DIE ZIGARETTE#
1922. Der Zigarettenverbrauch hat in letzter Zeit gewaltig zugenommen und Zigarre und Pfeife in den Hintergrund gedrängt.Die Zigarette ist nun Beherrscherin der Rauchmode. Sie entspricht ganz in die heutige temporeiche Zeit.
Die Zigarette ist spanischen Ursprungs, hat sich aber erst spät die Weltgeltung, die sie heute besitzt, erobern können. Erwähnt wird sie erstmals von einem französischen Edelmann, Pierre de Fleurville, der darüber schreibt; „Ich hatte 1767 ein Abenteuer mit einer jungen Brasilianerin, mit sehr schönen Augen, eine Haut wie Kupfer und rauchte Zigarillos und blies den Rauch mit einer Art Wollust von sich. Ihr von Nikotin vergifteter Atem stieß mich bald ab.“
Noch um 1850 ist die Zigarette bei uns wenig bekannt wie das Brockhaus Lexikon von 1853 bezeugt in dem es erklärt: „Cigarettos oder Cigaritos heißen die spanischen Papierzigaretten, welche aus einem Röllchen aus feinen Papiers oder Reisstroh bestehen, das mit fein geschnittenem Tabak gefüllt ist, sie werden auch in Deutschland verfertigt, wo sie aber unbeliebt sind.“
Der Siegeszug der Zigarette setzt sich erst im letzten Viertel des XIX., Jahrhunderts ein, und zwar sind es hauptsächlich die Dichter und Künstler, die diese elegante Form nun bevorzugen. Oscar Wilde prägt den Satz „Die Zigarette ist der vollendete Ausdruck eines vollkommenen Genusses, sie ist exqusit und lässt uns unbefriedigt.Auch Brahms war ein großer Verehrer der Zigarette, wie die folgende Geschichte beweist, die der Liederkomponist Erich J. Wolff, einer seiner Schüler erzählt. Brahms schenkte ihm einmal eine besonders gute ägyptische Zigarette die der andere sorgfältig in seiner Brieftasche verstaut. Er hob diese Kostbarkeit auf, denn man bekommt nicht jeden Tag eine Zigarette von Johannes Brahms.
QUELLE: Neues Wiener Journal, 23. Juni 1922, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp