Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast


Frauen im Schein der Medien - Zwischen Unterhaltung, Sexismus und Emanzipation
#

von Laura Heinisch und Sara Mahlknecht

Eine essayistische Abhandlung über Frauenrollen in den ausgewählten Medien Werbung, Film, Fernsehen und Web

Essay im Rahmen der UE Aktuelle Forschungsthemen der Webwissenschaften
JKU Linz

LVA-Leitung:
oUniv. Prof. Dr. Dr.h.c. Hermann Maurer
Dipl. Ing. Johanna Pirker

Verfasst von:
Laura Heinisch (1255815)
Sara Mahlknecht (1116092)

1. Frauen im Schein der Medien - Zwischen Unterhaltung, Sexismus und Emanzipation#

Frau oder Mann. Mädchen oder Junge. Dies sind eines der ersten Gegensätze, mit denen wir konfrontiert werden. Von klein auf identifizieren wir uns als das eine oder das andere und lernen gleichzeitig, was zu diesen Rollen gehört. Von Spielsachen über Kleidung bis hin zu Farben, werden diese Vorstellungen stets reproduziert - wenn sie auch allmählich zu bröckeln beginnen. Denn man ist aufgeklärt, informiert und gleichberechtigt. Meistens jedenfalls.

Rollenbilder entwickeln sich im Laufe der Zeit, in jeder Kultur und Gesellschaft ein wenig anders. Sie können sich nicht von einen auf den anderen Tag ändern, vielmehr ist es ein prozesshaftes Reflektieren und Hinterfragen, bei dem auch unbewusst Einstellungen weitergegeben werden. Dies geschieht im Besonderen auch über die Medien.

Film und Fernsehen bedienen sich gerne an Rollenklischees, schließlich können sich viele damit identifizieren und die Unterhaltung ist so leicht möglich. Wir wissen natürlich, dass ein Film meist nicht die Realität darstellt. Und dennoch werden wir vom Dargestellten beeinflusst, oft ohne es zu merken. Diesem Phänomen bedient sich auch die Werbeindustrie nur allzu gerne, die damit RezipientInnen erreichen will. Dazu gehören verschiedene Klischees, oftmals aber auch bestimmte Darstellungen von Frauen, die sich im Laufe der Zeit gewandelt haben und doch nach wie vor gewisse Problematiken mitaufwerfen.

Neben Film-, Fernseh- und Werbeindustrie ist es in den letzten Jahren vor allem das Web, das die Medienwelt aufmischt. Hier werden mediale Inhalte nicht nur passiv konsumiert, sondern es besteht die Möglichkeit, mit diesen zu interagieren. Was bedeutet dies für gefestigte Rollenbilder, für Diskriminierung oder Ungleichheiten? Ist es nun nicht umso einfacher, darauf zu reagieren und dagegen anzukämpfen?

Im Folgenden versuchen wir die Rolle von Frauen in Film- und Fernsehen, in der Werbung und im Web zu erörtern und dabei den Fokus auf die historische Entwicklung zu legen um ein ungefähres Bild davon aufzuzeigen, wie sich das Frauenbild in den Medien weiterentwickelt hat, welche Probleme es dabei gab und welche es nach wie vor gibt.

2. Sex sells - Frauenbilder in der Werbung#

Die Werbung hat ein primäres Ziel: verkaufen. Stellt sich nun die Frage, mit welchen Mitteln dies am besten funktioniert. Möglichkeiten gibt es viele, Marketingstrategien sind vielfältig. Und manchmal lassen sich Werbetreibende dann auch zu Methoden verleiten, die sich Klischees bedienen und im schlimmsten Fall sogar diskriminierend sind. Gerade was Frauenbilder betrifft, ist die Grenze zwischen ästhetisch eingesetztem Sex-Appeal und Sexismus oftmals schmaler als man glauben mag und mit bereits bestehenden Vorstellungen und Einstellungen verknüpft.

Die Wirtschaft muss sich, was die Geschlechtergleichstellung angeht, ohnehin noch immer vorwerfen lassen, Frauen zu benachteiligen. Ungleiche Gehälter bei gleicher Arbeitsleistung gibt es noch immer, genauso ist der Großteil der Führungspositionen von Männern besetzt. Versuche, diese Ungleichheit etwa durch Quoten zu beheben, gelingen nur bescheiden. Denn damit wird das eigentliche Problem nicht gelöst: das Bild der Frau. Die zu gefühlsbelastet ist, um sachliche Entscheidungen zu treffen, die ohnehin früher oder später schwanger wird und damit unbrauchbar, die schön anzusehen ist, ansonsten den Männern an Kompetenzen nachhinkt. Natürlich sind diese Aussagen überspitzt formuliert, aber bis zu einem gewissen Punkt in unseren Köpfen verankert. Und solange diese Vorstellungen bestehen, werden derartige Ungleichheiten auch immer zu finden sein.

Gerade in der Werbebranche, die es versteht, Menschen zu beeinflussen, wurden derartige Rollenbilder seit jeher genutzt, um Produkte zu bewerben. Denn: sex sells. Mit verwendeten Klischees werden Rollenbilder jedoch verfestigt, auch wenn sie zunächst unproblematisch wirken. Man kann nicht behaupten, jede Darstellung von Frauen, Erotik oder Sex-Appeal in der Werbung ist automatisch zu verurteilen. Jedoch gilt es zu differenzieren und zu hinterfragen.

Wenn man nämlich von Sex-Appeal spricht, dann klaffen die Vorstellungen darüber, was damit genau gemeint ist, teilweise weit auseinander. Selbst die Definitionen haben sich im Laufe der Zeit etwas gewandelt. 1982 war die Definition laut Duden eine „starke erotische Anziehungskraft, insbesondere einer Frau“. 1991 änderte sich diese in „sexuelle Anziehungskraft“ (Moser, 1997, S. 37). Mittlerweile spricht der Duden bei Sex-Appeal von „erotischer, sexueller Anziehungskraft (Duden, 2016).

Weitere wesentliche Punkte sind hierbei das subjektive Verständnis und die individuelle Wertevorstellungen. Denn erotische Inhalte werden in Werbungen oftmals sehr unterschiedlich wahrgenommen, beeinflusst von eigenen Vorstellungen und Überzeugungen. Objektiv betrachtet lässt sich ein Konsens dahingehend feststellen, dass Sex-Appeal zum einen vom Nacktheitsgrad und zum anderen von der Suggestion abhängig ist. Mit dem Suggestionsgrad ist ein Kommando oder eine Information gemeint, die eine bestimmte Vorstellung bei Personen auslöst. Dies gelingt besonders gut mit sprachlichen Stilmitteln, oftmals in Verbindung mit einem Bild, was in der Werbung deshalb gerne angewandt wird (Moser, 1997, S. 37-40). Die Interpretation von Nacktheit und Suggestion kann wiederum je nach subjektiven Einstellungen auseinanderklaffen.

So gesehen macht es sich die Werbebranche teilweise selbst schwer, wenn sie zu viel mit dem Sex-Appeal spielt. Denn wie genau sich dieses auf die RezipientInnen auswirkt, lässt sich selten genau vorhersagen. Die Aufmerksamkeit lässt sich damit oftmals jedoch gut steigern, sodass es nachvollziehbar ist, dass dieses Mittel immer wieder zum Einsatz kommt.

2.1 Frauenbilder in der Werbung im zeitlichen Wandel#

Zeitlich hat sich die Werbung in Bezug auf Frauen und Sex-Appeal geändert. Während das weibliche Geschlecht zunächst unterrepräsentiert war, erkannte man alsbald doch die damit verbundenen Möglichkeiten. In den 1960er und 1970er Jahren wurden Frauen häufiger in Werbungen dargestellt. Das Aufkommen der Emanzipationsbewegung zeigte sich auch in diesem Bereich, weshalb sich auch das Frauenbild wandelte und mehr berufstätige Frauen gezeigt wurden - wenn auch noch immer zu einem sehr geringen Anteil. In rund 40% der Werbungen dieser Zeit wurden Frauen dargestellt, häufig als Sexobjekt. Die Bezeichnung „Sexobjekt“ ist hierbei nicht wertend gemeint, sondern beschreibt eine Art der Darstellung. Davon kann dann gesprochen werden, wenn die erotische Darstellung (meist einer Frau) ohne direkten Bezug zur Marke oder zum Produkt steht, sondern die Frau als rein dekoratives Modell verwendet wird. Der dargestellten Frau werden damit sämtliche Charaktereigenschaften abgesprochen und rein ihr Aussehen so positioniert, dass sie auf das Produkt aufmerksam machen soll, in einer ansonsten funktionslosen Weise. Auch heute kann diese Definition von Sexobjekt noch aufrechterhalten bleiben.

