VOLKSFEST IM PRATER#
Das am 22. August 1880 im Wiener Prater abgehaltene Volksfest sollte eine im großen Stil angelegte Nachfeier des 50. Geburtsfestes des Kaiser Franz Joseph werden. Trotz des ungünstigen Wetters war die Teilnahme der Bevölkerung eine großartige und über 200.000 Menschen füllten am Nachmittag und Abend die Praterauen und alle Angebote der Belustigung oder dem Konsum gewidmeten Lokalitäten.
Nach einer herrlichen, sternenklaren Nacht zog ein trüber, nach Regen verkündender Morgen herauf, und tief hängende Wolken ließen den Freudentag düster erscheinen. Trotz allem wurde der Tag in allen Bezirken mit einem Konzert, meist von Militärkapellen, eröffnet. Um 9 Uhr 30 gingen die Musikproduktionen dem Ende zu.
Aus allen Bezirken strömten nun die Wiener Bevölkerung in den Prater. Dichte Gruppen umstanden die Feststände auf dem Praterstern und bestaunten mit Bewunderung den reizenden Renaissance Aufbau. Im Prater zerstreute sich die Menschenmasse in die Haupt- oder Feuerwerksallee. Hier konnten die Neugierigen die letzten Vorbereitungen des abendlichen Feuerwerkschauspiel in Augenschein zu nehmen. Andere zog es wieder zu den Schaubuden, oder zu einer improvisierten Buschenschank die im Entstehen war. Auch den Festplätzen wurde ein Besuch abgestattet, wo am Nachmittag das Festprogramm stattfinden soll und das bestimmt mit großen Gedränge von Menschen verbunden war. Große Heiterkeit herrschte bei den Kletterbäumen, hatte der Kletterer endlich mühsam die Höhe erreicht, jedoch nicht das Ziel, als er sogleich eine Rutschpartie nach unten machte.
Nach und nach füllten sich die Gasthäuser, und an den bunt gedeckten Tischen der gewöhnlichen Praterwirtshäuser, oder auf Bänken der Buschenschänken. Überall herrschte reges Treiben, zu all den köstlichen Speisen genoss man den kühlen Gerstensaft oder ein Glas Wein.
Um 10 Uhr konzertierte in der Rotunde die Schroll'sche Fabriks Feuerwehrkapelle aus Braunau in Böhmen. Die Produktionen dieser niveauvollen Musikkapelle wurden von einem zahlreichen Auditorium durch mehrmaligen Beifall ausgezeichnet.
Um 3 Uhr Nachmittags sollte das eigentliche Volksfest seinen Anfang nehmen. Die dunklen Wolken, welche bereits den gesamten Vormittag bedrohlich aussahen, hatten dem Festkomitee nichts anhaben können und sie dachten auch nicht daran das Fest eventuell abzusagen und fuhren in 10 offenen Wagen in den Prater und das war gleichzeitig das Zeichen, dass das Fest stattfinden wird.
In den ersten Nachmittagsstunden zogen dichte Scharen fröhlicher Menschen durch alle in den Prater mündeten Straßenzüge, um rechtzeitig beim Beginn des Volksfestes an Ort und Stelle zu sein und sich wo möglich ein günstiges Plätzchen zu erobern zum Schauen oder zum Hören.
Gegen 15 Uhr setzte ein kurzer aber heftiger Regen ein, der das bewegte Straßenbild zur Unterbrechung zwang. Doch bald darauf wälzten sich Massen von Menschen über den Franz Josephs Kai, über die Brücken des Donaukanals, die alle festlich beflaggt, durch die Praterstraße, in welcher die Festsäule, mit ihrem reichen architektonischen Schmuck von Praterstern herüber grüßte. Ihr zu Füßen sammelten sich verschiedene Militärkapellen um mit klingendem Spiel zum Festplatz zu ziehen und mit ihr zogen die fröhlichen Wiener sogleich mit.
Beim Praterstern angekommen, hatte jeder der Besucher ein anderes Ziel, Die einen wollten geruhsam durch die Prater Hauptallee wandern, sich allmählich in den Auen ausbreiten, zur Feuerwerkswiese, der Vermählungswiese, zur Rotunde, zur Rennbahn oder zum Konstantinhügel, es gab so viele Möglichkeiten hier einen schönen Tag zu verbringen.
Die Musikkapellen begannen mit der Volkshymne, die mit brausenden Jubel und stürmischen Hochrufen begrüßt wurde. Alle Festplätze waren für die Schaulust und Unterhaltung bestens gesorgt, waren doch Tanzböden vorhanden, und die Kletterbäume die für Spaß sorgten. Vertreten waren auch Seiltänzer und Akrobaten, die zu dieser Zeit niemals fehlten.
Dann aber kam Bewegung unter den Besuchern des Praters denn ein Monsterkonzert von 1400 Sängern der Gesangsvereine Wiens und der Vororte der Stadt auf der Feuerwerkswiese, sowie das Konzert des Wiener Männergesangsvereins beim Konstantinhügel. Ein weiterer Höhepunkt des Festes waren die bereits erwähnten Seiltänzer auf dem Platz nächst der Rotunde, deren Laterne mit einbrechender Dämmerung in elektrischem Licht erstrahlte, begleitet von all den erregten Blicken der Zuschauer die dem Schauspiel auf dem 30 Meter hohen Seil atemlos verfolgten.
Böllerschüsse lockten die Menschen wenig später zum Stuwer'schen Feuerwerk. Prächtig stiegen die Raketen zum Nachthimmel empor und streuten bunte Leuchtkugeln über die nächtlichen Auen. Nach den effektvollen Farbenspiel der ersten Fronte, erregte das großartige Lichtbild der zweiten Fronte einen brausenden Jubelruf der faszinierten Volksmenge. Dasselbe enthielt nebst dem Reichsadler und der Krone mit den Reichsinsignien die Initialen des Kaisers und die Jahreszahlen 1830 und 1880. Den Schluss bildete eine farbenprächtige Feuergarbe aus 200 Raketen. Die Menge bewegte sich wieder zu den Festplätzen zurück, die mit bengalischen Licht beleuchtet waren, doch der Praterstern war nun der Anziehungspunkt, über den sich das blendend weiße Licht der Festsäule ergoss. Nach 23 Uhr war der erlebnisreiche schöne Tag zu Ende und gehört nun der Vergangenheit an.
QUELLE: Neue Illustrierte Zeitung, 29. August 1880, S 10, auch die Bilder, ANNO Österreichische Nationlbibliothek
https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp