Auch sie hatten ein Gewicht von 550 Tonnen.
Doch das wird noch dauern, inzwischen geht das bunte Treiben in der Höhe munter weiter, es gab Bauhütten, Bänke und Tische im Freien wurden aufgestellt, damit sich die Arbeiter mittags ausruhen konnten.
QUELLE: Die Weltpresse, 15. Mai 1948, Österreichische Nationalbibliothek ANNO
- Siehe auch vor allem das ausführliche NID Dokument von P. Diem
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