Frau als Werbung
Spraywerbung
Photo: Pixabay.com, unter PD
Zwei kleine Beispiele: Die Firma Vespa bewarb ihren Roller mit einer im Bikini am Gefährt sitzenden Frau. Startklar sieht sie nicht aus, vielmehr wird sie - und mit ihr die Vespa - gekonnt in Szene gesetzt. Es ist offensichtlich, dass sie nicht dazu gedacht ist, tatsächlich mit der Vespa zu fahren, sondern lediglich auf ihr zu posieren.

Ähnlich ist es im zweiten Bild, wo ohne "guten Grund" eine Frau in Unterwäsche gezeigt wird, um einen Spray zu berwerben.

In den 1980er Jahren stürzte man sich auf das Prinzip des Nacktheitsgrades und Werbungen mit Frauen wurden zunehmend freizügiger gezeigt. Auch damit wurde das Bild der Frau weitergeformt. Ein wichtiges Medium dafür waren zu dieser Zeit Zeitschriften. Und auch bei diesen wurde das Mittel der Nacktheit mehr oder weniger gekonnt eingesetzt: In Männerzeitschriften wurden Frauen zu 38 Prozent nackt dargestellt, in Frauenzeitschriften zu sieben Prozent. Besonders interessant ist diese Analyse, wenn man sie mit der Darstellung von Männern vergleicht. Denn Männer wurden in typischen Männerzeitschriften ebenfalls zu zehn Prozent nackt gezeigt, bei Frauenzeitschriften suchte man jedoch vergeblich nach einem nackten Mann. Scheinbar war dies etwas, was für die damalige Frau nicht interessant sein sollte.

Einen ganz anderen geschichtlichen Verlauf hatte die erotische Darstellung von Männern. Denn diese war lange Zeit so gut wie gar nicht vorhanden. Vielmehr wurde männliche Nacktheit als witzig empfunden und lange Zeit - und teilweise noch immer - auch in der Werbung vorwiegend so eingesetzt. Dennoch nahm die Darstellung von Männern mit Sex-Appeal in den 80ern langsam zu und wurde nicht mehr als nur als etwas „Komisches“ abgestempelt, wie es bis dahin der Fall war (Moser, 1997, S. 46-48).

Im weiteren geschichtlichen Verlauf nahmen zwar die Männerdarstellungen mit erotischen Assoziationen zu, dennoch gab es immer mehr erotische Frauendarstellungen. Bis heute ist es immer noch so, dass Sex-Appeal beim Großteil der Werbungen noch „Frauensache“ ist.

2.2 Problematiken bei erotischen Werbeinhalten#

Erotik ist an sich nichts Negatives. Auch nicht, wenn sie dazu verwendet wird, um Produkte zu verkaufen oder ein Image aufzupolieren. Sex-Appeal kann durchaus einen positiven Werbe- und Marketingeffekt haben, wie mehrere Studien herausfanden. Deshalb wird es auch häufig benutzt um damit die potentielle Kaufkraft zu steigern.

Schwierig wird es jedoch, wenn man versucht, die Grenzen des guten Geschmacks zu ziehen. Denn erotische Darstellungen werden subjektiv anders wahrgenommen und so tanzen Werbetreibende auf einem schmalen Grat zwischen erfolgreichem Stilmittel und verwerflicher Diskriminierung. Negative Auswirkungen, die bei erotischen Inhalten mitgetragen werden können und oftmals auf dem ersten Blick gar nicht so klar ersichtlich sind, werden von der Werbebranche oftmals außen vor gelassen, wodurch es dazu kommen kann, dass gesellschaftliche Ungleichheiten reproduziert werden.

Wenn Frauen in der Werbung dargestellt werden, bedienen sich die WerbemacherInnen meist verankerten Rollenklischees. Wie genau dies dann aussehen kann, hat Christiane Schmerl in einer Studie untersucht. Sie hat dabei sieben Punkte herausgearbeitet, die bei Frauendarstellungen in der Werbung eine Rolle spielen und die immer wieder beobachtet und festgestellt werden können (Hinnemann, 2008, S. 2).

Wie mit der Begriffserklärung zum Sexobjekt bereits erläutert, wird die Frau in der Werbung häufig auf ihre Sexualität reduziert, um damit die Aufmerksamkeit auf sich und die Werbung bzw. das Produkt zu lenken. In erster Linie wird hier mit der weiblichen Nacktheit gespielt, was vor allem dann problematisch ist, wenn sie als rein dekoratives Modell – eben als Sexobjekt – dargestellt wird. Damit wird nämlich das Bild vermittelt, dass der weibliche Körper ein reines Objekt ist, das jederzeit betrachtet und benutzt werden kann. Dabei kennt Geschmacklosigkeit oft keine Grenzen: Die Biermarke Hirter bewarb ihre Fasstypen mit nackten Frauen. Noch dazu wurden diese auf ihre Haarfarben reduziert, die man auf humoristische Weise mit den verschiedenen Biersorten zu verankern versuchte. Die Frauen trinken aber das Bier nicht, sie sind lediglich dazu da, es zu bewerben und mit möglichst viel Sex-Appeal dem potentiellen Kunden anzupreisen. Gerade hier ist die Stereotypisierung klar erkennbar: Männer mögen Bier und schöne, nackte Frauen. Und eben diese Frauen möchten die Männer mit ihrem Aussehen – und mit Bier – glücklich machen. Der Werbezweck kann bei der Zielgruppe durchaus erfüllt werden, die Art und Weise wie dies geschieht, ist jedoch zu hinterfragen.

Das klassische „Sexobjekt“ ist jedoch nicht die einzige problematische Frauendarstellung in der Werbung. Frauen werden oftmals auch mit den beworbenen Produkten verglichen und sollen dasselbe ausstrahlen: Jugend, Schönheit und Unschuld. Damit wird die dargestellte Frau selbst zum Produkt, das konsumierbar ist, wenn man der Werbung Glauben schenkt. Die RezipientInnen sollen hierbei durch erotische und emotionale Weise angesprochen werden.

Was weibliche Rollenbilder noch immer stark prägt ist außerdem die Darstellung von Hausfrauen in Werbungen. Die Frau liebt es Mann, Kinder und Haus zu umsorgen und es ist selbstverständlich, dass sie sich um die Hausarbeiten kümmert. Die Darstellung in früheren Werbungen erscheint uns heute geradezu lächerlich und übertrieben, wie etwa diese alte Dr. Oetker Werbung.

Heute werden Frauen und Hausarbeit nicht mehr in dieser Form dargestellt, aber dennoch wird dies nach wie vor vermittelt, wenn dieses Frauenbild etwa zum Bewerben von Reinigungsprodukten oder dergleichen verwendet wird, auch wenn es meist nicht als frauenfeindlich wahrgenommen. Dennoch sollte man auch hier kurz überlegen, was damit eigentlich vermittelt wird: Zum einen wird nämlich häufig suggeriert, dass dies eines der wenigen Hobbys von Frauen wäre, zum anderen wird aber auch die Hausarbeit als Frauensache abgestempelt. Diese Rollenbilder sind nach wie vor in den Köpfen vorhanden, weshalb es für die Werbung auch eine gute Möglichkeit ist, um damit zu spielen und sie gekonnt einzusetzen. Gerne wird die Frau auch als das schwache Geschlecht dargestellt, das emotional veranlagt ist und oftmals unbeholfen handelt. Gerade wenn es um Technik geht ist sie schnell überfordert und braucht den Mann, der ihr rettend zur Seite steht. Das beworbene Produkt soll dabei Sympathie bei den RezipientInnen hervorrufen. Der Mann darf dabei seiner Rolle als Held und Beschützer gerecht werden. Zu Frauen und Technik bzw. “science” hat sich Microsoft einen etwas anderen Werbespot überlegt, der genau dieses Klischee aufgreift, es jedoch aufbrechen möchte.

Für die Werbung ist außerdem klar: Eine Frau muss schön sein. Dementsprechend perfekt wird sie auch dargestellt und dafür in „kosmetische Zwangsjacken“ gesteckt. Dabei wird die permanente Aufforderung impliziert, sich für den Mann schön zu machen. Ein großer Teil von Produkten befasst sich mit dem perfektionierten Aussehen und Auftreten der Frau. Hierbei werden gesellschaftliche Vorstellungen reproduziert, wodurch eine Frau Schönheit und Jugend darstellen soll. Selbst die Emanzipation weiß sich die Werbung zu Nutze zu machen. Oftmals aber nicht mit dem Bild der unabhängigen, starken Frau, die bewundert werden kann, sondern mit humoristischen Aspekten. Dadurch wird die Thematik der Emanzipation ins lächerlicher gezogen und so wiederum zu Marketingzwecken genutzt.

