LIPPENSTIFT#
Für jede gepflegte Frau ist der Lippenstift ein wichtiges Utensil geworden. Wann er die Lippen der Damen zum ersten Mal zum Leuchten brachte, wer ihn erfunden und für ihn geworben hatte, all das ist nicht mehr zu eruieren.
In Ägypten fand man nur ein künstliches Wangen rot, wie Nofretete ihre Lippen behandelt hatte, bleibt wohl ihr Geheimnis, die römische Damenwelt waren Meisterinnen im Make up. Sie kannten Gesichts Salbe, die einen zarten Teint ergab. Die Salbe war aus einer Bleiverbindung mit Kalk hergestellt. Die Augenbrauen Farbe hatten die Römerinnen von den Ägypterinnen übernommen, ein rotes Pulver, mit dem wurden die Lippen bemalt. Nicht einmal die elegante Poppäa besaß einen Lippenstift. Und die Griechin kannte ebenfalls nur die Pomade für die Lippen. Am französischen Hof war man auch nicht fortschrittlicher.
Die Firma Elizabeth Arden erzeugte seit 30 Jahren Lippenstifte, aber sie würde keinesfalls den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, den Lippenstift erfunden zu haben.
Der Chef der berühmten Parfum Firma Coty vertrat den Standpunkt, dass es seit dem Jahr 1910 Lippenstifte gäbe. Auch er kannte den Erfinder aber nicht.
Ein französischer Chemiker Leon M. Boudecroix, sei der geistige Vater dieses viel gerühmten Requisiten. In England musste man noch im Jahr 1925 in der Apotheke ein Rezept vorweisen wenn man einen Lippenstift kaufen wollte da diese eine Lippensalbe war. Die erste offizielle Lippenstift-Annonce war die Ankündigung eines Farbstiftes für die Lippen der Parfum Firma „Vinolia“ in Paris und wurde im Jahr 1912 angepriesen.
Vor Jahrzehnten führte der Lippenstift noch ein Leben im Verborgenen. Doch allmählich konnte sich das für die Frau unverzichtbare Schönheitsmittel durchsetzen. Hat ein weibliches Wesen einmal einen ersten Versuch probiert, ist sie dem auch schon verfallen. Der Lippenstift belebt das Antlitz und lässt es jugendlicher erscheinen. Er soll dezent und nicht zu auffällig wirken. Jedenfalls der Lippenstift hatte sich durchgesetzt und man kann kaum noch auf ihn verzichten. Durch ihn werden trockene und rissige Lippen wieder schön und attraktiv
Ein geschminkter Mund kann verführerisch, aufreizend, verlockend, sinnlich wirken. Wie so manches wurde auch der Lippenstift für verschiedene Zwecke missbraucht.
Eine Wiener Schauspielerin wollte sich an ihrem Partner rächen. Sie mengte Paprika in den Lippenstift und küsste während der Film Probe ihren Partner. Dem brannten derart die Lippen, dass die ganze Probe abgesetzt werden musste und die Schauspielerin wegen Schadenersatz geklagt wurde.
In Lothringen färbte ein Bauer mit dem Lippenstift die gebleichten Kämme seiner beiden alten Hähne. So konnte er sie als jung verkaufen man kam ihm darauf und wurde wegen Betruges belangt.
In Bordeaux kam es 1933 zu einem Mordanschlag mit Lippenstift. Die Frau eines Weinhändlers war an einer schweren Vergiftung erkrankt und wurde in das Krankenhaus eingeliefert wo sie starb. Ihr Tod gab der Polizei Rätsel auf. Bis ein Kriminalbeamter einen Lippenstift chemisch untersuchen ließ der durch und durch vergiftet war.
Die Frau hatte einen Geliebten, der sehr eifersüchtig war. Beruflich ein Apotheker hatte ihren Lippenstift gegen einen von ihm präparierten ausgetauscht.
In Brüssel wurde ein Lippenstift erfunden und patentiert, der den Geschmack von Wein hinterlässt. Für Antialkoholiker soll ein zweites Modell folgen, mit Orangen- oder Himbeergeschmack.
Ruth Elder hatte im Jahr 1927 mitten im Oktober den verwegenen Versuch unternommen, den Ozean zu überfliegen. Das Flugzeug stürzte ins Meer, sie wurde von einem holländische Öltanker gerettet und kaum hatte sie den Fuß über die Reeling gesetzt – zückte sie den Lippenstift, während draußen auf dem Meer das Flugzeug in Flammen aufging, bemalte sie ihre Lippen. Die Morning Post zweifelte an der Geschichte. Doch der holländische Kapitän hatte den Lippenstift sogar im Logbuch verzeichnet. Hätte sie irgend einen anderen Gegenstand benützt wäre das nicht so interessant gewesen. So wurde der Lippenstift zu dieser Zeit zu einer symbolische Würde emporgehoben.
Was wusste man von der Zusammensetzung des damaligen Lippenstiftes. Die Lippenstifte wurden unter Verwendung verschiedener Wachs- und Fettmassen mit etwas 20% Farbstoff warm gegossen. Sie sollten genügend hart, aber auch nicht spröde sein. Sollen nicht schmieren und nicht glänzen! Schon bei leichtem Reiben auf der Lippe muss der Lippenstift genügend gut deckenden Farbstoff abgeben. Eine Fett Schminke auch als Tages Schminke verwendet, kam erstmals in Deutschland unter der Bezeichnung „Rose sympathique“ auch „Rose de Perse“ oder Alloxan Schminke, als farblose Masse in den Handel. Neben Fettkörpern enthält sie Alloxan (Mesoxalyl Harnstoff), eine in Wasser leicht lösliche Substanz, die erst, mit der Haut in Verbindung gebracht, eine sehr natürliche Rotfärbung hervorruft. Damals wurde es in Amerika Mode die Lippen nach der Färbung zu lackieren, um ihnen besondere Schönheit zu verleihen!
