DER PUMERA#
1936: Anton Pumera, Dr. Karl Luegers treuer Diener, ist im 77. Lebensjahr in der Herzstation an einer Koronarsklerose gestorben.
Seltsames Zusammentreffen! Erst weniger Tage ist es her, dass dem Andenken des großen Wiener Volksbürgermeister, Dr. Karl Lueger eine Aktualisierung widerfuhr. Seine Schwester, Hildegard Lueger, feierte ihren 90. Geburtstag. Und nun stirbt Anton Pumera.
Den jüngeren Wienern hat dieser Name nicht viel zu sagen. Aber die alten Wiener wissen, wer Anton Pumera war und was er bedeutete. Er war eine einmalige Persönlichkeit, er war nicht mehr und nicht weniger als eben der Pumera. Wenn er auch nur ein einfacher Diener war. Aber er war der Diener des Doktor Lueger. Und das war viel, gewaltig viel.
Als Dr. Lueger im Rathaus residierte, war der Pumera eine sehr populäre und wichtige Erscheinung in Wien. Er war Luegers wirklich ergebenster Diener, sein Schatten und wohl auch sein heimlicher Tyrann. Insofern nämlich, als er seinen Herrn behütet und betreute, für dessen Gesundheit und Wohlbefinden mehr besorgt war als der Herr selber. Dafür hielt aber der Dr. Lueger auf seinen Pumera auch große Stücke. Er vertraute ihm, er eröffnete sich ihm, er hörte sogar auf ihn. Der Pumera durfte in camera caritatis reden, frisch von der Leber weg. Dem Bürgermeister war der unverbildete Mann aus dem Volke mit seinem klar unterscheidenden Verstand und seinem treffenden Mutterwitz wertvoll. Hier hörte Lueger die Volksstimme in ihrer unverfälschten Reinheit und oft mochte der Pumera durch eine Bemerkung, die ihm vom Herzen kam, Entscheidungen beeinflusst haben. Pumera wusste um die geheimsten Dinge und er musste um sie wissen, um einen klaglosen Ablauf des schweren Arbeitstages seines Herrn zu ermöglichen und unerwünschte Störungen fern zu halten. Das spürte man im Wiener Rathaus. Man wusste, dass der Weg zu Dr. Lueger über den Pumera führte, der an der Schwelle zu Dr. Luegers Gemach saß und sie mit seiner ganzen, Menschen durchschauenden Urwüchsigkeit bewachte.
Dem Pumera war eine große und schwere Verantwortung aufgebürdet. Er hatte keinen leichten Dienst und es bedurfte vorbildlichen Ergebenheit seinem Herrn gegenüber und einer fast schon heroischen Festigkeit des Charakters, um den Versuchungen, die alltäglich an den Diener des Bürgermeisters herantraten, nicht zu erliegen und das schwere Amt so sauber zu versehen, wie es die Voraussetzung war. Pumera gab sein eigenes Leben auf, um seinem Herrn zu dienen, er war stets um ihn, er begleitete ihn auf allen Ausfahrten. Wenn neben dem Kutscher der Pumera, dessen epikuräische Erscheinung wohl bekannt war, auf dem Bock saß, wusste man, dass der Bürgermeister im Wagen war und rief: „Hoch Lueger!“
Besonders in den Jahren, da Lueger bereits kränkelte und sich sein Ende ankündigte, erwies es sich, wer und was Pumera war. Da vervielfältigte er seine Sorgfalt, da war er unausgesetzt bestrebt, dass Dr. Lueger sich schone und dass dieses kostbare Leben möglichst lange erhalten bleibe. Pumera hat im Wiener Rathaus keinen Nachfolger gefunden. Nach dem Tod Luegers war es auch mit Pumera vorbei. Die Zeit ging über ihn hinweg, er wurde vergessen. Lebte er überhaupt noch? Aber dann, nach vielen Jahren, erinnerte man sich seiner wieder. Das war, als im Jahr 1934 im Deutschen Volkstheater das biografische Schauspiel „Lueger“ von Franz Naderer aufgeführt wurde. Da wieder fuhr dem Pumera die große Ehre, sich selbst in der Verkörperung Eduard Loibners auf der Bühne sehen zu können, etwas, wovon er sich gewiss auch in seinen schönsten Tagen nicht hätte träumen lassen. Noch einmal genoss er das Glück, ein gangbarer Begriff, ein Mittelpunkt des Interesses zu sein. Noch einmal stieg die glanzvolle Zeit Luegers vor seinen Augen auf. Es war, als ob ihm das Schicksal noch einmal eine Herzensfreude bereiten wollte, ehe es nach ihm griff. Denn zu Weihnachten 1934 erkrankte Anton Pumera an einem Gallensteinleiden sehr ernsthaft und musste ins Spital. Er hat sich seit damals nicht mehr erholt und nun ist er heimgegangen, er, der treue Diener seines Herrn und Meisters Dr. Karl Lueger, er, der unmittelbarste Augenzeuge einer der schönsten und fruchtbarsten Epochen, die Wien jemals erlebt hat.