Ein letzter Punkt, auf den Schmerl aufmerksam macht, ist der männliche Zynismus. Die dargestellten Frauen werden hierbei aus Sicht der Männerwelt präsentiert, so wie man sie aus klassischen Männerwitzen kennt. Die Welt der Frau wird dabei von oben herab betrachtet und ins lächerliche gezogen, indem klassische Rollenmuster übertrieben dargestellt werden. Diese genannten Rollenbilder werden natürlich nicht in jeder Werbung, in der Frauen vorkommen, vermittelt. Dennoch ist es einfach mit solchen Klischees zu arbeiten und damit Aufmerksamkeit für sich und sein Produkt zu generieren. Indem man sich diesen eingesetzten Stilmitteln bewusst wird, ist es auch möglich, derartige Darstellungen kritisch zu hinterfragen. Always hat in einem Werbespot Klischees über Mädchen aufgegriffen und so auf eine andere Weise gezeigt, was es heißen kann, etwas “wie ein Mädchen” zu machen. Eine Werbung muss nicht immer absolut politisch korrekt sein und darf gerne auch mal mit Klischees spielen. Schließlich funktionieren die menschliche Psyche und damit das Marketing vielfach auch so. Als Teil des gesellschaftlichen und medialen Lebens hat sie aber trotzdem einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Einstellungen der Menschen.

2.3 Von Erotik zu Sexismus#

Wenn man sexistische Werbung googelt wird man schnell fündig und findet teils sehr schockierende Beispiele. Wie bisher bereits erwähnt, ist es jedoch oft schwer festzustellen, was sich die Werbung erlauben darf und wo sie bereits über ihr Ziel hinausschießt. Der Grat zwischen Erotik und Sexismus ist oftmals schmal und Grenzen verschwimmen. Wann fühlt sich eine Frau durch eine Darstellung angegriffen? Und wann darf sie sich berechtigterweise angegriffen fühlen? Alles bloß übertriebener und unnötiger Feminismus? Manchmal ist es ein Gefühl, eine Assoziation oder Erfahrung, ob etwas als sexistisch wahrgenommen wird oder doch noch als ästhetisch und geschmackvoll zählt.

Um den Bereich trotzdem einzugrenzen, nennt die Werbewatch-Group Wien folgende Definition: „Juristisch wird Sexismus definiert als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, das heißt als Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung. Sexistische Werbung ist die Darstellung von geschlechterbezogenen Vorurteilen und Verhaltensweisen, die eine Personengruppe (z.B. Frauen, Männer, Transgender, Homosexuelle) gegenüber einer anderen sozial abwertet. Menschenrechtlich betrachtet sind Abwertungen oder Stereotypisierungen von Frauen in Medien und Werbung eine ausdrückliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.“ (Frauenberger, 2016)

Gerade weil die Kategorisierung in sexistische und frauenfeindliche Werbung oftmals schwerfällt, haben sich vor allem feministische Gruppierungen damit auseinandergesetzt. Eine eindeutige Zuordnung ist damit zwar trotzdem nicht immer möglich, eine Hilfestellung kann es jedoch sein. So etwa die Checkliste der Bewegung „Terre de Femmes“, die auf folgende Kennzeichen für frauenfeindliche Werbung hinweist (Terre de Femmes, 2016):

  • Reduzierung der Frau auf bestimmte Rollen oder Eigenschaften
  • Abwertende Beleidigung der Frauen als Gruppe
  • Bewerbung von gesundheitsschädlichen Schönheitsmaßnahmen
  • Darstellung der Frau als reines Sexobjekt ohne Persönlichkeit
  • Sexualisierte Darstellung ohne Bezug zum beworbenen Produkt
  • Abhängige oder unterwürfige Darstellung der Beziehung von Frauen zu Männern

Theoretisch ist es einfach, diesen Aussagen zuzustimmen, bei praktischen Beispielen fällt es oft gar nicht mehr so leicht zu erkennen, ob eines dieser Merkmale zutrifft. Natürlich liegt es in erster Linie an den Werbetreibenden, abwertende und sexistische Marketingstrategien nicht zu verfolgen. Doch das Sex-Sells-Prinzip ist manchmal sehr verlockend. Deshalb liegt es auch an den RezipientInnen, derartigen Darstellungen kritisch gegenüberzustehen. Wer um die Problematik Bescheid weiß, kann es wenigstens erkennen und die Reproduktion von bestimmten Frauenbildern damit einigermaßen eingrenzen.

2.4 „Feministische Werbung“ im Jahr 2016#

Man sollte meinen, dass sexistische Werbeinhalte im neuen Jahrtausend eine Seltenheit werden. Doch die Organisation Terre des Femmes kürt jedes Jahr die frauenfeindlichesten Werbungen - Auch 2015 lassen sich einige Beispiele dafür finden. Im Herbst 2016 werden wir, wenn wir nicht von der Werbung wegzappen, gleich mit mehreren TV-Spots konfrontiert, die uns zeigen wollen, dass Werbung auch anders funktioniert. Frauen sind emanzipiert, man will ihnen Platz geben, um sich selbst darzustellen, ohne in eine gewisse Richtung gedrängt zu werden. Dies ist nicht zuletzt Zeugnis der vierten „Emanzipationswelle“, die vor allem durch das Internet in den letzten Jahren stark wurde. Neben traditionellen Themen wie ungleiche Entlohnung oder häusliche Gewalt, werden nun neue Debatten um Frauenfeindlichkeit geführt. Besonders in den Fokus rückt hier die Zurückforderung des weiblichen Körpers: Frauen sind nicht länger auf ihren Sex-Appeal nach gängigen Schönheitsvorgaben zu reduzieren, sondern sind schön, so wie sie sind. Diese Bilder von lesbischen, nicht rasierten, mit „typisch männlichen“ Verhaltensweisen konnotierten Frauen sollen in der Öffentlichkeit verankert werden. Damit bekommt „Frau sein“ eine neue Bedeutung.

Genau dieses Thema greift auch der im Herbst 2016 erschienene TV-Spot vom schwedischen Großkonzern H&M auf. H&M zeigt uns, was „Frau sein“ 2016 bedeuten (kann): entgegen gängiger Schönheitsideale sieht man stärker gebaute, ungehobelte, starke, muskulöse, breitbeinig dasitzende, alte, lesbische und Pommes im Bett essende Frauen, die alle einen unterschiedlichen Stil tragen. Eine „Lady“ zu sein und Sex-Appeal auszustrahlen, sprengt hier die Grenzen jeglicher stereotypen Vorstellungen. Frauen mit verschiedenen Backgrounds dürfen sich so zeigen wie sie wollen, sie sollen ihren persönlichen Stil ausleben und stolz darauf sein wer sie sind – kurz gesagt, weibliche Vielfalt wird gefeiert (und gleichzeitig nicht auf Sex-Appeal verzichtet). Es ist das eine, wie sich ein Konzern vermarktet und welche Bilder er dafür einsetzt. Doch ein kritischer Blick hinter den Vorhang offenbart, dass H&M wohl nur oder hauptsächlich in seiner Werbung für Frauen eintritt und sie in ihrer Diversität hochleben lässt. Ein Bericht, der letztes Jahr erschienen ist, untersuchte die Arbeitsverhältnisse von den Kleidungsherstellern in Indien und Kambodscha: ein schockierendes Zeugnis über eine prekäre Arbeitssituation (UNCTAD, 2013). Dabei kam unter anderem heraus, dass für unzählige Frauen das Beschäftigungsverhältnis beendet wird, sobald sie schwanger werden. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz steht genauso an der Tagesordnung wie Verweigerung der Bezahlung von Überstunden. Aber nicht nur die Verhältnisse in den Produktionsländern lassen den Spot scheinheilig wirken: Zu Beginn wird ein Plus-Size-Model in Unterwäsche gezeigt. H&M will ein positives Frauenbild auch für stärker gebaute oder Übergewichtige stärken. Schade nur, dass genau diese Frauen in der Realität in den wenigsten H&M Shops Plus-Size-Größen finden werden. Zyniker würden munkeln, dass das Plus-Size-Model im Spot genau deshalb „nur“ Unterwäsche trägt; für mehr produziert H&M keine Kleidung (Achtung, sehr überspitzt formuliert).

