DIE FRAU VON EINST#
Eine der mondänsten und zugleich klügsten Frauen der eleganten Welt, Madame Benesch, beklagt im Jahr 1924, den Niedergang des luxuriösen Wien. Ihr Urteil ist darin zweifellos maßgebend.
Sie kennt, wie vielleicht keine zweite Frau Wiens, die große Welt, sie ist in Paris ebenso heimisch wie in Biarritz, Monte Carlo und Karlsbad.
Sie kennt das Tribunal dieser Welt, kennt seine Meinungen, sie weiß von den Affären dies internationalen Kreises, von seinen Amüsement, Freuden und Sorgen.
Zur Großstadt meint Madame Benesch, gehören die schönen, mondänen Frauen. Sie zieren die Oper und Theater, die bedeutenden, großen Restaurants und Vergnügungslokale, denn diese bekommen erst durch die schöne Frau Sinn und Inhalt.
In Wien lohnt es sich kaum mehr, elegant und mondän zu sein. Die Theater veröden, niemand nimmt sich mehr Mühe, gut gekleidet zu gehen. Die Gesellschaft wird salopp. Die Herren lassen sich gehen, man verzichtet auf das Bild schöner Toiletten, man lässt jedes Gesetz fallen. Glauben Sie nicht, dass darunter die Theater und Lokale leiden? Das Sehen wollen und Gesehen werden wollen gehört nun einmal zum Vergnügen. Sie werden sehen, man wird es einmal sehr bedauern, Wien etwas genommen zu haben, das man an ihm geliebt hat und worum es in der ganzen Welt beneidet worden ist......
Heute ist es nicht anders, man legt keinen Wert auf Kleidung, die Jugendlichen gefallen sich in Schwarz, oder zu Sommerkleider tragen sie plumpe Schuhe. Ihnen ist jeder Schönheitsbegriff abhanden gekommen. Nicht einmal der Opernball kann jenen Glanz der Vergangenheit aufleben lassen.....
QUELLE: Die Bühne, 1924 Heft 4, Österreichische Nationalbibliothek ANNO
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