Pumera war Sohn christlicher Eltern und verbrachte seine Jugendjahre in Smichow-Ceskovic, wo er 10 Jahre lang die Volksschule besuchte. Dann lernte er das Schuhmachergewerbe. 1882 ging er zum Militär, wählte Wien zur Residenz, 1884 war er bereits Gefreiter und lernte seine spätere Ehefrau kennen, die damals als Köchin angestellt war. Hochzeit wurde am 18. November 1889 gefeiert. Seine Frau eröffnete in Favoriten ein Schuhgeschäft dass sie auch führen musste, da ihr Mann nicht gut genug die Deutsche Sprache beherrschte. Er wurde Obmann eines tschechischen Theatervereins, damit hatte er den Grundstein zu seiner großen Popularität gesetzt. Am 4. Jänner 1900 wurde er Bezirksrat von Favoriten und legte das Gelübde ab, den deutschen Charakter Wiens zu wahren und zu fördern.
Zu dieser Zeit geschah ein ungewöhnliches Ereignis. Dr. Lueger hielt im Bezirk eine Versammlung ab. Zu seinem Pech trat Lueger nach der Versammlung auf einen Nagel der ihm die Sohle zerriss. Was sollte er nun tun, da meldete sich Pumera und leitete ihn in sein Schuhgeschäft wo Lueger sich neue Schuhe zulegte. Ab da mieden die Mitglieder des Theatervereines Pumeras Schuhgeschäft. Für den Inhaber begann eine schwere Zeit. Das Glück war ihm hold Lueger nahm sich seiner an und nahm ihn als Diener auf. Von da an begann Pumeras große Periode in der er die bedeutendsten Persönlichkeiten Österreichs kennen lernte. Wiederholt durfte er dem Thronfolger Franz Ferdinand den Wagenschlag öffnen und war bei den finanziellen Beratungen Dr. Luegers mit den israelitischen Bankdirektoren wiederholt anwesend. In Begleitung Luegers bereiste er die Monarchie Tirol, Lovrana aber auch Rumänien lernte er kennen. Welch große Stücke Lueger von seinem Pumera hielt, geht aus folgender Episode hervor. Während Luegers letzter Krankheit erschien eine Deputation der Genossenschaftsvorsteher Wiens beim Bürgermeister um ihm die Rettung des Kleingewerbes durch Änderung des § 73 der Gewerbe Ordnung nahe zu legen. Lueger forderte Pumera auf, die Herren zu empfangen, sie anzuhören und zum Schluss sagen, dass der Bürgermeister das Nötige veranlassen werde. Ging es bei Versammlungen stürmisch zu, dann stand Pumera dem Parteiführer zur Seite, um ihn vor Angriffen zu schützen. Den 70. Geburtstag konnte Pumera noch gesund und rüstig feiern. 1932 konnte Pumera das 40. Gründungsfest des christlich-sozialen Arbeitervereines miterleben wo er von Obmann und Abgeordneten Kunschak begrüßt worden war.
QUELLE: Znaimer Wochenblatt, 11, Juni 1919, S 4, Freiheit, 26. September 1936, S 2, Neue Wiener Journal, 19. September 1936, S 5, ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Bildmaterial: I. Ch. Graupp
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