Unter all diesen Aspekten fällt es schwer, die anfängliche Euphorie über den H&M Spot hochzuhalten. Aber H&M bleibt diesen Herbst nicht alleine, mit dem Versuch feministische Werbung zu machen: Auch die Supermarktkette Billa versucht, eine Schippe Weiblichkeit draufzulegen und auf Sex-Appeal oder Sexismus zu verzichten. „Mein Hausverstand“, der über 10 Jahre lang von einem Mann verkörpert wurde, ist nun eine Frau. Welch’ eine „revolutionäre Idee“ von Billa, gerade wenn man bedenkt, dass zwei Drittel ihrer KundInnen Frauen sind. Hausarbeit (darunter Einkäufe erledigen) wird immer noch größtenteils von den Frauen erledigt (OECD, 2012). Man nähert sich also seiner Zielgruppe an und will ihr suggerieren, dass vieles in unserer Welt besser laufen würde, wenn wir auf unseren „weiblichen Hausverstand“ hören würden: „In Zeiten wie diesen kann’s nicht schaden die Dinge aus weiblicher Sicht zu sehen.“ (Billaspot, 2016). Tja, was ist denn nun eine weibliche Sicht auf die Dinge? Billa antwortet auf diese Frage mit: die Achtsamkeit, die Nachhaltigkeit und die Liebe zum Detail. Diese „weichen“ Eigenschaften, die sich eindeutig auf die Rolle einer Hausfrau zurückführen lassen, vermitteln dabei keineswegs, dass die Probleme dieser Welt mit mehr Rationalität und Vernunft gelöst werden könnten. Viel eher sind es intuitive, umsorgende und liebevolle Qualitäten, die hier umschrieben werden. Warum werden genau solche Eigenschaften dem weiblichen Hausverstand, ergo allen Frauen, zugeordnet? Können Männer nicht genauso achtsam, nachhaltig und detailliebend sein? Würden Frauen Probleme nicht auch mit mehr Rationalität, Vernunft und Stärke lösen wollen? Und genau wenn man anfängt, diese Fragen an den Spot zu stellen, muss man auch hinterfragen, ob diese Werbung nicht auch sexistisch ist. Sie kommt zwar vermeintlich ohne Sex-Appeal aus und stellt die Frau nicht ohne Kontext dar, aber wenn man sich die Kennzeichen für frauenfeindliche Werbung (Terre de Femmes, 2016) in Erinnerung ruft, ist der erste Punkt: Reduzierung der Frau auf bestimmte Rollen oder Eigenschaften – ist es nicht genau das, was Billa tut? Unter dem Deckmantel, Frauen und ihre Stärken hervorzuheben, betont man doch eigentlich nur, dass die weibliche, offenbar implizit weiche oder sanfte Herangehensweise, auch nicht schaden könnte. Frauen werden somit, wenn auch nicht offensichtlich, wieder auf die Rolle der achtsamen und detailliebenden (Haus?)-Frau reduziert, indem ihnen bewusst nur die oben beschriebenen Attribute zugewiesen werden. Überhaupt bleibt fraglich, welche Inhalte welches Geschlecht am meisten ansprechen. Denn es ist nicht mehr nur so, dass sich Männer für Bier und Technik-Werbung begeistern und Frauen für Kosmetik und Klamotten. Ein Artikel der Welt analysiert genau diese Präferenzen und wirft alte Vorstellungen über Bord.

Auch wenn der Billa-Spot in manchen Teilen klare, durchaus sexistische Rollenverteilungen vergibt, kommen auch andere Elemente vor: „Es könnte sich lohnen, künftig öfter mal auf eine Frau zu hören!“ (Billa-Spot, 2016) – Hört sich in emanzipierten Ohren toll an, aber setzt Billa diesen Vorsatz auch selbst um? Im Vorstand von Billa sitzen zwei Männer und keine Frauen. Im Rewe-Group-Vorstand, dem Mutter-Konzern, das gleiche: vier Männer, null Frauen. Auch wenn man sich damit rechtfertigt, dass einige Frauen Vorstandsvorsitzende von Tochter-Unternehmen sind, kann man auch bei diesem TV-Spot dem um feministische Botschaften bemühten Auftraggeber(in?) Billa ein wenig Heuchelei und Sexismus vorwerfen (Herbst, 2016).

3. Stereotype im Film – Sind Frauen heute mehr als attraktive Nebencharaktere?#

Die Unausgewogenheit der Geschlechter in einem patriachalen System hat sich unter anderem auch im Medium des (Mainstream-)Films niedergeschlagen. Der Films an sich war und ist zum Großteil noch ein eindeutig männlich geprägtes Produktionssystem. Das rührt unter anderem daher, dass in seinen Anfängen, Mitte des 20. Jahrhunderts, auch das Publikum vorrangig männlich war und die Kinofilme demnach von Männern für Männer gemacht wurden. Demnach haben sich auch im Film Repräsentationssysteme etabliert, die von genuin männlichen Vorstellungen geprägt wurden und es immer noch tun. Studien haben gezeigt, dass Frauen im (Mainstream-)Film nach wie vor unterrepräsentiert sind und deutlich seltener handlungsanstoßende Rollen besetzen (vgl. Fleischmann, 2016).

3.1 Filmkritik im letzten Jahrhundert#

FilmkritikerInnen und feministische AnalystInnen würden Filme des frühen 20. Jahrhunderts vermutlich so beschreiben: Es gibt (fast immer) einen Protagonisten, der mit deutlich „männlichen Eigenschaften“ die handlungsantreibende Rolle besitzt. Daneben gibt es die Rolle der Frau, die sich durch passives Handeln auszeichnet und mit typisch weiblichen Attributen ausgestattet auszeichnet wurde. Die Rolle der Frau war fast nur rein auf den männlichen Hauptcharakter bezogen, ohne ihn würde es die Figur nicht brauchen. Sie ist hauptsächlich dazu da, um angesehen zu werden („to-be-looked-at-ness“ (vgl. Mulvey zit. n. Fleischmann, 2016). Diese Beschreibung dürfte auch mit Laura Mulyes Filmrezeptionstheorie, die sie im Zuge der kritischen Frauenbewegung in den 1970ern entwickelte, um die stereotype Darstellung von Frauen filmwissenschaftlich zu hinterfragen, einhergehen. Sie bediente sich dabei an Freuds These (vgl. Ingelfinger & Penkwitt), dass wir Menschen alle schaulustig sind und diese Schaulust kommt auch im Kino zum Einsatz. Wir wollen uns alle in einer Filmfigur wiedererkennen und vergleichen uns permanent mit dem Dargestellten. Für männliche Kinogeher war und ist es demnach sehr einfach sich mit dem Hauptcharakter und all seiner Stärken zu identifizieren. Doch was bleibt für die Frauen über? Entweder beziehen sie sich auf eine passive Nebenrolle, deren größter Auftritt in ihrer Attraktivität liegt oder sie identifizieren sich ebenso mit dem starken, intelligenten und einfallsreichen Mann. (vgl. Laura Mulvey zit n. Fleischmann, 2016).

Ein interessanter Aspekt bei der historischen Entwicklung ist die Gewalt beziehungsweise die Gewaltbereitschaft der Rolle. Gewaltbereite Rollen waren quasi nur für Männer bestimmt, während Frauen sehr oft Opfer dieser Gewalt wurden. „Die Darstellung bedrohter, ängstlicher und leidender Frauenfiguren nimmt einen Großteil der Filmzeit ein.“ (Clauss, 2010, S. 29). Seit den 1930er Jahren war es nach dem "Hollywood Motion Picture Production Code" verboten, Gewalt (sowie Sex) explizit in Kinofilmen zu zeigen. Dies ging bis in die 50er Jahre so, bis die ersten Filmschaffenden versuchten, diese Regeln nach und nach aufzubrechen. Die großen Hollywood-Studios erlitten einen Einbruch und verloren ihr Monopol in der Filmbranche – wodurch das Aufzeigen von Gewalt und Sex immer weiter Einzug in die Kinofilm-Industrie fand. Eine Umkehrung dieser Rollen wurde (und wird?) als Abweichung einer gewissen Norm gesehen, gewalttätige Frauen passen nicht ins Bild und werden als skurril, befremdend oder auch monströs empfunden. Erst in den späten 1970er Jahren kommt mit dem „rape-revenge“-Motiv eine Veränderung in die Kinos: Die Frau wird zur aktiven Kämpferin und rächt sich in Filmen wie „I spit on your grave“ (1977) oder „Ms. 45“ (1981) an ihren Peinigern. Dabei wird ersichtlich, dass es für die weibliche Rolle immer einen sehr bewegenden Grund braucht, warum sie zu gewalttätigen Handlungen übergeht. Männer, die sich prügeln, schlagen, miteinander kämpfen oder aufeinander schießen bedürfen keiner weiteren Erklärung oder Rechtfertigung.

