HARRACH PALAIS#

Um die architektonischen Schönheiten Wiens zu erkunden, sollte man einen Sonntagmorgen wählen. Zu dieser Stunde herrscht noch angenehme Ruhe, kein Touristenstrom stört die Idylle, hin und wieder eilt raschen Schrittes ein Besucher zur Basilika „Unserer Lieben Frau zu den Schotten“ um der Messe beizuwohnen. Wir befinden uns auf der geschichtsträchtigen Freyung, vor uns das Palais Harrach. Anmutig und in edler Würde des Barocks verleiht es dieser Stadt ihr Gepräge. Ein Wahrzeichen, aus einer glänzenden Vergangenheit....
Äußerlich im Stil etwas verhalten eröffnet sich im Innern eine nie geschaute Pracht, mit einer der schönsten Barockstiegen Wiens und einer bemerkenswerten Galerie. Schottenkirche und Adelspalais waren einst Alleinherrscher dieses Platzes.
Langsam erholte man sich von der Pest, die Türken war man endgültig los. Lebensfreude kehrte zurück in die Kaiserstadt an der Donau. Der Hof nahm an Glanz und Ansehen zu und sonnte sich im feierlichen Zeremoniell spanischer Etikette. Der Adel verließ seine Besitzungen auf dem Land und übersiedelte in die Residenz um sich hier prunkvolle Palais errichten zu lassen. Nach Harrach folgten Dietrichstein, Kaunitz, Liechtenstein, Batthyany, Daun, Winterpalais des Prinzen Eugen, das Belvedere und das ungarische Gardepalais. Bald herrschte pulsierendes Leben in Wien. Feste und Bälle fanden statt. Künstler und vor allem Komponisten die hier ihre Werke zur Aufführung brachten, wurden weltberühmt. Unternehmer mit ihren Erzeugnissen waren sehr willkommen, hatten Erfolg und genossen bald hohes Ansehen.
Das barocke Juwel, das 1702 errichtet, verdanken wir dem Grafen Ferdinand Bonaventura Harrach, dem Obersthofmeister und Freund Kaiser Leopold I., Wer den Plan entworfen hat ist nur eine Vermutung, dass es der Erbauer des Belvedere, Johann Lucas von Hildebrandt sein könnte, der unter dem Sohn und Nachfolger des Erbauers Grafen Thomas Alois Raimund, für das Stadtpalais, für das Sommerpalais auf der Landstraße und für das Schloss Prugg tätig war.
Seinerzeit dürfte der Hof von offenen Pfeilerarkaden umgeben gewesen zu sein. Auf den Bildern Canalettos und Kupferstichen von Kleiner-Pfeffels sowie Delsenbach ist noch zu erkennen wie die Fassade ursprünglich ausgesehen hatte. Offenbar wurden diese 1850 beim Umbau verbaut und der in den Hof stilvoll eingefügte Brunnen, der einst Wasser aus der nahen Hofburg bezog. Doch das Palais hat noch Bemerkenswertes zu bieten. Außer der Barockstiege aus roten Salzburger Marmor, gibt es noch das chinesische Zimmer, das damals in Mode gekommen war. Auch eine Gemäldegalerie war hier zu finden, die unter der Leitung des ehemaligen Restaurators des Kunsthistorischen Museums, Regierungsrat Hermann Ritschl stand. Darunter sind unschätzbare Kunstwerke Gemälde von Rubens, Rembrandt, Perugino, Tintoretto, Guido Reni, Velasquez und Murillo zu bewundern.
Die Gründung dieser wertvollen Galerie war ebenfalls dem Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach zuzuschreiben. Dieser weitgereiste, kunstsinnige Grandseigneur war Gesandter Leopold I., am Hof von Madrid und hatte Gelegenheit in Klöster und Schlösser des Landes Meisterwerke der spanischen Schule um 1670 kennen zu lernen. Fand eine „Almoneda“, eine öffentliche Bilderauktion statt, war Harrach zugegen und ihm gelang es einige dieser Werke nach Wien zu bringen. Darunter befand sich jenes Gemälde von Lucas de Heere „Drei musizierende Mädchen“, das unlängst in der Sezession zu sehen war.