Vor Jahren wurde es bei uns modern die Lippen mit Permanent Make up alltags tauglich zu machen.
Ein gefeierter Modemaler, der Holländer Kees van Dongen, in Paris lebend, dessen Atelier ein Mittelpunkt der eleganten Pariser Damenwelt war. Seit kurzer Zeit stellte der Künstler Bilder in „Lippenstift-Pastell“ her. Und diese neue Art der Kunst war einem Zufall zu verdanken. Sein Vortrag „Kunst des Schminkens“ hatte einen großen Zulauf von all den bezaubernden Wesen. Eine von ihnen hatte ihr Schmink- Köfferchen bei sich und forderte den Meister auf ein Porträt mit einem Lippenstift zu machen. Dieser Vorschlag rief bei den übrigen Damen große Begeisterung hervor. Dem Maler blieb nichts anderes übrig als dem Wunsch Folge zu leisten. Nach dem ersten gelungenen Lippenstift-Porträt wünschten auch alle weiteren Damen von ihm mit Lippenstift porträtiert zu werden, Natürlich hatte er sofort Nachahmer gefunden.
Eine Schönheit Autorität war G. L. Michel der wahre Wunder von Lippenstifte schaffte, der die Schönheit einer Frau heben und betonte. Lippenstift wurde damals als das am meisten verjüngende Schönheitsmittel anerkannt.Ein Lippenstift aber, der seiner Trägerin gerecht werden soll, muss mit entsprechender Sorgfalt hergestellt sein. Er muss die geeignete Farbe haben und es ermöglichen, in der gewünschten Stärke anzuwenden. Er soll nicht nur Frische, nicht glänzen, darf nicht schmieren, er soll fest haften und die Lippen schützen, soll angenehm im Geruch und Geschmack sein. All das traf für den Michel Lippenstift zu, denn bei seiner Herstellung ist nichts dem Zufall überlassen worden. All das ist der Grund, dass er sich die Gunst so vieler Damen erworben hatte. Keine mondäne Frau würde sich mit nur einem Lippenstift begnügen, sie liebt Abwechslung, auch in den Farben des Lippenstiftes und gebrauchen tatsächlich verschiedene Farbtöne, denn sie sollten passend zu ihren jeweiligen Roben sein. Gerade der Michael Lippenstift in seinen Variationen von Schattierungen erfüllte den Wunsch der verwöhnten Dame im Jahr 1927.
In Amerika war es Mode geworden durch den Lippenstift seinen Charakter und seine Stimmung auszudrücken. Gehörte doch der Lippenstift zu den „lebensnotwendigen Bedürfnissen“ einer Frau und in seiner Handhabung hatte sich eine große Kunst entwickelt. Einige Filmstars sind in der „Charakterzeichnung“ mit dem Lippenstift bahnbrechend gewesen. Wie amerikanische Blätter herausfanden hat Dorothy Dwan den „unschuldigen Mund“ geschaffen. Aber ebenso gut wie Naivität kann man mit dem Lippenstift verführerischer Dämonie akzentuieren. Der „Vampir Mund“ ist in der Form eines Herzens gemalt und diese aufgeworfenen Lippen kann kein Mann widerstehen. Die nüchterne geschäftstüchtige Frau zeichnet eine schmale Lippen Linie und will damit ihre Unabhängigkeit und Männerfeindlichkeit ausdrücken.
Auch im Reich der Töne werden die Lippen ob in Operettenmelodien oder Schlager oft und oft besungen.
Nichts gleicht an Schönheit einem Munde, der etwas größer, die Lippen voll und saftig.Ein solcher Mund, zum Küssen schön, verklärt das Gesicht und verleiht ihm eine freundliche und freudige Note. Kleine Mündchen sind zu dieser Zeit nicht mehr gefragt.
In einer norwegischen Schule hatte ein Mädchen während des Unterrichts den Lippenstift benutzt und wurde von dem Lehrer aus der Klasse gewiesen, da er ein so unanständiges Verhalten während des Unterrichts nicht dulden könne. Die Eltern beschwerten sich daraufhin beim Schuldirektor und verlangten eine Entschuldigung des Lehrers, denn die Benützung des Lippenstiftes sei auch in der Schule nichts verwerfliches. Doch der Direktor nahm die Stellung des Lehrers ein und vertrat dessen Standpunkt, dass das „Toilettemachen“ eitler Backfische nicht während des Unterrichts zu geschehen habe. Die Eltern bemühten nun alle Instanzen der Schulverwaltung bis zum Ministerium. Nun hat sich also das norwegische Kirchen- und Schulministerium mit der Frage zu beschäftigen ob die weiblichen Nachfahren der Wikinger berechtigt sind, in der Schulstunde ihre Lippen mit dem Lippenstift zu verschönern. Geschehen im Jahr 1939.
_QUELLE: Ödenburger Zeitung 15. September 1935, S 5, Moderne Welt 1937 Heft 3 S12, Frisierkunst 1937 Heft September S 12 ANNO Österreichische Nationalbibliothek Bilder I.Ch. Graupp
https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/LIPPENSTIFT