Doch in Hollywood reichte das Rache-Motiv für einen dauerhaften Einsatz von kampfbereiten Frauen nicht aus. Richtig etablieren konnte sich die Rolle einer gewaltbereiten Frau erst in den Martial-Arts-Filmen aus Asien, die in den 1970er Jahren fast immer weibliche Heldinnen neben den männlichen Helden inszenierten. Die Kämpferinnen wollen nicht nur Rache üben, sie bestechen zudem mit perfektionierten Kampftechniken, die sie unbesiegbar erscheinen lassen. Über Computerspiele und Comics wurde die weibliche Actionheldin dann auf westliche Kinoleinwände transportiert und übernommen (vgl. Clauss, 2010). Das Motiv und die physische Gestalt gewalttätiger Frauen wurde also vom asiatischen Raum inspiriert und über die Comic-Kultur in die USA gebracht. Zuerst wurde die weibliche Heldin vorwiegend als postmoderne „femme fatale“ inszeniert, die zwar dem männlichen Actionhelden sehr ähnlich ist, aber immer die Gefahr einer Hypersexualisierung in sich trägt.

Supergirl
Supergirl
Photo: pixabay.com ©ErikaWittlieb., unter PD

Soweit zur geschichtlichen Entwicklung, aber wie sieht das heute in der postmodernen Mediengesellschaft aus?

3.2 Film kann mehr – Änderung der Klischees #

Um sich die allgemeine Kritik an weiblichen Stereotypen in Filmen näher anzusehen, tauchen wir nun in ein bestimmtes Filmgenre tiefer ein. Besonders gut dafür eignet sich der Actionfilm, da es hier eigentlich immer einen eindeutigen Helden (oder eine Heldin?) gibt, dessen/deren Figur sich gut im Kontext von Rollenvorstellungen analysieren lässt.

Ein „Rollenaufbrechen“ passiert (zum Teil) vermehrt in Actionfilmen der letzten Jahre. Obwohl männliche Charaktere nach wie vor die Vormachtstellung besitzen, werden immer wieder Frauen als Heldinnen inszeniert, die stark und unabhängig sind und keinesfalls einen Mann brauchen, um sich zu wehren.

Doch warum wird genau diesen Bestrebungen immer wieder Antifeminismus vorgeworfen? Ist es nicht genau das, was sich in der Darstellung von Frauen ändern sollte? Ja und Nein. Denn die Unabhängigkeit und Kampfstärke einer Lara Croft beispielsweise ist bemerkenswert. Doch viele Gemüter stoßen sich an der physischen Vermarktung der weiblichen Action-Heldinnen. Sie müssen – bis auf ganz wenige Ausnahmen – immer, trotz all der männlich codierten Eigenschaften, noch ein „sexuell begehrenswertes Objekt“ (Clauss, 2010, S. 26) darstellen.

Gerade bei Lara Croft kommt es zu einer Hypersexualisierung, die jenseits von jeder Realität stattfindet (vgl. Fleischmann, 2016).

TombRaider
Lara Croft Tomb Raider The Cradle of Life
Photo: flickr.com ©Cody Hough., unter CC BY-NC 2.0

Mareike Clauss hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt und befindet, dass das feministische Potential dieser Figuren somit nicht ausgeschöpft, ja dadurch gar geschwächt wird. Blockbuster haben sich zwar angewöhnt, auch gewaltbereite Frauen zu etablieren, diese müssen aber nach wie vor eine gewisse erotische Symbolik sowie Verletzlichkeit mit sich bringen. Als feministisches Fazit für die weibliche Actionheldin kann man Clauss heranziehen: „Auch wenn die konventionelle Actionheldin den Bösewichten Widerstand zu leisten im Stande ist und somit ihre Aktivität auch als ein Widerstehen gegenüber der als weiblich codierten unterwürfigen Passivität zu verzeichnen ist, zeugt ihr erotisch inszeniertes Äußeres von ihrem Status als Objekt des männlichen Blicks.“ (Clauss, 2010, S. 35).

Diese Kritik an Frauenrollen im Actionfilm lässt uns die wohl wichtigsten Merkmale einer feministischen Analyse festmachen: Maßgeblich sind der Grad der Erotik beziehungsweise Sexualisierung auf der einen Seite und der Grad an Aktivität und handlungsanstoßendem Potenzial auf der anderen Seite. Je weniger das erste Kriterium zutrifft und je mehr das zweite zum Einsatz kommt, desto eher müsste die Frauenrolle demnach feministischer Kritik genügen und ihr gerecht werden. Nach diesem Schema können fast alle Mainstreamfilme hinterfragt werden, und die meisten schneiden in feministischen Bewertungen nicht gut ab.

Man kann dem aber entgegensetzen, dass es durchaus Blockbuster mit feministischem Potenzial gibt. Man denke nur an die gerade so populären dystopischen Romanverfilmungen. Allen voran Katniss Everdeen, Hauptfigur und Heldin der Hunger-Games-Triologie, gespielt von Jennifer Lawrence, wird als eher untypische Protagonistin inszeniert. Sie ist in vielen Dingen stärker und besser als ihre männlichen Partner oder Gegenspieler. Ihre Handlungen sind nicht an die Beziehungen zu männlichen Charakteren gebunden. Dennoch verzichtet man im Großen und Ganzen auf eine herausgeputzte Optik. Katniss kämpft nicht nur in männlich konnotierten Kampfanzügen und ist selten bis gar nicht geschminkt, sie weint im letzten Teil auch buchstäblich Rotz und Wasser, was in der enormen Bildschärfe bei 4K Auflösung nur allzu gut zu sehen ist und bei weitem keiner sexualisierten, erotischen oder ästhetischen Frauen-Darstellung entspricht. Wer sich selbst von dieser realistischen Szene überzeugen möchte, kann dies auf You Tube nachsehen. Auch Beatrice “Tris” Prior aus “Die Bestimmung” oder Teresa aus “Maze Runner” sind gute Beispiele für junge Mädchen/Frauen, die die Handlung maßgeblich beeinflussen und dabei nicht erotisch oder besonders attraktiv inszeniert werden. Diese Rollen zeigen ein neuartiges Frauenbild einer Heldin, das auf die übliche Rollen-Darstellung verzichtet und weniger auf Attraktivität, dafür mehr auf bessere Identifizierung des Publikums setzt.

4. Women on TV - “Männer handeln, Frauen kommen vor” #

Ein Rückblick auf empirische Studien des letzten Jahrhunderts erlaubt einen guten Überblick über die historische Entwicklung der Rolle der Frauen im Fernsehen.

1975 wurde im Auftrag des Bundesfamilienministeriums “Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen” (Küchenhoff, 1975) untersucht. Dabei hat man die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF unter die Lupe genommen und nach Geschlechterunterschieden untersucht. Fazit des Berichts war, dass die Frauen im Allgemeinen überall stark unterrepräsentiert sind und ihre Rollen sich lediglich auf die Bereiche Haus, Familie und Suche nach häuslichem Glück beziehen. Küchenhoff resümierte die Ergebnisse mit den Worten “Männern handeln - Frauen kommen vor” (Küchenhoff, 1975, S. 242). 1993 wurde die Untersuchung wiederholt, allerdings auch mit Bezugnahme auf männliche Fernsehbilder und der Analyse eines zusätzlichen Senders (RTL). Die Autorin Monika Weiderer stellte fest, dass sich die Geschlechterrollendarstellung nicht viel verändert hat im Vergleich zu 1975. Es gibt nach wie vor vorwiegend die Hausfrauen-/Mutterrolle oder die Rolle der schönen, jungen Frau. Auch 1990 sind die Frauen, die im Fernsehen gezeigt werden, im Regelfall unter 30 Jahre alt und sexuell sehr attraktiv. Allerdings bemerkt man, dass es seit 1977 auch Frauen erlaubt ist, ohne Einverständnis des Ehemannes erwerbstätig zu sein. Dadurch lässt sich feststellen: “Berufstätigkeit gehört zum Alltag der weiblichen Fernsehcharaktere.” (Weiderer, 1993, S. 324). So weit so gut. Doch Erwerbstätigkeit bekam damit keinesfalls für beide Geschlechter die gleiche Bedeutung. Für Frauen war diese Domäne als Nebensächlichkeit zu verstehen, das traditionelle Rollenbild der Hausfrau und Mutter musste im Mittelpunkt bleiben. Auch die Zahlen sprechen für sich: Frauen sind auch 1990 im Vergleich zu den Männern noch unterrepräsentiert (ca. ein Drittel des dargestellten Fernsehpersonals ist weiblich). Allerdings gibt es seit 1990 erstmals Frauen, die die Nachrichten moderieren (vor allem im privaten Fernsehen). Außerdem bilden sie die Mehrheit im Bereich der AnsagerInnen und ShowassistentInnen (ca. 80 Prozent). Es geht deutlich hervor, dass die Darstellung der Geschlechter im Fernsehen im letzten Jahrhundert mit einer klaren Hierarchisierung einhergeht: Frauen werden im Privatbereich gezeigt, Männer sind für die öffentliche Sphäre zuständig. Aber auch innerhalb eines Mediums hält sich diese Rollenverteilung. “Der Quizmaster ist männlich, seine Assistentin weiblich. Das bestätigt Weiderers Studien, die dominante Männerrollen und dekorative Frauenrollen analysiert.” (Röben, 2013, S. 81). Eine weitere Neuerung der 1990er Jahre stellen Frauenmagazine (zum Beispiel “Mona Lisa” (seit 1988 im ZDF)) dar, die auch von Frauen moderiert wurden und somit eine neue Präsentationsfläche für Weiblichkeit im Fernsehen schufen (vgl. Röben, 2013). Eine kleine Notiz am Rande: “Mona Lisa” ist auch heute noch im ZDF-Programm, allerdings wird es nicht mehr als reines Frauen-Magazin geführt, weil Feminismus “nicht mehr so in ist” (Auf Tagblatt.at findet sich ein Artikeldazu.