Sein dritter Sohn Thomas Alois Raimund von Harrach, der von Karl VI., als Vizekönig von Neapel, eingesetzt, hatte in der fünfjährigen Regentschaft Zeit selbst Gemälde bei den Künstlern der neapolitanischen Schule zu bestellen. Für das Stiegenhaus im Wiener Palais ließ er in einem Kolossalgemälde von Nicolo Maria Rossi einem Schüler Francesco Solimenas auf drei Riesenflächen stellen die „Funzioni pubbliche“ des Vizekönigs dar, die Ausfahrt aus dem Palazzo Reale, seine Wallfahrt zur Kirche Piedigrotta und seine Anteilnahme am Fronleichnamsfest, der berühmten „Festa di quattro altari“. Die drei Gemälde bildeten im Palazzo Reale ausgestellt, die Bewunderung von ganz Neapel. Der Blick schweift über die Stiege hinauf zu dem lebensgroßen Reiterbildnis das aus dem dreißigjährigen Krieg her bekannten Generals Grafen Buquoy von Pieter Snayers. Unter dem Pferd ist die Schlacht am weißen Berg bei Prag dargestellt. Ein großer Teppich aus Seide gestickt mit dem Wappen der Familie, fällt sogleich beim Eintreten auf.
Am Ende von Salons gelangt man in die Gobelin Salons. Reich ornamentierte rote Gobelins bedecken nicht nur die Wände sondern auch die Sitzmöbel deren Gestell und jenes des Marmortisches, reiche Vergoldung zeigten, ein Prachtkamin aus dem Atelier des Mailänders Tantardini, herrliche Vasen und Kronleuchter füllen die Ecken. In der Privatbibliothek über dem Kamin zeigt ein Gemälde des Erbauers des Palais Grafen Ferdinand Bonaventura, das von dem Niederländer van Schooten gemalt wurde. Im Rauchsalon begegnet man in einer Nische ein lebensgroßes Porträt des Oberststallmeister Kaiser Ferdinands III., Franz Albert Harrach, ein Werk des Augsburgers Johann Ulrich Mayer.
Reichhaltig sind auch jene Werke von Rubens und Rembrandt die ein anderes Mitglied der Familie Harrach, der als Obersthofmeister der Tochter Leopold I., Erzherzogin Maria Elisabeth, Gouverneurin der Niederlande in den acht Jahren seines Aufenthaltes sammeln konnte.

Vervollständigt wurde die Gemäldesammlung im Harrach Palais durch Ankäufe aus den Besitzungen Truchsess, Fries und Dietrichstein sowie von Kunsthändlern. Außer Gemälden gibt es noch Sammlungen von 30.000 Kupferstichen, Radierungen usw.
Bei der Hochzeit von Kronprinz Rudolf mit Stephanie von Belgien am 10. Mai 1881 befanden sich Kämmerer Rittmeister Alfred Graf Harrach zu Pferd und Johann Graf Harrach zu Pferd, Wirklicher Geheimer Rat Franz Graf Harrach im eigenen zweispännigen Galawagen im Festzug.
Die Residenzstadt präsentierte sich an diesem Festtag in ein glänzendes Lichtermeer so auch auf der Freyung wo die Schottenkirche mit einem großen Gasflammenkreuz geschmückt und der umfangreiche Balkon des Palais Harrach glich einem Meer von Flämmchen und der Wintergarten war von innen erleuchtet, so dass man die Grünpflanzen desselben von außen bewundern konnte.
Das Amt des bevollmächtigten der tschechoslowakischen Republik übersiedelte am 6. August 1919 aus dem Lobkowitz Palais in das Harrach Palais, Wien, I. Bezirk, Freyung 3. Im Harrach Palais befand sich das Präsidium, die Konsularrechtsabteilung und das Ernährungsreferat. Das Harrach Palais hat folgende Telefonnummern: interurban: 16.460, 18.198: lokal: 15.306.... Im Lobkowitz Palais blieb die volkswirtschaftliche Abteilung, das politische Handelsreferat, das Finanzreferat und die Ausfuhrkommission.....
QUELLEN: Die Bühne, 1931, Nr. 296, Bilder von Bruno Reiffenstein, Sport und Salon, 12. April 1902, Morgen Post, 10. Mai 1881, Wiener Salonblatt, 16. August 1919, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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