4.1 Fernsehen als verzerrte Abbildung von Geschlechterrealitäten #

Aufgrund der Vielzahl der Programme, Sender und Fernsehbereiche ist es zunächst nicht so leicht einen Überblick über die aktuelle Rollendarstellung der Geschlechter im Fernsehen zu geben. Der Global Media Monitoring Project (GMMP)-Bericht macht alle fünf Jahre eine weltweite Stichprobe und sieht sich die Repräsentation von Männern und Frauen in den Nachrichten an. Dabei wird zwar nicht nur das Medium des Fernsehens untersucht, aber es gibt doch einen Einblick in Geschlechterunterschiede (vgl. Röben, 2013).

Der Fokus liegt deshalb auf den Nachrichten, weil ihre Berichterstattung nach wie vor eine Quelle für die Verbreitung von Informationen, Ideen und Meinungen, ist und dabei großen Einfluss auf die Menschen besitzt. Wie die Geschehnisse oder Personen dargestellt werden und wer darüber entscheidet, spiegelt Machtverhältnisse der Gesellschaft wieder und vice versa. Wer oder was gezeigt wird, formt demnach genauso gesellschaftliche Eindrücke wie diejenigen Inhalte, die uns nicht präsentiert werden. Damit haben wir es immer nur mit einem bewusst gewählten Ausschnitt der Realität zu tun, und diese Auswahl schlägt sich auch in der Darstellung von Geschlechterrollen nieder. In Österreich hat sich gezeigt, dass hier immer noch ein großes “gender gap” besteht: In der Stichprobe von 2015 waren 21 Prozent der in den Nachrichten gezeigten Personen weiblich. Auch wenn dies nur einen Mikro-Ausschnitt der österreichischen Medienlandschaft abbildet, da nur ein einziger Tag analysiert wird, zeigt sich doch, dass zwar mehr Frauen in Nachrichten sichtbar sind als noch 2010, aber sie immer noch deutlich weniger zum Einsatz kommen als Männer (vgl. GMMP, 2015). (Wer sich für die Ergebnisse anderer Nationen interessiert, wird hier fündig.) Aber es gibt zu diesem Thema nicht nur Ein-Tages-Analysen. 2002 wurden fast 500 Stunden Fernsehprogramm in Deutschland aufgenommen und analysiert. Diese Untersuchung ergab, dass nur 29,5 Prozent der nicht fiktionalen gezeigten Personen weiblich sind (vgl. vom Orde, 2013). Wenn man bedenkt, dass es, um einer realen Abbildung gerecht zu werden, über 50 Prozent sein müssten, liefert dies schon ein fragliches Bild. Aber es geht nicht nur um die Häufigkeit des Vorkommens, sondern auch und vor allem um die Art der Darstellung von “Männlichkeit” und “Weiblichkeit”: “Frauen werden als jünger, modebewusster, gepflegter, attraktiver und allgemein ausgestattet mit angenehmen sozialen Attributen präsentiert. Männer erhalten hingegen mehrheitlich die wichtigeren Positionen im Berufsleben zugeschrieben, sie sind aber auch häufiger die Bösen im Fernsehen.” (Lukesch, 2004, S. 57, zit. n. vom Orde, 2013, S.12). Auch aktuellere Studien belegen diese Feststellungen und untermauern sie mit neuen Zahlen (vgl. vom Orde, 2013).

Interessant ist auch was sich im Kinderfernsehen in diesem Bereich tut. 2007 wurde eine Untersuchung des Kinderfernsehens in 24 verschiedenen Ländern gemacht, um die Geschlechterdarstellung zu durchleuchten. Auch hier zeigen sich klare Tendenzen in der Repräsentation: auf zwei männliche kommt immer nur ein weiblicher Charakter; die Mädchen- und Frauenrollen sind mit weniger als einem Drittel also stark unterrepräsentiert. Zudem reproduziert das Kinderfernsehen viele Geschlechterstereotype: “Weibliche Figuren sind häufiger als männliche Teil eines Teams und sie sind selten die AnführerInnen als Männer- und Jungenfiguren.” (vom Orde, 2013, S. 13). Darüber hinaus besitzen die Mädchenfiguren in Animationen in drei Vierteln der Fälle ein Äußeres, das auf realistische Weise niemals erreicht werden kann. Sehr dünne, aber dennoch mit starken weiblichen Kurven ausgestattete Körper mit überdimensional langen Beinen sind Programm. Viele junge Mädchen konsumieren diese Eindrücke fast täglich. Ein schockierendes Bild, wenn man bedenkt, dass Fernsehen ein Medium darstellt, das Kindern eine Plattform bietet sich mit (animierten) Charakteren zu identifizieren und diese als Vorbild zu nehmen. Im Vergleich dazu entsprechen übrigens die männlichen animierten Figuren zwar auch nicht natürlichen Körperformen, sie kommen diesen aber deutlich näher als bei den weiblichen (vgl. vom Orde, 2013). Auch wenn sich zeigt, dass die Präsenz von weiblichen Charakteren langsam zunimmt und sich bestimmte Rollenbilder verändern oder aufgebrochen werden, so ist dies auch 2016 nach wie vor ein Forschungs- und Diskussionsbereich, dem man Aufmerksamkeit schenken muss, denn nur dadurch können latent manifestierte Stereotype erkannt und deren beeinflussende Wirkung erörtert werden. Einen aktuellen Überblick dazu gibt übrigens die eineinhalbstündige Dokumentation “Miss Representation” auf Netflix, die die Negativdarstellung von Frauen in Mainstream-Medien in Bezug auf Führungspositionen thematisiert.

5. Frauen im Web – Zwischen Tabu und Shitstorm#

Lange Zeit war das Prinzip, wie Massenmedien funktionieren, relativ simpel: Das Medium sendet einen bestimmten Inhalt und die Menschen empfangen und konsumieren diesen. Sie waren frei in der Wahl der Medien, doch der Einfluss auf den Inhalt blieb gering. Auch wenn man vielleicht mit gewissen Inhalten nicht einverstanden war, so blieb einem nicht viel übrig, als es so hinzunehmen. Denn auf die Straße gehen um zu demonstrieren, zahlt sich meist dann doch nicht aus. Mit Aufkommen des Internets und des Webs war es zunächst nicht viel anders. Es war wieder ein neues Medium, man war vielleicht etwas flexibler in der Informationsbeschaffung, aber im Großen und Ganzen kam dadurch noch nicht der große Unterschied. Denn die statischen Webseiten waren im Grunde sowas ähnliches wie eine Zeitung.

Das Web kann jedoch mehr, wie es uns bewiesen hat. Und der Fortschritt der Technik innerhalb kürzester Zeit war in diesem Bereich besonders beeindruckend. Dementsprechend veränderten sich die Möglichkeiten der Nutzung und die User wurden selbst mehr miteinbezogen.

Neben Blogs und Foren, die die Interaktivität schon ermöglichten, waren es vor allem die Social Media Netzwerke, die es einfach machten, Inhalte nicht nur zu konsumieren, sondern mit ihnen zu interagieren und sogar selbst welche zu erstellen. Die Perspektive, die die NutzerInnen auf Inhalte im Web haben, ist deshalb eine andere wie jene auf Zeitschriften, Radio oder Fernsehen.

5.1 Im Web sind alle gleich … oder?#

Jeder und jede hat heutzutage Zugriff zum Internet, nicht nur über Laptop und PCs, sondern meist auch schon einfach und unproblematisch übers Smartphone. Noch dazu bietet es die Möglichkeit, anonym zu sein und möglichst wenig über sich preiszugeben, wenn man dies nicht möchte. Der erste Gedanke ist deshalb: super Sache! Im Web sind wirklich alle gleich, Männern und Frauen werden damit dieselben Chancen geboten. Ganz so einfach ist es in der Praxis dann doch nicht. Denn gerade die sozialen Netzwerke sind teilweise auch eine Art Spiegel unserer Gesellschaft. Probleme verschwinden hier nicht, sie werden nur auf eine andere Ebene übertragen. Das Web und das reale Leben stehen hierbei in einer Art Wechselwirkung – gesellschaftliche Probleme und Ungleichheiten reproduzieren sich dabei ständig. (Robinson, 2015)

Die Nutzung des Webs variiert bei den Geschlechtern. Frauen nutzen es seltener, weniger intensiv und haben oftmals weniger das Bedürfnis, ihre Web-skills zu verbessern, das Internet wird im Allgemeinen von Frauen passiver genutzt. Ein Hauptgrund dafür ist, dass Frauen ihre Fähigkeiten im Internet tendenziell unterschätzen, auch wenn es tatsächlich wenig Unterschiede im Wissen übers Web gibt. Die Selbstwahrnehmung unterscheidet sich jedoch deutlich. Und diese Selbstwahrnehmung zeigt sich wiederum in gesellschaftlichen Rollenbildern: Berufe im Webdesign und in der Webentwicklung werden großteils Männern zugeschrieben. (Robinson, 2015, S. 572-573)

Hier zeigt sich demnach wieder ein bereits bekanntes Muster. Das Web ist zu einem wichtigen Teil der Gesellschaft geworden, die Kommunikation über dieses ist alltäglich. Man kann sich allerdings seine eigene kleine, virtuelle Welt zusammenbasteln, in der man hauptsächlich jene Inhalte geliefert bekommt, die man möchte. Die Ungleichheiten existieren bis zu einem gewissen Punkt trotzdem und lassen sich auch nur in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess angehen. Dennoch ist es sehr wohl so, dass es einfacher ist, seine Meinung über Social Media Kanäle und dergleichen kundzutun und dabei auch Gleichgesinnte zu finden. Durch die Viralität im Web ist es so auch einfacher möglich, Kritik auszuüben und auf bestimmte Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen.

5.2 Kritik im Web: der Shitstorm#

Weil es eben so einfach ist, im Web Content zu erstellen und zu verbreiten, wird dies von verschiedenen Firmen, Institutionen sowie Privatpersonen gerne gemacht. Schnell wird so eine große Reichweite generiert und die eigene Botschaft mal mehr, mal weniger erfolgreich verbreitet. So weit, so gut.

Doch manchmal, wenn man vielleicht nicht so lange überlegt oder sein eigenes Konzept einfach falsch eingeschätzt hat, dann bekommt man nicht nur positive Reaktionen von der Internetcommunity. Denn ebenso schnell kann sich bei bestimmten Fauxpas auch die Kritik verbreiten – und das oftmals in ziemlich harten Tönen. Und der Shitstorm beginnt … Auch hier zunächst eine mögliche Definition: „Social Media Shitstorm steht für öffentliche Kritik an Unternehmen oder Personen im Rahmen von sozialen Netzwerken, Blogs und Plattformen. Diese Kritiken (engl. auch Flames genannt) können von verschiedener Art sein: Beleidigungen in den Kommentarfunktionen, massenhafte Dislikes, bösartig formulierte Hashtags, die in Bezug mit einem Unternehmen oder Person gebracht werden und so weiter. Zusammengefasst ist Social Media Shitstorm als eine Welle von Entrüstungen, die in einem Kommunikationsmedium im Internet aufzufinden sind, zu verstehen. Diese Empörungen gehen oft mit Beleidigungen verschiedenster Art daher.“ (OnlineMarketing, 2016)

Ein Shitstorm kann demnach mit bösen Absichten gegen ein Unternehmen oder eine Person erfolgen und damit auf wenig produktive bzw. sinnvolle Zwecke zielen. Dass jedoch auch Medien Shitstorms gerne auffassen und zum Thema machen, verleitet denen zum einen zu noch mehr Kraft, zum anderen zeigt es, dass es sich um ein durchaus relevantes Phänomen handelt. Der Youtube-Channel BlinkenTv erklärt mehr dazu.

Ein Shitstorm ist also nicht immer gerechtfertigt und liegt manchmal nicht den besten Absichten zugrunde, aber er zeigt sehr gut, welche Macht eine Interessensgruppe im Web aufbauen kann. Dabei muss es noch nicht man eine bereits existierende Gruppe sein, sondern eine, die sich erst durch den Prozess selbst entwickelt. Man hat dieselben Ansichten, fühlt sich vielleicht selbst durch eine gewisse Aktion angegriffen und steigt so in den Sog der Kritik (oder der Beleidigungen) mit ein.

Ein Beispiel für einen ziemlich erfolgreichen Shitstorm ist der #aufschrei gegen Sexismus. Dabei wurde ein gesellschaftliches Problem, dass vor allem im Alltag der realen Welt vorhanden ist, zum Thema gemacht und konnte sich nicht zuletzt auch durch die mediale Verbreitung Gehör verschaffen. Dass Sexismus eine Problematik ist, mit der sich viele UserInnen durchaus beschäftigen und davon betroffen fühlen, hat die Twitter-Aktion #aufschrei gezeigt, die mit Mechanismen des Shitstorms die Aufmerksamkeit auf sich und die Thematik gezogen hat und dafür sogar mit einem Grimme-Award ausgezeichnet wurde (Weichert, 2014, S. 211).

Die Bloggerin Anne Wizorek war Anfang 2013 die Initiatorin dieser Aktion, bei der vor allem junge Frauen mit dem Hashtag #aufschrei über den Kurznachrichtendienst Twitter über Sexismus, den sie im Alltag erleben, auf sich aufmerksam machten. Sie löste damit eine Web-Debatte aus, wie sie in einem solchen Ausmaß selten zu finden ist: Innerhalb von wenigen Tagen beteiligten sich 15.000 Menschen daran. Das Thema Sexismus fand plötzlich Gehör und Wizorek wurde in Talkshows und zu Interviews eingeladen (Weichert, 2014, S. 212). Die Tweets, die sich unter diesem Hashtag sammelten, kann man hier (http://aufschrei.konvergenzfehler.de) nachlesen.

Die Programmiererin Lena Schimmer kam bei einer Datenanalyse zum Ergebnis, dass die Aktion zu einem der größten Diskussionsereignisse wurde, die im deutschsprachigen Twitter-Raum jemals stattgefunden hat: rund 50.000 Tweets und 30.000 Retweets waren unter diesem Hashtag zu finden und zeigten damit einmal mehr, welche Macht Social Media haben kann, wenn es richtig eingesetzt wird und eine Thematik trifft, mit der sich viele identifizieren können (Weichert, 2014, S. 212).

Sexismus wird dadurch nicht aufgelöst. Doch das Web bietet neue Möglichkeiten im Umgang damit, sorgt dafür, dass darüber gesprochen wird und zeigt auf, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Schon allein dies kann Betroffenen helfen, sich auch offline dagegen zu wehren.

Natürlich lässt sich nicht jede gesellschaftliche Problematik derart erfolgreich verbreiten und debattieren, aber das Web schafft es dennoch, durch solche viralen Hypes zu beeindrucken und seine Möglichkeiten unter Beweis zu stellen.

5.3 Nacktheit im Web#

Das Web steht für grenzenlose digitale Vernetzung. Da dies automatisch eine riesige Masse an UserInnen mit sich bringt, ist es eine besondere Herausforderung, Inhalte zu kontrollieren. Denn schließlich kann jeder etwas veröffentlichen und verbreiten. Deshalb sind doch einige Grenzen möglich, die sich Soziale Netzwerke teils selbst setzen. So soll durch automatisierte Kontrollen ein Regelverstoß weitgehend vermieden werden.

Was bedeutet dies nun konkret? Kann dadurch Sexismus oder ähnliches vermieden werden? So einfach geht es natürlich nicht, schon allein dadurch, dass es objektiv kaum möglich ist, immer klar zu stellen, was noch im Bereich des Tolerierbaren liegt. Man versucht also, die passenden Regelungen zu finden.

Facebook erklärt seine Einstellung zur Nacktheit, die ja ein wesentlicher Aspekt bei erotischen Darstellungen und Sex-Appeal ist, zum Beispiel so: „Wir entfernen Fotos von Personen, auf denen Genitalien oder vollständig entblößte Pobacken zu sehen sind. Außerdem beschränken wir Bilder mit weiblichen Brüsten, wenn darauf Brustwarzen zu sehen sind. Fotos von Frauen, die beim Stillen oder mit Vernarbungen aufgrund von Brustamputationen gezeigt werden, sind jedoch in jedem Fall erlaubt.“ (Facebook, 2016)

Außerdem erklären die Betreiber, dass Nacktheit deshalb nicht erlaubt wird, da es in bestimmten Kulturkreisen als unangebracht gesehen wird. Somit ist es hierbei die Grenzenlosigkeit, die wiederum Grenzen schafft.

Was hervorsticht, ist die ausdrückliche Erwähnung der weiblichen Brust, die auf Facebook nicht gezeigt werden darf. Dies wird von Frauen mitunter als diskriminierend empfunden. Doch auch hierbei geht es, wie in der gesamten Debatte um Sex-Appeal, wiederum um eigene Vorstellungen, Vorlieben und Geschmäcker. Dass Nacktheit nicht immer gleich Nacktheit ist, räumt Facebook damit ein, dass stillende Frauen und Vernarbungen durch Brustimplantationen gezeigt werden dürfen, um auf bestimmte Tabus aufmerksam zu machen.

Dennoch werden nicht-gezeigte weibliche Brüste häufig kritisiert, unter anderem von einer Brustkrebskampagne, die mit nackten Brüsten auf das Brustkrebsrisiko aufmerksam macht und gleichzeitig mit den „prüden“ Facebook-Richtlinien spielt. Die Kampagne lief unter dem Namen „Check it before it’s removed“ und sorgt damit für Aufmerksamkeit in der Netzwelt (Ambos, 2016). Die Zweideutigkeit weist zum einen auf die Notwendigkeit von Vorsorgeuntersuchungen hin und kritisiert gleichzeitig die Tatsache, dass die weibliche Brust ein Tabu im Netz darstellt.

Das Beispiel zeigt sehr gut, dass Frauenbilder im Web eine teils andere Perspektive verlangen. Während man verschiedenste Möglichkeiten der Interaktion hat, ist man doch gewissen Vorgaben unterworfen, die vielleicht auch nicht immer mit den eigenen Einstellungen übereinstimmen.

6. Frauenrollen in den Medien - Was bleibt?#

Sexismus, Sex-Appeal, Sexualisierung und Geschlechter-Stereotype sind Konstrukte, die uns im Bereich der Medien immer wieder begegnen werden. Ein Blick auf die historische Entwicklung einzelner Medien hat gezeigt, dass eben diese Dimensionen oftmals zum Aufbau von einem bestimmten Verständnis von “Weiblichkeit” und “Männlichkeit” geführt hat. Dabei wurden vor allem weibliche Rollenbilder immer auf bestimmte Sphären oder auf Äußerlichkeiten reduziert dargestellt. Diese Reproduktion von Geschlechterdifferenzen zum Nachteil der Frauen ist kritisch zu hinterfragen und bleibt auch heute ein beständiger Diskurs. Das Bild von weiblichen Figuren ist immer noch weiter von realer Weiblichkeit entfernt, als dies bei Männern der Fall ist. Auch wenn es einige Bestrebungen gibt, dieses “gender gap” und Sexismus aus den Medien herauszubekommen, ist es noch ein langer Weg. Denn auch wenn es sich hier oft nur im fiktionale Charaktere oder animierte Figuren handelt, sind es genau jene Bilder, die die Gesellschaft mitprägen und damit bestimmte gesellschaftliche Normen und Vorstellungen reproduzieren.

Was kann man dagegen tun? Oder ist es ohnehin sinnlos, dagegen anzukämpfen? Wie bei so vielen Bereichen liegt auch hier die Lösung auf der Hand: Bildung, Aufklärung und kritisches Hinterfragen sind wohl das beste Mittel, um frauenfeindlichen Darstellungen entgegenzuwirken. Denn derartige Konzepte können nicht von heute auf morgen aufgebrochen werden. Deshalb wird es vermutlich noch eine ganze Zeit dauern, bis die vollkommen Gleichberechtigung erreicht ist. Wenn dies überhaupt möglich ist. Denn wie erläutert, ist das subjektive Empfinden bei solchen Thematiken sehr prägsam. So wird es wohl kaum möglich sein, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Und ganz gleich sind Frauen und Männer nun mal nicht. Was nicht bedeutet, dass es nicht beide Geschlechter verdienen, gleich fair behandelt zu werden. Geschichtlich betrachtet lässt sich in jedem Fall eine positive Entwicklung über das Frauenbild in den Medien feststellen. So können wir dies schon ganz optimistisch als Tendenz sehen, wie es womöglich in den nächsten Jahrzehnten (oder Jahrhunderten?) weitergehen kann. Mit starken Männern und starken Frauen.

Literatur#

Ambos M. (2016). Clevere Brustkrebs-Kampagne spielt mit Facebook-Prüderie. Woman. Letzter Abruf am 31.10.2016 von http://www.woman.at/a/brustkrebs-kampagne-facebook-check-it-before

Clauss, M. (2010). Von Bizarr zu Blockbuster: die Darstellung gewalttätiger Frauen im Film als normativer Prozess. In: Drews-Sylla, G., Dütschke, E., Leontiy, H., Polledri, E. (Hrsg.). Konstruierte Normalitäten - normale Abweichungen. Wiesbaden: Springer.

Facebook (2016). Gemeinschaftsstandards. Letzter Abruf am 31.10.2016 von https://www.facebook.com/communitystandards/#

Frauenberger S. (2016). Was ist sexistische Werbung? Letzter Abruf am 06.11.2016 von http://www.werbewatchgroup-wien.at/was-ist-sexistische-werbung

Herbst, H. (2016). Der Billa Hausverstand ist jetzt weiblich – im Vorstand sitzen 0 Prozent Frauen. Letzter Abruf am 06.11.2016 von http://www.vice.com/alps/read/der-billa-hausverstand-ist-jetzt-eine-frauim-vorstand-sind-frauen-mit-0-prozent-vertreten

Hinnemann, F. (2008). Darstellung der Frau in der Werbung. Sexismus oder Genderspezifische Wahrnehmung, Berufskolleg für Technik Auhaus. Letzter Abruf am 06.11.2016 von https://frauenbeauftragte.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/ beauftragte/frauenbeauftragte/Darstellung_der_Frau_in_der_Werbung.pdf

Küchenhoff, E. et al. (1975). Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz: Universität Münster.

Moser, K. (1997). Sex-Appeal in der Werbung. Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie.

OECD (2012). Gleichstellung der Geschlechter – Zeit zu handeln. Letzter Abruf am 04.11.2016 von http://www.oecd.org/berlin/Gender%20Gap_Exec%20Sum_GER.pdf

OnlineMarketing (2016). Shitstorm. Letzter Abruf am 31.10.2016 von http://onlinemarketing.de/lexikon/definition-shitstorm

Röben, B. (2013). Medienethik und die “Anderen”. Multiperspektivität als Schlüsselkompetenz. Wiesbaden: Springer.

Robinson et.al (2015). Digital inequalities and why they matter. Information, Communication & Society, Vol. 18, No. 5, 569–582.

Vom Orde, H. (2013). Geschlechterbilder in den Medien. Eine Zusammenfassung ausgewählter Forschungsergebnisse. Televizion, 2, S. 11-15.

Weichert, S. (2014). Demokratie als Shitstorm? Implikationen zur politischen Debattenkultur durch Social Media. Communicatio Socialis, 47, S. 203-213.

Weiderer, M. (1993). Das Frauen- und Männerbild im Deutschen Fernsehen. Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTL. Regensburg: WEstdeutscher Verlag, Opladen. Letzter Abruf am 22.12.2016 von http://epub.uni-regensburg.de/3042/1/Frauen_und_Maennerbild.pdf.

UNCTAD United Nations Conferrence on Trade and Development (2013). World Investment Report, 2013-Global Value Chains: Investment and Trade for Development. Letzter Abruf am 06.11.2016 von http://asia.floorwage.org/workersvoices/reports/precarious-work-in-the-h-m-global-value-chain

Weitere Beiträge zu den Themen Ausbildung, Journalismus und Medien.


Bild 'sim-link'
Austria-Forum Beiträge in ähnlichen Gebieten